Protokoll der Sitzung vom 16.03.2018

Ich habe mich dieser Mühe unterzogen, den Kommissar angeschrieben und habe einen Brief zurückgebekommen, sogar relativ zeitnah, falls die Frage kommen sollte. Eigentlich müsste ich den Brief komplett vorlesen, denn dann würden wir die Debatte, die wir hier führen, wahrscheinlich ganz anders führen. Aber ich stelle ihn gerne jedem zur Verfügung, der Interesse hat, und werde bloß zwei Auszüge aus diesem Brief zitieren, und dann, glaube ich, können wir anders über die Aussichten diskutieren, dass in irgendwie zeitlicher Nähe eine Umstufung erfolgen wird.

Ich zitiere: „Sehr geehrte Frau Schlupp, Herr Kommissar Hogan bedankt sich für Ihren Brief vom 12.12.2017 und hat mich gebeten, Ihnen zu antworten. In Ihrem Schreiben beziehen Sie sich auf sozioökonomische Konflikte, welche durch das Wiederauftreten des Wolfes entstanden sind und fordern, dass diese Art wegen ihres Erhaltungszustandes von Anhang IV in Anhang V der FFHRichtlinie umgelistet wird. Lassen Sie mich bitte klarstellen, dass sich der Wolf in Deutschland in einem ungünstigen-schlechten Erhaltungszustand befindet, obwohl er sich in einigen anderen europäischen Mitgliedsstaaten in einem günstigen Erhaltungszustand befindet.“ Und jetzt kommts: „Dies wurde seitens der zuständigen deutschen Behörden“, zuständig in Klammern: SPD,

(Jörg Heydorn, SPD: BfN, Bundesamt für Naturschutz.)

„im Artikel 17 Bericht nach der FFH-Richtlinie mitgeteilt. Selbst wenn der Wolf in Anhang...“

(Im Plenarsaal klingelt ein Handy.)

Ich bin echt froh, dass ich 28 Minuten Redezeit habe.

„Selbst wenn der Wolf in Anhang V gelistet wäre, gäbe es weiterhin die Verpflichtung, einen günstigen Erhaltungszustand zu erreichen. Es müssten Maßnahmen ergriffen werden, um diese Raubtierart zu schützen, die eine grundlegende Rolle im Ökosystem spielt.“ So viel zu den Aussichten.

Aber ich habe ja gesagt, ich zitiere zwei Passagen. Er hat natürlich auch Vorschläge, was wir machen sollen und wie wir von der EU unterstützt werden. Von daher zitiere ich weiter, was uns Herr Hogan vorschlägt: „Dieser Ansatz wird durch den Aktionsplan für Menschen, Natur und Wirtschaft der Kommission durch Maßnahmen unterstützt, wie beispielsweise:

Die Kommission wird einen Unterstützungsmecha

nismus einrichten, um die Behörden in den Mitgliedsstaaten bei der Anwendung der Genehmigungsanforderungen gemäß der Vogelschutz- und der Habitat-Richtlinie für Natura 2000 und den Artenschutz zu unterstützen.

Die aktuellen Leitfäden zum Artenschutz und -ma

nagement werden auf den neuesten Stand gebracht.

Die Kommission wird den Erfahrungsaustausch und

die Bemühungen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Bereich Artenschutz unterstützen.“

Das sind jetzt also die Aussagen, die die EU dazu macht. Von daher denke ich mal, wenn wir quasi das als Lösung den Betroffenen in Aussicht stellen, ich glaube, damit müssen wir uns nicht aus diesem Haus bewegen.

Mein Fazit lautet also, auch heute haben wir keine Antworten auf die ganz praktischen Probleme. Und es sind einige Fragen aufgerufen worden, ich will die noch mal verstärken, weil das sind Dinge, mit denen ich mich in der jüngsten Vergangenheit auseinandergesetzt habe, auf die wir eben noch keine Antworten haben.

Einmal die Frage: Wie schützen wir die großen Weidetiere? Ich rede mal nicht von den Schafen, wo wir ja wenigstens Schutzmechanismen haben. Ich rede jetzt explizit von den großen Weidetieren. Da hat es ein Interview gegeben und da hat Herr Schreiber aus dem Landwirtschaftsministerium erklärt, dass wir derzeit dafür keine Lösung haben.

Oder die Frage – dazu habe ich auch eine Kleine Anfrage gestellt und ich will auch korrekt sein, das ist die Drucksache 7/1254 – war: Wie gewährleisten wir zukünftig den genetischen Austausch? Und dann komme ich auf ein Beispiel, das Sie, Herr Minister, gebracht haben, Ramin. In Ramin hat ein Wolf auf einer Solaranlage auch Schafe gerissen und dann wurde der richtungsweisende Vorschlag aus dem Agrarministerium gemacht, er möge sich um einen Untergrabschutz kümmern. Wenn man in der örtlichen Behörde nachfragt, wie sieht es denn damit

aus, dann habe ich gehört – und das ist nicht der einzige Fall, wir haben ja schon mal darüber diskutiert –, dass Bestandteil der Anlagengenehmigung ist, dass der Zaun um das Solarfeld einen Abstand von 30 Zentimeter zum Boden haben muss, damit der genetische Austausch gesichert werden kann. Deshalb habe ich in meiner Kleinen Anfrage natürlich auch gefragt: Wie viel haben wir denn für die Wildbrücken verauslagt, die ja auch dem genetischen Austausch dienen? Ich empfehle mal einen Blick darauf. Es sind nicht alle Zahlen genannt, aber es sind schon erhebliche Millionenbeträge.

Das heißt, über die Autobahnen können wir den genetischen Austausch sicherstellen, aber unsere Antwort auf den Wolf sind Doppelzäune und Untergrabschutz. Und dann frage ich mich: Warum geben wir so viel Geld für Brücken und Wildbrücken aus, und die enden an einem Doppelzaun mit Untergrabschutz? Ich habe auch gefragt, wie halten wir die Landschaft offen, denn der erste Schäfer hat in Vorpommern-Greifswald aufgegeben, weil er gesagt hat, er kann das Problem mit dem Wolf nicht mehr handeln. Die Antwort der Landesregierung: „Es wird davon ausgegangen, dass die Offenhaltung der Landschaft auch zukünftig gewährleistet werden kann.“

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Da sehen Sie mal, was für Antworten wir immer kriegen.)

Nicht nur Sie!

Von daher haben wir wirklich Problemfelder, wo uns die Lösung fehlt. Und es ist auch der Problemwolf angesprochen, aber auch da setzen Sie ja viel später an, als das eigentliche Problem beginnt. Wir haben nicht nur ein Definitionsproblem. Das Definieren ist eine theoretische Sache und die kann man auch noch lösen. Die Frage ist nicht, erkenne ich den Wolf, die Frage ist erst mal, wie weise ich einen Problemwolf nach. Es hat ja in der Vergangenheit Risse in Ramin gegeben und es ist immer bestätigt worden, es war ein Wolf. Fragen Sie aber mal nach, war es derselbe Wolf, kann man Ihnen das nicht sagen, weil die DNA-Analysen gar nicht ausreichen, um das festzustellen. Das heißt also, wir können die schönste Definition von Problemwölfen machen, wenn wir das nicht nachweisen können, dann haben wir so viel gewonnen wie vorher.

Von daher bleibe ich dabei, eigentlich ist es so, die Opposition hofft ja auch immer, dass man ihren Anträgen etwas Positives abgewinnt. Nun könnte man sagen, schön, dass wir darüber geredet haben, dann bleibt das Thema auch aktuell. Aber ich sage Ihnen eins: Wir haben schon so viel darüber geredet und die Betroffenen lassen sich damit nicht mehr abspeisen. Die Betroffenen erwarten von uns hier Lösungen. Und solange wir keine Lösungen anbieten können, bringt so eine Debatte auch nur Verdruss, weil wir das dann wieder hier offenbaren, dass die Fragen, die aufgeworfen sind, tatsächlich noch nicht gelöst sind. Darauf zu verweisen, dass irgendwann die EU sich einmal überlegt, das vielleicht anders zu betrachten, ich glaube, das reicht niemandem.

Im Übrigen wollen die Betroffenen, das ist zumindest meine Wahrnehmung, auch die Worte „Managementplanung“ und „Monitoring“ nicht mehr hören, weil sie nicht das Gefühl haben, dass sie mit diesen beiden Worten zu irgendeiner für sie erwarteten Lösung kommen. Mit ein paar Trostpflästerchen, ich will sie mal so nennen, wie

Entschädigung, wie Arbeitsgruppen – und ob Öffentlichkeitsarbeit von den Betroffenen als Trostpflaster gesehen wird, das lasse ich mal dahingestellt –, werden wir uns nicht über die Zeit retten können.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Und ich muss ganz ehrlich sagen...

Wir hatten einen Antrag. Ich habe ja gesagt, ich plädiere dafür, dass wir keinen Antrag stellen sollen, solange wir hier keine Lösung offerieren wollen. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie das eigentlich auch verstehen müssen, weil es bringt nichts, sich hier immer nur darüber auszutauschen und nicht vorwärtszukommen. Die Probleme sind nicht gelöst und mich jetzt zu fragen, welche Lösungen ich anbieten soll, da brauche ich gar nicht wie bei den Insekten in die Urzeit zurückzugehen, da brauche ich bloß so weit zurückzugehen und mal die Frage zu stellen, was war denn, als der erste Wolf in Mecklenburg-Vorpommern auftauchte und ich es gewagt habe zu sagen, ich habe Zweifel, dass ein einigermaßen konfliktarmes Nebeneinander von Wolf und Mensch funktionieren kann. Da bin ich hier fast gesteinigt worden. Als ich danach dann irgendwann mal gesagt habe, jetzt, wo die Wölfe zurückkommen, sollten wir uns darum bemühen, auch Lösungsansätze zu finden, war die Zeit dafür noch gar nicht reif. Jetzt stehen wir hier und stellen fest, ja, es sind doch ganz schön viele Wölfe und wir haben immer noch keine Lösung.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Das stimmt doch gar nicht im Detail, was Sie da sagen. So kann man es auch nicht sagen.)

Aber ich bin da wirklich nicht die Erste, die jetzt hier noch Lösungsansätze...

(Dr. Till Backhaus, SPD: Sie können doch nicht sagen, wir haben keine Lösungen. Das stimmt doch nicht!)

Ich habe ja Punkte genannt. Ich habe gesehen, Minister reden auch gerne als Abgeordnete. Ich habe hier Fragen aufgeworfen, wir können ja gerne darüber reden.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Das können wir gerne machen.)

Und wenn wir jetzt darüber reden, kann ich sogar Ihrem Antrag wieder was Positives abgewinnen. Ich habe hier Fragen, die können gerne dann auch besprochen werden.

Mein Petitum – und nicht nur meins, ich weiß mich Gott sei Dank da einig mit meiner Fraktion – ist, wenn wir uns selber ernst nehmen, wenn wir unsere Problembeschreibung ernst nehmen, dann können wir nicht weiter sagen, wir warten auf Berlin, Berlin hat gerade festgestellt, der Erhaltungszustand ist schlecht, da warten wir nämlich umsonst. Was die EU dazu sagt, habe ich vorgetragen.

(Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

Wenn wir wirklich der Meinung sind, dass hier Handlungsbedarf besteht, dann müssen wir handeln, und zwar

notfalls auch unter Inkaufnahme einer Klage durch die Europäische Kommission.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das ist doch endlich mal ein Wort!)

Nein! Nein, ich habe nicht gesagt, wir sollen gegen geltendes Recht verstoßen. Ich habe gesagt, wir müssen es in Kauf nehmen, wenn wir meinen, dass Handlungsbedarf besteht.

(Jörg Heydorn, SPD: Wir sollten geltendes Recht beugen, haben Sie gesagt.)

Nein, das habe ich nicht gesagt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, wir müssen das Risiko einer Klage auch in Kauf nehmen.

(Zuruf von Dr. Till Backhaus; SPD)

Mehr habe ich dazu nicht gesagt.

(allgemeine Unruhe)

Wir wären nicht die Ersten, denn Schweden hat es getan,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Ja.)

Finnland hat es getan, Rumänien hat es getan,