Ich habe mich in späten Jahren für die Politik entschieden. Ich gebe zu, Frau Merkel hat mich dazu getrieben. Ich habe Lebenserfahrung sammeln können und ich entscheide für mich ohne Quote. Staatliche Verordnungen bringen nicht mehr Frauen in die Politik.
Wenn ich es will und wenn ich die notwendigen Fähigkeiten habe, dann ich setze ich mich durch, ansonsten bin ich eine Quotenfrau und das bedeutet Mitarbeiter zweiter Klasse.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, Quatsch! Meine Kolleginnen sind keine zweite Klasse. Sie sind Spitzenklasse!)
Ich habe mich übrigens als Seniortrainerin ausbilden lassen – Schirmherrin Frau Schwesig –, freiwillig, um mich fit zu machen für kommunale Politik. Ich sage Ihnen, dorthin waren unheimlich viele Frauen ohne Druck gekommen und vollkommen gleichberechtigt, die es freiwillig gemacht haben. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Aber vor allen Dingen sehr geehrte Gäste, Männer wie Frauen!
Ich bewundere Ihre Disziplin, ich bewundere die Disziplin auf den Rängen. Die Damen, die ihre Kleidung – und ich nehme das Wort „Kleidung“ auch noch mal in den Mund – von vor 100 Jahren gewählt haben, sind auf den Sitzen geblieben und nicht aus ihren Klamotten gesprungen,
was ich Ihnen durchaus hätte nachempfinden können, nach dem, was wir uns hier eben an Nebenschauplätzen in alle Richtungen anhören mussten. Einfach grässlich!
Ich weise deswegen noch mal auf diese Kleidung hin, weil zu der Zeit, die diese Damen hier mit ihrem Outfit besetzen, war es durchaus üblich oder war es sogar in der Gesellschaft Norm, dass Frauen vorgeschrieben wurde, dass sie diese langen, oftmals hinderlichen Röcke tragen mussten, wie sie sich zu kleiden hätten und dass sie in manchen Bereichen Hauben aufsetzen mussten, wenn sie verheiratet waren.
Davon sind wir heute zum Glück meilenweit entfernt, weil wir uns nicht mehr von irgendwem vorschreiben lassen wollen, was wir anziehen wollen, wie wir uns verhalten wollen, ob wir uns in der Politik engagieren wollen, ob wir berufliche Ambitionen haben, ob wir gerne viele Kinder haben, wie wir diese Kinder erziehen, ob wir dabei auch
auf Kindertagesstätten zurückgreifen wollen oder nicht. Das wollen wir hier und heute frei entscheiden.
(Nikolaus Kramer, AfD: Genau das klappt genau nicht! Genau das wollen die ja, dass das nicht passiert. Sie wollen, dass Sie das entscheiden und nicht der mündige Bürger.)
Wenn ich mir hier vorhin Herrn Förster angehört habe, was mit großen Schmerzen verbunden war, muss ich sagen, aus meinem Empfinden heraus, habe ich den Eindruck, dass er die Zeit zurückwünscht,
in der man den Frauen vorschreiben kann, was sie möchten, was sie anziehen, wie sie sich zu verhalten haben.
Ich möchte mit einem Zitat beginnen: „Die mangelnde Heranziehung von Frauen zu öffentlichen Ämtern und ihre geringe Beteiligung in den Parlamenten ist schlicht Verfassungsbruch in Permanenz.“ Wer hat uns das ins Stammbuch geschrieben? Das war Elisabeth Selbert, wie Sie alle wissen, eine der Mütter des Artikels 3 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das hat sie auch nicht heute gesagt oder gestern, sondern das ist schon ein paar Jahrzehnte her und hat heute an Popularität kein bisschen verloren.
Ich wollte es mir eigentlich sparen, weit in die Historie zurückzugehen, aber die Ausführungen veranlassen mich leider dazu, doch noch mal daran zu erinnern. Dass wir in diesem Jahr 100 Jahre Frauenwahlrecht feiern, nämlich im November, und dass die Frauen das erste Mal wählen durften im Frühjahr des darauffolgenden Jahres, ist mittlerweile mehrfach gesagt worden. 1918 ist es eingeführt worden. 1949 wurde der Gleichstellungsgrundsatz im Artikel 3 des Grundgesetzes verankert.
1958 wurde mit dem Gleichberechtigungsgesetz die Entscheidung des Mannes bei Meinungsverschiedenheit zwischen den Eheleuten aufgehoben. Bis dahin war es so, dass der Mann die Letztentscheidungskompetenz in der Familie hatte. Erst 1976/1977 mit der Ehe- und Familienrechtsreform wurde die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Ehe abgeschafft und der Versorgungsausgleich eingeführt. Das Partnerschaftsprinzip ersetzte damals die Hausfrauenehe – so lange ist das noch gar nicht her – und das Zerrüttungsprinzip ersetzte die Schuldfrage bei der Scheidung. 1994 wurde Artikel 3 des Grundgesetzes ergänzt. Da will ich aber mit der Historie aufhören, obwohl wir nachfolgend noch sehr wichtige Entscheidungen hatten, die ungünstige Behandlungen von Frauen weiter aufgehoben haben.
In Artikel 3 des Grundgesetzes wurde 1994 ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“, als Staatsauftrag, darauf hinzuwirken, die bestehenden Nachteile zu beseitigen.
(Thomas de Jesus-Fernandes, AfD: Und? Haben wir gleiche Löhne bei Männern und Frauen in Mecklenburg-Vorpommern?)
Etwas möchte ich doch noch anführen, das ist für mich ein Trauerspiel in der Historie der Bundesrepublik Deutschland: Erst 1997 ist die Vergewaltigung in der Ehe ein Straftatbestand geworden, für die Frauen ein historischer Schritt, Jahrzehnte überfällig.
Wir wollen, dass Frauen und Männer auch in Parlamenten auf allen Ebenen gleichberechtigt beteiligt sind. So stand es im Regierungsprogramm der SPD. Wir Frauen in der SPD gehen da noch einen Schritt weiter. Wir wollen die Wahlrechtsänderung mit Parität, weil nur so werden wir tatsächlich unseren Ansprüchen gerecht. Die Diskussion, die wir heute führen, da wette ich, dass wir die in Frankreich, bevor das Paritätsgesetz eingeführt wurde, ganz genauso geführt haben.
Das Frauenwahlrecht wurde 1918 verkündet. Bei der Wahl am 19.01.1919 konnten Frauen zum ersten Mal ein deutsches Parlament wählen und zum ersten Mal selbst gewählt werden. Damals betrug der Frauenanteil in der Nationalversammlung nicht einmal 9 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 ist der Frauenanteil von vorher 36,5 Prozent auf 31 Prozent gesunken, und wenn ich mich hier so umgucke, ist unser Geschlechterverhältnis alles andere als ausgeglichen.
Wenn wir hier jetzt viele Beispiele gehört haben – auch von Frau Friemann-Jennert, die von der AfD leider den meisten Applaus geerntet hat –,
dass wir mehr darum ringen müssen, den Frauen die politische Gestaltung, das Sicheinbringen schmackhaft zu machen, und wir gar nicht genug Frauen haben, die kandidieren möchten, so war das in Frankreich auch nicht viel anders. Aber in Frankreich hat sich das so entwickelt, dass bei der letzten Wahl der Frauenanteil des Nationalen Parlaments auf über 38 Prozent gestiegen ist, trotz Mehrheitswahlrecht. Bei den Kommunal- und Regionalwahlen ist bereits nahezu Parität erreicht worden. Auch das war keine einfache Entwicklungsgeschichte. Natürlich hatten die genauso die Probleme, die wir heute haben. Letztendlich kommt es darauf an, dass wir unsere gemeinsamen Anstrengungen erhöhen, Frauen zu ermöglichen, ihre Mitgestaltungskompetenzen, die sie haben, einzubringen in den politischen Raum. Das Beispiel Frankreich zeigt, wenn der politische Wille vorhanden ist und die Parität im Wahlrecht verankert ist, kommt die Geschlechtergerechtigkeit in den Parlamenten tatsächlich voran.
Aber natürlich haben Frau Friemann-Jennert und Minister Pegel vollkommen recht, wenn sie auf die Rechtslage in Deutschland hinweisen. Wir haben in Deutschland eine etwas merkwürdige Rechtsprechung an der einen oder anderen Stelle. Aber die Gerichte sind unabhängig und so soll es sein. Das Verfassungsgericht in RheinlandPfalz hat entschieden, dass die Vorschriften des dortigen Kommunalwahlgesetzes – wo man sich noch nicht mal auf den Weg gemacht hat, mehr zu tun –, um mehr Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, die den Aufdruck geschlechterparitätsbezogener Angaben auf den amtlichen Stimmzetteln regeln, verfassungswidrig wären.
Was hatte man dort gemacht, um eine gleichmäßigere Repräsentation von Frauen und Männern in kommunalen Vertretungen zu befördern? Zum Beispiel sahen die Vorschriften den Aufdruck „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ sowie die Angaben des gegenwärtigen Geschlechteranteils in der Vertretungskörperschaft und die Angaben des Geschlechts der Bewerber jedes Wahlvorschlags sowie Angaben zum Geschlechteranteil auf dem Wahlvorschlag vor. Allein das – allein das – fand der Verfassungsgerichtshof verfassungswidrig. Zur Begründung führte er aus, die genannten Vorschriften über die Gestaltung der Stimmzettel seien verfassungswidrig, weil sie den Grundsatz der Freiheit der Wahl verletzen.
Er urteilte, dass in den Vorgaben zur Gestaltung der Stimmzettel eine unzulässige staatliche Einwirkung auf den Inhalt der Wahlentscheidung zum Zeitpunkt der Stimmabgabe und damit eine unzulässige Einschränkung des Grundsatzes der Freiheit der Wahl liege, und so weiter und so fort.
Da in Deutschland solche Blüten der Rechtsprechung nun einmal vorhanden sind, halte ich persönlich eine Grundgesetzänderung, wenn wir in Richtung Parität wollen, für unumgänglich. Minister Pegel zitierte bereits den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages – Frau Friemann-Jennert griff das auch auf –, der in der Tat dazu kam zu sagen, ja, es ist möglich, aber eine Grundgesetzänderung wäre die sicherste Möglichkeit, das auch zu gewährleisten. Er sagte, ich zitiere: „Während somit die allein einfachgesetzlich normierte Pflicht zur paritätischen Kandidatenaufstellung bei der Bundestagswahl und auch auf Landes- und Kommunalwahlebene verfassungsrechtlich überwiegend kritisch bewertet wird, dürften solche Bestimmungen jedoch nach einer Grundgesetzänderung nach Art. 79 GG vergleichbar der Regelung in der französischen Verfassung möglich sein.“