Protokoll der Sitzung vom 19.10.2017

Es ist ganz nötig, dass Opfer rassistischer und rechtsmotivierter Gewalt sagen, ihr kriegt uns hier nicht weg, wir sind nun erst recht in eurer Nähe. Die einzige Opfergruppe, die noch keinen neuen Schutzstatus besitzt, sind ausländische Opfer rassistischer Gewalt. In Brandenburg, in Berlin und in Thüringen hat auch die SPD so einem Erlass zugestimmt und deren Antragstellung unterstützt, und wir hoffen, dass dieses ebenso in Mecklenburg-Vorpommern möglich ist. Die Opferschutzverbände PRO ASYL, die Flüchtlingsräte, die Migrantenorganisationen, Psychologinnen und Psychologen sowie Sozialarbeitende fordern so einen Erlass seit 2002. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Inneres und Europa. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste!

Sehr geehrte Frau Larisch! Mit dem Ihnen vorliegenden Antrag zum Bleiberecht für Opfer rechtsmotivierter Straftaten möchten Sie, wie Sie hier ausgeführt haben, eine Idee aus dem rot-rot-regierten Brandenburg beziehungsweise aus Berlin und Thüringen importieren. Die wird es in Mecklenburg-Vorpommern nicht geben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Es gibt gute Gründe dafür, dass diese Regelung in allen anderen deutschen Bundesländern auch nicht vorhanden ist.

Zunächst betone ich aber ausdrücklich – damit hier keine falschen Gedanken gleich von Anfang an aufkommen –, der Kampf gegen rechtsmotivierte Gewaltstraftaten ist Staatsräson und für die Landesregierung, gerade auch für mich persönlich, ist diese Frage immer eine der wichtigsten Aufgaben in den zurückliegenden Jahren gewesen. Mit umfangreicher Präventionsarbeit, mit einer konsequenten Strafverfolgung stellen wir uns Rassisten, Faschisten, Extremisten und anderen Rechtsextremen entschlossen entgegen.

Deswegen wäre es grob falsch, eine Zurückweisung dieses Antrages mit mangelndem Engagement beim Kampf gegen rechts gleichzusetzen. Diesen Schuh jedenfalls ziehen ich und die Landesregierung sich nicht an. Tatsächlich gibt es auch gute Gründe, diesen Antrag zurückzuweisen. So engagiert Sie auch gegen rechtsmotivierte Straftaten vorgehen wollen, das Aufenthaltsrecht ist dafür ein denkbar ungutes Mittel, Frau Kollegin. Solche Ziele und auch die angestrebte Instrumentalisierung

sind dem Aufenthaltsrecht in Deutschland völlig fremd. Es ist selbstredend Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden in Deutschland und nicht der Ausländerbehörden, festzustellen, ob eine Straftat aus rassistischen Motiven begangen wurde oder eben nicht.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Hier würde es unglaublich viel Interpretationsspielraum und dadurch eine entsprechend große Unsicherheit geben, und es ist natürlich Aufgabe der Gerichte und nicht der Ausländerbehörden, den Opfern rechter Gewalt Wiedergutmachung zuteilwerden zu lassen und möglicherweise für einen angemessenen Opferausgleich zu sorgen.

Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass das Aufenthaltsrecht ja derzeit bereits ausreichend Spielraum für Einzelfalllösungen vorsieht. Beispielsweise ist es möglich, für die Dauer des Strafverfahrens dem Opfer einer Straftat eine Duldung zu erteilen, wenn dessen vorübergehende Anwesenheit von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht und damit für erforderlich gehalten wird. Außerdem, sollte ein Ausreisepflichtiger Opfer einer Straftat werden und dadurch körperliche oder psychische Schäden davontragen, gibt es auch die Möglichkeit, dass dies attestiert wird und er mit allen Auswirkungen auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht hier verbleiben kann.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der von den LINKEN geforderte Erlass auf dem Verwaltungsweg eine Rechtslage herbeiführen würde, die nicht mit dem Aufenthaltsgesetz korrespondiert. Auch das ist Rechtslage. Es wäre eine Änderung der Rechtslage durch die Hintertür, und dem kann ich nicht zustimmen. Mich wundert, dass dies nun ausgerechnet von Ihnen als Oppositionsfraktion eingefordert wird. Ich kann das in der Form so nicht umsetzen.

Aber kommen wir noch zum Pudels Kern! Warum stellen Sie diesen Antrag? Um Opfern rechter Gewalt zu helfen? Bei Ihnen, Frau Larisch, bin ich überzeugt, dass Sie es tun. Aber dafür gibt es doch viel bessere und zahlreiche geeignetere Maßnahmen.

(Karen Larisch, DIE LINKE: Bitte?)

De facto geht es doch erneut darum, das Asylrecht weiter auszuhöhlen und Rückführungen zu verhindern. Der von den LINKEN geforderte Erlass wäre ein veritables Abschiebehindernis, das zum Missbrauch geradezu einlädt. Und wer beurteilt dann zum Abschluss die Situation?

Insofern passt es möglicherweise gut ins rot-rot-regierte Brandenburg. Dort ist die Abschiebequote gerade einmal halb so hoch wie in Mecklenburg-Vorpommern, und offenbar arbeitet man daran, dass die Quote sich weiter verringert. Für unser Land, wie eingangs erwähnt, ist das kein tragfähiger Kompromiss. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD, Ann Christin von Allwörden, CDU, und Christel Weißig, BMV)

Für die Fraktion der AfD hat das Wort der Abgeordnete Komning.

Hohes Präsidium! Meine Damen und Herren Kollegen! Es ist schrecklich, dass es rassistische Gewalt auch gegen asylsuchende Personen und andere Ausländer gibt. Gegen diese unerträgliche Verrohung ist es guter demokratischer Konsens, dass wir mit voller Härte des Gesetzes dazu Stellung beziehen.

Genauso klar sollte es ebenfalls sein, dass wir als Demokraten entschlossen eine Politik leben sollten, die dem Hass in jeglicher Hinsicht den Boden entzieht. Dies funktioniert jedoch nur mit einem starken Rechtsstaat sowie einer an die Integrationsfähigkeit unseres Landes gekoppelten Migrationspolitik. Von diesen Lösungsansätzen, Frau Larisch, sind Sie mit Ihrem Antrag jedoch weit entfernt.

Meine Damen und Herren von der Partei der LINKEN, schon Ihre Wortwahl im Antragstext lässt tief blicken. So dürfen wir allein das dramatisierende Wort „besonders“ sechs Mal in sieben Sätzen lesen. Die „Besonderheit“ dieses Antrags kann ich aber nicht erkennen, außer dass er „besonders“ unbestimmt ist. Diese Ausdrucksweise verwundert, da Sie ja über erfahrene Parlamentarier verfügen und eine Fraktionsvorsitzende haben, die immerhin Deutschlehrerin war. Anstatt hier nun besonders scharfsinnig einen Missstand im Land aufzudecken und diese Fakten zu unterfüttern, ist es „besonders“ bemerkenswert, dass Sie auf eine „besonders“ nachvollziehbare Begründung komplett verzichtet haben.

Aber kommen wir zum Antragstext: Sie schreiben, dass rassistische Angriffe „besonders häufig Asylsuchenden und anderen geflüchteten“ Personen gelten. Bei konkreter Deutung der Worte tritt Ihre – aus meiner Sicht – verquere Gutmenschenansicht zutage. Sie haben überhaupt kein Rechtsverständnis für Asylrecht und Flüchtlingsrecht, für die Unterscheidung zwischen Asyl- und Flüchtlingsrecht. Ihrer Formulierung ist nämlich zu entnehmen, dass man für Sie allein dadurch zum Flüchtling wird, indem man um Asyl nachsucht. Ich darf es Ihnen nochmals wiederholt versuchen begreiflich zu machen: Man wird nicht dadurch zum Flüchtling, dass man in Deutschland Asyl fordert und bei Ablehnung den Rechtsweg ausnutzt.

Aber zur Sache, um Ihnen die Absurdität des Antragsinhaltes deutlich zu machen. Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Ein in Griechenland vorbestrafter und dort zeitweise inhaftierter Asylbewerber kommt in unser Land und vergreift sich an einer Frau. Das ist ja inzwischen nichts Ungewöhnliches mehr.

(Martina Tegtmeier, SPD: Na, na!)

Wollen Sie ernsthaft solche Vergewaltiger im Land behalten, weil möglicherweise hinterher Angehörige des Opfers im Internet mit starken, vielleicht auch mit beleidigenden Worten sich darüber ausgelassen haben

(Karen Larisch, DIE LINKE: Sie haben nicht zugehört, was ich gesagt habe.)

und dann von willfährigen Vollstreckern des verfassungswidrigen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes herausgefischt worden sind?! Ich frage Sie, meine Damen und Herren,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wollen Sie einer solchen Person ernsthaft Sonderrechte einräumen, weil er Opfer einer vermeintlich rechtsmotivierten Straftat geworden ist? Wollen Sie solche Menschen tatsächlich dafür belohnen und ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht verschaffen? Ich und, ich bin überzeugt, auch die große Mehrheit unserer Bevölkerung möchte das mit Sicherheit nicht.

Doch genau dieses Szenario wäre die Folge Ihres Antrages. Der gegenwärtig für Aufsehen sorgende Fall von Hussein K., der – schon in Griechenland vorbestraft – nach Deutschland gelangen konnte und hier Maria L. vergewaltigt und ermordet hat, bleibt aus meiner Sicht ein mahnendes Beispiel für eine kritische Bestandsaufnahme offener Grenzen. Der Antrag der LINKEN zeigt also, wie man von den Verhältnissen völlig entrückt denken kann und intellektuell, rechtlich und gesellschaftlichsozial absurde Forderungen aufstellt.

Warum nenne ich dieses Beispiel? Es soll zeigen, dass dieser Antrag in Wirklichkeit gar keinen Opferschutz verfolgt, sondern den Geist eines Bleiberechts für alle atmet. Welch romantisch verklärte Vorstellung von dem, was in unserem Land tatsächlich passiert!

(Karen Larisch, DIE LINKE: Herr Komning, ich habe in meiner Rede begründet, dass ich diese Täter nicht meine.)

DIE LINKE schafft es nicht, sich endlich mit unserem, dem weltweit großzügigsten Asylrecht zufriedenzugeben. Nein, Sie müssen unbedingt Ihrer Utopie vom „nur guten Migranten“ folgen. Sie wollen diesen Menschen, die wie alle über das Mittel und die Möglichkeiten des Rechtsstaates verfügen, etwas Weiteres offerieren, den Hierbleibebonbon, der in keiner Relation zur Vernunft steht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Damen und Herren, dieser Antrag beweist einmal mehr die verquere Sicht auf jedes Täter-Opfer-Verhältnis.

(Karen Larisch, DIE LINKE: Ah, natürlich!)

Unter Punkt I leisten Sie sich eine dreiste Einseitigkeit. Was passiert denn, wenn eine geduldete Person, die Opfer einer sogenannten rassistischen Straftat geworden ist,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sogenannte!)

vorher selber,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sogenannte!)

vorher selber eine Straftat begangen hat?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie konstruieren hier Straftaten. So was ist Anwalt! Pfui Teufel!)

Und auch Punkt II ist äußerst fragwürdig.

(Karen Larisch, DIE LINKE: Sie möchte ich nicht als Opferanwalt haben!)

Als rechtsstaatliche Partei müssen wir noch einmal betonen, in Deutschland haben wir kein Zweiklassenrecht. Wir dürfen einzelne Gruppen eben nicht privilegieren, nur, weil sie eine andere Herkunft haben. Das ist nämlich Diskriminierung!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Denn, Frau Larisch, was machen Sie eigentlich mit deutschen Opfern rassistischer Gewalt, die von Ausländern ausgegangen ist? Meinen Sie, die gibt es nicht? Ich darf Sie gerne,