Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

(Thomas Krüger, SPD: Ja, ich höre gut zu. – Torsten Renz, CDU: Wir hören die ganze Zeit schon zu.)

wovon 478 Personen,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

also mehr als die Hälfte, schlichtweg nicht auffindbar waren. Es stand groß in den Medien. Sie haben es sicher alle gelesen. Diese von mir genannten Zahlen sind die bittere Realität, auf die die Landesregierung eine Antwort geben muss.

Unser Bundesland verlässt sich seit Jahren auf die ehrenwerte Arbeit der Ausländerbehörden und des BAMF. Die im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Möglichkeit, Ausreiseeinrichtungen zu schaffen, wird bis heute von der Landesregierung nicht umgesetzt. Und, Herr Innenminister, Sie sind ja da, Sie werden nachher Gelegenheit haben, uns zu erläutern, warum es immer noch keine Ausreiseeinrichtungen gibt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Anstatt unsere Behörden dabei zu stärken, geltendes Recht durchzusetzen, müssen diese häufig machtlos mit ansehen, wie ausreisepflichtige Personen schlichtweg abtauchen.

Meine Damen und Herren, Ende 2016 wurden in Mecklenburg-Vorpommern 843 Personen wegen fehlender Reisedokumente geduldet, aber jede Duldung hat auch ihr Ende. Wann kommt die Zeit des Handelns? Die Landesregierung muss aufhören, sich – und ich sage es ausdrücklich nur als Metapher – wie die sprichwörtlichen drei Affen vor unsere Bürger zu stellen: Bloß nichts sehen, bloß nichts hören und erst recht nichts sagen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und dabei haben Sie selbst, Herr Innenminister, nach der gescheiterten Bundesratsinitiative zur Ausweitung sicherer Herkunftsländer gemerkt, dass – und ich zitiere Sie – „Probleme, die wir … bei den Rückführungen haben, … vollkommen außer Acht gelassen“ werden. Herr Caffier, wie kann es sein, dass Sie sich trotz dieser Zahlen und Fakten von linksregierten Bundesländern im Bundesrat derart vorführen lassen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir verfügen schon längst über die Gesetzesgrundlage, das hier genannte Problem anzupacken. Wir sollten es tun und Ihr Amtseid, Herr Innenminister, verpflichtet Sie, diesen unseren Staat zu schützen.

In Paragraf 61 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes steht unmissverständlich, ich zitiere: „Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.“

(Thomas Krüger, SPD: Und dafür stellen Sie die Gelder zur Verfügung?)

Meine Damen und Herren, wie wir gesehen haben, gibt es konkrete Gründe für die Schaffung dieser Einrichtungen. Die Zahlen habe ich genannt. In naher Zukunft wird auch bei uns die Zahl der ausreisepflichtigen Personen stark ansteigen.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Vielfach ist es so, dass die Mitwirkungspflicht von ausreisepflichtigen Personen schlichtweg ignoriert wird. Der Verschleierungstaktik in Bezug auf Herkunft und Identität muss daher ein Ende bereitet werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Doch am wichtigsten ist es, zwischen der enorm angestiegenen Terrorgefahr – und ich glaube, die kann niemand negieren – und dem Abtauchen der ausreisepflichtigen Personen einen Zusammenhang herzustellen, denn wir wissen nicht, was diese Leute im Schilde führen. Jedenfalls verhalten sie sich rechtswidrig, wenn sie sich dem Zugriff der Behörden entziehen, wenn es um ihre Ausreise geht.

Es ist also das Gebot der Stunde, die Effizienz aufenthaltsbeendender Maßnahmen deutlich zu erhöhen. Ausreiseeinrichtungen sind der notwendige Schritt zu einer guten Rückkehrpolitik. Alle Ausländer, die vollziehbar,

(Thomas Krüger, SPD: Alle Menschen!)

alle Ausländer, die vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sind und bei denen das Verfahren für die Beschaffung von Passersatzpapieren bisher nicht erfolgreich verlaufen ist, sind aus unserer Sicht in diese Einrichtungen aufzunehmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die Entscheidungen über die Prioritäten bezüglich bestimmter Personengruppen sollten durch das Amt für Migrations- und Flüchtlingsangelegenheiten getroffen werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Fehlt nur noch, dass er von Lagern spricht. – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Besonders unkooperative ausreisepflichtige Personen sollten nach Ersuchen kommunaler Ausländerbehörden hierbei bevorzugt aufgenommen werden.

Meine Damen und Herren, meiner Fraktion und mir ist klar, dass Sie aus Prinzip gegen unseren Antrag stimmen werden, doch bedenken Sie die Worte Konrad Adenauers, die ich auch zitieren darf:

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

„Man braucht nicht immer denselben Standpunkt zu vertreten, denn niemand kann einen daran hindern, klüger zu werden.“ Zeigen Sie also endlich den Mut, klar durchzusetzen, wer nach geltendem Recht unser Land verlassen muss! Zeigen Sie endlich Verantwortungsgefühl für die Menschen in unserem Land! Ich freue mich auf die Debatte. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Inneres und Europa Herr Lorenz Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Kollege Komning, zwei, drei Vorbemerkungen. Für Sie als Rechtsanwalt ist das ja rechtlich auch klar. Wir leben in einem demokratisch gewählten Staat, in dem sind die Regularien im Bundesrat klar, und da gibt es eine Anzahl von Stimmen, die man braucht, wenn man Mehrheiten erzielen will. Wenn die Stimmen nicht da sind, haben sie die Maghreb-Staaten nicht. Ich bin jetzt optimistisch, dass im Rahmen der Veränderung, die es in den letzten Wochen gegeben hat, möglicherweise das Stimmenverhältnis zum Thema Maghreb-Staaten anders ausgehen wird. Also das wollen wir mal in den nächsten Wochen sehen. Das Thema wird uns ja weiter beschäftigen.

Zum anderen kann man Wünsche haben, aber es gilt in der Bundesrepublik Deutschland auch das geltende Recht und da ist ganz klar geregelt, wie das ist für Flüchtlinge, die – aus welchen Gründen auch immer – keinen Pass besitzen. Die können Sie nach derzeit geltendem Recht nicht einfach so ohne Weiteres in eine geschlossene Einrichtung bringen. Dazu bedürfen Sie der Entscheidungen seitens der dementsprechenden Institutionen. Aber das sind ja Fragen, über die wir derzeit sehr intensiv diskutieren.

Das Thema Flüchtlinge hat in der politischen Diskussion der letzten Monate schrittweise an Bedeutung verloren. Hauptgrund dafür ist der schon vor über einem Jahr extrem stark zurückgegangene Flüchtlingszuzug.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr zum Ärger der AfD!)

Das ist letztendlich der Erfolg der konsequenten Flüchtlingspolitik der Bundesregierung,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

der starken Unterstützung durch die Länder, der strengen Asylgesetzgebung, der Bekämpfung von Fluchtursachen und auch des Abkommens mit der Türkei, das viele kriti

sieren, für das aber derzeit noch niemand, jedenfalls mir nicht bekannt, vernünftige Alternativen vorgelegt hat. Das Märchen von der unkontrollierten Zuwanderung stimmt schon seit dem Frühjahr 2016 nicht mehr.

(Enrico Komning, AfD: Aha!)

Und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass auch die Kollegen der Fraktion der AfD zumindest das Thema, was die unkontrollierte Zuwanderung betrifft, akzeptieren, dass das in der Form nicht mehr stattfindet.

(Thomas Krüger, SPD: So ist es. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Richtig ist aber auch, wir haben nach wie vor große Probleme bei der Rückführung – überall in Deutschland, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, grundsätzlich. In einigen Ländern ist das möglicherweise auch Einstellungssache. Ob ein Land effektiv abschiebt oder nicht, ist zunächst von den Entscheidungen der politisch Handelnden abhängig. Da gibt es durchaus den einen oder anderen mit einer angezogenen Handbremse, aber grundsätzlich haben alle die gleichen Regularien.

In Mecklenburg-Vorpommern haben wir das Problem der angezogenen Handbremse nicht. Die Landesregierung ist sich einig, zu einem gerechten und fairen Asylsystem gehört eben auch die konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Doch der Teufel steckt in der Frage im Detail. Die größten Rückführungshindernisse sind nach wie vor fehlende Reisedokumente und ärztliche Atteste. Für mich persönlich ist das größte Hindernis der zweite Fall, das will ich durchaus sagen. Da kann unser Land auch mit den größten Anstrengungen und eigenen Regularien nicht viel ausrichten.

Seit zwei Jahren diskutieren wir über mehr Abschiebung, seit zwei Jahren überlegen Bund und Länder gemeinsam, was wir besser machen können oder eben anders, und trotzdem steigt die Rückführungsquote für meine Verhältnisse zu langsam. Ich kann Ihnen jetzt auch keinen großen Durchbruch versprechen, der alles ändern wird. Es sind eben letztendlich offensichtlich die vielen, manchmal mühsam erzielten zahlreichen kleinen Schritte, die wir gehen müssen, um hier – ich will nicht von der Frage der Optimierung reden, aber von einer Verbesserung – von einer deutlichen Verbesserung reden zu können.

Das Konzept der sicheren Herkunftsländer gehört zweifelsohne dazu. Die Ausweitung auf die Maghreb-Staaten scheint im Bundesrat, so hoffe ich jedenfalls, in Zukunft mehrheitsfähig zu sein. Es hat lange, lange gedauert. Wichtig ist, dass die Herkunftsländer die notwendigen Passersatzpapiere schnellstmöglich zur Verfügung stellen. Ich weiß, dass sich die Bundesregierung mit diesen Staaten in intensiven Verhandlungen befindet, aber für mich ist das auch ein sehr, sehr langer Zeitraum, bis wir da zu einem erfolgreichen Ergebnis kommen. Da werden Kontakte gepflegt, da wird motiviert, da werden aber auch Daumenschrauben angezogen.

Letztlich sind wir hier aber vom Wohlwollen der Behörden ganz unterschiedlicher Entwicklungs- und Schwellenländer abhängig. Das kostet nicht nur Nerven, das kostet Zeit und ist vor allen Dingen auf der Ebene der Bundesregierung verankert, und auch da wird man sich grundsätzlich darüber verständigen müssen, wie man mit Ent

wicklungsländern umgeht, die in dieser Frage nicht kooperativ sind. Das ist eine Entscheidung, die muss der Bund früher oder später treffen. Und das kostet eben, wie gesagt, nicht nur Nerven, es kostet Zeit und im Fall Amri leider offensichtlich auch Menschenleben. Neben allen Fehlern, die bei dem Attentäter gemacht wurden,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Bei Amri würde ich jetzt vorsichtig sein.)

fehlte es bis zuletzt schlicht an Passersatzpapieren. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, und das darf definitiv nicht sein.