Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Nun lässt sich leicht anführen, dass mit mehr Geld die Betreuung noch intensiver ausfallen könnte. An dieser Stelle müssen sich die Kritiker der Arbeitsmarktpolitik der Koalition aus CDU und SPD im Bund jedoch fragen lassen, ob sie die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zur Kenntnis nehmen. Die Arbeitslosigkeit auch unter Langzeitarbeitslosen sinkt seit Jahren kontinuierlich. Will man den Jobcentern nicht jeglichen Anteil daran absprechen, kann deren Arbeit so schlecht nicht sein und damit auch ihre Finanzierung nicht so mangelhaft, wie DIE LINKE es den Bürgerinnen und Bürgern glauben machen will.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei den Debatten um dieses Thema drängt sich der Eindruck auf, als wolle die politische Linke der Bundesregierung und auch der Bundesagentur für Arbeit den Willen und die Fähigkeit absprechen, den Langzeitarbeitslosen tatsächlich zu helfen und sie bei der Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Am Rande bemerkt wird damit auch die gesamte Forschung zur Arbeitsmarktintegration diskreditiert. Oder glauben Sie ernsthaft, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, dass die Bundesagentur für Arbeit beziehungsweise das Institut für Arbeitsmarktforschung und Berufsforschung nicht genau evaluiert, welche Maßnahmen für welche Menschen bei der Integration in den Arbeitsmarkt wirken? Ohne dass ich an dieser Stelle ausführlich darauf eingehen möchte …

Frau Friemann

Jennert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Foerster?

Nach meiner Rede.

Wenn die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt das Ziel ist, haben sich nun einmal nicht alle Maßnahmen, die von vielen klugen Fachleuten in den letzten Jahren dafür ersonnen wurden, in der Realität auch als wirksam erwiesen. Wird dies erkannt, muss man die Instrumente anpassen. Einfach nur mehr Geld ins System zu geben, löst nicht alle Probleme und hilft vor allem nicht allen Langzeitarbeitslosen. Es ist inzwischen beinahe schon Allgemeinwissen, dass bei einem Teil der Bezieher von SGB-II-Leistungen vielfältige Hindernisse der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt entgegenstehen. Kollege Foerster hat dies in der Landtagsdebatte am 15. Dezember selbst ausführlich erläutert.

Was Sie mit Ihrem Antrag jedoch vermischen, ist die Förderung von Menschen mit Vermittlungshemmnissen und die Förderung sozialer Hilfeprojekte. Soziale Projek

te wie Sozialkaufhäuser und Kleiderkammern können für einen Teil der Menschen mit Vermittlungsproblemen ein Weg sein, um wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, aber auch genau dies ist ein Weg in den ersten Arbeitsmarkt. Wenn nun die Zahl der Langzeitarbeitslosen sinkt, und dies geschieht in Mecklenburg-Vorpommern, ist es relativ wahrscheinlich, dass sich auch die Zahl derjenigen verringert, für die solche Hilfsprojekte als Eingliederungsmaßnahme infrage kommen.

Die zweite inzwischen allgemein anerkannte Erkenntnis aus der Arbeitsmarktforschung ist, dass nicht alle Langzeitarbeitslosen auf den, ich sage mal, Arbeitsmarkt insgesamt vermittelbar sind.

Herr Foerster hat in seiner Einbringungsrede am 15. Dezember beklagt, der Anteil der SGB-II-Empfänger, der durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gefördert werde, sei von 15 Prozent im Jahre 2010 auf 9 Prozent im Jahre 2014 gefallen, mit weiter sinkender Tendenz. Dass dies mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit und dem infolgedessen möglicherweise gestiegenen Anteil der von ihm selbst angeführten Personen mit multiplen Vermittlungshemmnissen zusammenhängen könnte, war ihm jedoch keine Silbe wert.

CDU und SPD haben auf Bundesebene auf die Erkenntnis aus der Forschung reagiert und in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, für 150.000 Menschen, die derzeit keine Aussicht auf eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, geförderte Beschäftigungsverhältnisse auf dem Zweiten Arbeitsmarkt zu schaffen. Dafür soll jährlich etwa 1 Milliarde Euro zusätzlich bereitgestellt werden. Frau Drese hat eben schon etwas zur Möglichkeit einer Kofinanzierung ausgeführt.

Zuletzt möchte ich Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, fragen, warum Sie diesen Antrag für die heutige Landtagssitzung gestellt haben. Der Termin für den runden Tisch zur Frage der zukünftigen landesseitigen Absicherung ehrenamtlicher Hilfestrukturen und Projekte, zu dem die Sozialministerin für den 23. April eingeladen hatte, ist Ihnen nicht entgangen, denn dazu haben Sie bereits in der Fragestunde Antworten erhalten und damit auch einen Teil der Debatte vorweggenommen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Und wann haben wir den Antrag gestellt?! Was ist denn das für eine sinnlose Frage?)

Wenn Sie einen solchen Termin nicht als bloße Alibiveranstaltung abtun, meinen Sie nicht, Sie sollten dem Sozialministerium und der Landesregierung mehr als einige wenige Tage Zeit geben,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Vier Wochen!)

um die vorgebrachten Vorschläge und Argumente auszuwerten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen?

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ja, wann war sie denn beim NDR? Vor zwei Tagen, oder was? – Minister Harry Glawe: Ja, ich war nicht da. – Zuruf von Ministerin Stefanie Drese)

Die CDU-Fraktion jedenfalls wird Frau Sozialministerin Drese ausreichend Zeit zubilligen, um anschließend mit dem Koalitionspartner und im Sozialausschuss über

geeignete Maßnahmen zu beraten. Wir lehnen Ihren Antrag daher ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie müssen mal Beifall klatschen! – Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Da die Abgeordnete Frau Friemann-Jennert einer Nachfrage nach ihrem Redebeitrag bereits zugestimmt hat, geben ich Ihnen jetzt das Wort, Herr Foerster.

Ja, vielen Dank, Frau Kollegin Friemann-Jennert.

Ich möchte Ihnen folgende Frage stellen: Ist Ihnen bekannt, dass die ersten Hilferufe bezüglich der Konsequenzen aus den weniger werdenden Mitteln für die Eingliederung von Arbeitslosen von den Geschäftsführern der Jobcenter, namentlich in Nordwestmecklenburg und in Vorpommern Greifswald, stammen, und würden Sie sagen, dass es sich bei diesen beiden Geschäftsführern um Fachleute und um Angestellte der Bundesagentur für Arbeit handelt, oder nicht?

Ich weiß jetzt nicht, was das mit dem Antrag zu tun hat.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das geht auf Ihren Redebeitrag zurück!)

In dem Sinne, ich sage mal so …

Einen Moment, Herr Foerster! Ich stelle fest, Frau Friemann-Jennert ist noch nicht fertig, daher …

Herr Ritter hat ja schon die Antwort gegeben, ne?!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, eben, es geht doch um Ihre Rede, ne?!)

Dann brauche ich darauf auch nicht mehr zu antworten. – Vielen Dank.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das geht folgerichtig auf Ihre Rede zurück.)

Sie haben doch eben geantwortet.

Einen Moment! Einen Moment! Also wir haben hier immer noch eine Geschäftsordnung und die Geschäftsordnung …

(Minister Harry Glawe: Sie wissen doch alle, dass die Arbeitslosenzahlen zurückgegangen sind und so automatisch weniger Mittel ausgereicht werden. Sie als Gewerkschafter wissen das jeden Tag. So, das reicht.)

So, jetzt unterbreche ich die Sitzung für zwei Minuten und bitte die Parlamentarischen Geschäftsführer nach vorne.

Unterbrechung: 20.22 Uhr

__________

Wiederbeginn: 20.24 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung und rufe auf für die Fraktion der SPD den Abgeordneten Herrn Brade.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Landtagsabgeordnete! Herr Foerster stellt heute unser Erinnerungsvermögen noch mal auf die Probe. Erst im Dezember vergangenen Jahres haben die Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion mit einem Antrag auf eine finanziell bessere Ausstattung der Arbeit der Jobcenter gedrängt. Jetzt, viereinhalb Monate später, erfolgt ein neuer Vorstoß,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ja, weil nichts passiert ist.)

den, um es gleich vorwegzunehmen, wir abermals ablehnen werden.

Warum machen wir das? Es hat sich an der grundsätzlichen Situation nichts geändert. Die Reduzierung der Mittel für Eingliederungs- und Verwaltungsarbeit durch den Bund orientiert sich an der glücklicherweise anhaltend guten Konjunktur. Seit Jahren sind die Zahlen der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen rückläufig. Auch in den Jobcentern unseres Landes sinkt die Zahl erwerbsfähiger Leistungsberechtigter. Der Anteil von leistungsberechtigten Hartz-IV-Empfängern in Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf die Bevölkerungszahl liegt bei circa zehn Prozent. Das ist im Vergleich zur Freien und Hansestadt Hamburg deutlich weniger. Gute Beratung, eine sorgfältige und gezielte Auswahl von Qualifizierungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen und der Einsatz weiterer arbeitsmarktpolitischer Instrumente

haben zu dieser Entwicklung beigetragen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich mag mich gern wiederholen: Es ist ein großes Stück weit der Erfolg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den gemeinsamen Einrichtungen von Arbeitsagentur und Kommunen, die mit der Grundsicherung nicht nur für den Erhalt des sozialen Friedens sorgen, sondern auch den Weg in eine Berufstätigkeit ebnen und die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt ermöglichen. Dafür gebührt den Mitarbeitenden in den Jobcentern des Landes Dank und eine große Wertschätzung.

Auch wenn es als unglaublich lange empfunden wird, für eine erfolgreiche Integration dieser Menschen ist eine Zeitspanne von bis zu fünf Jahren notwendig: die Erlangung des Status, der Abschluss von Anerkennungsverfahren bei bestehender Berufsausbildung, das Erlernen der deutschen Sprache bis zum mindestens notwendigem Niveau B2, gegebenenfalls eine reguläre berufliche Ausbildung. Es braucht Geduld, um nachhaltig Zukunfts- und damit Bleibeperspektiven zu eröffnen. Viele Geflüchtete sind bereits auf einem guten Weg und werden in absehbarer Zeit zu einer weiteren Verringerung der Zahl der von unseren Jobcentern betreuten Leistungsempfängern führen.

Die vielseitige Arbeit umfasst aber nicht, wie von Ihnen indirekt dargestellt, die Unterstützung sozialer Einrichtungen, so wünschenswert eine umfängliche Hilfestellung zum Erhalt der genannten Einrichtungen auch ist. Diese werden nicht aus Mitteln des Jobcenters finanziert. Das mag ich auch nicht gelten lassen für öffentlich geförderte

Arbeitsgelegenheiten, die zweifelsohne dazu beitragen, vorrübergehend Beschäftigung und Teilhabe in den genannten sozialen Einrichtungen für zumeist Langzeitarbeitslose zu ermöglichen. Das ist jedoch vornehmlich damit verbunden, Schlüsselqualifikationen wieder neu zu erlangen oder die Wiedergewöhnung an die Arbeitswelt und den Arbeitsalltag zu erreichen. Sie werden bei Personen eingesetzt, bei denen der direkte Weg der Integration wenig aussichtsreich oder bereits gescheitert ist.

Doch Hand aufs Herz, dabei handelt es sich um zeitlich befristete Tätigkeiten. Ziel ist die nachhaltige Integration, die dauerhafte Lösung aus dem Leistungsbezug. Insofern kann es aber bei aller Wichtigkeit von Einrichtungen, wie Tafeln, Sozialkaufhäusern oder Möbelbörsen, keine Aufgabe der Jobcenter sein, diese durch Maßnahmen wie Arbeitsgelegenheiten zu erhalten. Hier müssen andere Ansätze greifen und die sind unter anderem mit der vorhandenen Finanzausstattung der Jobcenter durchaus gegeben.

Mit Blick auf die Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen mit schlechten Zugangschancen zum Arbeitsmarkt hat die Landesregierung deshalb mit ihrem Programm „Bürgerarbeit“ bereits die Umsetzungsphase erreicht. Es gibt für diese Menschen seit Herbst vergangenen Jahres ein neues Angebot, das in 2018 weitergeführt wird. Die Landesregierung trägt ihrerseits somit den Wünschen des Erwerbslosenbeirates und auch den Wünschen Ihrer Fraktion sichtbar Rechnung. Die aktuelle sowie prognostizierte wirtschaftliche Entwicklung wird ihrerseits zu einer weiteren Senkung der Zahl Hilfebedürftiger beitragen.