Einen kleinen Makel hat die Debatte, weil wir immer wieder den Eindruck erwecken, wir reden über ein neuzeitliches Thema, dem sich Deutschland erst stellen müsste.
Wir müssen uns der Willkommenskultur immer stellen, denn Willkommenskultur ist ein Prozess und als solchen will ich sie auch verstanden wissen, aber es ist kein Thema der Neuzeit, es ist kein Thema des heutigen Tages, es ist auch kein Thema des letzten Jahres. Das Thema ist viel älter als diese Republik. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will jetzt nicht an die Fluchtwelle der Hugenotten Mitte des 17. Jahrhunderts erinnern
oder an die 1,5 – und jetzt sollten Sie zuhören –, 1,5 Millionen Russen, die sich nach 1917 in Deutschland und Österreich angesiedelt haben.
gewisse Namensidentitäten dürften Ihnen ja in diesem Zusammenhang unter Umständen auffallen, Herr Pastörs.
Es reicht nämlich schon ein Blick in die letzten Jahrzehnte. Bereits in den 50er-Jahren führte der Arbeitskräftemangel in Deutschland
Na ja, Frau Gajek, in der DDR hatten wir etwas Ähnliches, das kam dann etwas später und nicht in den 50erJahren.
Tausende Arbeitnehmer aus Italien, Spanien, Jugoslawien, später aus der Türkei und Portugal folgten der Einladung Deutschlands. Und wir reden immerhin über 800.000 türkische Menschen, 650.000 Italiener – Frau Gajek, hören Sie zu! –,
220.000 ehemalige Jugoslawen. Und dieser Prozess setzte sich in den folgenden Jahrzehnten fort. Immer,
wenn es eng wurde in Deutschland, schauten wir über unsere Grenzen. Und ich denke, das war auch gut so. Und bis auf einige Herren da auf der Fensterseite bezweifelt heute auch kaum einer, dass diese Menschen unsere Gesellschaft bereichert haben und viel für diese Gesellschaft getan haben.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, heute befinden wir uns in einer ähnlichen Situation wie in den 50er-Jahren. Die Bevölkerung in unserem Bundesland, in Deutschland schrumpft und das Zitat mit den 100.000 Zuwanderern und 20 Millionen hat meine Kollegin Tegtmeier schon gebracht.
Die Bundesrepublik braucht in den nächsten Jahren Fachkräfte, das nicht nur im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich,
sondern auch im Dienstleistungssektor, besonders dringend aber im Bereich der Pflege. Und es dürfte auch niemanden überraschen, Mecklenburg-Vorpommern ist in besonderer,
in besonderer Weise vom demografischem Wandel und damit von den Folgen für die Versorgung pflegebedürftiger Menschen betroffen.
In den nächsten 17 Jahren werden etwa 16.000 Pflegekräfte fehlen. Damit es in unserem Land und in der gesamten Bundesrepublik Deutschland auch künftig genügend Fachkräfte gibt, brauchen wir dringend Zuwanderer.
Ich betone es noch mal ausdrücklich, auch für Sie, Herr Pastörs: Wir brauchen die Zuwanderung hoch qualifizierter und leistungsbereiter Menschen.
Willkommenskultur lässt sich aber nicht nur auf die Attraktivität unseres Landes für ausländische hoch qualifizierte Fachkräfte reduzieren. Das heißt auch, Integration von Menschen beinhaltet vielfältige Aspekte in allen nur denkbaren Lebensbereichen. Willkommenskultur ist
mehr als nur Unterstützung der Neuankömmlinge bei der Ankunft, Willkommenskultur ist auch mehr als die Ausweitung der räumlichen Freizügigkeit bei der Unterbringung.
Und jetzt sollte eigentlich an dieser Stelle die Definition der Willkommenskultur durch das Netzwerk Integration durch Qualifizierung erfolgen, die mir sehr, sehr gut gefallen hat. Aber daran, dass ich es nicht zitiere, sondern die Kollegin Tegtmeier dieses Zitat in ihrer Rede vorweggenommen hat, können Sie wahrscheinlich auch erkennen, dass in dieser Frage zwischen die Koalitionspart- ner keine Briefmarke passt. Deshalb spare ich mir die Definition.
Demnach wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung den Ausbau unserer Willkommenskultur in Deutschland und die Lebensbedingungen für Zuwanderer möchten die Bürger laut einer Umfrage von Bertelsmann, Frau Tegtmeier hat sie vorhin angesprochen, attraktiver gestalten. Mehr Angebote für Sprachförderung, bessere Anerkennung von Berufsabschlüssen, ich führte es schon auf, verbesserter Zuzug von Familien und dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen sind laut der Emnid-Umfrage mehrheitsfähig.
Laut Emnid-Umfrage sieht ein Großteil der Bevölkerung, und ich habe auch einen positiven Teil in dieser Umfrage gefunden, ein Großteil der Bevölkerung die Notwendigkeit, Toleranz, Achtung und Vielfalt gegenüber Menschen mit anderen kulturellen Wurzeln stärker zu thematisieren. Das ist richtig so. Das, denke ich, unterstreichen wir auch mit unserem heutigen Antrag.
Wir als CDU-Fraktion und Partei der Mitte sehen das genauso, meine sehr verehrten Damen und Herren, und deswegen bekennen wir uns hier und heute zur Notwendigkeit einer Willkommenskultur. Wir wollen sie etablieren und wir wollen sie greifbar machen.
Unsere Landesregierung verfolgt mit ihrem Konzept zur Förderung der Integration von Migranten und mit der zunehmenden Ausweitung der räumlichen Freizügigkeit sowie der dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten
konkrete Maßnahmen und definiert konkrete Ansätze, damit sich Zuwanderer willkommen fühlen. Die Landesregierung beschreitet damit den richtigen Weg und das unterstützen wir als CDU-Fraktion.
Ich möchte an dieser Stelle mir noch einen kleinen Hinweis erlauben. Im Moment haben wir gerade in der Fraktion im zweiten Stock eine Ausstellung einer russischen Künstlerin. Die kann ich wirklich nur empfehlen. Wer von den Abgeordneten noch nicht da war, sich die Bilder angeguckt hat, das ist tatsächlich eine Bereicherung, ein praktisches Beispiel für Bereicherung. Und ich kann Ihnen auch ankündigen, dass es in Zusammenarbeit mit migra e.V. Rostock in diesem Jahr noch mindestens zwei Ausstellungen in der CDU-Fraktion geben wird von ausländischen Mitbürgern. Also auch das ist gelebte Integration.
In diesem Sinne bitte ich Sie, unserem Landtagsantrag zuzustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.