Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Der Schutz vor Gefährdung durch psychische Belastungen bei der Arbeit, das klingt toll. Krankheit zu vermeiden, da dürfte wohl niemand dagegen sein. Für eine Prävention ist jeder hier im Saal, da bin ich mir sicher.
Aber was meinen wir denn mit Prävention? Geht es uns nicht darum, neben dem Vermeiden von Erkrankungen
diese frühzeitig zu erkennen und im schlechtesten Fall Rückfälle zu verhindern? Einwirken auf eine Zukunft ohne Erkrankung, das ist Prävention, oder? Inhaltlich betrachtet sollen die Menschen in ihrem Arbeitsleben befähigt werden, gesund zu leben, ein gesundes Leben zu führen.
Ich habe mal eine Arbeitsschutzbelehrung, an der ich bei meinem letzten Arbeitgeber teilnehmen musste, Revue passieren lassen. Bei der wurde ich gefragt oder bei der habe ich mich gefragt, wozu die Ausführungen zum Umgang mit der Motorkettensäge für mich jemals nützlich sein würden.
Jetzt ist es mir klar geworden. Während für die Verhütung von Arbeitsunfällen mit physischen oder auch körperlichen Folgen und Berufskrankheiten umfangreiches Regelwerk verfügbar ist, fehlt Wissen über die komplexen Wechselwirkungen zwischen Arbeitsbedingungen und daraus resultierender psychischer Belastung und Beanspruchung.
Ich mache gar nicht erst den Versuch, stressauslösende Faktoren aufzuzählen, weil jeder anders auf spezifische Reize bei der Bewältigung besonderer Aufgaben reagiert. Ich will den Begriff „Stress“ auch nicht inflationär ge- brauchen, jeder kann ihn vielleicht für seinen üblichen Arbeitsbereich klassifizieren, aber es hört schon auf, wenn sich jemand anmaßt, stressauslösende Faktoren in einem Berufsfeld zu beurteilen, von dem er oder sie überhaupt keinen blassen Schimmer hat.
Im Übrigen kommt Stress nicht nur im Arbeitsleben vor. Insofern muss die Frage erlaubt sein, was denn genau psychische Belastung am Arbeitsplatz ist. Wie kann ich echte psychische Belastung erkennen? Was unterscheidet sie von individueller Befindlichkeitsstörung?
Wenn man nun ein bisschen das Thema googelt, Antistressverordnung, kommt man drauf, wo der Antrag der Fraktion DIE LINKE seinen Ursprung hat, nämlich bei der IG Metall, aber das steht ja auch in der Begründung.
Auf eine Meinung mögen wir uns nun nicht stützen, deshalb möchte ich ein paar Auffassungen darüber wiedergeben und auf Aktivitäten in diesem Rahmen hinweisen, ohne das, was die Ministerin gesagt hat, zu wiederholen.
Professor Dr. Markus Stoffels, für den Namen kann ich leider nichts, von der Universität Heidelberg kommentiert in einem Internetblog die Diskussion um den IGMEntwurf einer Antistressverordnung. Danach kritisiert die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände den Entwurf und sagt: „Jeder Ansatz, der allein auf das betriebliche Umfeld begrenzt ist, greift zu kurz. Die Ursachen psychischer Erkrankungen liegen meist außerhalb des beruflichen Umfelds.“
Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft meint in einer Presseinformation vom 27.06. dieses Jahres, dass
Professor Dr. Sascha Stowasser bezeichnet den Entwurf als einen deutlichen Rückschritt gegenüber bereits bestehenden Regelwerken, wie zum Beispiel der international gültigen Norm zur arbeitsbedingten psychischen Belastung.
Wenn ich recht informiert bin, meine Damen und Herren, sollen psychische Belastungen ab 2013 Thema der neuen Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie
(GDA) von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern werden. Ich glaube, das hat Herr Foerster auch schon angedeutet. (Henning Foerster, DIE LINKE: Ja.)
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi- zin soll sich ebenfalls in zwei Ausschüssen mit stressauslösenden Arbeitsbedingungen beschäftigen. Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wies am 17.09.2012 auf eine Metastudie hin, die den Risikofaktor „Arbeitsstress“ in sieben europäischen Ländern bestätigt – mit 200.000 Teilnehmern die größte bisher, leider war Deutschland nicht dabei. Aber es gibt noch eine Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland vom Robert-Koch-Institut, die sehr aufschlussreich ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sicher kennen Sie Unternehmen, die sehr um das Wohlergehen ihrer Beschäftigten bemüht sind. „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ ist das Zauberwort. Wirklich große Unternehmen haben wir hier ja kaum, deshalb schaue ich mal in die Nachbarschaft nach Hamburg und Wolfsburg zu Airbus und VW, wo man sich mit der Thematik in den Unternehmen selbst auch schon beschäftigt. Ob sich die Firmen dabei von außen hineinreden lassen wollen, weiß ich leider nicht. Wir sind der Meinung, dass die Sanktionierung, die das Papier der IGM vorsieht – das für Sie ja offensichtlich das Ei des Kolumbus ist –, Tür und Tor öffnet auch für die Möglichkeit einer missbräuchlichen Anwendung und Auslegung arbeitsrechtlicher Instrumente.
Frau Jennert-Friemann, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Henning Foerster zu? (keine Zustimmung)
Also ich möchte noch mal Wikipedia zitieren zur Diagnose „Burn-out“: „Manche Psychiater halten das Burnout-Syndrom für eine Mode- diagnose,“
„die als Grundlage zahlreicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein gesundheitsökonomischer Faktor
geworden sei und die Diagnose einer Depression behindern könne.“ Ich weiß, das wird Diskussionen geben.
Was ist zumutbare Arbeit? Wie unterscheidet man psychische Belastungsgrenzen in der Arbeit von anderen
persönlichen Belastungsfaktoren, die sich auf den Arbeitsprozess auswirken? Ja, und wie sieht stressfreies Arbeiten überhaupt aus? Ich wette, nach individuellen Maßstäben, jeder nach seinen stresslosen Bedürfnissen, bleibt der eine oder andere vielleicht gleich zu Hause. Ich denke, ganz kann man Belastungen am Arbeitsplatz nie abbauen. Doch zu einer Reduktion psychischer Belastungen können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer etwas tun. Jetzt nur auf die gestressten jungen Beschäftigten zu schauen, ist nicht richtig,
Die Kassen bieten schon vieles zur Gesunderhaltung von Körper und Geist, die Volkshochschulen, die Sportvereine, das Internet, doch Lebensstil, Verhaltensweisen, Fehlverhalten und Denkansätze der betroffenen Personen außer Acht zu lassen, wird nicht funktionieren. Gefährdungsbeurteilungen bei psychischer Belastung betreffen mit Sicherheit sehr sensible Punkte, nicht nur im Arbeitsbereich der betreffenden Personen. Viele Akteure des betrieblichen Gesundheitsschutzes sehen Gefährdungsbeurteilungen ganzheitlicher und wollen gar keine Schutzmauer von außen inszeniert haben.
Wir unterstützen von dieser Stelle eine Bundesratsinitiative nicht. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Psychische Erkrankungen nehmen seit vielen Jahren hier in Mecklenburg-Vorpommern deutlich zu und bewegen sich auf einem sehr hohen Niveau. Das geht unter anderem aus einer Kleinen Anfrage der NPDLandtagsfraktion hervor.
Wirkliche Konzepte, wie der Zunahme von psychischen Erkrankungen begegnet werden kann, hat die Landesregierung allerdings nicht. Die von der Landesregierung in der Kleinen Anfrage genannten Zahlen sind auf den ersten Blick erschreckend, können aber angesichts der zunehmenden Vereinzelung und der Verarmung weiter Teile unseres Volkes nicht unbedingt verwundern.
Die Landesregierung ergreift zwar Maßnahmen, um der im letzten Jahrzehnt gestiegenen Zahl psychischer Erkrankungen entgegenzuwirken, doch gleichen die Kampagnen so lange einem Herumdoktern an den Symptomen, wie die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht entscheidend verbessert worden sind.
Die NPD-Fraktion fordert nicht von ungefähr die Schaffung einer Gemeinschaft, in der jeder Angehörige unseres Volkes einen Platz erhält, der seinen Begabungen
und Fähigkeiten entspricht. Hierzu gehören sowohl das Recht auf eine Arbeit, die die eigene Existenz sichert, als auch entsprechende Arbeitsbedingungen, die jene Zustände, wie wir sie jetzt erleben, verhindern, wobei natürlich auch unterschieden werden muss zwischen jenen, deren Gesundheit wirklich in Mitleidenschaft gezogen wurde, und den anderen, die sich auf Kosten der Gemeinschaft dem Arbeitsleben, ohne dass sie wirklich krank sind, entziehen. Auch hier gibt es Fachleuten zufolge einen sehr hohen Anteil.
Eine Differenzierung der Betroffenen ist daher zwingend notwendig, um die Entwicklung zu verstehen. Einer Untersuchung der KKH-Allianz zufolge sind Arbeitslose, Rentner und Sozialhilfeempfänger häufiger krank als Menschen, die im Arbeitsleben stehen. Diese Gruppe repräsentiere rund ein Viertel der Versicherten, doch liege ihr Anteil an den psychischen Erkrankungen bei 53 Prozent. Dagegen seien Arbeitnehmer und Selbstständige unproportional betroffen. Sie machen 46 Prozent der Versicherten aus, wobei an Depressionen und anderen psychischen Krankheitsbildern nur 35 Prozent leiden würden, ein dennoch beträchtlicher Anteil. Das Spiel der freien Kräfte macht sie krank, denn die verfehlte Wirtschaftspolitik, die immer mehr Menschen bis hinein in den Mittelstand der Verelendung preisgibt, hat einen hohen Mitwirkungsgrad.
Die Deutsche Versicherungswirtschaft weist darauf hin, dass seelische Erkrankungen die häufigsten Ursachen für Berufsunfähigkeit sind. So heißt es da: „Für 27 Prozent der männlichen und 38 Prozent der weiblichen Frührentner war dies der Grund, aufzuhören. Alarmierend: Auslöser ist immer öfter die Arbeit selbst.“ Zitatende. Experten zufolge spielten bei der Zunahme seelischer Erkrankungen wie Depressionen vor allem psychische Belastungen am Arbeitsplatz, wie starker Termin- und Leistungsdruck, geringe Handlungsspielräume oder die Arbeitsplatzunsicherheit, eine große Rolle.
Mit der Globalisierung sind die psychischen Anforderungen in der Arbeitswelt allgemein gestiegen. Wissenschaftler betonen, dass schädlicher Stress vor allem dann entsteht, wenn eine hohe Verausgabung mit geringen Belohnungschancen verbunden ist. Umgekehrt erachten sie eine ideelle Wertschätzung für mindestens so wichtig wie die finanzielle Anerkennung. Mit anderen Worten: Aufwand und Nutzen stehen oftmals in keinem realen Verhältnis.
Psychische Probleme sind in Deutschland inzwischen die vierthäufigste Diagnose bei Krankmeldungen. Wer depressiv wird, fällt zudem länger aus als anderweitig Erkrankte.
Viele kehren gar nicht mehr in ihren Beruf zurück, damit sind dann auch große Herausforderungen an die finanzielle Versorgung geknüpft. Erst eine soziale und national ausgerichtete Ordnung wird hier entsprechende Abhilfe schaffen, da sie sich an den Bedürfnissen des Volkes orientiert,