Protokoll der Sitzung vom 26.10.2012

DIE LINKE, Pressemeldung: „Auch die heutige Konferenz ,Agrarindustrie oder Garten der Metropolen‘ in Schwerin hat nach Angaben der kommunalpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Jeannine Rösler, aufgezeigt, dass eine Kehrtwende in der Politik für die ländlichen Räume erfolgen muss. ,Wir brauchen eine Landwirtschaft, die umwelt- und artgerecht produziert und sich in regionale Wirtschaftskreisläufe einordnet‘“.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist denn daran verkehrt? – Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das erkläre ich Ihnen jetzt, was daran verkehrt ist. Leider ist die Frau Rösler nicht da, ich hätte Frau Rösler sonst gesagt, Schuster, bleib bei deinem Leisten.

(Heinz Müller, SPD: Na da ist sie auch nicht gut. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ich bitte Sie!)

Ich finde es auch interessant, dass die kommunalpolitische Sprecherin der LINKEN sich zur Landwirtschaft äußert. Das kann sie gerne tun, dann muss sie es aber fachlich fundiert machen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Und das entscheiden Sie, was fundiert ist?!)

Auf der von Ihnen angesprochenen Konferenz in dieser Pressemitteilung hat sich aber auch ein Geograf geäußert zur Entwicklung der Landwirtschaft und …

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Professor der Universität Greifswald. – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, ja, ich habe den gehört. Das ist der Professor, der gesagt hat, dass alles, was über 500 Hektar an Betrieben ist, eine industrielle Landwirtschaft ist. Und das ist etwas ganz Schlechtes. Und wir haben ja auch von Ihnen gehört, das wollen Sie nicht, das heißt, wir machen alle Betriebe klein. Das ist das, was dieser Geograf da geäußert hat,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nö. Ich schaue mal nach, ob er das gesagt hat.)

jemand, der offensichtlich von dem Thema selbst kei- ne Ahnung hat. Aber es scheint ja so, dass sich jeder ohne fachlichen Hintergrund zu diesem Thema äußern kann.

(Zurufe von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, und Udo Pastörs, NPD)

Hören Sie doch einfach mal zu!

Und, Frau Rösler, leider ist sie nicht da, wenn Sie von einer Kehrtwende in der Politik für ländliche Räume hin zu einer Landwirtschaft, die umwelt- und artgerecht produziert, sprechen, haben Sie offenbar die Entwicklung der letzten Jahre nicht verfolgt, und die GRÜNEN in ihrem Antrag genauso. Ich kann Ihnen gerne helfen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oooch!)

Wenn wir vor wenigen Jahren …

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, hören Sie doch einfach mal zu!

Wenn wir vor wenigen Jahren noch eine Milchviehhaltung hatten, in der die Kühe angebunden waren, die Anbindehaltung, herrschen heute Laufställe vor, mit viel Licht, viel Luft, in denen sich die Tiere frei bewegen können, in denen sie beispielsweise Massagebürsten haben, die sie nach Belieben nutzen können, in denen trockene, abgetrennte Einzelboxen sind, in denen sie verweilen können.

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Während die Hühner vor wenigen Jahren in engen Käfigen lebten, gibt es heute in Mecklenburg-Vorpommern ausschließlich Boden- und Freilandhaltung.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber das ist alles nur passiert, weil es die lauten Forderungen der Bürgerbewegung gegeben hat.)

Während Schweine vor wenigen Jahren in einzelnen Boxen fixiert gehalten wurden, ist heute die Gruppenhaltung Standard, und das ist auch gut so, denn Schweine sind ja hochsoziale Tiere. In der Genetik...

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Von alleine wäre doch nie was passiert. Geben Sie es doch zu!)

Hören Sie doch bitte einfach mal zu! Sie können nachher nach vorne kommen, können mir antworten, das Recht haben Sie doch.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Vielleicht darf sie ja nicht reden.)

Die Genetik des Schweins ist, das wissen wir ja, dem Menschen ja auch ähnlich, hochsoziale Tiere.

Und wenn ich mir unser aktuelles Agrarförderprogramm ansehe, dann ist für eine Förderung notwendig, dass es beispielsweise strukturierte Boxen gibt. Das ist wichtig für das soziale Zusammenspiel der Gruppe. Wir haben vorgeschrieben, dass es mehrere Spielzeuge für die Tiere geben muss zur Beschäftigung, ganz wichtig für die Tiere. Es gibt einen ganzen Katalog, aus dem da die Landwirte auswählen können. Es ist vorgeschrieben eine Höchstzahl an Tieren, die sich an der vom Landwirt bewirtschafteten Fläche orientiert.

Wir haben, sehr geehrte Damen und Herren von den GRÜNEN, diese auf zwei Großvieheinheiten je Hektar begrenzt. Sie wollen in Ihrem Antrag 1,7 Hektar. Einig sind wir uns offenbar, dass es eine Bindung, eine Größenbindung am zur Verfügung stehenden Boden geben soll. Dissens haben wir in der Größenordnung.

Die Entwicklung hin zu mehr Tiergesundheit und besseren Tierhaltungsanlagen und strengeren Vorschriften gehen weiter, denn noch immer ist nicht alles gut, das betone auch ich. Ich betone aber auch, dass die Landwirte Planungssicherheit brauchen. Die leben davon.

Aber vor dem Hintergrund dieser Entwicklung, die ich eben auch aufgezeigt habe, in den letzten Jahren davon zu sprechen, dass wir eine Kehrtwende hin zu einer Landwirtschaft, die umwelt- und artgerecht produziert, machen sollen, heißt, die Entwicklung der letzten Jahre nicht wahrgenommen zu haben. Diese Kehrtwende ist längst da. Wir können uns gerne darüber unterhalten, ob sie weit genug gegangen ist. Das können wir machen, das ist ja auch legitim. Damit beschäftigt sich der Antrag der GRÜNEN ja auch.

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber vor der Entwicklung die Augen zu verschließen, heißt, bewusst die Branche schlechtzureden. Das will ich noch mal ganz deutlich hier sagen. Und, meine Damen und Herren, dass sich die jungen Landwirte vor diesem Hintergrund dieser ständigen öffentlichen negativen Äußerungen Sorgen machen, das kann ich sehr gut ver- stehen.

Für meine Fraktion möchte ich betonen, dass wir eine differenzierte Betrachtung der Branche wollen. Die übergroße Mehrheit der Landwirte arbeitet selbstverständlich so, dass sie ihre Böden schützen, die Fruchtfolgen einhalten, sie arbeiten so, dass sie für ihre Tiere die möglichst besten Haltungsbedingungen haben, und sie arbeiten, die Landwirte sagen, nach den Regeln der guten fachlichen Praxis. Dass es in jeder Branche, auch in der Landwirtschaft, schwarze Schafe gibt, gehört zur Wahr

heit, das will ich auch ausdrücklich betonen. Kollege Tack hat gestern hier das Beispiel des Putenhalters aus Niedersachsen gebracht. Das ist ein abscheuliches Verhalten, was da an den Tag gelegt worden ist. Ich finde es nur schlimm, wenn diese abscheulichen Beispiele immer für die gesamte Branche herhalten müssen. Das haben die Landwirte nicht verdient.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Meine Damen und Herren, es gibt Entwicklungen im Land, auch das ist von mehreren Rednern angesprochen worden, deswegen will ich es kurzhalten, die auch wir kritisch sehen. Anlagen wie in Alt Tellin und Medrow wollen wir nicht.

(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Medow.)

Medow, Entschuldigung.

Wir halten solche Anlagen in Hinsicht auf den Seuchenschutz, Brandschutz und im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Umwelt für höchst problematisch.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich steckt im Wort „Landwirtschaft“ auch das Wort „Wirtschaft“. Das heißt, dass die Landwirte sich in einem Wettbewerb befinden und eben nicht in einem luftleeren, von der Politik frei zu gestaltenden Raum. Es hat Zeiten gegeben, in denen die Landwirtschaft staatlich organisiert war. Es hat mehr schlecht als recht funktioniert.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Ja.)

Es hat Zeiten gegeben, in denen die EU den Markt reguliert hat. Diese marktregulierenden Elemente haben wir bewusst abgebaut und wir bauen sie nach wie vor ab, Stichwort „Milchquote“. Wir hatten Entwicklungen wie Butterberge, Milchseen, und diese Dinge haben diesen Abbau auch notwendig gemacht. Geblieben ist ein Markt, ein weitgehender Markt, der sich nach wirtschaftlichen Grundregeln aufstellt. Die Landwirte haben in ihrem marktgerechten Verhalten jedoch eine ganze Palette von Umwelt- und Tierschutzauflagen einzuhalten.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Sehr richtig.)

Ich will hier nur die Cross Compliance nennen. Hier werden im internationalen Vergleich hohe und höchste Standards im Umwelt- und Tierschutz erreicht,

(Dr. Till Backhaus, SPD, und Heinz Müller, SPD: Ja.)

aber auch bei der Sicherheit des Futters und der Lebensmittel. Ein ganzes Heer von Kontrolleuren ist unterwegs, um diese Standards zu überprüfen, und den Landwirten drohen bei wiederholten Verstößen schmerzhafte finanzielle Einbußen.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, gibt es auch noch Verbesserungsmöglichkeiten. Auch wir Sozialdemokraten wollen eine Landwirtschaft, die sich noch weiter in Richtung Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz entwickelt, dies aber vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und ohne die Landwirte unter Generalverdacht zu stellen. Viele dieser Änderun

gen lassen sich nur im europäischen Rahmen durchsetzen. Europa ist für uns ganz wichtig, um annähernd gleiche Wettbewerbsbedingungen für unsere Betriebe zu schaffen beziehungsweise zu erhalten.

Und ja, meine Damen und Herren, wir haben eine gesellschaftliche Debatte zur intensiven Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren, wir haben Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung bei der Ansiedlung von großen Tierhaltungsanlagen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Untertreibung!)