Protokoll der Sitzung vom 14.07.2017

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Schauen Sie sich die Gesamtkosten dieser Energiewende an! Die steigen bis 2025 auf 77 Milliarden Euro,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Richtig, Herr Holm!)

und nicht kumuliert, sondern jährlich. Jährlich 77 Milliarden!

(Der Abgeordnete Philipp da Cunha bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Ich habe leider keine Zeit. Geht leider nicht.

Das ist mit 77 Milliarden, mit denen wir rechnen müssen bis 2025, ein Viertel des heutigen jährlichen Bundeshaushaltes. Das muss man sich vorstellen! Wir retten weder das Weltklima, noch können wir bisher tatsächlich auf Kernkraftwerke verzichten, im Zweifel kaufen wir den Atomstrom aus dem Ausland dazu. Das ist natürlich bigott, das so zu tun. Die Ziele werden allesamt nicht erreicht und die Bürger müssen immer tiefer in die Tasche greifen, um Merkels Schnellschuss ohne Sinn und Verstand zu bezahlen. Sie rennen hier,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Vincent Kokert, CDU: Na, na, na! – Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Sie rennen hier entweder einer ideologischen Wunschvorstellung nach oder niemand von Ihnen will zugeben, dass diese Energiewende ein großer Fehler war. Wir als AfD sagen: Diese Energiewende ist gescheitert, das EEG muss weg!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ums Wort gebeten hat jetzt der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Herr Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist das Murmeltier ein bisschen im Wahlkampfmodus, wie wir gerade feststellen konnten. Ich habe auf jeden Fall eine Aufgabe für meine Sommerferien. Ich werde bei YouTube mal schauen, ob Murmeltiere eigentlich Geräusche machen,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE – Holger Arppe, AfD: Die pfeifen. – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

und werde vermutlich in meinem Sommerurlaub mit den Kindern üben.

Das fanden wir auch deshalb erforderlich, weil ich glaube, dass man diese Aussprachenreihe noch sinnvoll fortsetzen kann, meine Damen und Herren. Ich könnte mir beim nächsten Mal eine Aussprache vorstellen unter

der Überschrift „Schluss mit dem Schönreden: Was Sie schon immer mal über die Kosten und wahren Folgen von Atomkraft und deren Endlagerung in Deutschland wissen wollten“. Oder beim übernächsten Mal: „Schluss mit dem Schönhoffen: Was der Klimawandel mit seinen menschlichen Einflüssen tatsächlich für eine Küstenregion wie Mecklenburg-Vorpommern bewirkt“.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Einen breiten Strand.)

Ich fände, das wären zwei schöne Themen, um auch mal zu gucken, ob all das, was Sie ein Stück weit als Feindobjekt ausgemacht haben, nicht ein ganzes Stück weit bei weitsichtiger Politik im ureigensten Interesse gerade dieses Bundeslandes ist.

Ich würde an der Stelle, das erlauben Sie mir, Frau Vizepräsidentin, auch noch ein bisschen widersprechen. Ihr Hinweis, dass die AfD-Fraktion das allererste Mal auf das Thema Energiewende gekommen sei, weil ich eine Pressemitteilung gemacht habe mit den Kolleginnen und Kollegen, scheint mir in meiner Erinnerung – zumindest der letzten fünf oder sechs Landtagssitzungen dieses Hohen Hauses –,

(Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

freundlich formuliert, auf dünnem Eis argumentativ. Ich will gleichwohl eingestehen, dass wir beim nächsten Mal unsere Pressemitteilung gern noch mal genauer angucken. Nur glücklich bin ich damit nicht, weil sie in der Tat ganz viele Diskussionen ausgelöst hat. Aber vorzutragen, die AfD hat das erste Mal das Thema entdeckt,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Nee, diese Debatte.)

das fände ich angesichts der Sitzungen bisher nicht überzeugend.

Meine Damen und Herren, wenn wir die Aussprache angucken, haben Sie mich deshalb überrascht, weil ich mich schon darauf gefreut habe, welchen Antrag Sie diesmal machen, um das Thema hochzuziehen. Dass die AfD sich nicht mal mehr die Mühe macht, Anträge zu formulieren, sondern sagt, komm, das ist bloß Arbeit, wir machen jetzt nur noch Aussprachen, nehme ich zur Kenntnis.

Zweitens. Ich nehme zur Kenntnis …

(Der Abgeordnete Jürgen Strohschein bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Lassen Sie mich zum Ende kommen und dann hinterher gerne, also wenn ich dann noch Redezeit habe, gerne. Ich will bloß vermeiden, dass wir hier den Rahmen sprengen.

(Torsten Renz, CDU: Der Minister hat unendlich Redezeit.)

Ja, aber das hat immer Folgen für das restliche Parlament. Das habe ich gelernt in der Geschäftsordnung.

(Torsten Renz, CDU: Sehr gut.)

Beinahe …

(Vincent Kokert, CDU: Dann redet das Murmeltier wieder. – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Das andere Murmeltier.

(Vincent Kokert, CDU: Genau.)

Meine Damen und Herren, die Diskussionen der letzten neun Monate haben gezeigt, Ihnen ist beinahe jedes Mittel recht, um zu sagen, die Energiewende muss bekämpft werden. Das kann man politisch alles tun. Ihr letzter Beitrag war total offen. So offen hätte ich mir die Diskussion auch in den letzten neun Monaten gewünscht. Dann werden Sie aber auch aushalten müssen – und das war Herrn Borschkes Hinweis –, ich würde immer sagen, es sei eine Erfolgsgeschichte. Ja, davon bin ich auch überzeugt und das Glückliche ist, ich bin nicht ganz allein in diesem Hohen Hause damit.

Es ist eine Erfolgsgeschichte, die ich weiter fortsetzen will mit weiterhin geordnetem, ruhigem Ausbau, wenn Sie unsere Zahlen angucken. Ja, ich bin überzeugt, es ist eine Erfolgsgeschichte, weil ich davon ausgehe, dass wir den Atomausstieg schaffen wollen und schaffen können und dass es sinnvoll ist. Ich erinnere nur noch mal an die hin und wieder gegebenen Hinweise, was alleine die Endlagerung an Kosten für mich und die Generation, die zum Beispiel jetzt im Zuschauerraum sitzt, bedeutet, die alle in Ihren Strompreisen in den 60ern nicht dringesteckt haben, die Sie immer noch argumentativ vor sich hertragen, die aber gleich in Milliardenbeträgen sind, wo ich die Kommastellen zählen muss, ob man wirklich bei der richtigen Milliardensumme ist. Die werden dabei gerne von Ihnen unterschlagen.

Ich glaube ebenfalls, dass es eine Riesenerfolgsgeschichte ist, weil wir in der Tat beim Klimawandel, bei dem Teil, der menschenhandgemacht ist, der Geschwindigkeitsdynamik, die der Mensch verursacht hat, dass wir an der Stelle dringend handeln müssen und ein Stück weit auch was erreichen können.

Und, meine Damen und Herren, ich bin ebenso bei den Arbeitsplätzen durchaus davon überzeugt, dass wir eine Erfolgsgeschichte haben. Ich nehme zur Kenntnis, Herr Holm, dass Sie sagen, als Fraktionsvorsitzender der AfD, als Berliner Weltökonom sind mir 14.000 bis 15.000 gut bezahlte Dauerarbeitsplätze in diesem Land nichts wert. Das nehme ich zur Kenntnis. Ich kann Ihnen sagen, industriepolitisch ist dieses Land Anfang der 90er schwer auf den Rücken gefallen und wir brauchen jeden Gewerbe- und Industriearbeitsplatz in diesem Lande, der neu entsteht, vor allen Dingen in Zukunftsbranchen. Die Durchschnittseinkünfte liegen bei circa 34.000 Euro. Wenn Sie schauen, wie hoch die Durchschnittseinkünfte landesweit sind, dann wissen wir, dass wir damit ein deutlich besseres Niveau anbieten können, als das bisher leider in vielen anderen Branchen erreicht ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht in Diskussionen leider oft ums Diskreditieren der Energiewende, es geht um sehr prinzipielle ideologische Streitigkeiten. Das kann man so führen. Ich würde lieber das Problem lösen.

(Leif-Erik Holm, AfD: Gehen Sie doch mal auf die Argumente ein!)

Ganz ruhig! Ich komme schon noch zu Ihnen, Herr Holm. Bleiben Sie ruhig dabei! Hören Sie mir gern weiter zu, genau, wie ich es bei Ihnen ja auch getan habe. Ganz entspannt höre ich Ihnen gerne zu.

Es geht Ihnen vor allem ums Diskreditieren, es geht Ihnen darum, Probleme zu beschreiben, und da sind wir einfach auf unterschiedlichen Kontinenten unterwegs. Ich nehme Probleme gern zur Kenntnis, aber ich schreibe mir dann lieber ins Stammbuch, sie lösen zu wollen, als sie zu bedauern und zu bejammern. Ich würde gerne weniger schwarzmalen, sondern mehr Gesellschaft entwickeln, weil ich überzeugt davon bin, dass es nach vorne gehen muss und dass Dinge, die vielleicht suboptimal laufen – und die haben Sie bei jedem Prozess, den Sie anstoßen –, identifiziert und dann gelöst werden müssen, aber nicht permanent wie eine Monstranz vor sich hergetragen werden sollen.

Meine Damen und Herren, ich würde jetzt gerne konkretere Punkte aufgreifen, deswegen habe ich mir ausnahmsweise auch erlaubt, mich hinten dranzuhängen wie ein Bahnwaggon.

Erstens. Die Kritik von Herrn Borschke war, wir haben in Mecklenburg-Vorpommern an den Abregelungen im Übertragungsnetz einen Anteil von 0,6 Prozent. Da sagen Sie, das ist immerhin Platz vier, das zeige, was für eine Riesensauerei das ist. Wenn bei 100 Prozent – gehen wir mal davon aus, dass das die grundmathematische Übung dahinter ist – 0,6 Prozent auf uns entfallen und das Platz vier ist, dann zeigt das eher, dass die Plätze fünf bis … vermutlich 0,0 Prozent haben und dass das hochgetunte Problem von Ihnen erkennbar eher in einigen ganz wenigen Stellen in dieser Republik ein großes ist, aber an vielen anderen Stellen gar keines. Also die Behauptung, all das funktioniert überhaupt nicht, trägt zumindest diese Zahl gerade nicht.

Zweitens. Herr Holm, der CO2-Ausstoß steigt, in der Tat. Da würde ich mich sehr freuen, wenn wir uns nicht auf Polemik beschränken, sondern miteinander mal gucken, wo sind die Ursachen dafür. Die Ursachen sind, dass erneuerbarer Strom, dass der Strom aus Solar, aus Wind, aus Biomasse an unserer Strombörse in Leipzig den Preis zu einem der günstigsten in ganz Europa – wohlgemerkt nur beim Einkauf der Großabnehmer – gemacht hat, den Sie finden, und er damit im europäischen Wettbewerb, weil der Kohlestrom bei uns preislich mithält, der lässt sich mit nach unten ziehen, auf einmal wettbewerbsfähig wird und wir mit unserem Kohlestrom günstiger sind als der Atomstrom in den Nachbarländern. Dann kaufen in Größenordnungen Nachbarländer – das sehen Sie im Übrigen auch an den Zahlen der Grenzkuppelstellen, die gehen über die letzten Jahre in der Dynamik nach oben – wie wild Kohlestrom ein und wir hauen uns massiv Kohlekraftwerkstrom in die Netze.

Wir werden eher überlegen müssen, wie man ein Stück rausgeht aus der Kohlestromerzeugung, ein Weg, der nicht ganz einfach ist, das will ich auch deutlich sagen. Da würde ich ein hocheffizientes Kraftwerk wie Rostock entgegen aller bisherigen Agitation nicht auf Platz eins der Abschaltliste sehen, aber damit werden wir die CO2Bilanz insgesamt verbessern. Wir erzeugen heute viel, viel größere Strommengen, aber leider mit einem positiven Effekt für die Auslandsnachfrage auf unseren Kohlestrom, der dazu führt, dass die CO2-Bilanz sich leider nicht positiv verändert. Wenn es gelänge, den Koh

lestrom, den wir in Deutschland nicht brauchen, rauszunehmen aus dem System, würden wir auch eine deutlich positive CO2-Bilanz sehen.

Drittens, die Kosten. Ich würde von Ihnen gern mal ein lautes Bekenntnis dazu hören, von Ihnen als Fraktionsvorsitzender hier vorne für die Partei, dass Sie sagen, unsere Alternative – und das Leben auf dieser Welt besteht immer aus Alternativen, rechts gehen, links gehen, geradeaus oder zurück, man setzt sich ja selten an eine Kreuzung und sagt, ich bewege mich nicht mehr –, wenn ich eine Alternative brauche, würde ich gerne hören, welche ist es. Ich habe vernommen, dass Atomstrom für Sie durchaus eine Variante ist. Auch da sage ich, das kann man politisch alles diskutieren, das muss in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung dazugehören. Aber da muss man den Arsch in der Hose haben, das auch zu sagen. Dann wird man sich fragen müssen, warum ist die Behauptung, das sei alles viel billiger als erneuerbare Energien, zumindest mit den Zahlen, die wir in den Nachbarländern beobachten, nicht vereinbar.

Da gibt es einen einzigen Atomkraftwerksneubau, Kernkraftwerksneubau, der in Europa momentan ernsthaft diskutiert wird, der ist in Großbritannien. Die dortige Regierung hat sich – die alte im Übrigen noch – von der EUKommission eine Subventionierung, eine Preissicherung des dortigen Abnahmepreises gewähren lassen. Die steigen erstens ein mit über 10 Cent pro Kilowattstunde, zweitens einer Dynamisierung, um die Inflation jedes Jahr – das steht in unserem EEG im Übrigen nicht drin –, jedes Jahr Inflationsausgleich, und das ganze 35 Jahre lang und nicht 20 Jahre lang wie unser EEG. Ich brauche also schon mehr im Grundpreis. Wenn Sie auf unsere Subventionen für das EEG schauen, liegen wir deutlich unter 10 Cent. Wir brauchen 35 Jahre statt 20 und wir brauchen Inflationsausgleich anders als hier. So viel billiger ist Atomstrom! Und dann, meine Damen und Herren, ist das kleinere Problem hinten, die Endlagerung, noch mit keinem Cent enthalten. Die Milliardenbeträge schlagen Sie dann bitte als Steuerzahler obendrauf!

Vierter Punkt, das ist der Hauptpunkt, der Herrn Borschke umgetrieben hat, den will ich gerne noch aufgreifen. Bis zu drei Prozent Abregelung sind in etwa das, was wir momentan im Lande, wenn wir Übertragungsnetze und die Verteilnetze zusammenrechnen, haben. Die beiden Netzstudien, die im Übrigen mit Professor Weber jemand gemacht hat, der nicht permanent zu Windstrom jubelt – Universität Rostock, gemeinsam mit unseren Stadtwerken, unseren Verteilnetzinhabern –, haben wir als Haus vor meinen Zeiten in den letzten zehn Jahren anfertigen lassen. Beide Netzstudien sollten gucken, wo haben wir Netzengpässe oder könnten welche kriegen, wo müssen wir frühzeitig reagieren.

Aber sie haben auch etwas anderes getan, sie haben Politik beraten. Folgender Hinweis findet sich bundesweit in allen Studien wieder: Wegen der hohen Volatilität – der Spitzenlast, die sie mit Wind und Sonne zuweilen erreichen – macht es Sinn, die letzten drei Prozent lieber abzuregeln, als für diese für den Extremfall des meisten Stroms im Netz noch Netze zu bauen. Die Kolleginnen und Kollegen in Rostock haben uns mit den Netzstudien gesagt, die letzten drei Prozent müsst ihr im Zweifel lieber kostenpflichtig abregeln, ihr spart damit über 20 Prozent Ausbaukosten im Netz, weil ihr für ganz wenige Minuten im Jahr einen riesigen zusätzlichen Investitionsaufbau im Netz hättet. Deshalb wurde vorletztes