Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Herr Schulte, Sie können ja dann noch reden.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Auf alle Fälle wird dieses Vergabegesetz nicht dazu führen, dass die Nachhaltigkeitsstrategie umgesetzt wird,

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

und dieses Vergabegesetz sorgt dafür, dass Landesaufträge zu Dumpingpreisen vergeben werden. Da sind wir uns doch wohl einig.

Kommen wir zum Thema Digitalisierung. Die beiden Minister, Herr Glawe und Herr Pegel, waren ja gestern bei der 10. Nationalen Maritimen Konferenz, da stand die Digitalisierung obendrüber. Mecklenburg-Vorpommern spielte auf dieser Konferenz keine Rolle, sehr bedauerlich. Paradebeispiel ist der Breitbandausbau, den haben wir hier mehrfach thematisiert. Ja, MecklenburgVorpommern hat da vieles richtig gemacht und die Bundesförderung zu großen Teilen ins Land geholt. Aber nach wie vor – und deswegen stimmt das Lob nicht, Herr Glawe –, nach wie vor begnügen Sie sich mit den 50 Megabit pro Sekunde. Eigentlich ist doch diese Technologie längst überholt. Wir wollen, das haben wir mehrfach gesagt, Glasfaser in die Erde und bis an jedes Haus.

Selbst das Bundeswirtschaftsministerium sieht im Breitband nur einen Zwischenschritt. Ich habe die Bundesministerin Zypries gestern genau so verstanden und ich darf aus einem Dokument zitieren, welches das Bundeswirtschaftsministerium anlässlich des G20-Digitalministertreffens, welches am Freitag stattfinden wird, veröffentlicht hat. „Breitbandnetz heute, Gigabitnetze morgen … Schon heute ist klar, dass wir in naher Zukunft viel höhere Geschwindigkeiten benötigen, um alle neuen digitalen Serviceangebote nutzen zu können.“ Gestern auf dieser Konferenz ist genau das zum Ausdruck gekommen. Was dort in den westdeutschen Ländern in Glasfasertechnologie investiert wird mit Unterstützung des Bundes, um die Häfen wettbewerbsfähig zu machen, sucht schon seinesgleichen. Da würde ich mir wünschen, dass das in Mecklenburg-Vorpommern genauso passiert. Wir sind mit der Digitalisierung von der Nachhaltigkeit so weit weg wie der Mond von diesem Pult hier.

(Minister Harry Glawe: Nun mal ruhig! Nun mal ruhig!)

Kommen wir mal zu den ländlichen Räumen – nun ist leider Herr Backhaus rausgegangen –: Wie nachhaltig agiert denn die Landesregierung an dieser Stelle? Minister Backhaus, dem müssten doch die Haare zu Berge gestanden haben, als er Ihren Antrag gelesen hat. Seine Initiative „Mensch und Land“ war doch in diesen Fragen viel weiter. Will die SPD-Fraktion ihren Minister wieder an den Start zurückholen? Wir müssen uns auch solchen Fragen stellen wie: Wie nachhaltig und gerecht ist unsere Agrarstruktur? Was ist mit den Themen Ressourcenschonung und Ressourcenschutz in Bezug auf Boden, Wasser und Luft?

Und wie war das denn eigentlich, Herr Minister Pegel, mit den ländlichen Gestaltungsräumen? Sie sprachen damals von einer leeren Milchtüte. Er renne gegen verschlossene Türen bei seinen Kabinettskollegen und Kabinettskolleginnen, war zu hören. Ich kenne im Übrigen jetzt inzwischen auch jemanden, der das gleiche Schicksal erfährt, den Parlamentarischen Staatssekretär für Vorpommern. Erstens machen die Ministerien kein Geld locker, um seinen 2-Millionen-Fonds zu füllen, hat er uns berichtet in der Fraktion, und zweitens sperren und sträuben sich die Ministerien, die Dahlemann-Projekte zu finanzieren. Da kann ich nur sagen, Don Quijote lässt grüßen.

Diese ländlichen Gestaltungsräume hat die Landesregierung selbst ins Leben gerufen. Wir haben das immer unterstützt. Die Frage war bereits damals, und die steht heute noch: Was passiert denn eigentlich in diesen ländlichen Gestaltungsräumen? Wie können wir diese Gebiete nachhaltig stabilisieren und unterstützen? Bisher ist die Milchtüte leer und was zu hören war, war heiße Luft.

Sie haben, meine Damen und Herren, ein wesentliches Element vergessen, das ist die Gesellschaft. Welchen Einfluss haben wir, die Menschen, auf die Zukunft? Nicht einige wenige Projekte, ganz nette Projekte, sorgen für Nachhaltigkeit. Man kann Nachhaltigkeit nicht vom Schloss aus, von diesem Pult hier oder aus der Staatskanzlei ausrufen und morgen ist alles in Butter. Das ist ja wohl ein Prozess. In Brandenburg, aber auch in anderen Ländern wurde die Strategie mit den Menschen erarbeitet, zum Beispiel mit Online-Beteiligungswellen, Workshops, Großveranstaltungen.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Und noch etwas stimmt in Ihrem Antrag nicht: Mir fehlt der ganzheitliche Ansatz. Was ist mit dem Thema Armut? Was ist mit dem Thema Bildung? Was ist mit der Gesundheit? Was ist mit sauberer und bezahlbarer Energie? Was ist mit der gesamten Daseinsvorsorge überhaupt?

(Jochen Schulte, SPD: Haben Sie an einer einzigen Stelle mal zugehört?)

Sie benennen drei Punkte in Ihrem Antrag, Herr Schulte.

(Jochen Schulte, SPD: Aber sind Sie in der Lage, auch zuzuhören?)

Meine Damen und Herren,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Jochen Schulte, SPD: Oder geht das nur noch rechts rein und links raus?)

meine Damen und Herren, das, was hier vorliegt, ist kein Auftrag für eine Nachhaltigkeitsstrategie, das ist eine nachhaltige Peinlichkeit. Ich kann nur an Sie appellieren, den Antrag zurückzuziehen oder zu überarbeiten. Um ihn zu überarbeiten, beantrage ich die Überweisung in die Ausschüsse, ansonsten können wir dem Antrag nicht zustimmen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wäre fast sprachlos.

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD: Das kommt aber selten vor.)

Also wenn mir das passieren würde, dann wäre mir das wahrscheinlich heute im Rahmen dieser Landtagsdebatte passiert, sowohl was die Äußerungen des Herrn de Jesus Fernandes angeht als auch die Äußerungen von Herrn Kollegen Holter.

Herr de Jesus Fernandes, um es vielleicht mal so zusammenzufassen, weil Sie meinen umfangreichen Wortschatz kritisiert haben: Es tut mir leid, wenn mein Wortschatz als sogenannter Altpolitiker größer ist als der Ihre. Aber Sie sind ja noch nicht so alt, dass Sie die Hoffnung auf weitere Lernerfolge als gänzlich hoffnungslos betrachten sollten.

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD)

Im Übrigen freut es mich, dass Sie ja zumindest Wikipedia nutzen können, dann kann man auch wenigstens auf dem Niveau

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

zwar nicht diskutieren, aber zumindest sich äußern.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und, Herr Minister Glawe, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie an dieser Stelle noch mal auf die wirtschaftlichen Erfolge der bisherigen Arbeit hingewiesen haben und deutlich gemacht haben, wie sich dieses Land entwickelt hat. Wir haben das ja auch heute Morgen in der Aktuellen Stunde besprochen.

Aber, und das sage ich hier an dieser Stelle auch ganz deutlich – ich glaube, da gibt es auch keinen Dissens zwischen Ihnen, zwischen der Landesregierung, zwischen den Koalitionsfraktionen –, es besteht Einigkeit dahin gehend, dass nachhaltiges Wirtschaften eben mehr ist als, ich verkürze das jetzt mal, eine Wirtschaftsansiedlungspolitik mit entsprechenden Arbeitsplätzen. Das ist ein Teil, aber es ist nicht alles. Wir müssen uns tatsächlich der Frage stellen – und auch das haben wir heute Morgen angesprochen, deswegen finde ich diese Debatte, die heute Nachmittag stattgefunden hat, eigentlich, und das richtet sich auch an den Kollegen Holter, im Grunde nur noch peinlich, weil ich dachte, über diesen Schritt wären wir längst hinaus –, wir müssen uns eigentlich der Frage stellen, wie wir uns in den nächsten 10, 20 Jahren

in diesem Land aufstellen, auch vor dem Hintergrund der sich verändernden Fördermittellandschaft. Was können wir eigentlich heute, in den nächsten fünf Jahren, in den nächsten sechs Jahren überhaupt noch fördern, damit es dann in der Zukunft einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg – um nur mal bei dem Thema Wirtschaft zu bleiben – für dieses Land haben wird?

Ich will jetzt gar nicht auf ein Beispiel in diesem Land zurückgreifen – das könnte ich auch, ich könnte zum Beispiel die Zeiten unter einem SPD-Wirtschaftsminister nehmen, als hier Spaßbäder gefördert worden sind, die sicherlich keine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung für dieses Land waren, jedenfalls in der Breite nicht –, aber ich nehme mal ein Beispiel aus einem anderen Bundesland. Da hat es vor Jahren in Bochum einen Mobilfunkgerätehersteller gegeben, der mit viel, viel Fördermitteln dort angesiedelt worden ist, und als die Fördermittelbindung zu Ende war, ist er woanders hingegangen, um wieder Fördermittel zu bekommen.

Das sind Überlegungen, denen wir uns auch stellen müssen. Wir können nicht einfach nur Fördermittel für den kurzfristigen – nur um mal bei dem einen Beispiel zu bleiben, das ist ein sehr komplexes Thema –, aber um bei dem einen Beispiel zu bleiben, wir können nicht Fördermittel verwenden, wo wir wissen, dass die Gelder endlich sind, um am Ende des Tages die Gefahr zu sehen, dass die Arbeitsplätze, die vielleicht gar nicht mal schlecht waren, nicht auf Dauer gesichert sind.

Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, geht es auch darum, dass wir uns mit der Frage auseinandersetzen – und deswegen geht es hier schon um einen konkreten Auftrag an die Landesregierung, damit ist auch keine Kritik an den einzelnen Häusern verbunden –, aber es geht auch um die Frage eines abgestimmten Verhaltens oder eines noch stärker abgestimmten Verhaltens zwischen den einzelnen Politikbereichen. Wie ist zum Beispiel eine Entscheidung im Bereich der Regionalnutzung, der Raumnutzung, welche Auswirkungen hat die zum Beispiel auf das Thema „Entwicklung erneuerbarer Energien“? Das ist nur eine Frage, mit der man sich beschäftigen muss und wo es dann auch am Ende gemeinsame Ziele geben muss.

Und, Herr Kollege Holter, ich habe eigentlich gedacht, dass Sie jemand wären, der mehr Verständnis für dieses Thema hätte, der jetzt nicht in Wortpauschalen, Wortklaubereien der letzten 20 Jahre zurückfallen würde, sondern sich tatsächlich auch mal überlegen müsste, wie diskutieren wir das in die Zukunft gewandt, und nicht die Kritik zu äußern nach dem Motto, ich bin immer noch eine beleidigte Primaballerina, weil ich jetzt nicht hier mit in der Landesregierung sitze.

Sie haben ein zutreffendes Wort gesagt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ich dachte, Sie kennen mich, Herr Schulte.)

Ja, und deswegen bin ich auch so enttäuscht davon, deswegen war ich – das haben Sie, glaube ich, auch gemerkt, als ich da gesessen habe –, ich war regelrecht von Ihrer Rede enttäuscht, weil ich Sie eigentlich anders kenne. Sie haben an einer Stelle, das will ich auch ganz offen sagen, Sie haben zu Recht gesagt, dass nachhaltige Politik ein Prozess ist. Da sind wir völlig einer Meinung und genau das verlangt dieser Antrag ja auch. In

diesem Antrag steht, dass diese Landesregierung entsprechende Ziele definieren soll, Maßnahmen definieren soll, Projekte definieren soll. Und was anderes ist denn ein Prozess?

Dass wir als Koalitionsfraktionen jetzt nicht zwingend reinschreiben, wer in diesem Diskussionsprozess möglicherweise beteiligt ist, dass wir nicht zwingend reinschreiben, dass natürlich die entsprechenden Agenden auf der europäischen Ebene da mitberücksichtigt werden müssen, dass wir nicht zwingend reinschreiben, dass jedes Wort, das zum Beispiel in der Nachhaltigkeitsstrategie – in der aktuellen vom Januar dieses Jahres – des Bundes geschrieben steht, dass das dort eins zu eins aufgenommen wird, dass wir nicht jedes Mal reinschreiben, dass in den Kommunen, wo lokale Agenda-21Prozesse schon angestoßen worden sind, dass die miteinbezogen werden müssen – ja, was erwarten Sie denn allen Ernstes hier? Dass wir einen Antrag formulieren, der vielleicht 30, 40 Seiten gehabt hätte, und dann hätten Sie sich hier wieder hingestellt und hätten gesagt: Das, bitte schön, muss da gar nicht drinstehen, weil das wird schon längst gemacht, und an jener Stelle haben Sie wieder den Akteur vergessen, der hätte auch noch mit aufgeführt werden müssen.

Und, Herr Kollege Holter, dann lassen Sie sich noch mal inhaltlich zu ein, zwei Punkten etwas sagen, die Sie ja angesprochen haben. Nehmen Sie es als Wertschätzung, dass ich mich an Ihnen hier abarbeite, wenn ich das mal so sagen darf, weil ich Sie halt entsprechend kennengelernt habe, und ich glaube, zu den Äußerungen der AfD muss man hier nichts sagen.

Sie haben zwei Beispiele genannt, Sie haben einmal die BUGA in Schwerin angesprochen und haben dann die Frage aufgeworfen: Ja, nachhaltiges Wirtschaften, wie steht die Koalitionsfraktion, wie steht die SPD hier zu der BUGA in Schwerin, zu der zweiten, für die sich die Stadt Schwerin beworben hat oder bewerben wird, und wie ist das da mit der Nachhaltigkeit? Ich sage es auch mal ganz deutlich, und die Landesregierung hat es in dem Zusammenhang auch gesagt: Natürlich wird man auch einen Landesmitteleinsatz, wenn es denn dazu kommen sollte, unter der Frage einer nachhaltigen Entwicklung dieses Landes – weil wir sind Land, wir sind Landtag, wir sind hier nicht die Stadtvertretung der Stadt Schwerin –, unter einem nachhaltigen Grundsatz dieses Landes bewerten müssen. Und dann stellt sich natürlich die Frage – auch wir als Land können jeden Euro nur einmal ausgeben –, ob das an der Stelle dann sinnvoll eingesetzt worden ist. Ich werde das an dieser Stelle heute hier nicht beantworten können.

Der zweite Punkt – und da ist es natürlich schon irgendwo fast unterirdisch geworden –, der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, der in Ihrer Auffassung offensichtlich nachhaltiges Wirtschaften in diesem Land oder symbolisch für nachhaltiges Wirtschaften in diesem Land stehen soll, ist die Forderung, Digitalisierung in diesem Land dadurch voranzutreiben, dass wir in jeden Quadratmeter, den wir in dieser Erde haben, den wir in diesem Land haben, Glasfaser legen und bis an jedes Haus in diesem Land Glasfaserkabel legen. Und dann sage ich Ihnen hier ganz deutlich, das ist gerade nicht nachhaltige Politik, sondern nachhaltige Politik ist zu entscheiden, ob der Investitionseinsatz, ob der Ressourcenverbrauch, der damit verbunden ist, tatsächlich in einem für diese Landesentwicklung sinnvollen Verhältnis steht, denn es kann

durchaus Regionen und es kann Häuser in diesem Land geben, da muss man kein Glasfaserkabel legen, und es gibt andere Regionen, da wird das die Wirtschaft machen. Die Entscheidung dieses Landes oder die Frage dieses Landes wird dann sein: An welcher Stelle müssen wir politisch die Rahmenbedingungen vielleicht so verändern, dass da tatsächlich, wenn Bedarfe sich kreieren können in der Zukunft – zum Beispiel durch das Thema Kreativwirtschaft, das ich vorhin bei der Einbringung angesprochen habe –, dass die entsprechenden Mitteleinsätze auch langfristig sinnvoll für diese Entwicklung sind.

Und, Herr Kollege Holter, lassen Sie mich an dem Beispiel festmachen, wenn das Ihre Vorstellung von nachhaltiger Politik ist, dann besteht die Nachhaltigkeit Ihrer Fraktion, Ihrer Partei offensichtlich nur darin, dass Sie auch zukünftig bereit sind, nachhaltig Geld aus dem Fenster zu schmeißen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 7/416 zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss sowie zur Mitberatung an den Agrarausschuss sowie an den Energieausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und AfD abgelehnt.