Protokoll der Sitzung vom 03.07.2014

Herr Kokert, auch wenn Sie das jetzt in Vertretung des wirtschaftspolitischen Sprechers gemacht haben, also ich habe das Gefühl, dass es manchmal so Parallelwelten gibt,

(Minister Harry Glawe: Arbeitsmarktpolitischer Sprecher.)

denn die Dinge, die wir hier diskutieren, sind natürlich schon mehrfach diskutiert worden, aber gerade der soziale Arbeitsmarkt – Herr Renz redet dann ja vom ÖBS, Öffentlich geförderter Beschäftigungssektor –

(Vincent Kokert, CDU: Ja, den reden Sie uns nicht schön. Den reden Sie uns nicht schön, Frau Gajek.)

ist schon sehr einmalig. Es ist eine Darstellung, da frage ich mich, wie das dann in zwei, drei Jahren aussieht.

Und das ist die zweite Sache: Sie kritisieren die Bildung, Herr Kokert, die kritisieren wir auch, und zwar die Ausgrenzung. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass...

(Vincent Kokert, CDU: Sie kritisieren viel, aber Sie haben keine Lösungsmöglichkeit.)

Wir haben die vorgestellt, aber, und das muss unser Ziel sein, auch aus diesem Antrag heraus ableitend, dass wir,

wenn wir die Ganztagsschule haben, endlich die Spaltung in Arm und Reich aufgeben.

(Vincent Kokert, CDU: Hmmm!)

Das werden wir morgen noch mal diskutieren, auch mit der neuen Richtlinie. Also es gibt viele Fallstricke und, ich denke, da müssen wir ran.

Frau Hesse, ich würde natürlich schon gern – ich denke, auch DIE LINKE und unsere Fraktion – noch mehr erfahren über den Familiencoach. Wir haben am Rande des Sozialausschusses darüber gesprochen. Denn das ist wieder etwas, was in ein System reinkommt, wo unterschiedliche Gesetze, nicht nur das SGB II, sondern das SGB VIII möglicherweise mit zugezogen werden müssen, auch das SGB III, das SGB XII, also sehr viele unterschiedliche Sozialgesetzbücher, die auch in ihrer Logik so sehr anders funktionieren. Von daher, denke ich, sollten wir uns diesen Bereich auf alle Fälle in den Sozialausschuss ziehen, um das zu begleiten und insbesondere die Frage der Individualität dann auch zu prüfen. Also was ist dort? Hat es wieder einen Projektcharakter oder wird es etwas sein, wo Strukturen gestärkt werden? Ich denke, diese Ad-hoc-Aktionen, die wir in den letzten Jahren kannten, sind nicht mehr zielführend und bringen uns da auch nicht weiter.

Sehr geehrte Damen und Herren, nun zu dem Antrag. Erwerbsarbeit ist mehr als Geldverdienen, Erwerbsarbeit bedeutet auch gesellschaftliche Teilhabe und Selbstachtung, kurz: das Gefühl, dazuzugehören. Im Rahmen einer Forsa-Umfrage im Februar 2014 benannten zwei Drittel der Befragten die Lage am Arbeitsmarkt als Hauptproblem in unserem Bundesland.

(Vincent Kokert, CDU: Machen Sie doch nicht immer eine Problembeschreibung! Bieten Sie doch mal eine Lösung!)

Lang anhaltende Arbeitslosigkeit führt zu gesellschaftlicher Exklusion. Der Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vor- pommern ist zerrissen.

(Vincent Kokert, CDU: Herr Foerster bietet ja wenigstens Lösungen an.)

Abwarten!

Auf der einen Seite zeichnet sich das Problem des zunehmenden Fachkräftemangels ab.

(Vincent Kokert, CDU: Sie jammern bloß immer.)

Ich habe einen Vorschlag. Darf ich noch weiterreden, Herr Kokert?

(Vincent Kokert, CDU: Nur nicht so lange, bitte.)

Auf der anderen Seite gibt es eine große Anzahl Menschen, denen keine Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht wird. Die Symptome einer solchen Spaltung sind wachsende soziale Probleme, Verteilungs- und Beteiligungsgerechtigkeit korrelieren miteinander, gesellschaftliche Ungleichheit schwächt die Demokratie. Deshalb stellt die dauerhafte Senkung der Langzeitarbeitslosigkeit eine der großen Herausforderungen am Arbeitsmarkt dar, gerade

in unserem Bundesland. Ich glaube, da sind wir uns auch alle einig.

(Vincent Kokert, CDU: Tolle Feststellung!)

Die Strukturen am Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vor- pommern liegen weit unter dem Optimalen. Das betrifft unter anderem das niedrige Lohnniveau, den hohen Prozentsatz an prekärer Beschäftigung, die stark saisonal geprägte Wirtschaft und die im Bundesvergleich immer noch hohe Arbeitslosigkeit. Es gibt in MecklenburgVorpommern trotz insgesamt sinkender Arbeitslosen- zahlen noch immer zu viele Menschen, die von lang anhaltender Arbeitslosigkeit betroffen sind.

(Vincent Kokert, CDU: Hier besteht Einigkeit.)

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit beruht maßgeblich auf der demografischen Entwicklung.

(Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Vincent Kokert, CDU)

Besorgniserregend ist die Tatsache, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen entgegen dem Trend stetig ansteigt und seit Herbst 2013 kontinuierlich über dem Vorjahreswert liegt. Hinter den abstrakten Zahlen verbergen sich Schicksale. Lang anhaltende Arbeitslosigkeit hat immer individuelle Ursachen und Folgen. Deshalb bedarf es zu ihrer Überwindung auch der individuellen Unterstützung mit dem Ziel, eine dauerhafte Verbesserung der Beschäftigungsstabilität zu erreichen. Auch da sind wir uns einig.

(Vincent Kokert, CDU: Kommen wir mal zu Ihrem Vorschlag!)

Jenseits der Individualität kristallisieren sich einige besonders vulnerable – also diese, was Sie eben sagten –

(Vincent Kokert, CDU: Können Sie das noch mal sagen, das Wort?)

multiple Gruppen am Arbeitsmarkt heraus.

(Vincent Kokert, CDU: Kenne ich überhaupt nicht. Wo haben Sie denn das abgeschrieben?)

Vorrangig betroffen sind Menschen über 45, in unserem Bundesland sind das rund 60 Prozent der Langzeitarbeitslosen. Dies ist teilweise auch in biografischen Brüchen der Wende- und Nachwendezeit begründet. Verstärkend kommen individuelle Faktoren hinzu, die sind schon genannt worden, wie fehlender Schul- und/oder Berufsabschluss und individuelle Lebensumstände. Aber auch bei denjenigen, die über eine Ausbildung verfügen, führt lang anhaltende Arbeitslosigkeit zu einer sukzessiven Entwertung der Qualifikation.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

(Vincent Kokert, CDU: Liebe Frau Gajek!)

langzeitlose Arbeitsmenschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, gelingt mit den derzeitigen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten nur unzureichend.

(Heinz Müller, SPD, und Vincent Kokert, CDU: Ah, jetzt kommen die Vorschläge.)

Sie sind weder finanziell ausreichend ausgestattet, noch werden sie adäquat angewendet. In ihrer Wirksamkeit bleiben sie hinter den gewünschten Zielen weit zurück. Gemessen an ihrem Anteil wurden und werden Langzeitarbeitslose in Mecklenburg-Vorpommern unterdurchschnittlich gefördert. So lag ihr Anteil bei beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen 2013 lediglich bei 11,3 Prozent. Die Zahl der Eintritte in Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung arbeitsloser Menschen hat sich im Zeitraum von 2009 bis 2013 um rund zwei Drittel reduziert.

(Vincent Kokert, CDU: Sie machen immer noch Beschreibung des Zustandes.)

Das gilt auch für die Gruppen der Langzeitarbeitslosen, obwohl sie auf solche Maßnahmen in besonderem Maße angewiesen sind. Der Anteil der Menschen, die 2013 ihre Langzeitarbeitslosigkeit durch Beschäftigung am sogenannten ersten Arbeitsmarkt beenden konnten, belief sich im Vergleich zur Gesamtgruppe auf knapp 2,3 Prozent.

Angesichts verfestigter Sockelarbeitslosigkeit in unserem Bundesland gehen die aktuellen Mittelkürzungen der Bundesregierung in die völlig falsche Richtung. Für langzeitarbeitslose Menschen gibt es aufgrund der sogenannten Instrumentenreform und der massiven Mittelkürzung im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik immer weniger adäquate Angebote.

(Vincent Kokert, CDU: Donnerwetter!)

So sind die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik in unserem Bundesland allein im Zeitraum 2008 bis 2012 von 253 auf 110 Millionen zurückgegangen. Dieser drastische Kürzungstrend ist mit dem Rückgang der Arbeitslosenzahlen nicht ausreichend zu begründen.

Wir brauchen eine ehrliche Debatte über die Effektivität

(Heinz Müller, SPD: Aha, jetzt kommen Maßnahmen, ehrliche Debatte. – Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU)

und Ausstattung der bestehenden Instrumente, und wir brauchen Mut

(Vincent Kokert, CDU: Erste Anschubmaßnahme der GRÜNEN: eine ehrliche Debatte.)

zur Erprobung neuer Ansätze und zur stärkeren Einbindung aller Akteure.

(Vincent Kokert, CDU: Erste inhaltliche Äußerung.)