Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Wenn Sie – und das war für mich sozusagen auch der Höhepunkt Ihrer Rede, ich weiß nicht, ob Sie sich von

Ihrem Manuskript gelöst haben, ob dieser Satz zufällig fiel –, wenn Sie in Richtung der LINKEN sagen, und diese Worte habe ich mir notiert, wenn Sie glaubwürdige Distanzierung erwarten, sollten Sie in den eigenen Reihen anfangen, dann sagen Sie, wenn Sie Intellektueller sind,

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

mit diesem Satz, Herr Professor, dass das, was Sie hier vorgetragen haben, überhaupt keine glaubwürdige Distanzierung war. Damit haben Sie sich aus meiner Sicht selbst entlarvt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Thomas Krüger, SPD: So ist das.)

Als ich mir Gedanken gemacht habe, dass das meine erste Rede ist, und zwar zu diesem Thema in diesem Plenarsaal – es gibt weitaus angenehmere Themen –, und ich mir schon die Frage gestellt habe, muss so ein Thema überhaupt hier sein, da sage ich Ihnen, ja, dieses Thema muss genau in dieser Art und Weise diskutiert werden, auch vor dem Hintergrund, was Lammert und Prachtl uns mit auf den Weg gegeben haben. Genau an dieser Stelle müssen wir diese kranken Geisteshaltungen, die Anlass dieses Antrages sind, debattieren. In diesem Zusammenhang gibt es ein chinesisches Sprichwort, was ich zu Beginn zitieren möchte: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.“

(Thomas Krüger, SPD: So ist es.)

„Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“ Ich glaube nicht, dass ich diese Worte weiter interpretieren muss,

(Dr. Gunter Jess, AfD: Die sollten Sie an alle richten.)

denn die Zeilen sprechen für sich und gelten in alle Richtungen. Da haben Sie wohl recht.

Aber ich will ganz klar sagen, dass das, was wir diskutieren, insbesondere, wenn es um Gedanken und Worte geht, nämlich hasserfüllte Gedanken und Worte, dass die nicht nur einfach so dahergeredet, dahergedacht oder -gesagt sind, sondern da liegt wahrscheinlich schon eine gewisse Substanz vor. Da besteht diese große Gefahr, was dieses Zitat sagt, dass es eben zu Handlungen kommt. Und ich lasse es einfach auch nicht durchgehen, das hier in einer Art und Weise irgendwie als Lässigkeit darzustellen. Denn diese Worte, über die wir diskutieren, die von Hass durchdrungen sind und anderen Menschen die Würde absprechen, wo ich auch überlegt habe, ob es sich überhaupt lohnt, das in Zitatform wiederzugeben, diese Sprache darf nie Einzug halten in unsere Demokratie.

Ein wesentlicher Punkt, der angesprochen wurde und den ich noch mal unterstreichen möchte, ist nicht nur die Tatsache, dass einer, mehrere, Einzelne diese Gedanken und Worte wählt oder wählen, sondern dass der, der diesen Worten nicht widerspricht oder öffentlich keine Stellung bezieht, sich in gewisser Weise mitschuldig

macht. Und wenn ich die Rednerliste betrachte – wenn Sie als AfD-Fraktion glauben, hier mit einem Redner davonzukommen, und Herr Weber diese inhaltliche Darstellung für ausreichend erachtet, dann, glaube ich, zeigt das, dass das Thema Glaubwürdigkeit nicht erfüllt wird. Ich erwarte nämlich, dass Hersel und, da ich den anderen Namen jetzt nicht parat habe,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: De, de!)

dass diese Leute hier ans Mikro treten und klar und deutlich Stellung beziehen über das hinaus, was Herr Professor Weber für die Fraktion vorgetragen hat.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, Jürgen Strohschein, AfD, und Christel Weißig, BMV)

Wir haben gestern schon mal davon gehört, dass unsere Fraktion im März dieses Jahres die Thematik „fairer Umgang im Parlament“ auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Heute haben wir im Prinzip eine ähnliche Debatte. Damals konnten Sie – das ist ja hier auch vonstattengegangen – uns einfach mal so recht geben. Aber heute kommt für mich zusätzlich dieser Punkt der Glaubwürdigkeit vor der Erkenntnis dessen, was hier zutage getreten ist. Da erscheint Ihr Agieren bis jetzt eher aus taktischen Erwägungen heraus. Dazu zähle ich diesen einstimmigen Beschluss, Herrn Arppe auszuschließen,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Was können wir denn mehr tun?)

dazu zähle ich diesen Dreizeiler von Herrn Holm als Fraktionsmeinung, dazu zähle ich auch die Andeutungen von Herrn Wildt, wo ich mir ganz sicher bin, dass Herr Wildt, da ich weiß, dass er für seine Fraktion auch noch sprechen wird, hier vielleicht doch etwas mehr Licht ins Dunkel bringt, was Glaubwürdigkeit und Faktenlage betrifft. Bisher sind es für mich alles Andeutungen und es bedarf heute einer klaren Positionierung von Ihnen.

Ich will es aber trotzdem, auch wenn schon viele Zitate gefallen sind, anhand eines Zitates, auch aufgrund der Öffentlichkeit hier, noch mal tun und eine Sache herausgreifen und vortragen. Eine Äußerung von Herrn Arppe, dass das „rotgrüne Geschmeiß“ auf das Schamott geschickt werden soll,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

„an die Wand“ gestellt werden soll, „eine Grube“ ausgehoben werden soll und „Löschkalk oben rauf“ gestreut werden soll – das sind menschenverachtende, abscheuliche Äußerungen, die sind einfach nur krank. Ich erwarte im Laufe der Diskussion, dass Sie zu Dingen, die sich möglicherweise darum herumbewegen und die uns gar nicht bekannt sind, hier Position beziehen.

Und wenn ich dann Herrn Holm und sein Zitat nehme zur Person Arppe: „Aber, das was hier offensichtlich geschrieben wurde, das geht über … alle Grenzen hinaus. Und da müssen wir klar sagen, das geht absolut nicht. Und ich lasse mir auch diese Partei von solchen Hasardeuren mit Gewaltfantasien nicht kaputt machen“,

(Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

dann erwarte ich auch hier von führenden Kräften – Herr Holm ist nun leider nicht da,

(Martina Tegtmeier, SPD: Ach, schon wieder nicht?)

Herr Wildt, Sie sind weiterhin Landesvorsitzender, Sie waren bis vor zwei, drei Tagen auch Mitglied dieser Fraktion und Sie stehen somit auch zu diesem Ausspruch – eine Aufklärung, dass Sie sich von diesem Anschein, den ich hier herauslese, dass die Richtung, die Zielrichtung so eines Herren geteilt wird, und nur zufällig, weil der Chatverlauf bekannt wurde, dass Sie sich von dieser Zielstellung, wenn hier steht, dass Grenzen überschritten worden sind, distanzieren und nicht nur diese zufällige Grenzüberschreitung hier verurteilen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das erwarte ich entweder von Ihnen oder noch mal von einem jetzigen führenden Vertreter der AfD-Fraktion.

Sie müssen uns doch nicht glauben machen – das ist auch das, was Herr Schulte schon ausgeführt hat, ich will es nur kurz anreißen –, dass Sie überrascht sind von diesen Äußerungen. Ich werfe Ihnen heute hier vor – ich erspare uns allen aber, die Beispiele noch mal aufzuzählen –, ich werfe Ihnen vor, dass Sie einen Typen wie Arppe bewusst in den Landtagswahlkampf geschickt haben,

(Sebastian Ehlers, CDU: Natürlich! – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

weil er eine gewisse Klientel, nämlich die nationalistischvölkische, angesprochen hat, sie vertritt, Sie ihn bewusst zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt haben und damit eine Ausrichtung dieser Fraktion zielgerichtet vorgenommen haben. Ich erwarte dann weiter von Herrn Wildt, dass Sie das, was Sie hier im Zusammenhang mit Ihrer Neugründung angesprochen haben, seit Längerem ist die Situation zerrüttet, genauer definieren, was Sie damit meinen. Sie haben weiterhin gesagt, wir denken, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo jeder auch mal ganz klar Farbe bekennen muss, für welchen Weg der AfD er sein möchte. Auch hier erwarte ich, dass Sie das genauer untersetzen.

Ich will noch eine Person ansprechen, die heute hier, warum auch immer, nicht anwesend ist. Man könnte sagen, man kann darauf verzichten, aber ich glaube, weil es für mich exemplarisch ist, muss ich es ansprechen. Es geht um den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Herrn Komning. Herr Komning hat im Wahlkampf auch die Frage bekommen, was er zum Holocaust-Mahnmal sagt. Ich zitiere: „Wissen Sie, die ganzen Reizthemen um den Nationalsozialismus, um diese kleine Zeit der deutschen Geschichte, das sind zwölf Jahre, die uns nach wie vor nachhängen …, man sollte versuchen, mit einer gewissen Distanz über diese Zeit zu sprechen.“

(Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Nein, man sollte es nicht! Für mich steckt auch hier eine Relativierung in der Aussage, wenn führende Vertreter Ihrer Partei das als „kleine Zeit“ bezeichnen – eine kleine Zeit, die 6 Millionen Juden das Leben gekostet hat. 60 bis 70 Millionen Tote, in gewisser Weise – und

das lese ich hier heraus – versuchen zu relativieren, ist nicht akzeptabel.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und Christel Weißig, BMV)

Wenn ich zu meinem Ausgangsspruch zurückkomme und mir die Gedanken, die Worte und die Taten wieder nacheinander vorstelle, dann macht mich besonders wütend und auch besonders nachdenklich – Wut ist natürlich ein schlechter Begleiter in der Politik –, dass sogenannte Intellektuelle genau wissen, was sie tun.

(Sebastian Ehlers, CDU: Richtig.)

Diese Intellektuellen, Herr Professor Weber, die schichten für sich persönlich ab, dass sie Öl in das Feuer gießen, dass sie insbesondere Gedanken und Worte wohlfeil formulieren und möglicherweise Leute, die nicht so intellektuell beschlagen sind wie Sie, zu Taten anfeuern.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau. – Jochen Schulte, SPD: Das nennt man Brandstifter.)

Dieser Verantwortung müssen Sie sich immer bewusst sein, und das stimmt mich, wie gesagt, besonders nachdenklich.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und Christel Weißig, BMV – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Ich möchte auch noch eine vierte Person nennen und freue mich, dass sie anwesend ist. Herr Dr. Jess, ich hoffe, auch Sie werden noch an das Rednerpult treten,

(Dr. Gunter Jess, AfD: Das würde ich gerne tun, aber leider habe ich nur noch wenig Zeit.)

denn Sie haben sich gestern über die Äußerungen von Herrn Schulte aufgeregt.

(Dr. Gunter Jess, AfD: Ich habe mich nicht aufgeregt.)

Dazu will ich mich nicht weiter äußern. Aber Sie sind Bestandteil dieser Fraktion,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

und wenn Sie sich persönlich angegriffen fühlen aufgrund dieser Ausführungen, was Rechtsradikalität betrifft, dann erwarte ich, dass Sie Ihren Unmut nicht in Form einer Anfrage zum Ausdruck bringen, sondern ich erwarte, dass Sie hier ans Mikro treten und in einer Debatte Stellung beziehen zu Hersel und Co und zu diesen Aussagen.