Im Februar 2012 veröffentlichte die Justizministerin ihre ersten Überlegungen, im Mai den ersten Arbeitsentwurf, im August einigte sich die Koalition auf zehn Amtsgerichtsstandorte und fünf Zweigstellen in unserem Land. Im November verabschiedete das Kabinett den Gesetzentwurf, der sich nun in der Verbandsanhörung befindet.
Wenn man diesen Arbeitsprozess positiv bewerten will, dann könnte man sagen, ein langwieriger Arbeitsprozess, der darauf ausgerichtet war, alle Beteiligten angemessen einzubeziehen.
Aber ist das wirklich so? Wir meinen, nein, denn eines kann man ganz klar sagen: Kaum eine Anregung, Bedenken der Fachexperten wurden berücksichtigt. Das ging auch gar nicht, denn von Beginn an stand fest, wie das Ergebnis zu sein hat,
nämlich die radikale Amtsgerichtsstrukturreform umzusetzen, durchzusetzen. Und nur an einigen Punkten wurde sich korrigiert. Es war also von Beginn an kein offener Diskussionsprozess. Was aber von Beginn an zu erkennen war, ist das Unbehagen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dieser Reform.
Und nicht nur die Bürgerinnen und Bürger brachten durch ihre Unterstützung der Volksinitiative ihr Unbehagen zum Ausdruck, nein, Kreistage, Stadtvertretungen, Fachverbände stellten sich dieser Auseinandersetzung. Und auch wir hier im Landtag haben uns auf der Grundlage von zahlreichen Anträgen dieser Auseinandersetzung gestellt. Leider haben die Koalitionsfraktionen die bisher behandelten Anträge abgelehnt beziehungsweise die Volksinitiative genutzt, um den Reformkurs zu rechtfertigen.
Aber, und das finde ich schon sehr interessant, in Ihren Wahlkreisen haben Sie medienwirksam Ihr Unbehagen zum Ausdruck gebracht und den Wählerinnen und Wählern versprochen, den von der Landesregierung eingeschlagenen Weg nicht mitzutragen und für den Standort in ihrem Wahlkreis zu kämpfen. Nun könnte man ja sagen, na ja, in den Wahlkreisen müssen Sie das tun, schließlich wollen Sie dort wieder gewählt werden. Aber ganz so einfach sollten wir es uns gemeinsam nicht machen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es viele von Ihnen gibt, denen es nicht nur um den Wahlkreis geht, sondern die Fachgespräche vor Ort Sie davon überzeugt haben, dass der vorgeschlagene Weg der Landesregierung falsch ist. Nun hat der Kampf um einzelne Standorte begonnen. Da kommt man sich so ähnlich vor wie auf dem Jahrmarkt. Und mich erinnert dieser Kampf an die 1994 durchgeführte Kreisgebietsreform. Abgeordneten in einzelnen Wahlkreisen wurden damals die Stimmen für das Vorhaben durch Versprechungen unterschiedlicher Art sozusagen abgekauft.
Aber ich frage Sie ernsthaft: Werden wir so unserer Verantwortung als Landespolitiker gerecht? Wir meinen, nicht!
Und ich hoffe, dass auch die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen heute den Mut aufbringen und diesen Antrag ebenfalls unterstützen. Es ist aus unserer Sicht die letzte Chance, das Reformvorhaben auf der Basis der
Vorgaben der Landesregierung zu stoppen und gemeinsam einen Neubeginn zu wagen. Und das wissen Sie auch, auch Sie.
Ich habe an zahlreichen Diskussionsrunden teilgenommen und ich möchte an eine Diskussionsrunde erinnern. Herr Seidel hat in einer Diskussionsrunde im Amtsgerichtsbezirk Neubrandenburg die jetzige Situation, in der sich die Landesregierung befindet, aus meiner Sicht ganz treffend beschrieben. Herr Seidel, ich habe Sie so verstanden, die Politik macht es sich schwer, einen eingeschlagenen Weg zu korrigieren, selbst wenn sie die Fehler erkannt hat. Dies wird zumeist in der öffentlichen Wahrnehmung als Schwäche ausgelegt. Und ich denke, damit trifft er den Kern. Wer sich ernsthaft mit dieser Reform beschäftigt hat, der hat längst begriffen, dass es so nicht funktionieren kann.
Meine Damen und Herren, Fehler, das wissen wir alle, sind Bestandteil des Lebens. Niemand kann sie vermeiden. Jeder hofft, wenn er einen Fehler gemacht hat, dass er ihm nicht zu teuer zu stehen kommt. Wenn dieses Projekt nicht gestoppt wird, dann wird es uns alle teuer zu stehen kommen. Korrekturen sind dann kaum noch machbar.
Meine Damen und Herren, niemand – und auch wir nicht von den Beteiligten – hat sich gegen eine Reform an sich ausgesprochen.
Alle haben sich bereit erklärt, sich mit ihrem Fachwissen in die entsprechende Reform einzubringen. Deshalb ist es an der Zeit, eine entsprechende Expertenrunde zu bilden und auf der Basis von konkreten Zahlen und Definitionen einen offenen Diskussionsprozess einzuleiten.
Und selbstverständlich, Frau Ministerin, die an der Reform arbeitenden Mitarbeiter Ihres Ministeriums sind auch Experten, aber sie sind von Beginn an auf ein Ziel ausgerichtet gewesen. Und sie hatten überhaupt keinen Spielraum, ernsthaft über bestimmte Kriterien im Rahmen dieser Gerichtsstrukturreform nachzudenken. Das wissen Sie sehr wohl. Das hemmt natürlich das Denken von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wenn Sie von vornherein gesagt bekommen: Wir brauchen eine Reform. Und, bitte schön, hier ist das Ergebnis,
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Woher wissen Sie, dass dieser Prozess so abgelaufen ist, Frau Borchardt?)
Woher wir das wissen, können wir Ihnen ganz genau sagen: Schauen Sie sich doch bitte mal die Unterlagen an – pausenlos Widersprüche!
Die Vorgabe ist, im Koalitionsausschuss angesprochen, die Vorgabe deutlich anzupassen an die Kreisgebietsreform.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, Frau Borchardt. Sie haben unrecht. Geben Sie den Fehler doch einfach zu!)
In den öffentlichen Diskussionen sind auch Ihre Abgeordneten in den Wahlkreisen sehr wohl auf diese Aussage fixiert.
Vielleicht nicht in Ihrer Gegenwart, weil sie eventuell Angst haben vor Ihnen, weil Sie es mit ausgehandelt haben.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, Frau Borchardt, lassen Sie die persönlichen Ressentiments aus dem Spiel! Lassen Sie das aus dem Spiel!)
Es ist an der Zeit, wie gesagt, eine Expertenrunde einzuberufen und auf dieser Basis, und zwar auf der Basis von konkreten Zahlen und Definitionen, einen offenen Diskussionsprozess einzuleiten. Denn auch das will ich noch einmal betonen: Die bislang vorgelegten Zahlen konnten den Reformbedarf nicht nachweisen.