Die Frage ist, wollen wir für unser Bundesland das Nachwuchsproblem zukünftig lösen oder lassen wir das Land auf ein Desaster zulaufen:
(Andreas Butzki, SPD: Sagen Sie doch mal ganz konkret! Werden Sie doch mal ganz konkret! – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)
Viele weitere Maßnahmen, die im Bildungshaushalt stehen, lassen sich allerdings – für die Opposition zumindest – noch nicht bewerten, denn der Bildungsetat ist ein Beispiel für einen intransparenten Haushalt. Die Landesregierung hat sich angewöhnt, praktisch alle Ausgaben in Stellenäquivalenten auszudrücken. Im Stellenplan für die Regionalen Schulen beispielsweise tauchen plötzlich über 300 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer mit der Befähigung für das Lehramt an Realschulen bei entsprechender Verwendung auf. Tatsächlich verstecken sich aber hinter diesen 300 Lehrerstellen unter anderem die Mittel für den Ganztagsschulbereich aller Schularten. Das Gleiche gilt für die sonderpädagogische Förderung, für den Gemeinsamen Unterricht, für die Hochbegabtenförderung und so weiter. Nichts, absolut nichts ist konkret am Haushalt abzulesen.
Konkretes Beispiel, ein weiteres konkretes Beispiel: Im Stellenplan für die Förderschulen ist zusätzliches Personal mit sonderpädagogischer Aufgabenstellung eingestellt, eingesetzt werden diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch an den Grundschulen.
Die in den Stellenplänen verborgenen Mittel kann das Ministerium frei verschieben und die Öffentlichkeit kann die konkrete Verwendung bestenfalls dann ein Jahr später in einer Antwort zu einer Kleinen Anfrage wahlweise von uns oder der Fraktion DIE LINKE nachlesen, denn wie wir unter anderem bei den Personalzuweisungen für den Gemeinsamen Unterricht gesehen haben, können wir längst nicht darauf vertrauen, dass sich das Land auch an die eigenen Verordnungen hält und dass die Mittel so verteilt werden, wie die eigenen Verordnungen es tatsächlich vorsehen. Besonders drastisch ist die mangelnde …
Ich rede davon, dass für den Gemeinsamen Unterricht normalerweise eine Stunde eingestellt wird pro Schülerin und pro Schüler. In Wahrheit werden 0,6 Stunden ausgegeben, was für die Schulen zu einem eklatanten Notstand führt, Herr Liskow.
Besonders drastisch ist die mangelnde Transparenz bei den Schulen in freier Trägerschaft. Wir haben in der letzten Landtagssitzung darüber gesprochen. Trotz steigender SchülerInnenzahlen bleiben die Zuweisungen gleich hoch, was de facto eine Kürzung von mehreren Millionen Euro für die Schulen in freier Trägerschaft bedeutet. Der Bildungsminister bestreitet, dass es hier zu Kürzungen kommt, und erklärt dann im Ausschuss, notfalls wird das Geld eben nachgeschossen, wenn der Haushaltsansatz nicht ausreicht. Aber woher soll das Geld kommen? Die Antwort ist er leider schuldig ge- blieben.
Auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion hat erklärt, wenn es nach ihm gegangen wäre, wären die fehlenden 3 Millionen längst in den Haushalt eingestellt. Allein der Minister verweigert sich. Seriöse Haushaltspolitik sieht für mich anders aus.
Die Realität ist jedenfalls, dass schon jetzt Schulen in freier Trägerschaft ankündigen mussten, die Schulgelder ab dem 1. Januar 2014 zu erhöhen. Durch diese Politik erschweren Sie den Zugang zu Schulen in freier Trägerschaft für Familien mit geringem Einkommen. Das halten wir für unsozial und deshalb für einen großen Fehler.
Für die Inklusion ist mit diesem Haushalt eine große Chance vertan worden. Dem Ministerium ist es noch nicht gelungen, aus dem Papier der Expertenkommis- sion vom November 2012 – ich wiederhole: vom November 2012! – konkrete Maßnahmen abzuleiten. Zwar sollten in diesem Doppelhaushalt erste zusätzliche Stellen eingeplant sein – überprüfbar ist das nicht –, aber wo und wie diese eingesetzt werden, darüber ist nichts bekannt. Bereits jetzt ist aber klar, zumindest ein Teil der Schulen benötigt Umbaumaßnahmen, um eine inklusive Beschulung zu ermöglichen, egal ob ich da an die Nachrüstung von Fahrstühlen denke, an die drahtlosen Signalüber- tragungsanlagen für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler oder einfach auch nur an Geld, um Klassenräume zu teilen, damit dann die zeitweise Arbeit in kleineren Gruppen beziehungsweise mit einzelnen Kindern auch stattfinden kann. Wenn wir die Inklusion in diesem Land wirklich voranbringen wollen, können wir die Kommunen damit nicht alleinelassen. Planen wir jetzt dafür keine Mittel ein in diesem Haushalt, sind die nächsten zwei Jahre wieder verlorene.
Diese Bewegungslosigkeit können wir überhaupt nicht nachvollziehen und haben deshalb einen Änderungsantrag vorgelegt, der insgesamt über 12 Millionen Euro für ein Landesbauprogramm zur Inklusion vorsieht. Ähnlich handelte im Übrigen auch schon einmal der Bund, als er im Jahr 2003 das sogenannte Ganztagsschulprogramm auflegte. Das war ein mit insgesamt 4 Milliarden Euro
ausgestattetes Investitionsprogramm zum bedarfsgerechten Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen in allen 16 Bundesländern. Genau das Gleiche stellen wir uns jetzt vor, wenn es um die Einführung von Inklusion geht.
Übrigens – ich glaube, das ist gestern bei einigen Äußerungen noch nicht so richtig klar geworden – gilt für diesen Änderungsantrag das Gleiche wie für alle unsere Änderungsanträge über alle Einzelpläne hinweg: Sie sind finanziert aus Umschichtungen, das heißt, wir haben eine Schwerpunktsetzung vorgenommen,
und nicht aus der Rücklage. Ich glaube, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktion war es nicht so deutlich.
Wenn ich gerade beim Bereich der Inklusion bin, möchte ich doch noch mal auf das, was Herr Kokert gestern sagte, eingehen. Herr Kokert erklärte gestern für die CDU-Fraktion, dass er den Inklusionsfrieden zur Disposition stellt,
und zwar einzig und allein aus dem Grund, dass wir als Bündnisgrüne Gelder für inklusionsbedingte Baumaßnahmen an den Schulen in den Haushalt einstellen wollen. Dies sei, so Herr Kokert, nicht mit dem Inklusionsfrieden vereinbar. Er hat gestern erklärt, dass Sie diese Vereinbarung ohnehin nur mit großem Widerwillen geschlossen hätten und es bedauerlich sei, dass die Unterschrift unseres Fraktionsvorsitzenden so wenig wert sei.
Dazu drei Dinge: Erstens wurde die Vereinbarung bei den anderen demokratischen Fraktionen von den schulpolitischen Sprecherinnen und Sprechern unterschrieben, und wenn er sich die Mühe gemacht hätte, noch einmal zu schauen, was er unterschrieben hätte, dann müsste er seine gestrige Rede überdenken, denn Inklusionsfrieden bedeutet selbstverständlich nicht, dass in diesem Parlament niemand mehr über Initiativen für inklusive Bildung reden darf.
Das würde natürlich bedeuten, dass sich Politik über Jahre hinweg freiwillig mundtot macht. Die Vereinbarung des Inklusionsfriedens ist kein Schweigegelübde.
(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)
Das passiert ja letztendlich auch nicht, denn der Bildungsminister trifft permanent ohne jede Absprache Entscheidungen, die Fragen der Inklusion berühren, sei es die Neuorganisation des Schulpsychologischen Diens
tes, neue Diagnostikverfahren oder die Einführung von Kopfnoten. Die Landesregierung hat ebenso einen ganzen Maßnahmenplan zum Bereich Inklusion vorgelegt, ohne dass ihn die Opposition vorher auch nur zu Gesicht bekommen hätte. Ich erkläre es deshalb noch einmal:
Der Inklusionsfrieden bezieht sich auf das zukünftige Schulsystem. Hier wollen wir uns bemühen, fraktionsübergreifend einen gemeinsamen Konsens zu finden, der dann über eine Wahlperiode hinaus gelten kann. Das heißt, wenn wir heute die Entscheidung fällen, Förderschulen für einen bestimmten Förderbedarf künftig auslaufen zu lassen, dass dann nicht die nächste Landesregierung herkommt und das Gleiche wieder umdreht und rückgängig macht. Aber selbstverständlich nimmt uns diese Vereinbarung nicht das Recht, darauf hinzuweisen, wo Finanzierungslücken für Maßnahmen bestehen, die ohne jeden Zweifel notwendig sind, wie die Umbauten von Schulen.
Damit verfahren wir ebenso wie die Landesregierung. Sie hat erste Personalmittel für die Inklusion eingestellt, wir wollen nun erste Sachmittel einstellen. Der genaue Mitteleinsatz erfolgt dann, wenn wir auf der Basis eines gemeinsam verabschiedeten Konzeptes einen Konsens finden. Das heißt, wir stellen jetzt erst mal nur das Geld zur Verfügung, was mit den Geldern passieren soll, das sollten wir gemeinsam vereinbaren.
Neben diesen drei großen Linien, die sich aus unserer Sicht in dem Haushalt hätten widerspiegeln müssen, nämlich die Inklusion – ich habe es angesprochen –, die Attraktivität des Lehrerberufs – das bedeutet Nachwuchsgewinnung an unseren Schulen – und die Schulen in freier Trägerschaft als ein fester Bestandteil unseres Schulsystems, haben wir noch einige kleinere Änderungsanträge gestellt. Zwei davon möchte ich herausheben, weil sie von landesweiter Bedeutung sind.
Denjenigen, die die Haushaltsdiskussion, auch bereits die letzte Haushaltsdiskussion intensiv verfolgt haben, ist aufgefallen, dass wir einen Antrag bereits zum zweiten Mal stellen, das ist die Einführung zweier Koordinierungsstellen für das Produktive Lernen. Wir mussten diesen Antrag in diesem Jahr erneut stellen, weil er im letzten Jahr leider von den Regierungsfraktionen nicht positiv beschieden werden konnte, weil angeblich eine Evaluation läuft. Das Ergebnis sollte abgewartet werden, bevor dann das Programm des Produktiven Lernens verstetigt wird durch Landesmittel.
Leider, so mussten wir in diesen Haushaltsberatungen erfahren, liegen die Ergebnisse der Evaluation immer noch nicht vor. Die Koordinierungsstellen – das sind zwei, die für das gesamte Land arbeiten und damit 27 Schulen im Bereich des Produktiven Lernens koordinieren und bespielen – wurden seit diesem Jahr nicht mehr besetzt. Die ersten Schulen haben schon angekündigt oder es läuft darauf hinaus, dass sie das Produktive Lernen einstellen werden,
was aus unserer Sicht zu einem eklatanten Fehler an den Schulen führt, denn wenn man es sich anschaut, haben 83 Prozent der ehemals oft schulabschlussgefährdeten SchülerInnen, die mindestens zwei Jahre im
Produktiven Lernen gelernt haben, am Ende der Schuljahre 2008/2009 bis zum Schuljahr 2010/2011 die Berufsreife oder einen höherwertigen Schulabschluss erreicht. Es sind in den Jahren 2005 bis 2012 erhebliche ESF-Fördermittel in die Weiterqualifizierung und in den Aufbau von 27 Standorten des Produktiven Lernens geflossen. Allein die Landesregierung lässt die Ergebnisse jetzt einfach im Sand verlaufen.
Nun ist die Nachrangigkeit des vormaligen ESF-Projektes gefährdet, da die Qualitätssicherung nicht mehr erfolgt. Fast genau das gleiche Problem hat die Serviceagen- tur „Ganztägig lernen“, die ein Unterstützungsangebot für alle Schulen darstellt, die ganztägige Bildungsangebote entwickeln, ausbauen und qualitativ verbessern wollen. Hier läuft die ESF-Förderung mit dem kommenden Jahr aus. Wir wollen nun in eine originäre Landesfinanzierung einsteigen, zumal auch die SPD im Bundestagswahlkampf mit dem Ausbau von Ganztagsschulen geworben hat.
Im Bildungsausschuss kündigte Frau Dr. Seemann für ihre Fraktion an, sie müsse unsere Änderungsanträge nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern aufgrund der Deckungsquelle „Zinsen für Kassenstärkungskredite“ ablehnen. 2,5 Millionen Euro waren an dieser Stelle eingeplant und selbst die SPD-Fraktion nutzt in ihren jüngsten Änderungsanträgen diese Deckungsquelle in Höhe von 2 Millionen, und das zu Recht, denn dieser Titel wurde in der Vergangenheit nicht einmal annähernd ausgeschöpft. Im Jahr 2011 wurden 100.000 Euro aus diesem Titel entnommen, im Jahr 2012 112.000 Euro, also sind durchaus 2 Millionen Euro Spiel drin, die man für andere Projekte ausgeben kann.
Da die SPD nun inzwischen auch eingesehen hat, dass dieser Deckungstitel offen ist, gehe ich davon aus,