Protokoll der Sitzung vom 06.09.2013

(Harry Glawe, CDU: Ja, ist doch so.)

Wenn das gilt, Herr Glawe, dann gilt das auch für diesen Antrag, den wir gestern oder vor zwei Tagen hatten zur Erdölförderung.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gestern.)

Das ist doch auch ein Verfahren,

(Beifall Peter Ritter, DIE LINKE)

da hätten Sie doch den gleichen Maßstab ansetzen müssen. Nein, in diesem Falle ist Ihnen das genehm

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Immer so, wie es passt.)

und in dem anderen Fall ist es Ihnen nicht genehm. Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was die Erdöl

förderung betrifft, und der Deponie. Bei der Erdölförderung gibt es einen Genehmigungsanspruch. Bei dem, worüber wir hier reden, gibt es keinen Genehmigungsanspruch.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das heißt, es gibt Handlungsspielraum, und den wollen wir ganz einfach gewürdigt sehen und dann entsprechend die rechtlichen Möglichkeiten in Anspruch nehmen.

Soweit zum Verfahren, aber ich möchte gern noch mal ausholen, ausschweifen, Herr Eifler.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und zwar dürfte Ihnen aufgefallen sein, dass es in der Mecklenburgischen Seenplatte in den letzten Jahren eine vermehrte Gründung von Bürgerinitiativen gegeben hat:

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Bürgerinitiative „Ortsumgehung Mirow“, dann die Bürger- initiative „Freie Erde – Kein Gas unterm Gras“ in Triepkendorf, „Pro Landleben Brohmer Berge“, „Mastenfreie Wohngebiete in Neubrandenburg“, „Rettet das Landleben im Tollensetal“ in Alt Tellin und eben „Stoppt die Deponie in Ramelow“, von der ja bereits die Rede war.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und ich möchte darauf verweisen, wir als LINKE freuen uns sehr, dass es diese Bürgerinitiativen gibt, denn Bürgerinitiativen stehen für eine lebendige Demokratie.

(Harry Glawe, CDU: Sie sind doch Linkspartei.)

Hier mischen sich Bürgerinnen und Bürger ein in ihre eigenen Angelegenheiten. Das ist auch gut so.

(Beifall Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Bürgerinnen und Bürger belegen, dass sich Menschen sehr wohl für Politik interessieren, weil landläufig oft unterstellt wird, es gäbe eine Politikverdrossenheit und ein Desinteresse. Das ist nicht so. Sie tun dies aus einem speziellen Blickwinkel heraus und sie tun das interessengeleitet sehr wohl, aber keineswegs egoistisch.

Die Bürgerinitiative „Stoppt die Deponie in Ramelow“ fordert dazu heraus, sich mit Fragen, grundsätzlichen Fragen und Dingen im Zusammenhang zu beschäftigen. Zum Beispiel stellen die Mitglieder dieser Bürgerinitiativen die wirklich bedenkenswerten Fragen: Warum gibt es bei einem derartigen Vorhaben, wie zum Beispiel einer Deponie, über die wir hier gerade reden, nicht obligatorisch, also verpflichtend ein Raumordnungsverfahren? Warum ist das nicht so? Warum werden gesetzlich vorgeschriebene artenschutzrechtliche Prüfungen nicht

ordnungsgemäß durchgeführt? Ja, warum gibt es dieses Monitoring nicht? Warum ist man da nachlässig? Warum fehlt hierzulande ein Deponieabstandserlass?

(Beifall Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum ist das so? Damit sollten wir uns doch mal beschäftigen.

Und dann die Frage, die mir gestern gestellt wurde, und ich habe sie hier in diesem Fragenkatalog mal mit aufgenommen, warum Investoren die beizubringenden Gutachten in Auftrag geben und bezahlen müssen. Und dann fragen sie anschließend, ob nicht hieraus Abhängigkeiten entstünden, die zu Gefälligkeiten führen könnten. Wir sollten darüber nachdenken, genauso wie über die Frage: Warum messen – und jetzt bin ich ganz konkret in Ramelow – Behörden mit zweierlei Maß?

Also ich beginne mal mit dieser Frage: Wenn es um die Genehmigung einer Mülldeponie, die einen Steinwurf weit von einem europäischen Vogelschutzgebiet entfernt ist, geht, lassen die zuständigen Behörden offenbar mit sich spielen. In einer ersten Bedarfsanalyse des Investors war von einem begründeten, ja sogar nachgewiesenen Bedarf von 100.000 Tonnen Müll pro Jahr die Rede, etwas später dann von 70.000 Tonnen und aktuell nur noch von 48.500 Tonnen. Ominöserweise wurde diese Menge anerkannt, obwohl eine derartige Menge der Kategorie 1 objektiv dort nicht anfallen kann, Herr Glawe.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Sie kann da nicht anfallen. Und obwohl diese Menge, 48.500 Tonnen, alle seriösen …

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Herr Liskow, alle seriösen betriebswirtschaftlichen Berechnungen sagen, eine Deponie mit diesen Kategorien 0 und 1 mit weniger als 50.000 Tonnen pro Jahr sind betriebs- wirtschaftlich nicht zu führen. 48.500 Tonnen wurden hier anerkannt, obwohl man unterhalb der Kostendeckung ist.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Folgern wir mal aus solch einer Logik, dann ist das wie eine Einladung zum Mülltourismus. Und weil dem Investor, das ist ja das Interessante …

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Hören Sie mal drauf, hören Sie mal drauf, Herr Glawe!

Weil dem Investor das sehr wohl bewusst ist, dass es so nicht hinhaut, untermauert er seine aktuelle Bedarfsanalyse mit dem waghalsigen Argument, dass ja, wörtlich, die Insolvenz umliegender Deponien in Aussicht stünde. Da meint er wohl Rosenow? Meint er eine andere? Also sehr waghalsig.

(Harry Glawe, CDU: Der weiß nicht, was er will.)

Das alles kratzt die Behörde wenig. Wenn jedoch in der Region ein ansässiger Agrarbetrieb seine zersiedelten Betriebsstätten konzentrieren will und eine Voranfrage für den Bau einer Mehrzweckhalle, eines Bullenstalls und einer Getreidetrocknungsanlage stellt, so erhält er, wie am 12. Juli 2013 geschehen, folgende Antwort: „Das zur Bebauung vorgesehene Grundstück befindet sich 300 Meter vom europäischen Vogelschutzgebiet entfernt.“

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zweierlei Maß. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Tja.)

Genau darum geht es, Frau Dr. Karlowski.

Der Agrarbetrieb, so heißt es weiter, müsse sich darauf einstellen, dass das Schutzgebiet durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt wird.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Und die Deponie macht das offensichtlich nicht.)

Also da wird konstatiert, dass es eine Beeinträchtigung geben …

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich stelle nur fest, Herr Liskow, ganz objektiv,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

weil wir eben nicht in ein Verfahren eingreifen, stelle ich nur fest, dass die Behörde einerseits sagt, also stopp mal, 300 Meter vom Vogelschutzgebiet habt ihr so was vor, das ist ein Eingriff, das beeinträchtigt. Und da, wo es einen Steinwurf weit – also wirklich, da kannst du hinspucken – entfernt ist,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Unmittelbar.)

die Mülldeponie, da ist es offensichtlich unbedenklich.

Wenn also das Gebiet derartig sensibel ist, und das ist es, und wenn die Deponie raumbedeutsam ist, und das ist sie, dann ist völlig unverständlich, warum kein Raumordnungsverfahren vorgenommen wurde. Und ein solches, das ist hier bereits gesagt worden, ist einstimmig vom Landrat des Kreises Mecklenburgische Seenplatte mit dem Rückenwind, also mit einem einstimmigen Votum des Kreistages auf Basis des Paragrafen 15 Absatz 4 des Landesplanungsgesetzes ausdrücklich beantragt worden.