Traditionell gratuliere ich den Nachwuchspolizisten wie gesagt bei der Festveranstaltung und gebe einen Ausblick auf die zukünftige Arbeit. Der Polizeiberuf – Frau von Allwörden hat gerade erklärt, warum ihr der Polizeiberuf so wichtig ist und was mit dem Polizeiberuf verbunden ist – ist ein großartiger Beruf. Er ist fordernd, er ist spannend und er ist abwechslungsreich. Aber er ist eben auch gefährlich. Die Polizistinnen und Polizisten halten im Notfall ihren Kopf dafür hin.
Ich bringe dann immer das klassische Beispiel von Ausschreitungen am Rande von Fußballspielen oder bei Demonstrationen, möglicherweise auch Einsatzlagen bei Terrorgefahr. Das mag im Festsaal der Fachhochschule etwas theoretisch klingen. Was das aber ganz praktisch bedeutet, haben wir leider vergangene Woche während des G20-Gipfels erleben müssen. Traurig genug, an fliegende Pflastersteine haben wir uns mittlerweile gewöhnen müssen, aber das Ausmaß der Gewalt und der Radikalität war dann für alle erschreckend groß. Systematisch wurden im Innenstadtbereich Fahrzeuge angezündet, mit Straßenschildern wurden Fenster eingeschlagen, Geschäfte wurden geplündert. Molotowcocktails wurden auf Einsatzkräfte geworfen. Mit einer feigen Guerillataktik zogen kleine Gruppen von vermummten Schwerverbrechern marodierend durch Hamburg.
Das waren Bilder, die wir in dieser Dimension in Deutschland noch nicht kannten. Mittendrin waren die Polizisten von Bund und Ländern. Sie standen in der gesamten Stadt an vorderster Front. Sie hielten eben nicht nur sprichwörtlich, sondern hielten tatsächlich ihren Kopf hin. Deswegen ist auch die Kritik an den Polizistinnen und Polizisten vollkommen verfehlt und falsch. Deswegen sind die Vorwürfe gegenüber den Beamten daneben, und deswegen ist auch völlig inakzeptabel, der Polizei jetzt sogar noch die Verantwortung für die Ausschreitungen zuzuschieben.
Nein, im Gegenteil, der Polizei gilt unsere volle Anerkennung und unser Dank. Deshalb, liebe Polizistinnen und Polizisten, vielen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz in Hamburg, vielen Dank für die Ausdauer und Beharrlichkeit, die Sie an den Tag gelegt haben, und vielen Dank dafür, dass Sie alles unternommen haben, um den linksextremistischen Straftätern so weit wie möglich Einhalt zu gebieten.
Mein Dank gilt in dem Zusammenhang im Übrigen auch den Polizistinnen und Polizisten, die in den Revieren in der Heimatverwendung geblieben sind und die Arbeit der Kollegen zum Teil mit übernommen haben, die kurzfristig nach Hamburg abgeordnet worden sind.
Ohne den Rückhalt hätten wir nicht so viele Beamte noch zusätzlich nach Hamburg schicken können. Warme Worte alleine reichen meiner Meinung und auch der Meinung der Landesregierung nach nicht bei solch einem gefährlichen Einsatz. Deswegen haben die Länderkollegen und die Landesregierung, die Ministerpräsidentin und ich uns dazu entschieden und abgesprochen, dass wir den G20-Polizisten aus unserem Land drei Tage Sonderurlaub gewähren.
Meine Damen und Herren, als Innenminister steht es mir nicht zu, das Einsatzkonzept der Amtskollegen in Hamburg zu beurteilen.
Ich bin selbst vorher einen Abend in Hamburg gewesen, habe mich mit dem Innensenator, mit dem Polizeipräsidenten und dem Polizeiführer getroffen und konnte mich davon überzeugen, dass vor Ort von den Kollegen ein professionelles Konzept gewissenhaft auf den G20Einsatz vorbereitet und zugeschnitten gewesen ist. Insofern ist es auch gar nicht mein Recht, mit dem Wissen und der Kenntnis den gesamten Einsatz zu beurteilen. Gleichwohl hat natürlich der Landtag einen Anspruch darauf, über die Beteiligung der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern umfassend unterrichtet zu werden. Diesen Bericht gebe ich Ihnen heute gern, soweit ich zum jetzigen Zeitpunkt bereits über alles Ausführungen machen kann, weise jedoch darauf hin, dass, wenn mehr Informationen kommen – und das gilt auch für mögliche Straftäter aus Mecklenburg-Vorpommern –, natürlich die entsprechenden Gremien informiert werden.
Der Einsatz begann am 22. Juni im Rahmen der BAO Michel, also Besonderen Aufbauorganisation Michel, und endete am 10. Juli gegen 4.00 Uhr morgens. Insgesamt waren gut 19.000 Polizistinnen und Polizisten während des G20-Gipfels im Einsatz. Unsere Landespolizei stellte rund 700 – genau 701 – Beamte. Sie wurden in den verschiedensten Einsatzabschnitten eingesetzt.
An der Verkehrssicherung und -überwachung beteiligten sich Kräfte der Polizeipräsidien Neubrandenburg und Rostock. Die Bereitschaftspolizei wurde für den Außenschutz der G20-Veranstaltungsorte, insbesondere eben des Messegeländes, abgestellt. Für kriminalpolizeiliche Maßnahmen standen Polizisten des LKA und der Polizeipräsidien zur Verfügung. Auch Kräfte der Spezialeinsatzkommandos und der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit waren vor Ort, und die Kräfte der BFE waren die, die als letzte wieder in die Heimat zurückgekehrt sind.
An der wichtigen Überwachung aus der Luft beteiligte sich auch unsere Hubschrauberstaffel, sie schickte einen Hubschrauber, und die Wasserschutzpolizei war mitsamt der gesamten maritimen Einsatzeinheit in Hamburg präsent, eine Einheit, die im Rahmen des G8-Gipfels gebildet worden ist und die in der Bundesrepublik Deutschland Vorbildcharakter hat.
Die Diensthundeführer halfen planmäßig in verschiedenen Einsatzabschnitten mit. Die geschlossenen Einheiten wurden nach aktuellem Einsatzgeschehen eingesetzt und waren daher an verschiedenen Orten im Einsatz. Insbesondere diese Kollegen waren massiven Angriffen ausgesetzt. Ich gebe Ihnen einige Beispiele aus den Einsatzberichten unserer Einheiten ohne Zeitangaben wieder.
Der Theodor-Heuss-Platz wurde geräumt, weil eine Delegation durch Demonstranten festgesetzt wurde. Kräfte der Landespolizei wurden zum Schutz verschiedener Gebäude und wichtiger Einrichtungen in hoher Frequenz verlegt. Kennzeichen von Streifenwagen wurden während langsamer Fahrt von Vermummten abgerissen und weggeworfen. Im Bereich der Schulterblatt-Straße wurden Einsatzkräfte von Vermummten mit Eisenstangen und Molotowcocktails angegriffen. Polizisten der Landespolizei befanden sich in unmittelbarer Nähe des Geschehens. Die Gefahr eines Hinterhaltes war allgegenwärtig. Versorgungsfahrzeuge hatten große Schwierigkeiten, zu
den Beamten vorzudringen. Sie wurden immer wieder aufgehalten oder umgeleitet. Polizeibeamte wurden am Neuen Pferdemarkt von Kleingruppen mit Steinen, Flaschen und Farbbeuteln beworfen. Streifenwagen konnten aufgrund massiver Störerbewegungen und Straßenblockaden nicht genutzt werden. Teilweise entwickelte sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem schwarzen Block. Die Einsatzkräfte wurden zum Teil im Viertelstundentakt verlegt.
Meine Damen und Herren, es sind nur kleine Auszüge. Aber ich denke, sie geben einen ersten Einblick in das Geschehen live vor Ort. Tatsächlich kann man die physische und die psychische Belastung aus der Ferne gar nicht richtig nachvollziehen. Viele Beamte mussten an die Grenze ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit gehen. Sie waren teilweise über 40 Stunden im Einsatz, lediglich unterbrochen von einer vierstündigen Ruhepause. Dabei trugen sie zum Teil in der gesamten Zeit ihre 20 Kilogramm schwere Ausrüstung und mussten sich im Laufschritt von einem Einsatzort zum anderen begeben. Das war wirklich eine extreme Herausforderung.
Leider wurden zahlreiche Polizistinnen und Polizisten aus allen Bundesländern verletzt, insgesamt 476. Unsere Landespolizei verzeichnete, wie hier schon gesagt, elf Verletzte, davon neun wieder dienstfähig oder gleich dienstfähig mit leichteren Verletzungen und zwei derzeit nach wie vor nicht dienstfähig. Außerdem wurden mehrere Streifenwagen des Landes erheblich beschädigt und die Wasserwerfer sehen auch nicht mehr so neu aus. Ein detaillierter Bericht zur gesamten Lage und Zerstörung der eigenen Einrichtungen liegt mir derzeit noch nicht vor.
Nicht unerwähnt bleiben soll an der Stelle, dass es unser Polizeihubschrauber Merlin 1 war, der mit einer Leuchtrakete beschossen worden ist, glücklicherweise jedoch nicht getroffen wurde. Es hätte also noch viel schlimmer kommen können, als es ohnehin gekommen ist. Ich habe mich gestern mit dem Piloten unterhalten und muss sagen, Hochachtung, wenn man dann trotzdem routiniert weiterfliegt.
Es gab – Stand von gestern – insgesamt 186 vorläufige Festnahmen, 228 Ingewahrsamnahmen und es wurden bisher 51 Haftbefehle ausgestellt. Es wird noch fortwährend nach möglichen Tätern gefahndet. Die Ermittlungen gehen weiter und uns bleibt die Hoffnung, dass noch ein paar der gewalttätigen Linksextremisten aufgegriffen werden können.
Der Einsatz der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern war gut vorbereitet und auch die Zuführung zusätzlicher Kräfte am 7. Juli erfolgte reibungslos. Daher nochmals unseren und meinen persönlichen Dank an alle beteiligten Polizisten, die entweder in Hamburg oder an der Front standen oder im Dienst zu Hause den Kollegen im Einsatz den Rücken freihielten.
Meine Damen und Herren, wenn ich vor unseren angehenden Polizisten eine Rede halte, dann berichte ich
nicht nur über den zukünftigen Arbeitsalltag. Ich versuche zugleich, den jungen Männern und Frauen auch ein Gefühl dafür zu geben, wie ihre Arbeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird und welche Rolle Politik und Medien dabei einnehmen. Ich will nicht alles aus den Ausführungen preisgeben, aber so viel sei verraten: Nicht jeder kommt dabei gut weg.
Tatsächlich gibt es zahlreiche Akteure, die gegenüber den Sicherheitskräften übermäßig und unverhältnismäßig kritisch eingestellt sind. Der G20-Gipfel war nach meiner festen Überzeugung ein Lehrbeispiel dafür. Mich macht fassungslos, wenn für die gewalttätigen Ausschreitungen allen Ernstes die Polizei mitverantwortlich gemacht wird. Dann wird von angeblichen Provokationen und unverhältnismäßigem Vorgehen schwadroniert. Wir sind leider, leider in der Tat, wenn ich abends fernsehe, seit Tagen von Sofa-Experten umgeben, die noch nie in ihrem Leben einen Polizeieinsatz geführt haben, die aber alles besser wissen. In aller Deutlichkeit: Das ist einfach nur Schwachsinn!
Mich macht auch die postmoralische Klugscheißerei von selbsternannten Polizeiexperten wütend. Schuld an den Ausschreitungen von Hamburg hatten weder die Polizei noch Olaf Scholz oder Angela Merkel, sondern alleine die verbrecherisch vermummten Steinewerfer aus dem schwarzen Block.
Die Berichterstattung dazu hat mich teilweise schockiert. Manch Reporter schien nach einigen Stunden vor Ort die Rolle des neutralen Beobachters verlassen zu haben und Teil des Demonstrationszuges geworden zu sein. Tenor war dann: Greift die Polizei ein, war es unverhältnismäßig. Ist sie nicht überall vor Ort, wo es knallt, heißt es, die Polizei ist untätig.
Bei der Demonstration „Welcome to Hell“ vor genau einer Woche ging die Polizei von Anfang an konsequent gegen Vermummte vor. Sie versuchte, den schwarzen Block von den anderen Demonstranten zu trennen, was leider in dem Umfang nicht gelang. Es kam zu größeren Auseinandersetzungen. Prompt hagelte es Kritik. Nun frage ich mich: Warum? Was war die Alternative? Hätte die Polizei den Demonstrationszug mit den Autonomen erst bis zum Messegelände ziehen lassen sollen, damit diese dort ihr Unwesen treiben können? Die Schlagzeilen wären doch vorprogrammiert gewesen: Die Polizei sieht untätig zu. Die Polizei ignoriert frühzeitig Hinweise auf gewalttätige Ausschreitungen. Die Polizei ist schuld.
Nein, ich glaube, dort, wo Straftaten begangen wurden, und das Vermummen ist eine Straftat – und ich lese ja mit großem Erstaunen, dass im Berliner Abgeordnetenhaus DIE LINKE plant, einen Antrag einzubringen, das Vermummungsverbot aufzuheben, auch das sind Lehren aus Hamburg, da kann man nur noch staunen –, musste von Anfang an eingeschritten werden. Jede wusste doch und jeder wusste, was der schwarze Block vorhatte. Es war schon bezeichnend, dass sich die Fernsehkameras
im Anblick der Wasserwerfer ergötzten, während im Internet Handyaufnahmen kursierten, die die Verwüstung in der Innenstadt dokumentierten. Da fragen sich die Beamtinnen und Beamten dann schon, woher dieser Argwohn ihnen gegenüber kommt.
Aber da kann ich jede Polizistin und jeden Polizisten beruhigen. Das Ansehen der Polizei ist bei den meisten Politikern und vor allem bei der Bevölkerung nach wie vor sehr hoch. Auch das wurde eben beim G20-Gipfel deutlich. Die Solidaritätsbekundungen der Menschen gegenüber den Polizisten rissen schon während des Einsatzes nicht ab. Sie stärkten den Einsatzkräften den Rücken und viele normale Bürger boten sogar Hilfe an, und sei es eine Stulle oder Limo zur Stärkung während des kräftezehrenden Einsatzes. Das sollten die Polizisten im Hinterkopf behalten und an diese Szenen mehr denken als an die anderen.
Neben der Polizei geriet natürlich auch der G20-Gipfel selbst in die Kritik. Ich will und ich kann die Ergebnisse des G20-Gipfels hier nicht bewerten – das ist jetzt auch nicht der richtige Zeitpunkt dafür, das überlasse ich anderen –, aber man muss wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass man einen G20-Gipfel nicht in Trinwillershagen bei einem gemütlichen Grillabend durchführen kann. Es ist eine wahnsinnig große Konferenz, die gewisse Anforderungen an die Infrastruktur der Ausrichterstadt stellt. Dafür gibt es in Deutschland eben nicht allzu viele Alternativen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Was wäre denn, wenn Salafisten den nächsten Kirchentag bedrohen? Was wäre denn, wenn Neonazis gegen den Christopher Street Day Randale ankündigen? Sollen wir dann immer klein beigeben und uns der Gewalt beugen? Ich nicht! Wir nicht! Wir dürfen uns nicht von den Gewalttätern erpressen lassen, weder von Gewalttätern von links noch von rechts! Das darf eine Gesellschaft nicht!
Für Extremisten und für Gewalttäter gibt und darf es in unserer Gesellschaft keinen Platz geben, völlig egal, welche Ideen sie zur Rechtfertigung ihrer Fantasien gebrauchen oder eben auch missbrauchen. Niemals, niemals dürfen wir uns durch Gewalt vorschreiben lassen, wie wir zu leben haben!
Aber selbst, wenn man den G20-Gipfel in Hamburg mit den furchtbaren Ausschreitungen komplett verdammen möchte, am Ende hat er vielleicht doch etwas Gutes, denn so manchem naiven Träumer, insbesondere bei der Linkspartei, wurden jetzt die Augen geöffnet. Die politisch motivierte Kriminalität, links- wie rechtsextremistisch, ist im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich. Das konnte in der letzten Woche niemand mehr übersehen. Und ich warne an der Stelle eindringlich vor jeder Form der Relativierung. Natürlich waren auch Ausländer unter den Randalierern, aber es gibt keinen Zweifel daran, dass die meisten Straftäter aus der hiesigen Szene in Deutschland stammten.
Geradezu infam finde ich die Reaktion von Frau Kipping, die immerhin Parteichefin der LINKEN ist. Sie schreibt bei Facebook: „Die Eskalation geht eindeutig von den Behörden aus.“ Andere Politiker schrieben, Gewalttäter sind nicht links, sondern kriminell. So einfach ist das also. Die Polizei hat alle provoziert und linksmotiviert waren die Ausschreitungen also auch nicht.
Das, meine Herren und Damen, dürfen wir so nicht durchgehen lassen. Man stelle sich vor, jemand hätte sich so über rechtsextremistische Ausschreitungen geäußert. Hier wäre zu Recht die Hölle los gewesen. Das Gleiche, genau das Gleiche muss dann aber auch für den Linksextremismus gelten.
Sie dürfen keinen politischen Rabatt auf ihre Straftaten erhalten. Darüber müssen wir uns einig sein. Und so, wie wir in den zurückliegenden Jahren gemeinsam den Rechtsextremismus bekämpft haben, sollten wir es auch gleichermaßen über die Parteigrenzen hinweg in den nächsten Jahren mit der gleichen Intensität mit dem Linksextremismus tun.
Ja, insbesondere von der Linkspartei, lieber Peter, erwarte ich eine unmissverständliche und vollumfängliche Abgrenzung zu den Ausschreitungen in Hamburg. Ich weiß, dass du dich persönlich ganz klar zu der Äußerung von Frau Kipping …
(Unruhe vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Was habe ich in meiner Einführungsrede erzählt?)