Protokoll der Sitzung vom 11.12.2020

Und wenn ich mich nicht irre, dann haben wir eine Bundesbildungsministerin.

Einmal an die Herren der CDU, an die jüngeren Herren: Liegt es daran, dass die Kneipen zu haben, oder warum benehmen Sie sich im Landtag zeitweise so, als wären Sie dort?

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Daniel Peters, CDU: Oooch!)

Und wenn Sie sagen …

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Also Sie haben ja anscheinend, Herr Peters, Sie haben ja mit unserem Senator Steffen Bockhahn anscheinend kein so gutes Verhältnis. Das müssen Sie auch in Rostock klären. Sie holen immer Rostock hier rein. Warum? Können Sie Land nicht, können Sie nur Rostock? Also das ist für mich die erste Frage.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Für kleine Aufgaben zu groß und für große zu klein! – Zuruf von Daniel Peters, CDU)

Und wenn Sie sagen, und da haben Sie ja recht, dass es hauptsächlich Bundesaufgabe ist –

(Zuruf von Daniel Peters, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

da haben Sie komplett recht, hauptsächlich ist es Bundesaufgabe –, da möchte ich Sie daran erinnern, dass Ihnen die Bundesbildungsministerin Frau Karliczek gehört, die wiederum gesagt hat, nur mal etwas zur Digitalisierung: „Wir lassen uns von unserem christlichen Menschenbild leiten. Jeder technologische Fortschritt hat sich dahinter einzureihen.“ Das lässt wohl erkennen, warum wir in der Digitalisierung in der Bundesrepublik so weit hintenan sind. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zurufe von Dietmar Eifler, CDU, Marc Reinhardt, CDU, Bernhardt Wildt, CDU, und Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/5602. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 7/5602 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE, der fraktionslosen Abgeordneten und Gegenstimmen aus der Fraktion der AfD und des fraktionslosen Abgeordneten angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 39: Aussprache gemäß Paragraf 43 Nummer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „EEG-Novelle 2021: Herausforderungen und Perspektiven für das Energieland Mecklenburg-Vorpommern“.

Aussprache gemäß § 43 Nummer 2 GO LT zum Thema EEG-Novelle 2021: Herausforderungen und Perspektiven für das Energieland Mecklenburg-Vorpommern

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht, dass Sie sich jetzt wundern, ich bin nicht der neue energiepoliti

sche Sprecher meiner Fraktion. Herr Stamer lebt auch noch, der ist auch vom Grundsatz her gesund,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

allerdings ist ihm die Sprache weggeblieben. Das liegt auch nicht an der Debatte in den letzten zwei Tagen, sondern hat einfach damit zu tun, dass er heiser ist. Und deswegen hat er mich gebeten, seine Rede hier vorzutragen, und das tue ich dann auch gerne.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Sie meinen den Kollegen da Cunha bestimmt. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Herr Stamer, Herr da Cunha, ja, bei mir sind im Moment in der Fraktion dermaßen viele Abgeordnete krank, da kommt man schon mal als PGF durcheinander.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Halte durch, halte durch!)

Ja, ich gebe mir Mühe, Kollege Ritter!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als das Erneuerbare-Energien-Gesetz, besser bekannt unter seiner Kurzform EEG, im Jahr 2000 von der rot-grünen Koalition im Bund auf den Weg gebracht worden war, handelte es sich um einen Meilenstein für die Energiewende. Dass wir unsere Art und Weise zu leben und vor allem zu wirtschaften, radikal würden ändern müssen, war da bereits seit 30 Jahren bekannt. Seit Ende der 70er-Jahre lagen valide Berechnungen zum Einfluss von CO2-Emissionen auf die Temperatur der Erdoberfläche und der daraus folgenden Entwicklung des Klimas auf dem Tisch. Dass ein heißer werdender Planet negative Folgen mit sich bringt, konnten wir in den letzten Monaten ebenfalls zur Genüge in den Nachrichten „bewundern“. Und wer sich die Medienberichterstattung Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre anschaut, der stellt fest, dass das Bewusstsein „Wir müssen etwas tun“ bereits einmal vergleichsweise hoch ausgeprägt war, wie es heute in weiten Teilen der Bevölkerung – gewisse Herrenrunden ausgenommen – wieder ist.

Unser Koalitionspartner wird uns möglicherweise in seinem Redebeitrag daher sicherlich gleich noch einmal darauf hinweisen, dass es die CDU unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl war, die mit dem Stromeinspeisungsgesetz von 1991 das erste Ökostromgesetz überhaupt weltweit auf den Weg gebracht hat. Erstmals mussten die großen Stromkonzerne den erneuerbaren Strom auch verpflichtend abnehmen und dafür auch, wen wundert es, bezahlen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, aber erst mit der Verabschiedung des EEG, neun Jahre später nahm der Ausbau der neuen Energien richtig Fahrt auf. Zum Vergleich: Zwischen 1990 und dem Jahr 2000 wuchs die installierte Fotovoltaikleistung in Deutschland von 2.000 Kilowattstunden auf 100.000 Kilowattstunden an, also das 50-Fache an installierter Leistung binnen zehn Jahren. Bis 2010 stieg die installierte Leistung an Fotovoltaikanlagen dann auf 18 Millionen Kilowattstunden an, also das 180-Fache. Und im letzten Jahr wurden in Deutschland 46,4 Terrawattstunden an erneuerbarem Strom allein aus Sonnenenergie produziert.

Das EEG, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist durchaus eine Erfolgsgeschichte. Nehmen wir die Windenergie an Land: 1990 wurden über Windenergieanlagen in Deutschland 0,072 Terrawattstunden an Strom produziert. Bis zum Jahr 2000 war diese Strommenge bereits auf 9,7 Terrawattstunden angewachsen, und im vergangenen Jahr, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, steuerte Windenergie an Land bereits 101,2 Terrawattstunden an Strom zu unserem Energiemix bei. Das maßgeblich von der SPD geprägte EEG hat also wie kaum ein anderes Gesetz das Wachstum der erneuerbaren Energien beflügelt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte man in der Debatte nie vergessen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und es wurde im Laufe der Jahre …

Ich gebe den Applaus an den Kollegen da Cunha weiter.

Und es wurde im Laufe der Jahre, 2017 zuletzt, den Entwicklungen des Marktes mehrfach angepasst.

Aktuell befindet sich in Berlin die nächste Novelle des EEG in der Beratung von Bundestag und Bundesrat. Bereits in den kommenden Wochen soll im Bundesrat abschließend über den Entwurf beraten werden. Für uns war das Anlass, die EEG-Novelle hier und heute im Landtag zum Thema einer Aussprache zu machen. Für meine Fraktion ist klar, die Energiewende hier in MecklenburgVorpommern ist nicht einfach nur ein Ökoprojekt. Für uns ist die Energiewende ein Vorhaben, das wesentlich über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes mitbestimmen wird. Erneuerbare Energien ermöglichen bei uns im Land, wo wir die Voraussetzungen zur Produktion erneuerbaren Stroms besitzen, aus Wind, Sonne, Biomasse, Wertschöpfungspotenziale, die zum wirtschaftlichen Wachstum des Landes beitragen werden, die gute Arbeitsplätze schaffen, die dazu beitragen, ein lebenswertes Mecklenburg tatsächlich auch für zukünftige Generationen zu erhalten.

Eine erfolgreiche Energiewende erfordert aber, dass wir die drei Hauptsektoren des Energieverbrauches zusammendenken, die da sind Strom, Wärme und Mobilität. Und genau an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzt unsere Kritik an der vorliegenden Novelle des EEG 2021 an. Aus unserer Sicht wird mit der jetzigen Novelle die Chance vertan, die Sektorenkopplung deutlich voranzubringen.

(Rainer Albrecht, SPD: Ja. – Beifall Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

Nehmen wir Mechanismen, die beispielsweise die Wasserstoffwirtschaft befördern würden – im Kabinettsbeschluss des EEG vom September finden wir hierzu nichts, keine Ausnahme beziehungsweise von der EEG-Umlage bei der Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, selbst dann nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Wasserstoff als Speicher genutzt wird. Bei der Sektorenkopplung werden in der Kürze der Zeit keine wesentlichen Änderungen mehr im Entwurf des EEG möglich sein, aber wir – wir in diesem Land – müssen als Land auf die Bundesebene regelmäßig Druck machen, hier mittelfristig sinnvolle Lösungen zu finden. Wenn ein Windrad beispielsweise Strom produziert, obwohl im Netz gerade kein Strom benötigt wird, dann darf dieses Windrad nach aktuellen Regeln den Überflussstrom nicht zur Produktion von Wasserstoff verwenden.

(Rainer Albrecht, SPD: Ja, unverständlich.)

Warum nicht? Es wäre doch logisch. Jede Hausfrau würde von den übrig gebliebenen Kartoffeln beim Sonntagsessen noch einmal lecker Bratkartoffeln machen.

(Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Das ist der Speiseplan vom Kollegen da Cunha.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Im Stromsektor, liebe Kolleginnen und Kollegen, werfen wir die guten Kartoffeln aktuell weg. Ergo, wir alle, und das ist durchaus ernst gemeint, wir alle müssen bessere, ich sage jetzt mal nicht „Hausfrauen“, sondern Haushälter werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kabinettsbeschluss des EEG sieht vor, dass für alle Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie ab einer Kilowattstunde Spitzenleistung zukünftig ein Smart Meter verpflichtend werden soll. Das Ziel, den Verteilnetzbetreibern zukünftig die Möglichkeit zum Steuern und Abregeln von Anlagen geben zu wollen, ist dabei sogar richtig, nur sind wir längst nicht so weit. Die Netzbetreiber selbst sagen, dass sie so kleinteilig noch gar nicht regeln können. So verursacht eine solche Pflicht aber nur Kosten, die beispielsweise den Ausbau von Solaranlagen auf Hausdächern zum Erliegen bringen werden. Wissen Sie, wie viel Strom man mit einer Kilowattstunde Fotovoltaikanlage in der Mitte von MecklenburgVorpommern pro Jahr erzeugen kann? Rund 970 Kilowattstunden, für die Sie eine Einspeisevergütung von 79 Euro im Jahr erhalten. Ein Smart Meter verursacht aktuell noch jährliche Mehrkosten von bis zu 80 Euro.

Ich hoffe, Sie können nachvollziehen, warum die Forderung meiner Fraktion lautet, die Grenze für die Pflicht zu Smart Metern bei zehn Kilowattstunden einzuziehen. Im Bundesrat wird aktuell die Schwelle von sieben Kilowattstunden diskutiert, aber ich hoffe, dass dort noch ein wenig Luft nach oben ist. Die Grenze zum Einbau von Smart Metern anzuheben, würde insbesondere die Betreiber kleinster Anlagen deutlich von Kosten entlasten und so auch die Bereitschaft heben, derartige Anlagen zu installieren. Das EEG soll schließlich erneuerbare Energien fördern und nicht verhindern.

Aus Landessicht muss auch an einer anderen Stelle nachgebessert werden, die in der großen Politik offensichtlich keine riesige Rolle spielt. Die Rede ist von Altholzkraftwerken. Es mögen nicht viele sein, aber wir haben eine Handvoll in Mecklenburg-Vorpommern, beispielsweise in Hagenow. Wir wünschen uns für diese Altholzkraftwerke, die sich aus Erlösen für das Verbrennen von Altholz und dem Verkauf von Strom und Wärme finanzieren, eine Übergangslösung bei den Stromerlösen aus dem EEG, der bis 2026 komplett abschmilzt. Aktuell sind die Erlöse für das Holzverbrennen und für den Strom so niedrig, dass wir sonst die bestehenden Anlagen im Land, die ab Januar aus der Förderung fallen würden, verlieren könnten. Es geht also nicht um neue Dauertatbestände, sondern darum, Bewährtes zu bewahren.

Mit Blick auf das Energiepotenzial in der Ostsee wünscht der Kollege da Cunha sich, dass der Ausbaukorridor für

Windenergie auf See deutlich erweitert wird. Und ich glaube, das ist nicht nur sein Wunsch, das ist auch der Wunsch der gesamten Fraktion.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Rainer Albrecht, SPD: Genau.)

Für die sehr langen Planungs- und Vorlaufphasen für Windparks auf dem Wasser ist das, was im jetzigen Entwurf drinsteht, zu wenig, um die ehrgeizigen Ziele Deutschlands beim Klimaschutz auch zu erreichen. Wer 2030 Windenergie in der Ostsee ernten möchte, der muss das 2020 auch ins Gesetz schreiben, sonst wird das nämlich nichts. Da vermisse ich, da vermissen wir den notwendigen Mut, sich große Ziele zu setzen.