Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Aber gehen wir die Themen noch einmal einzeln durch. Der Ausbau der Polizei, wie von der Kollegin von Allwörden eben schon beschrieben, ist grundsätzlich zu begrüßen, allerdings sind es nicht deutsche Bürger, die in polnische Wohnungen einbrechen, sondern es läuft in der Regel umgekehrt. Also muss auch hier das Engagement von polnischer Seite noch stärker zum Tragen kommen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Allein schon der Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt ist ein sehr heikles Thema. Arbeitsmigration findet zu mehr als 95 Prozent von Polen nach Deutschland statt.

Und wie sieht es in Polen aus? Der Braindrain von Ärzten, Wissenschaftlern und anderen Akademikern dereguliert den polnischen Arbeitsmarkt spürbar. Natürlich profitieren Unternehmen und Konsumenten von den günstigeren Löhnen und daraus resultierenden Preisen durch fleißige polnische Arbeitsmigranten, aber es ist sozial ungerecht gegenüber unseren eigenen Bürgern, deren Löhne gedrückt werden oder die keine Arbeit finden.

Polnische Pendler können wunderbar von 8,84 Euro in ihrer Heimat leben, zumal die wenigsten Polen Miete zahlen müssen, da sie Eigenheimbesitzer sind. Mehr als zwei Millionen polnische Bürger leben mittlerweile in Deutschland, arbeiten hier und erwerben Grundstücke zu nicht gewerblichen Zwecken. In Polen ist dies allerdings unmöglich für deutsche Bürger, es sei denn, man verlagert seinen Hauptwohnsitz dorthin, was wiederum an eine Arbeitsstelle oder an einen Ehepartner gekoppelt ist. Hier wäre auch mal der Einsatz unserer Landesregierung gefragt.

Kommen wir zum nächsten Thema, dem Aufbau des Tourismus. Wie wollen Sie das eigentlich in Einklang bringen, den Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern zu stärken, gleichzeitig aber den in Polen, der ohnehin durch seine günstigen Preise lockt?

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Das sind konträre Ziele. Und Sie schreiben es sich auf die Fahnen, die Spitzenposition im Gesundheitstourismus einzunehmen, aber das ist der Großraum Stettin, einer unserer ärgsten Konkurrenten, was Schönheitschirurgie, Zahnmedizin oder andere teure Eingriffe betrifft.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Wie stellen Sie sich das also genau vor?

Ähnlich einseitig sind die Vorteile auf der EU-Ebene. Die Bundesrepublik ist absoluter Zahlmeister, was die Nettozahlungen betrifft. 2015 flossen mehr als 14,3 Milliarden Euro in die Europäische Union. Das sind 20,5 Prozent des gesamten EU-Etats. Die Republik Polen hingegen ist größter Nettoempfänger. 9,5 Milliarden wurden an die Republik östlich der Oder übertragen. Im mathematischen Verhältnis zu den anderen Nettoempfängern erhält die Republik Polen somit in etwa 4 Milliarden Euro jährlich von Deutschland allein über die EU-Umverteilung.

Der Bauernverband berechnete anhand der Daten der Europäischen Kommission für 2017, dass von jeweils 1 Euro, der eingezahlt wird, Deutschland von der EU 0,35 Euro zurückerhält für die eigene Strukturpolitik. Die nationale Kofinanzierung liegt allgemein bei den INTERREG-Projekten, in der Regel höchstens bei 50 Prozent. Das heißt, dass, egal bei welchem Projekt, immer 50 Prozent durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gestiftet werden.

Mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union als zweitstärkster Zahler werden diese Alimentierungen sicherlich noch weiter auf den

deutschen Steuerzahler umgemünzt. Man kann klar und deutlich sagen, dass der deutsche Steuerzahler reinen Verlust mit der EU-Geldumverteilung macht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

In Polen gibt es ein Sprichwort, das wir auch aus dem Deutschen kennen: „Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“ Und bei der momentanen sehr EUskeptischen und nationalistischen Regierung, zumindest nach Ihren Maßstäben, liebe Kollegen, und Bevölkerung, die in weiten Teilen ja ähnlich denkt, stellt sich ohnehin die Frage, ob die Republik Polen zusammen mit den anderen Visegrád-Staaten überhaupt noch kooperieren will, denn wenn der ökonomische Anreiz und der finanzielle Vorteil wegfallen werden, dann werden auch diese Staaten kaum noch einen Sinn darin sehen, sich mit den Problemen der EU, die von der EU ja nicht unwesentlich verursacht worden sind, auseinanderzusetzen, was zum Beispiel Einwanderung, Terrorismus, Sanktionen und diverse Finanzierungen betrifft.

Unser Vorschlag ist erstens, dass wir selbstverständlich eine Kooperation in jeglicher Hinsicht ausbauen sollten. Bürgervereine, Händler, Unternehmen und Politiker können und sollen dies privat und freiwillig tun. Dazu bedarf es aber auch nahezu keiner finanziellen Unterstützung seitens der Steuerzahler, um weitere künstliche Märkte zu schaffen und Gelder in gewünschte Richtungen zu verteilen.

Zweitens. Finanziell sollte man die Verhandlungen über den Brexit abwarten, bevor man Dinge beschließt, die im europäischen Kontext insbesondere bilaterale Finanzierungen beinhalten.

Drittens. Generell sollte man auf ein reziprokes Austauschverhältnis in den Finanzfragen pochen. Polen hat eine stark wachsende Prosperität, die Leute sind bei Weitem weniger arm, als sie sich geben.

(Thomas Krüger, SPD: Das ist ja wieder ein Satz, Mann, Mann, Mann!)

Ja, ja, genau.

Und dann ein Satz noch zum Schluss: Eine weitere Finanzierung der teilweise doch egoistischen und dominanten Spielweise der polnischen Regierung ist der steuerzahlenden Bevölkerung in Deutschland kaum noch zuzumuten. Nichtsdestotrotz, der Antrag insgesamt geht in die richtige Richtung. Deswegen stimmt meine Fraktion zu. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Jetzt erhält das Wort der Abgeordnete Herr Dahlemann von der Fraktion der SPD.

(Thomas Krüger, SPD: Ich bin extra zurückgekommen.)

Wundervoll, Herr Fraktionsvorsitzender.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lassen Sie mich zu Beginn auf die Ausführungen der Vorredner eingehen.

Die Rede wird etwas kürzer, da der Kollege Schulte mir an der einen oder anderen Stelle durchaus die Worte aus dem Munde genommen hat. Ich möchte mich aber bei Herrn Kollegen Holter bedanken und kann sagen, das ist ein Punkt, den wir in unserem Briefverkehr zwischen der Fraktion DIE LINKE und mir zu den Anforderungen, die Sie für Vorpommern stellen, und auch in der Fraktionssitzung positiv diskutiert haben. Deswegen freue ich mich sehr über Ihre Zustimmung.

Lassen Sie mich aber auch deutlich den Zahlenvergleich aufnehmen. Sie werten die Personalausgaben, die natürlich in Verbindung mit dem Parlamentarischen Staatssekretär dort auftreten, und stellen diese den Metropolregionen gegenüber. Selbstverständlich wird es im Rahmen der Haushaltsdiskussion auch zu dem Vorpommernfonds Diskussionen geben, wie wir die Metropolregion Stettin und all diejenigen, die dort in ehrenamtlichen Bereichen unterwegs sind, finanziell weiter stärken. Da bin ich also durchaus bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren.

Frau von Allwörden, ich danke Ihnen sehr herzlich, vor allem für den Punkt „Sprache“, den Sie eingebracht haben, weil ich glaube, das gehört zu dieser Debatte auch dazu, dass das sicherlich eine der größten Baustellen bei dem Thema „Metropolregion Stettin“ ist. Darauf würde ich aber gern später noch einmal eingehen.

Und, lieber Herr Arppe, Sie haben so ein bisschen bei Ferdinandshof gestockt. Ich glaube, das war sinnbildlich dafür, dass Sie doch sehr wenig Kennung davon haben, was eigentlich die Herausforderungen und die Potenziale dieser Region ausmachen. Sie erzählen den Menschen ein Ammenmärchen, und das war das Ammenmärchen, mit dem die NPD jahrelang versucht hat, hier durchzukommen,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

nämlich das große Ammenmärchen der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, die regionale Entwicklung stellt sich ganz anders dar. Und reden Sie mal mit den Akteuren vor Ort, welche riesengroßen Chancen sich damit im Übrigen ergeben haben!

(Thomas Krüger, SPD: Sehr richtig.)

Kommunale Einbeziehung – auch das ist ein Stichwort. Selbstverständlich werden die kommunalen Strukturen beiderseits, wie zum Beispiel der Landkreis VorpommernGreifswald, in alle Überlegungen der Landesregierung eng mit einbezogen. Im Übrigen funktioniert das auch deutlich besser. Und Sie haben von Arroganz der Kollegen gesprochen, ich habe hier keine Arroganz wahrnehmen können außer einer Oberflächlichkeit Ihrerseits.

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade die letzten Monate und Jahre haben gezeigt, der Prozess der europäischen Einigung und die Partnerschaft zwischen zwei Ländern sind alles, aber garantiert keine Selbstverständlichkeit. Kollege Schulte ist mit einem Zitat sehr eindrucksvoll darauf eingegangen. Freundschaften zwischen zwei Ländern sind – und den Vergleich kann man, glaube ich, ganz gut anstellen – ein zartes Pflänzlein, ein Pflänzlein, das wachsen muss, das langsam wächst, das gepflegt werden muss. Und wenn sie sich dann tatsächlich gut entwickeln, muss man ihnen auch die nötige Zeit und Pflege dafür geben.

Deshalb werbe ich, das will ich einleitend sagen, um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. Gerade in Zeiten – und, Herr Arppe, da muss ich Ihnen noch mal widersprechen – von Brexit ist es so verdammt wichtig, dass wir in einem engen europäischen, gemeinsamen politischen Prozess hier voranschreiten und nicht zugucken, wie andere das europäische Projekt versuchen zu zerstören, und am Ende die Folgen nicht tragen wollen.

Dieser Antrag gibt uns also heute Gelegenheit, noch einmal deutlich herauszustreichen, wie wichtig uns in Mecklenburg-Vorpommern gerade unsere Partnerschaften mit den polnischen Freunden sind. Sie sind natürlich auch ein klares Signal. In Zukunft kann man sagen, dass wir nicht nur festhalten an dieser Metropolregion und an dieser Partnerschaft, sondern – und das ist ein Versprechen zugleich, liebe Kolleginnen und Kollegen –, dass wir diese Partnerschaft noch wesentlich mehr vertiefen müssen.

Wir haben an anderer Stelle bei uns im Land ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich eine Metropolregion entwickeln und zum Garant für Erfolg und Wachstum werden kann – das ist die Metropolregion Hamburg. Viele Kollegen von Ihnen sind darin eingebunden, in die Entwicklungen, die auch da die kommunalen Strukturen leben. Und ich kann Ihnen sagen, dass das ein sehr positives Erfolgsbeispiel ist, woran man sich auch immer orientieren kann.

Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass es mit einer nationalstaatlichen Grenze bei der Metropolregion Stettin selbstverständlich ein schwierigerer Weg ist und wir deswegen mehr Zeit und mehr Kraft brauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Partnerschaften zwischen den Woiwodschaften Pommern und Westpommern und unserem Land Mecklenburg-Vorpommern sind angesprochen worden. Sie sind sicherlich die zentralste Säule zu unseren Beziehungen mit der Republik Polen. Wenn man mal einige Beispiele anspricht, gerade in Bezug auf die Woiwodschaft Westpommern, dann können wir feststellen, wir haben 40 kommunale Partnerschaften, lieber Herr Kollege, Sie haben von 39 gesprochen, 16 Kooperationsvereinbarungen im Hochschulbereich, zahlreiche Partnerschaften zwischen Schulen, Unternehmen, Vereinen, Projektträgern und natürlich auch Verwaltungen. Wir können festhalten, seit 1998 sind mehr als 600 gemeinsame Projekte auf beiden Seiten der Grenze auf den Weg gebracht worden.

Herzstück dieser Partnerschaften sind natürlich die jährlichen wechselseitigen Präsentationen. In diesem Jahr wird sich das Land Mecklenburg-Vorpommern zum zehnten Mal in Westpommern präsentieren, und man kann sagen, bei der Präsentation im letzten Jahr in Schwerin konnte man deutlich spüren – ich hatte persönlich die Gelegenheit, dabei sein zu dürfen und unsere polnischen Gäste zu begrüßen –, es ist ein sehr gutes und vor allem ein sehr freundschaftliches Klima, eine gute Atmosphäre. Ich bin überzeugt, gerade die Atmosphäre bei diesem Thema ist doch das Wichtigste. Im vergangenen Jahr, das wurde deutlich, konnte man auch feststellen, dass viele der einzelnen Projekte anfangs auf einen gewissen skeptischen Partner getroffen sind und am Ende aus diesen skeptischen Partnern oftmals in der Bewegung dieser POMERANIA-Projekte enge Freundschaften entstanden sind.

Diese Partnerschaften sind natürlich besonders für Vorpommern bedeutsam und nicht nur für Vorpommern,

sondern damit auch für unser gesamtes Bundesland. Die erneute Befassung des Landtages mit der Metropolregion Stettin ist also an dieser Stelle ein gutes Zeichen. Diese Partnerschaften mit polnischen Nachbarn sind in vielen Bereichen gelebter Alltag. Da gibt es bekannte Beispiele, über die der eine oder andere oberflächlich drüberfliegen mag, da ist der Einkauf von Deutschen hinter der Grenze, der Kulturbesuch in der pommerschen Metropole Stettin und die Ansiedlung von Stettinern in grenznahen deutschen Gemeinden.

Auch dazu, Herr Arppe, möchte ich Ihnen sagen, das ist eine der dynamischsten Aufbrüche, die der südliche Teil Vorpommerns genau deshalb erlebt. Und wenn Sie mal mit den kommunalen Vertretern reden würden, würden Sie feststellen, welche großen Potenziale dabei entstanden sind.

(Thomas Krüger, SPD: Ein schönes Beispiel, wie Völker miteinander arbeiten können.)

Weniger bekannte Bereiche, auch die gibt es. Es sind Kontakte von circa 80 Unternehmerinnen und Unternehmern beidseits der Grenze. Kollege Schulte ist auf das Außenhandelsvolumen eingegangen und auch auf die Zusammenarbeit im Bereich der Fachkräftegewinnung, Projekte im Bereich der Nachbarschaftssprache und des Erlernens. Hier ist der Landkreis VorpommernGreifswald vorbildlich unterwegs und ich hoffe, dass dieses POMERANIA-Projekt auch so durchgehen wird.

Aber auch ein Bereich, der heute noch nicht angesprochen wurde, der Bereich der medizinischen Versorgung, ist ein besonders gutes Beispiel. Wir haben polnische Ärzte und Pflegepersonal, die mittlerweile unverzichtbar sind und gerade in der Grenzregion Uecker-Randow wertvolle Arbeit leisten, und das nicht als Billigarbeitskräfte, sondern als hoch qualifizierte, motivierte Männer und Frauen, die im Übrigen zum gleichen Tarif wie die deutschen Arbeitskräfte dort arbeiten. Das ist unverzichtbar für den südlichen Bereich Vorpommerns.

Also es gibt vielfältige alltägliche Zusammenarbeit, ganz besonders natürlich in der Grenzregion. Darauf können wir mehr als 70 Jahre nach Kriegsende und mehr als 25 Jahre nach Fall des Eisernen Vorhangs durchaus stolz sein. Damit tun wir nicht nur etwas, um das Leben der Menschen in dieser Grenzregion beidseits zu verbessern, sondern, lieber Kollege Fraktionsvorsitzender, damit leisten wir einen aktiven Beitrag zum Zusammenwachsen in Europa.

(Thomas Krüger, SPD: Hört, hört!)

Und das ist gelebte Völkerverständigung im besten Sinne, meine Damen und Herren.