Protokoll der Sitzung vom 07.12.2016

Sie haben jetzt wahrscheinlich so ein bisschen ein Déjàvu zur letzten Wahlperiode, da wurde ja häufiger mal gesagt, die Regierung handelt schon, deswegen lehnen wir den Antrag ab, aber ich glaube, bei diesem Thema trifft es einmal mehr zu, weil ich finde, es wäre unseriös, hier im Voraus einige Beschlüsse zu fassen, ohne dass wir überhaupt abgewartet haben, was bei den Gesprächen mit den Beteiligten herauskommt. Deswegen sollten wir das abwarten und uns noch mal damit beschäftigen.

Wir haben das auch der Bürgerinitiative zugesagt und das werden wir auch so tun. Deswegen wünschen wir unserem Gesundheitsminister für die Gespräche mit allen Beteiligten gutes Gelingen, ein glückliches Händchen und werden den Antrag hier natürlich ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Dr. Jess.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir werden jetzt in Wolgast damit konfrontiert – und das wird in anderen Krankenhäusern sicherlich auch noch kommen, in den alten Bundesländern haben wir das schon seit Jahren –, dass seit Jahrzehnten am deutschen Gesundheitswesen herumgedoktert wird, so muss man es wirklich sagen. Das hat zur Folge, dass den Bürgern immer wieder versprochen wird, wir werden eine Kostenreduktion bekommen, die Beiträge werden sinken und wir werden das Gesundheitswesen effizienter gestalten. Bisher hat der Bürger aber nur erlebt, dass die Kosten steigen, seine Beiträge höher und die Leistungen geringer werden. Definitiv ist das so. Er hat mehr Eigenkosten und er erlebt jetzt zum Beispiel in Wolgast, dass die Versorgungsdichte reduziert wird. Das wird damit begründet, dass man erstens effizienter werden will, und zweitens, dass man sagt, die Qualität soll entsprechend gesichert werden. Die Bürger in Wolgast hatten aber nie das Gefühl, dass dort eine schlechte Qualität in der Gesundheitsversorgung für die Kinder und für die Frauen existiert. Also insofern zieht das Argument nicht so richtig.

Wir haben aber als Ursache dieser Entwicklung – was Herr Koplin sagte –, dass wir seit Jahrzehnten damit zu tun haben, dass das deutsche Gesundheitswesen immer mehr betriebswirtschaftlichen Kriterien unterworfen wird. Das hat auch seine Berechtigung, das will ich hier ganz deutlich sagen, weil das Kostendeckungsprinzip in Deutschland irgendwann ausgereizt war.

Es gibt aber auch eine andere Sichtweise, nicht allein die betriebswirtschaftliche, sondern es gibt auch die Sichtweise der Versorgungsbedürftigen. Man wird nicht das eine ohne das andere machen können und das ist in Wolgast aus meiner Sicht passiert. Die Verantwortlichen

des Universitätsklinikums waren gehalten, aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu agieren, anders hätte man ihnen Vorwürfe gemacht oder hätte sie zur Verantwortung gezogen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht haben sie sich richtig verhalten, das muss man klar so sagen. Aber die Sicht der Versorgungsbedürftigen ist völlig aus dem Blick geraten und das ist eigentlich Aufgabe der Politik. Hier hat die Politik versagt,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

das muss man klar sagen, und wenn nicht die Bürger mit der Bürgerinitiative so aktiv geworden wären – und da mein Glückwunsch an die Bürgerinitiative in Wolgast –, dann wäre nämlich gar nichts passiert, dann wäre das nie wieder auf den Tisch gekommen und es wäre so geblieben, wie man sich das gedacht hat. Also Bürgerinitiativen lohnen sich.

Jetzt möchte ich noch mal etwas zum Verständnis der Bürgerkonferenz sagen. Es ist ein völlig falsches Verständnis von der Bürgerkonferenz, wenn man meint, dort Detailfragen zu diskutieren. Das ist nicht Aufgabe einer Bürgerkonferenz. Es gibt Bürgerkonferenzen im Gesundheitswesen bereits in Deutschland, die durchaus erfolgreich gelaufen sind, und zwar läuft das natürlich im Vorhinein, bevor größere Veränderungen zu erwarten sind. Da wird die Gesamtkonstellation diskutiert mit Bürgern, es werden alle Fakten auf den Tisch gelegt und es wird diskutiert, was man unter den gegebenen Voraussetzungen für eine optimale Lösung für die Region finden kann.

Das ist bisher, bei dem Verständnis, was ich hier von Bürgerkonferenzen gehört habe, überhaupt nicht so gewesen, sondern da ist ein völlig falsches Verständnis von dem Begriff „Bürgerkonferenz“. Also bitte schön, machen Sie sich fachkundig! Die Idee der Bürgerkonferenz sieht anders aus als ein Zusammenkommen von Interessenten, sondern es ist eine inhaltliche Beschäftigung mit einem Thema, das generell angelegt ist. – Schönen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ehlers hat darauf hingewiesen, dass die Landesregierung, insbesondere der Wirtschaftsminister handeln würde und insofern sich der Antrag von uns gegebenenfalls erübrigen würde. Mitnichten, will ich noch mal betonen, weil der Antrag ja aus zwei Teilen besteht, wie Sie wissen. Der Feststellungsteil ist der erste Teil und verkörpert eine Haltung, mit einem Beschluss dazu demonstrieren wir eine Haltung. Und zweitens, der Handlungsauftrag, den wir mit dem zweiten Punkt unseres Antrages verbinden, ist klar und eindeutig und somit mit einem Votum des Parlaments versehen. Das ist etwas anderes, als hier einen Zuruf entgegenzunehmen und auf den zu vertrauen oder auch nicht. So viel also zum Umgang mit diesem Antrag.

Eins, Herr Jess, möchte ich dann doch vorwegnehmen, denn Sie haben jetzt die Frage, haben Thementeile Ihres Antrages schon eingeführt in die Debatte. Mit den Bürgerkonferenzen – darüber können wir morgen gern noch mal reden – haben wir uns beschäftigt. Was uns erheblich irritiert hat, weil Sie ja sozusagen Bürgerinteresse

und Bürgerwillen hochhalten wollen, ist in Lübeck zum Beispiel die Bürgerkonferenz, da ist Eintritt verlangt worden von 90 Euro. Ist das Ihr Verständnis von Bürgerbeteiligung, dass wer mitmachen kann, erst mal löhnen muss? Unser nicht, wir wollen die Bürgerinitiative auf Augenhöhe mit allen anderen Interessenpartnern in diesem Prozess. Dazu sage ich gleich noch mal was.

Wir haben vorhin, weil es hier an zwei Stellen durch Herrn Heydorn und Herrn Ehlers noch mal deutlich gemacht wurde – das irritiert mich auch –, gemeinsam gestimmt, diese beiden Anträge von AfD und LINKEN unterschiedlich zu behandeln, aus guten Gründen. Sie haben mitgestimmt und jetzt distanzieren Sie sich davon. Wir haben deshalb dafür plädiert, auch wenn es sachliche Übereinstimmungen gibt, das auseinanderzuhalten, weil wir schon befürchtet haben, Herr Professor Dr. Weber, dass wir nachher eine Geschäftsordnungsdebatte haben, und die wollten wir hier nicht drin haben. Wir wollen in der Sache diskutieren und nicht einen Klamauk über die Geschäftsordnung haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das sozusagen zu unserer Haltung.

Herr Minister, Sie haben uns im Grunde genommen mit Blick auf die Argumente aus der letzten Legislaturperiode recht gegeben. Wir haben immer – Frau Hesse wird es bestätigen können – moniert und gesagt, diese Schließung ist in der Sache nicht gerechtfertigt, unter anderem wegen der Strecken und wegen der Wegezeiten. Herr Minister Glawe hat dies heute auch als Argument geliefert, warum man darüber nachdenkt, die Kinderstation wieder ans Netz zu nehmen. Also herzlichen Glückwunsch zu der Erkenntnis schon mal. Die haben wir auch, da sind wir ganz dicht beieinander.

Sie verstecken sich dennoch hinter den Planungsbeteiligten und sagen, der Erhalt des Krankenhausstandortes war zu keiner Zeit gefährdet. Wir sind also nicht als Schwarzmaler unterwegs, aber es muss doch zu denken geben, wenn im Dezember und Januar – also Dezember vergangenen Jahres, Januar dieses Jahres – die beiden Stationen vom Netz gehen, Kindermedizin, Frauenheilkunde und Geburtenstation, und dann wenige Monate später, zurzeit in der Diskussion, dass das Labor eingedampft wird, dass die ambulante Physiotherapie abgeschafft wird und eingeht in die stationäre Physiotherapie. Also dass es doch deutlich mehr Strukturveränderungen gibt, Herr Glawe, als nur die beiden Stationen, das macht Sorgen.

(Minister Harry Glawe: Das ist nicht richtig, was Sie da machen! Das ist Verunsicherung der Bevölkerung und hat mit der Sache nichts zu tun.)

Wir haben heute dafür plädiert und gesagt, wir wollen uns keine Sorgen machen. Wir schlagen deshalb, Herr Glawe, bei aller Aufgeregtheit vielleicht in der Sache …

(Minister Harry Glawe: Ich bin nicht aufgeregt.)

Ich bin aufgeregt, das ist ein hochemotionales Thema.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Wir schlagen fünf Schritte vor, wir kommen ja hier nicht mit leeren Händen. Wir schlagen vor, Herr Glawe, erster

Schritt, alle Akteure an einen Tisch. Das ist ein etwas anderes Vorgehen, als Sie es im Moment praktizieren. Sie unternehmen im Moment sehr viele Einzelgespräche, bilaterale Gespräche, die sehr wichtig sind, gar keine Frage. Sie sprechen mit den Krankenkassen, Sie sprechen mit der Bürgerinitiative, das ist alles löblich, aber damit man nicht stille Post spielt und am Ende ein ganzheitliches Konzept herauskommen kann, sollten alle an einen Tisch, mit der Bürgerinitiative auf Augenhöhe. Also das ist unser Vorschlag für einen ersten Schritt.

In einem zweiten Schritt sollte es darum gehen, einen konzeptionellen Ansatz zu erarbeiten für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung für die Region – Herr Ehlers, ganz klar, das ist ein hoher Anspruch, keine Frage –, für die medizinische Versorgung für Frauen und Männer. Dieser Ansatz muss münden in einen tragfähigen Antrag aus unserer Sicht, um Mittel in Anspruch zu nehmen aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses der gesetzlichen Krankenversicherung. Wie Sie wissen, sind für 2016 bis 2019 jedes Jahr 300 Millionen Euro für neue Versorgungsansätze reserviert. Der Minister hat vorhin selbst davon gesprochen, dass man darum ringt, neue Versorgungsansätze kreieren zu wollen, auch an diesem Standort. Die Krankenkassen sind jetzt gebeten worden, ein entsprechendes Konzept vorzulegen.

Wir sagen, nicht allein durch die Krankenkassen als eine der Interessenträger, als Kostenträger, sondern an diesem gemeinsamen runden Tisch muss für die Versorgungsregion erreicht werden, einen Ansatz zu finden, der uns in die Lage versetzt, aus diesem Fonds Mittel abzugreifen. Und wir haben dafür nicht mehr viel Zeit. Wir müssen im Grunde genommen spätestens zum Anfang des zweiten Quartals 2017 alles antragsreif haben, um diese Mittel, die da sind, auch nutzen zu können im Interesse der Region.

Ein dritter Schritt ist die Nutzung des Innovationsfonds zur Finanzierung des Vorhabens. Ich habe das eben kurz skizziert.

Ein vierter Schritt wäre dann der Aufbau eines innovativen Moduls zur medizinischen Versorgung für Frauen und Kinder am Standort Wolgast, um da das Problem zu lösen, und zwar eines Moduls, in dem sich diese Stationen wiederfinden, in dem Telemedizin eine große Rolle spielt – ich will das nicht wiederholen, was Sie eben gesagt haben, Herr Minister –, in dem ambulante und stationäre Versorgung miteinander verschränkt werden, damit diese Versäulung, das ist stationär und das ist ambulant, aufgehoben wird. Sie sollen also verschränkt und eng miteinander arbeiten.

Dann kommt noch etwas hinzu, was wir vorschlagen, dass die gesamte Familienberatung mit integriert wird, dass sozusagen ein Gesamtpaket der medizinischen Versorgung und der Beratung sowie Betreuung für Frauen und Kinder gewährleistet wird. Das ist eine neue Form und die zu erstreiten, sollte eben an diesem runden Tisch geschehen. Wir sehen da große Chancen, dass wir erfolgreich sein können im Interesse der Versicherten, im Interesse der Patientinnen und Patienten.

Ein fünfter Schritt, den wir vorschlagen, betrifft den ganzen Prozess, den wir jetzt angeregt haben, den ich skizziert habe. Ich habe den Eindruck, wir wollen schon auf das Gleiche hin, wir streiten uns nur über das Wie, dass

wir sagen, dieser ganze Prozess wird evaluiert, denn in der Tat kann das, was dann geschieht und was im Entstehen ist, durchaus eine Blaupause sein für die Situation an anderen Orten. Herr Ehlers hat darauf hingewiesen und einige Zahlen genannt, auch Herr Heydorn hat einige Zahlen genannt. Wir verschließen uns ökonomischen Fragen nicht, Herr Heydorn. Die Frage ist immer nur, was Priorität hat, was wichtig ist. Am Ende steht wirklich die elementare Frage: Ist die Wirtschaft für den Menschen da oder der Mensch für die Wirtschaft?

(Egbert Liskow, CDU: Das muss aber verdient werden.)

Ja, selbstverständlich, wir sind doch nicht weltfremd.

(Zurufe von Jochen Schulte, SPD, und Marc Reinhardt, CDU)

Aber ja, das möchten Sie gern, das sind alles Ihre Vorurteile und Klischees. Legen Sie das mal ab! Heute ist schon mal wertgeschätzt worden, dass es unter der LINKEN erstmals keine Neuverschuldung 2006 gab.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist ja auch richtig.)

Wir können sehr gut mit öffentlichen Geldern umgehen, glauben Sie mir, gar keine Frage. Aber das steht jetzt auf einem anderen Blatt.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Worauf wir hinauswollen, ist die Evaluation, weil wir an anderen Standorten die gleichen Probleme haben. Wenn die Zahl denn gilt – 400 Geburten im Jahr für eine Station stehen im Übrigen in keiner Leitlinie –, ist das so eine Zahl, die hier durchs Land wandert, mindestens 400 Geburten müssten kommen, sonst wäre das und das nicht mehr gesichert. Das steht in keiner Leitlinie.

(Minister Harry Glawe: Das sagen die Fachleute.)

Das sagen die Fachleute und es gibt einzelne Studien, die das sagen, aber es gibt keine Leitlinie, und nur die Leitlinien sind faktisch der Punkt, auf den man sich letztendlich fachlich einigen kann. Aber wenn die denn gelten, Herr Glawe – nehmen wir jetzt mal an, sie tun das –, dann gelten sie auch für andere Standorte, und da, wo sie unterlaufen werden, brauchen wir natürlich ebenfalls Lösungen.

Also das, was wir jetzt vorhaben, was wir durch mich grob als LINKE skizziert haben für einen Weg aus fünf Schritten, um die Situation in Wolgast und in der Region zu verbessern, birgt auch Chancen für andere Regionen in sich. Insofern möchte ich Sie noch mal motivieren, unserem Antrag zuzustimmen, denn Sie bestätigen damit auch diesen konzeptionellen Ansatz von uns mit den fünf Schritten, um die Situation in der Region zu verbessern. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!