Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

hat sich mit Fragen der aktuellen Europapolitik auseinandergesetzt und mit Bezug auf Jürgen Habermas Folgendes niedergeschrieben.

Ich zitiere Jürgen Habermas: „Inmitten eines der glänzendsten Wohlstandsmilieus empfinde ich die wachsende Kinderarmut, die wachsenden Disparitäten in der Verteilung von Einkommen und Eigentum, einen wachsenden Niedriglohnsektor mit unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, das wachsende Segment von Menschen, die sich überflüssig fühlen, alles das empfinde ich als einen Skandal. Aber dieser Skandal sollte als Teil der Probleme begriffen werden, die wir nur lösen können, wenn wir den weltweiten Trend, dass die Märkte den politischen Gestaltungsmöglichkeiten davonlaufen, umkehren.“ Ich zitiere das ausdrücklich, weil ich denke, das ist der Punkt, um den es geht, nämlich die Wiedergewinnung von politischen Gestaltungsmöglichkeiten.

Um diese zu erlangen, beginnt alles erst einmal damit, sich ungeschminkt die Dimension der Herausforderung vor Augen zu halten. Und ich finde, Herr Ringguth, Sie haben mit Blick auf uns, DIE LINKE, allen Grund, sich kritisch mit uns auseinanderzusetzen,

(Zuruf vonseiten der Fraktion der CDU: Machen wir auch.)

aber sagen will ich Ihnen auch, wir sind auch in die deutsche Einheit gegangen. Wir sind Bestandteil des demokratischen Gemeinwesens und wir lassen es uns nicht absprechen, dass wir uns einbringen zu Fragen, die die Menschen in diesem Land bewegen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Sie haben uns mit Bezug auf unseren Fraktionsvorsitzenden Herrn Holter vorgeworfen, dass wir Schwarzmalerei betreiben würden. Mitnichten tun wir das! Ich denke, wer aufmerksam und wohlwollend...

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: „Das Glas ist schon mehr als halb voll“, das allein schon ist Schwarzmalerei.)

Nicht allein wegen des Glases. Ich werde Ihnen jetzt Beweise liefern.

Also wir haben durch Herrn Holter eine sehr ausgewogene Darstellung der Realität vorgenommen. Ich darf das mal ganz kurz an drei Beispielen deutlich machen.

(Vincent Kokert, CDU: Na ja, er hat auch Positives gesagt, das ist uns aufgefallen.)

So hörte sich das bei Herrn Ringguth nicht an.

Also: „Mecklenburg-Vorpommern“, heißt es in unserem Antrag, „hat sich wirtschaftlich sehr positiv entwickelt“. Das festzustellen, natürlich, es ist Dialektik, dass man das eine und das andere immer gemeinsam betrachten muss, weil die Welt nun mal ganzheitlich ist, Punkt 1.

Oder ein weiterer Punkt, Punkt 6 auf Seite 2, „dass sich in Ostdeutschland eine hervorragende öffentliche Wissenschaftsinfrastruktur herausgebildet hat“.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau.)

Das verkennen wir nicht.

(Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Ja, natürlich schauen wir uns alle Seiten der Entwicklung an.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja?)

Das gehört sich doch einfach so!

Drittes und letztes Beispiel: Flächenländer und ihre Gemeinden konnten 2012 wieder Haushaltsüberschüsse erzielen. Das anzuerkennen und zu würdigen, heißt natürlich gleichbedeutend, dass wir anerkennen und würdigen, welche Leistungen dahinterstehen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Es ist also mitnichten so, dass wir Schwarzmalerei betreiben würden. Und dass wir an vielen Stellen ein „Aber“ angefügt haben, heißt ganz einfach, das ist eine ausgewogene Darstellung der Realität, und die haben Sie auch selber hier mit ins Feld geführt.

(Vincent Kokert, CDU: Aber Sie sind die Einzigen, die die Realität sehen, oder wie?)

Nein, nein, nein, nein!

(Vincent Kokert, CDU: Wir sehen sie nicht, ja?)

Nein, nein, wir haben sicherlich unterschiedliche Ansichten und Bewertungen. Deswegen unterhalten wir uns darüber und deswegen haben wir vorgeschlagen, uns in den Fachausschüssen weiter mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Wofür ich unbedingt noch mal werbe, ist, dass Sie diesen Antrag nicht vom Tisch wischen, sondern sagen, schauen wir doch mal, gucken wir uns das an, was können wir gemeinsam – bei allen unterschiedlichen Bewertungen der Situation – auf den Weg bringen.

Also Sie, Herr Ringguth, da bin ich ja dankbar, auf meinem Zettel stand zunächst die Vermutung, dass Sie sich mit der Frage der Armutsentwicklung überhaupt nicht auseinandersetzen, haben Sie aber gemacht. Uns ist das ein wichtiger Punkt, wo wir sagen, das dürfen wir nicht ausblenden. In der Halbzeitbilanz, die gestern eine Rolle gespielt hat, ist es völlig unter den Tisch gefallen. Sie haben jetzt Bezug genommen auf einige Daten, die aber schon veraltet sind. Wir wissen seit Dezember vergangenen Jahres oder Januar dieses Jahres, dass nach Jahren einer positiven Entwicklung die Armutsquote in diesem Land wieder ansteigt. Und das Problematische an der Situation, …

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Vor allem Altersarmut.)

Altersarmut, gleich bedeutend.

… das Problematische an der Sache ist – es ist mehrfach gesagt worden, sowohl von Herrn Schulte als auch von Herrn Holter und Herrn Ringguth –, wir haben eine positive Wirtschaftsentwicklung zu verzeichnen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

Wenn wir das anerkennen, die Wirtschaftsentwicklung ist positiv, aber gleichzeitig steigt die Armutsquote an, dann heißt das, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung von der Fortschrittsentwicklung abgekoppelt ist,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig, darum geht es.)

und das darf uns doch nicht kaltlassen, sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Holter hat auch darauf Bezug genommen, dass jetzt mit dem Entwurf des Landesraumordnungsprogramms – was wir sehr begrüßen, wir haben das auch in die Haushaltsberatungen mit eingebracht –, die Frage der Entwicklung der Regionen mit besonderen demografischen Herausforderungen beantwortet werden muss.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort „raumordnerisch“ erst einmal zu definieren, ist der erste Schritt, ist auch ein wichtiger Schritt. Aber die Frage ist, welche Konsequenzen ziehen wir daraus. Wir dürfen davon ausgehen – Herr Pegel war in dieser Woche bei uns in der Fraktion –, dass es Ihrerseits da auch entsprechende Vorschläge geben wird.

Wir haben im vergangenen Jahr begonnen, Vorschläge auf den Tisch zu legen, und wollen auch dranbleiben. Denn festzustellen ist, dass aus sozialökonomischer Sicht nicht nur das Land insgesamt – das ist kein Schlechtreden, das sind einfach die Daten –, aus sozialökonomischer Sicht sagen die Daten aus, dass wir in den meisten Kategorien, was die Entwicklung betrifft, bundesweit gesehen im Vergleich im Keller sind.

Und wenn man sich jetzt noch – vorhin ist es gesagt worden – der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht nur bundesweit, sondern auch im Land verpflichtet, das ist ein grundgesetzlicher Auftrag, dann müssen wir uns natürlich damit auseinandersetzen, wie denn die sozialökonomische Entwicklung in diesem Land ist. Und da gibt es eine gewisse Zerrissenheit, die ist ja nicht neu zu konstatieren.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Also ich sage Ihnen nachher noch mal etwas zu unserer Regierungszeit und der Entwicklung, wie sie sich im Moment darstellt.

(Vincent Kokert, CDU: War denn in Ihrer Re- gierungszeit eine bessere Tendenz zu sehen?)

Also auf alle Fälle, und ich werde es Ihnen auch beweisen in wesentlichen Punkten.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das Arbeitsmarktgespräch gestern hier in Schwerin auf dem Großen Dreesch hat festgestellt: verfestigte Arbeitslosigkeit, Wegfall von Bürgerarbeit. Herr Niesen, hier Sozialdezernent, sagte, wir brauchen ein Engagement für Möglichkeiten öffentlich geförderter Beschäftigung.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Na guck an!)

Und dann sind Materialien verteilt worden,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Am Arbeitsmarkt, das ist doch Schnee von gestern. Das sind wieder Arbeitsmarktkonzepte von gestern, wie der Ministerpräsident gestern sagte.)

dann sind Materialien verteilt worden, interessanterweise, die die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit deutlich machen. Allein, Herr Kokert, im Jahre 2013 zu 2012 in Vorpommern-Greifswald, Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit allein in der Region, plus 13,7 Prozent, Mecklenburgische Seenplatte, wo wir herkommen, plus 2,3 Prozent, Ludwigslust-Parchim plus 1,3 Prozent.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)