Protokoll der Sitzung vom 30.10.2020

Und zweitens will ich vorausschicken, ich war vor wenigen Tagen, am 19. Oktober, bei einer Tagesveranstaltung, organisiert vom Polizeipräsidenten des Präsidiums Rostock, in Güstrow zu Gast, eingeladen als Vertreter

der Politik, auf dem Podium gemeinsam mit dem Innenminister und dem Inspekteur der Landespolizei. Sie waren nicht eingeladen von der Polizei als Diskutant.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Schade!)

Darüber sollten Sie vielleicht mal nachdenken, warum das so ist. Vielleicht...

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Weil er immer so langweilig redet.)

Nein. Vielleicht reift ja die Erkenntnis auch hier in der Landespolizei bei Ihren Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern: AfD und Polizist, passt das zusammen? – Nein!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich mit drei kurzen Anmerkungen begründen, warum meine Fraktion den vorliegenden Antrag ablehnen wird:

Erstens passt für uns der Feststellungsteil des Antrages nicht mit den Forderungen an die Landesregierung überein. Die Abbrecher- und Durchfallquoten in der polizeilichen Ausbildung mag und muss man bedauern und hier sollte ernsthaft über Ursachen und mögliche Abhilfen nachgedacht werden. Für mich steht aber fest, dass niemand in Güstrow die Ausbildung oder das Studium abbricht beziehungsweise durch Prüfungen fällt, weil es in unserer Landespolizei bisher keine Langzeitarbeitskonten gibt. Ich teile da auch die Auffassung des Innenministers. Hier fallen also Problem und Problemlösung, durch die AfD-Fraktion angeboten, weit auseinander, weil etwa Auszubildende das Langzeitarbeitskonto gar nicht nutzen können.

Zweitens, meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich rennen Sie bei der LINKEN auch offene Türen ein, wenn es um besondere Verpflichtungen gegenüber unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten geht, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht.

Und wenn wir schon beim Kopfhinhalten sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Tage soll möglicherweise ein Castortransport durch die Bundesrepublik rollen. Und wer muss dabei wieder seinen Kopf hinhalten, um diesen Castortransport zu begleiten? Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte!

(Dr. Ralph Weber, AfD: Weil solche Spinner wie Sie dagegen Krawall machen!)

Ob Kolleginnen und Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern,

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

ob Kolleginnen und Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern dabei sind, das steht noch nicht fest. Aber unabhängig davon will ich sagen,

(Zuruf von Dirk Lerche, AfD)

dass in Pandemiezeiten wie diesen solche Einsätze strikt abzulehnen sind. Und das sollten wir auch den Polizei

beamtinnen und Polizeibeamten hier in diesem Land deutlich mitteilen und ihnen den Rücken stärken.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei meinen Revierbereisungen habe ich im Zusammenhang mit Langzeitarbeitskonten oder Arbeitszeitkonten zur Kenntnis genommen, dass die Wahl vor Ort in den Revieren zwischen bedarfsorientiertem Schichtmanagement und dem festen Dienstgruppensystem in der Praxis gut ankommt, weil nämlich die Beamtinnen und Beamten mit ihren Revierleiterinnen und Revierleitern selbst entscheiden können, wie sie ihren Dienstalltag gestalten.

Die Jahresarbeitszeitkonten ermöglichen zudem eine gewisse Flexibilität. Der Innenminister ist darauf eingegangen. Es gibt da ein bewährtes, an dieser Stelle ein bewährtes Ampelsystem, was von den Revierleiterinnen und Revierleitern gemeinsam mit ihren Beschäftigten als in der Praxis bewährt angesehen wird. Ob also nach den in Nordrhein-Westfalen ermöglichten Langzeitarbeitskonten dafür auch bei uns ein tatsächlicher Bedarf besteht, möchte ich gegenwärtig abschließend nicht beurteilen, aber den Nutzen gegenwärtig bezweifeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich daher drittens und abschließend einen Verfahrensvorschlag unterbreiten: Laut Antrag soll die Landesregierung noch in diesem Jahr prüfen und einführen, ergänzen oder ablösen. Das ist ziemlich ambitioniert. So sollte man mit diesem Thema aber nicht umgehen, sehr geehrter Herr Kramer, zumindest nicht, wenn man es ernst damit meint. Nach der politischen Grundsatzentscheidung in NRW wurden dort zu den Details Arbeitsgruppen zwischen den beteiligten Ressorts, den Berufsverbänden und den Gewerkschaften gebildet. Und wie wir doch alle wissen, steckt der Teufel im Detail, auch in dieser Frage. Flexiblere Arbeitszeit muss abgestimmt und mit den konkreten Aufgaben vereinbar sein.

Ich schlage daher vor, dass das Innen- und Europaministerium den Innen- und Europaausschuss nach dem 31. März des nächsten Jahres über die bisherigen Erfahrungen mit den Jahresarbeitszeitkonten informiert und auch darüber, ob eine weitere Flexibilisierung eher mithilfe von Langzeitarbeitskonten notwendig, sinnvoll und mit den dienstlichen Belangen vereinbar wäre. Ich verweise hierzu abschließend auf die Landtagsdrucksache 7/5306. Wir lehnen Ihren Antrag ab! – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ritter!

Herr Professor Weber, ich glaube, gehört zu haben – allerdings bin ich hier die Einzige –, dass Sie gesagt haben: „Spinner wie Sie“. Sollte das der Fall gewesen sein, weise ich das ausdrücklich als unparlamentarisch zurück und mache,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Sie haben richtig gehört!)

und mache an dieser Stelle darauf aufmerksam, dass persönliche Anwürfe hier auch mit Ordnungsmaßnahmen belegt werden. Und ich hoffe, dass wir heute nicht wieder damit anfangen, dass ich sie dann hier verteilen muss.

Und ich rufe jetzt auf für die Fraktion der SPD den Abgeordneten Herrn Dachner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! „In Sachen innere Sicherheit nichts Neues“, so könnte die Überschrift dieses Antrages der AfD lauten. Wie immer sucht die AfD zu den Landtagssitzungen nach Themen, um ihre Existenzbegründung hier nachzuweisen. Und wenn ihnen nichts weiter einfällt, dann schreibt man eben aus anderen Ländern etwas ab.

Auch wenn es positiv ist, was Nordrhein-Westfalen dort macht, müssen Sie das dann vielleicht so übernehmen, wie es dann auch geschrieben steht. Und zwar heißt es im nordrhein-westfälischen Modell: Langzeitarbeitskonten ergänzen bestehende Gleitzeitkonten – ergänzen! – und Konten zur Zeiterfassung. Die AfD aber stellt in Ziffer II ihres Antrages fest, dass die bestehenden Jahresarbeitszeitkonten ergänzt oder abgelöst werden. Also ich denke, ich könnte mir zwar vorstellen, was Sie meinen, aber Sie haben es so nicht geschrieben. Also Sie müssen schon sagen, was Sie wollen, entweder ablösen oder ergänzen. Und ich könnte nicht mir vorstellen, warum Sie die bestehenden Gleitzeitkonten ablösen wollen oder die Zeiterfassung ablösen wollen. Also das haben Sie hier auch nicht dargestellt.

Also was wollen Sie wirklich, ablösen oder ergänzen? Langzeitarbeitskonten, das ist hier auch gesagt worden, könnten in der Tat zu einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung beitragen. Das ist richtig. Aber in Ihrem Antrag steht unter Ziffer I Absatz 2 und in Ziffer II, „noch in diesem Jahr“ ist „die Einführung von Langzeitarbeitskonten für die Landespolizei zu prüfen und schnellstmöglich einzuführen“. Gemeint sind natürlich – obwohl Sie in der „Landespolizei“ schreiben –, gemeint sind nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der gesamten Landespolizei, sondern nur Vollzugsbeamte. Und da frage ich mich, warum Sie das so begrenzen, obwohl Sie ja wissen, dass bei den Jahresarbeitszeitkonten gegenwärtig – der Minister hat es gesagt – auch Angestellte, Beamte und Verwaltungsbeamte einbezogen werden, also fortschrittlicher als das, was Sie hier darstellen und erreichen wollen.

Allein die Auffassung – muss man sich auch mal vorstellen! –, die Einführung der Konten in diesem Jahr zu prüfen, zeigt eigentlich, wie unrealistisch Sie an diese Sache herangehen und wie unrealistisch Ihre Politik ist. Denn – oder man will oder Sie wollen als AfD die Beteiligung von Interessenvertretungen wie Gewerkschaft, Bund der Kriminalisten, Personalräte und so weiter ausschalten –, denn das Mitbestimmungsrecht ist Bestandteil unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und kann bei so einem umfassenden Projekt doch nicht außen vor gelassen werden! Und „in diesem Jahr... zu prüfen“, da frage ich Sie: Wie soll das geschehen bei diesem mehrstufigen Mitbestimmungsrecht? Das ist von vornherein unrealistisch. Allein deshalb ist dieser Antrag eigentlich schon vom Prinzip her abzulehnen und hier schon zu beenden, unsere Diskussion.

In den Paragrafen 58, 60, 65 heißt es unter anderem: Schon im Planungsstadium ist rechtzeitig und eingehend dieses Problem zu erörtern, mit den Vertretern, Personalvertretungen. Also das würde schon einen Sturm der Entrüstung entfachen, wenn wir dieses Gesetz einfach so durchgehen lassen könnten. Hier sind doch Tausende von Fragen zu klären vorher: Welche Vorteile und welche

Nachteile bringt auch dieses Projekt? Was wollen Sie tun, muss man sich doch fragen, wenn jemand 20/30 Jahre bei der Polizei war, aufhört, freiwillig oder aus anderen Gründen oder aus gesundheitlichen Gründen, oder er wechselt vom Vollzugsbeamten zum Verwaltungsbeamten, die Sie ja nicht berücksichtigen wollen. Was wollen Sie? Das Geld auszahlen, könnte man sagen, ist eindeutig, das ist nicht weiter schlimm. Aber deswegen, genau deswegen wollen wir ja keine Langzeitarbeitskonten einrichten, und der Beamte will auch nicht das Geld für seine Überstunden haben, sondern er möchte, dass diese geleisteten Überstunden, Mehrarbeitsstunden meinetwegen auch, in Freizeit …

(Nikolaus Kramer, AfD: Ausgleichen.)

Ja, genau.

Also wir wissen auch heute schon, dass der Beamte seine Überstunden sich nicht bezahlen lässt. Aber wenn wir alleine schon betrachten, wie viele Abzüge er hat, das sind doch auch die aktuellen Begründungen der Beamten dazu.

Also, und ob die Attraktivität des Berufes durch die Langzeitarbeitskonten erhöht wird, ist doch stark zu bezweifeln. Also wenn wir mal so herangehen: Wer wird Polizist? Polizist wird man doch aus innerer Berufung und aus der Überzeugung der Sinnhaftigkeit meiner Berufswahl und meiner Lebensvorstellung. Und da denke ich doch nicht als 20-Jähriger oder 18-Jähriger daran, ich gehe zur Polizei, weil es hier Langzeitarbeitskonten gibt. Das ist doch wohl weit hergeholt!

(Andreas Butzki, SPD: Glaube ich auch.)

Und der Hinweis auf 400 neue Planstellen, die nicht besetzt sind, das ist doch unlogisch in sich, dass man damit was abfedern könnte,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist Kramer-Logik.)

oder ist doch sogar kontraproduktiv, gerade in der Einführung, dieser Phase. Ich glaube nicht – und den Beweis erbringen Sie ja auch gar nicht –, dass das was bringen könnte.

Außerdem, da darf ich mal darauf hinweisen, ist im Übrigen in Paragraf 10 der Arbeitszeitverordnung also eine Experimentierklausel eingearbeitet, und da kann der Innenminister in Abstimmung mit dem Finanzminister schon jetzt im Einvernehmen also andere, flexiblere Arbeitszeiten gestalten. Und es wurde ja auch gesagt, im Jahre 2017 wurden hierzu Jahresarbeitszeitkonten eingeführt für Angestellte, Arbeiter und Beamte. Das ist wesentlich besser als das, was Sie vorhaben. Und das ist dafür vielleicht auch der erste Schritt, genau der erste Schritt, um irgendwann vielleicht dazu zu kommen, Langzeitarbeitskonten einzurichten. Das kann also der erste Schritt sein. Dann – das ist verlässliche Politik –, dann nimmt man die Beteiligten mit, also die Beamten, die Arbeiter und Angestellten und natürlich auch die Interessenvertretung, und darauf kann sich jeder verlassen. – Vielen Dank! Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden also über Langzeitarbeitskonten bei der Landespolizei. Wir reden von „prüfen“, „schnellstmöglich einführen“, „ergänzen oder ablösen“. Dass das ambitioniert ist, haben wir jetzt von allen schon gehört.

Unsere Polizisten sorgen täglich für die Sicherheit der Menschen in unserem Land und bei ihrem Einsatz wird ihnen viel Flexibilität, Ausdauer und Kraft abverlangt. Und auch Beschäftigte der Landespolizei müssen, wie alle anderen Beschäftigten natürlich auch, ihre Arbeitszeit mit Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und auch ganz einfach ausreichender persönlicher Freizeit vereinbaren können. Das haben wir hier schon mehrfach gehört. Und deshalb gibt es in Mecklenburg-Vorpommern auch Regelungen wie die reduzierte Regelaltersgrenze und die Möglichkeit der Freistellung für ein Jahr, das sogenannte Sabbatical.

Und, auch schon gehört, 2017 haben wir in der gesamten Landespolizei die Jahresarbeitszeitkonten eingeführt.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, das müssten wir bei den Lehrern einführen, aber da führt kein Weg rein.)