Henning Foerster
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist fünf vor zwölf auf den Werften, und da braucht heute auch niemand mehr etwas zu beschönigen oder gar zu verklären. Das war nach jetzigem Kenntnisstand bereits letzten Freitag so. Doch da hat der Wirtschaftsminister im Rahmen unserer Aussprache zum Thema „Beifall klatschen reicht nicht“ alles andere als den Eindruck vermittelt, dass wir heute hier noch einmal zusammenkommen müssen, um über die MV WERFTEN zu diskutieren.
Gestern Abend erreichte meine Fraktion dann die Nachricht, dass der ursprüngliche Plan nicht aufgeht, der geplante Bau von Schiffen der Universal Class wird also vorerst nicht stattfinden, und heute Morgen folgte dann eine eilig einberufene Sondersitzung des Finanzausschusses und nun die Plenardebatte zum genauso hektisch aus dem Boden gestampften Antrag der Koalition.
Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass kurzfristig eintretende besondere Ereignisse auch mal unkonventionelle Wege und schnelle Entscheidungen erfordern, aber wenn das Votum des Parlaments beziehungsweise des zuständigen Ausschusses gewünscht ist, dann brauchen der Landtag und die in ihm vertretenen Fraktionen auch rechtzeitig alle nötigen Informationen, um diese Entscheidung zu treffen, und zwar dieselben Informationen, die auch der Landesregierung vorliegen, und das zu einem Zeitpunkt, der noch ein Mindestmaß an Zeit für eine seriöse Meinungsbildung ermöglicht. Das war heute nicht der Fall
und das kann in Zukunft nicht so weitergehen.
Meine Damen und Herren, und dann reden wir doch mal Klartext, der Finanzausschuss hat heute Morgen doch im Grunde nur die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera gehabt: Gibt er das Geld für den neuen Plan, die „Endeavor“ und die „Global 1“ fertigzustellen, frei und erkauft sich damit Zeit, um weiter an einer Lösung zu arbeiten, ohne zu wissen, ob das gut geht, oder sagt er, Schluss, aus, Feierabend, und legt den Beschäftigten auf den Werften und wohl auch in zahlreichen Zuliefererbetrieben die Insolvenz und damit die Kündigung unter den Weihnachtsbaum? Der Finanzausschuss hat sich in dieser Situation mehrheitlich, auch mit den Stimmen meiner Fraktion, dazu entschieden, dass es zunächst einmal weitergehen soll auf den Werften, denn hätte er das nicht getan, wäre schon heute klar, dass 226 Millionen Euro faktisch verloren sind.
Sehr erstaunlich ist allerdings Folgendes: Während vor eineinhalb Wochen in der Sitzung des Wirtschafts- und Finanzausschusses die Geschäftsführung der MV WERFTEN noch betonte, dass Alternativen wie der Bau von Plattformen oder Forschungsschiffen nur schwer vorstellbar seien, wird heute kundgetan, dass genau an solchen Alternativen gearbeitet wird. Statt „wir glauben an den Restart des Kreuzfahrtgeschäftes“ sollen es perspektivisch nun also wieder Plattformen, Tanker oder Forschungsschiffe richten.
Sie werden verstehen, dass dies nicht dazu beiträgt, unsere Sorgenfalten kleiner werden zu lassen. Während sich die Geschäftsführung und Landesregierung noch vorletzte Woche kräftig auf die Schultern geklopft und die herausragende Kommunikation untereinander gelobt haben, sehen sie sich nun mit der Entscheidung von Genting Hong Kong, die Universal-Class-Schiffe nicht zu bauen, konfrontiert.
Meine Damen und Herren, nehmen wir also mal zur Kenntnis, dass nun alternative Projekte angeschoben werden sollen. Das klingt ein bisschen nach dem Prinzip Hoffnung, und deshalb erwarte ich von der Landesregierung und von der Geschäftsführung, dass ab sofort offen darüber geredet wird, was das denn für die Beschäftigten bedeutet, denn jedem muss klar sein, dass es Jahre dauert, bis mögliche Aufträge eingeholt und auch geplant wurden. Das war vorletzte Woche übrigens noch eines der Hauptargumente gegen ein solches Vorhaben. Fakt ist also, da entsteht eine große Lücke zwischen dem Fertigbau der jetzigen Schiffe und dem Zeitpunkt, bis möglicherweise andere Projekte in die Bauphase eintreten.
Und deshalb erwartet meine Fraktion von der Landesregierung, dass sie ab sofort auch an einem echten Plan B für die Zeit nach der Ablieferung von „Endeavor“ und „Global 1“ arbeitet. Und dabei meine ich nicht allein die kurzfristig notwendigen Arbeitsmarktinstrumente wie die bereits zur Diskussion stehende Auffanggesellschaft für vom Arbeitsplatzabbau betroffene Beschäftigte, sondern ich meine eine Idee, die man im Worst Case ziehen kann und die darauf abzielt, einzelne oder auch alle Standorte weiterzuentwickeln. Ich habe bereits im August ausgeführt, was ich damit meine.
Mein Blick geht deshalb noch einmal in unser Nachbarland Dänemark. Wo früher Odense Steel Shipyard als einst zweitgrößte dänische Schiffswerft beheimatet war, ist seit 2012 mit Zwischenschritten die Lindø port of Odense A/S als Mischung aus Industriepark und Hafenbetrieb, auf deren Gelände sich circa 160 verschiedene, teilweise namhafte Firmen angesiedelt haben, entstanden. Und auch dort, meine Damen und Herren, ging das natürlich nicht über Nacht. Völlig klar ist, dass auch ein solcher Prozess nicht ohne massive Unterstützung, sprich entsprechende Fördermittel von Bund und Land, auf den Weg gebracht werden kann. Solch ein Schritt braucht viel Vorbereitung, aber die Zeit, die wir uns heute erkauft haben, sollte aus unserer Sicht auch effektiv genutzt werden.
Das ist ausdrücklich kein Abgesang auf den Werftstandort Mecklenburg-Vorpommern. Das, meine Damen und Herren, gehört zu einer seriösen Politik. Seriöse Politik
hat auch das denkbar schlechteste Szenario im Blick zu haben und ist gegebenenfalls darauf vorbereitet, um bei dessen Eintritt nicht nackt dazustehen.
Am Ende kann ich auch nur noch einmal an den Mutterkonzern Genting Hong Kong appellieren, den Forderungen von Bund und Land nachzukommen, um einen Weg aus dieser Krise zu finden und nicht zuzulassen, dass die Schotten noch vor Weihnachten womöglich für immer schließen. Es ist heute Morgen im Finanzausschuss angedeutet worden, wir werden am Freitag schlauer sein, jedenfalls, wenn ich die Ausführungen der Landesregierung richtig verstanden habe. Heute werden wir dem Antrag der Koalition zustimmen, auch wenn es ihn ob der relevanten Weichenstellung heute Morgen im Finanzausschuss nicht zwingend gebraucht hätte. Der Kollege Schulte ist darauf eingegangen, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen für solche Zustimmungsverfahren im Landtag sind. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 2020 wird im Rückblick nicht als normales Jahr bewertet werden. Corona sorgt für Ängste bei vielen Menschen. Beschäftigte sind in Kurzarbeit und bangen um ihre Arbeitsplätze.
Da sie im Einzelhandel, in den Callcentern, in der Fischverarbeitung sowie in der Alten- und Krankenpflege nach wie vor keine Großverdiener sind, tut jeder Euro, der fehlt, auch weh. Die seit März andauernde Krise hat vielen extreme Überlastung beschert. Probleme gab es in vielen Branchen zwar schon vorher, Corona hat diese aber wie unter einem Brennglas hervortreten lassen.
Im Frühjahr erlebten wir symbolträchtige Aktionen: Musiker spielten Gratiskonzerte, Menschen klatschten Beifall vom Balkon und Fußballfans hängten Banner an Brücken, Politiker hielten große Reden. Das alles war sicher nett gemeint und wurde auch dankbar aufgenommen, allerdings ist für meine Fraktion ganz klar: Beifall klatschen reicht nicht!
Verkäufer/-innen für ihren Einsatz mit Ideen zu zusätzlichen verkaufsoffenen Sonntagen zu belohnen, ist doch absurd!
Noch mehr arbeiten fürs gleiche Geld?! Noch mehr Risiko durch Kundenkontakte?! So sieht ja wohl keine Wert
schätzung aus! Die Beschäftigten der eingangs genannten Berufsgruppen wurden schon vor der Krise nicht angemessen vergütet, und das trotz der Erkenntnis, dass sie unsere Gesellschaft am Leben halten. Eine Krankenpflegerin verdient im Jahr laut Statistischem Bundesamt circa 38.554 Euro, eine Erzieherin 36.325 Euro und eine Verkäuferin 26.824 Euro. Hier gilt es, endlich etwas zu tun!
Doch wenn sich Beschäftigte organisieren, so wie seit dem Frühjahr beispielsweise an den DRK-Krankenhäusern in Grimmen und Grevesmühlen, dann treffen sie auf Ablehnung, werden hingehalten oder gar mit Abmahnungen überzogen. Das ist eine Sauerei und in diesen Zeiten nun wirklich mehr als unangebracht! Normal ist dagegen, dass Positionen von Arbeitgebern und Gewerkschaften abweichen, erst recht, wenn es erstmals um einen Tarifvertrag geht. Verhandlungen müssen daher stets mit dem Ziel geführt werden, einen Kompromiss auszuhandeln. Dass Gewerkschaften dabei zuweilen auch zu Streiks aufrufen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, ist ihr verbrieftes Recht. Die Haltung des DRK ist dagegen für meine Fraktion nicht akzeptabel. Es gibt an den Häusern bereits einen Tarifvertrag für das ärztliche Personal, abgeschlossen mit dem Marburger Bund. Warum man selbigen dem nicht ärztlichen Personal jetzt verweigert, ist nicht nachvollziehbar.
Aus unserer Sicht bieten Tarifverträge für beide Seiten Vorteile. Arbeitgeber profitieren von einer verlässlichen Kalkulationsgrundlage, was die Gehälter angeht, sowie klaren und einheitlichen Rahmenbedingungen bei Arbeits- und Urlaubszeiten. Die Beschäftigten können Transparenz, Planbarkeit, Sicherheit und Verbindlichkeit als Pluspunkte verbuchen. Seit März versuchen die Arbeitgeber beim DRK dennoch, die Sache auszusitzen, und das, obwohl Politiker verschiedener Fraktionen den Versuch zu vermitteln unternommen haben. Doch während die Gespräche mit der Geschäftsführung und dem Präsidenten des DRK sachlich und korrekt geführt wurden, setzte man intern auf die Spaltung der Belegschaft. So wurde mit der Ausgliederung von Serviceabteilungen gedroht und eine umstrittene Betriebsvereinbarung zu Entgeltfragen abgeschlossen. Dieses Gebaren sollte künftig unterbleiben und stattdessen der Weg zu seriösen Gesprächen am Verhandlungstisch beschritten werden.
Ein weiteres Thema, das uns im Sommer erreichte, war die Mitteilung, dass die Gottfried Friedrichs KG ihr Werk in Waren schließt. Obwohl über die Jahre mit Millionen Steuergeldern für Investitionen von EU und Land unterstützt, baut man nun also seine Zelte ab und zieht nach Polen weiter. Offenbar hat der Mohr seine Schuldigkeit getan. Dass die Lohnkosten mit 3,50 Euro pro Stunde dort noch deutlich geringer sind, wird auch ohne Scham öffentlich verkündet, und das, obwohl die 370 Beschäftigten vor Ort, die ihrem Unternehmen jahrelang treue Dienste geleistet haben, nun wahrlich keine Großverdiener sind. In der Fischverarbeitung sind Mindestlöhne an der Tagesordnung. Ich stimme der NGG zu, die den Arbeitgeber aufforderte, seine Entscheidung genau zu prüfen. Wenn sich Warenströme verändern und Wirtschaftskreisläufe nicht mehr so funktionieren wie vor der Corona-Krise, ist es vielleicht sogar von Vorteil, dort zu produzieren, wo auch der Hauptabsatz stattfindet. Auf jeden Fall gehört die Förderpraxis auf den Prüfstand. Es kann doch nicht sein, dass solche Schließungen nur der Profitmaximierung und dem Abgreifen von Fördermitteln am neuen Standort dienen!
Noch recht frisch ist die kürzlich verkündete Schließung von drei Callcentern der Majorel-Gruppe in Schwerin, Neubrandenburg und Stralsund. Im November wurden die Betriebsräte vor vollendete Tatsachen gestellt. Man eröffnete ihnen, dass ihre Standorte aus dem Konzern herausgelöst und einem Tochterunternehmen in Luxemburg zugeordnet wurden. Damit waren sie über Nacht auf sich allein gestellt und vom Konzernbetriebsrat abgeschnitten. Sie mussten aber noch eine bittere Pille schlucken, denn die drei MV-Standorte mit knapp 1.000 Beschäftigten sollen zum 31.12.2021 geschlossen werden. Diese seien nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Ferner hieß es, ein großer Vertrag mit einem Telefondienstleister laufe aus. Eigentlich müsste eine Geschäftsführung jetzt versuchen, diesen nachzuverhandeln oder ein neues Geschäft zu akquirieren, stattdessen wird die Schließung der Standorte als alternativlos hingestellt. Dabei sind die einzelnen Standorte durchaus sehr unterschiedlich aufgestellt. So wird in Schwerin beispielsweise noch für drei weitere Auftraggeber aus dem In- und Ausland gearbeitet. Und gelingt es, dieses Geschäft zu sichern, dann wird man vielleicht auch einige Arbeitsplätze abbauen müssen, kann aber wenigstens den Standort sichern, und darum muss es jetzt gehen. Auch diese Arbeitsplätze sind uns wichtig.
Gut, dass es erste Gespräche und Angebote der Unterstützung vom Wirtschaftsminister gab, ob nun für neue Technik oder die Qualifizierung der Beschäftigten. Ich will aber auch sagen, Fakt ist, dass es in dieser Branche vielerlei Probleme gibt. Gewerkschaften haben es schwer, weil Beschäftigte oft Quereinsteiger sind, Zeitverträge sind häufig anzutreffen und auch traditionelle Bindungen fehlen. Bis heute gibt es keinen tariffähigen Arbeitgeberverband, und dadurch geht der Unterbietungswettbewerb beim Kampf um Aufträge immer weiter, und immer auf dem Rücken der Beschäftigten, die zu großen Teilen auch nur den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Diese erwarten aber, dass künftig tarifliche Standards wie in anderen Branchen geschaffen werden. So sind die Interessenverbände der Callcenterbranche also gefordert, positive Fakten zu schaffen.
Böse überrascht wurden vergangene Woche erneut die Beschäftigten beim Fährunternehmen Stena. Nachdem sich der schwedische Konzern schon bei der Schließung der Königslinie nicht mit Ruhm bekleckert hat, will er nun also seinen Geschäftssitz nach Hamburg verlegen und das verbliebene Fährschiff „Mecklenburg-Vorpommern“ künftig unter schwedischer Flagge betreiben. Meine Gewerkschaft EVG fürchtet, dass dahinter die Absicht steht, Gewinne zu maximieren und vor allem die betriebliche Mitbestimmung auszuhebeln. Die Beschäftigten sollen schwedische Arbeitsverträge bekommen. Was aus ihren über die Jahre erworbenen Ansprüchen wird, steht derzeit in den Sternen. Und wenig spaßig dürften die Beschäftigten es empfinden, dass auf das Osterei in Sassnitz nun die Nikolausüberraschung in Rostock folgt.
Meine Fraktion erwartet deshalb, dass sich der Verkehrsminister nicht nur in der Presse mit Bedauern zu Wort meldet, sondern dass er die Geschäftsführung einlädt und die Erwartungshaltung zum Ausdruck bringt, dass mit der Umstrukturierung keine Verschlechterungen bei Entgelt und Arbeitszeiten einhergehen, denn ja, auch meine Fraktion will natürlich weiterhin Fährverkehr zwischen Rostock und Schweden, aber zu fairen Konditio
nen für die Beschäftigten. Diese sind schon einmal enttäuscht worden, denn nicht einen Finger hat die Landesregierung gerührt, um dabei zu helfen, dass wenigstens ein Teil des arbeitslos gewordenen Personals vom Fährschiff „Sassnitz“ an den neuen Betreiber des Katamarans vermittelt wird.
Enden will ich mit den Beschäftigten der Werften. Diese werden in der Regel ordentlich bezahlt und haben erfahrene Betriebsräte und eine kampfkräftige Gewerkschaft mit der IG Metall an ihrer Seite. Was ihnen und uns allerdings seit Monaten zugemutet wird, ist ein Trauerspiel. Bis letzte Woche lag immer noch kein Sanierungsgutachten vor. Während hier im Land vieles dafür getan wird, die Standorte zu sichern, lässt der Genting-Konzern uns immer wieder im Unklaren. Einzig der Abbau von mehr als 1.000 Arbeitsplätzen scheint sicher, und das auf der Basis von – O-Ton aus dem Wirtschaftsausschuss – Entwurfspapieren und Arbeitsständen aus Telefonkonferenzen. Da kann man doch nur mit dem Kopf schütteln. Bleibt zu hoffen, dass die Sozialtarifverhandlungen erfolgreich sind, und dabei sollte das Land eine mögliche Auffanggesellschaft im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für entlassene Werftarbeiterinnen und Werftarbeiter unterstützen.
Was ist mein Fazit? Die Arbeit vieler Beschäftigter muss monetär aufgewertet werden. Es gilt, die Förderpraxis bei Unternehmensansiedlungen auf den Prüfstand zu stellen. Mehr Qualität statt Quantität mit Blick auf die Arbeitsplätze ist das Gebot der Stunde. Tarifverträge dürfen nicht nur in Sonntagsreden herbeigewünscht werden, sondern müssen künftig noch stärker privilegiert werden, ob im Vergabegesetz oder in der Wirtschaftsförderung. Der Arbeitsschutz sollte eine größere Rolle spielen, statt Beschäftigte mit Ideen zu dauerhaften verkaufsoffenen Sonntagen oder der Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeiten weiter unter Druck zu setzen. Praktiken der Ausbeutung müssen angeprangert und die betriebliche Mitbestimmung im Land gestärkt werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst vielen Dank für eine weitgehend sachliche Debatte!
Herr Schulte, Ziel dieser Aussprache war es, die Beschäftigten und ihre Probleme in den Mittelpunkt zu rücken, denn man muss ja sagen, die erste Welle von Corona haben wir ja nicht dank der Politik bewältigt, sondern dank der Solidarität der allermeisten Menschen in diesem Land untereinander und dank der herausragenden Einsatzbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen in den sogenannten systemrelevanten Berufen.
Und, Herr Wildt, es ist auch nicht so, dass wir hier irgendwie nur pauschal eine Aussprache beantragen, um
so ein bisschen Laber-Rhabarber zu machen. Wir tun beides. Wir stellen das hier im Landtag zur Diskussion und natürlich bin ich, wenn wir bei den Beispielen bleiben – nehmen wir mal Majorel – auch derart unterwegs, dass ich die Kontakte, beispielsweise zwischen Betriebsräten und Wirtschaftsministerium, hergestellt habe. Natürlich weiß ich auch, dass es dort erste Gespräche gegeben hat. Und ich habe zumindest zu diesem Punkt auch in der Einbringung die Bemühungen des Wirtschaftsministers, hier zu einer Lösung zu kommen, ausdrücklich anerkannt.
Man muss allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass es Unternehmen gibt, die versuchen, die jetzige Krise zu nutzen, um Arbeitsstandards zu drücken. Gleichzeitig werden Millionen an Staatshilfen in Anspruch genommen. Und ich habe vorhin am Beispiel verdeutlicht, wie Schließungen und Werksverlagerungen geplant werden, und das, obwohl die Beschäftigten in diesen Betrieben jahrelang ihre Knochen hingehalten haben, oft zu Konditionen auf Mindestlohnniveau.
Und auch in der Krise, Herr Wildt, werden ja alte Rezepte wieder aus der Mottenkiste geholt. Da wird zum Beispiel die gesetzliche Begrenzung des Arbeitstages erwähnt, die man schleifen will, oder es wird so von Bürokratieabbau geredet, womit zum Beispiel die dauerhafte Absenkung der Arbeitgeberanteile bei der Sozialversicherung gemeint ist. Und wenn solche Forderungen in die Tat umgesetzt werden, dann bezahlen die Lasten dieser Krise letztlich wieder diejenigen, die sozusagen den Kitt der Gesellschaft bilden und uns bei der Bewältigung an der ersten Front geholfen haben. Und da sagen wir eben, das ist schäbig, denn niemand stellt in Abrede, dass es im Moment viele Unternehmen gibt, die Probleme haben, und denen soll auch geholfen werden. Aber es gibt eben auch andere, wenn Sie sich das anschauen, deren Aktienkurse im dritten Quartal durch die Decke gegangen sind.
Und was wir eben nicht wollen – und diese Diskussion werden wir ja in den kommenden Monaten auch hier führen, nehme ich an –, ist, dass die Kosten für diese Rettungspakete, die jetzt in regelmäßigen Abständen in Bund und Land verabschiedet werden, wieder ausschließlich von denjenigen bezahlt werden, die das Geld, was jetzt ständig auf Landes- und Bundesebene verteilt wird, mit ihren Händen erarbeitet haben. Das vielleicht als Fazit dieser Debatte. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Gebetsmühlenartig wird zuweilen betont, wie wichtig lebenslanges Lernen ist, und auch die Bildungsministerin hatte bei der Einbringung des Gesetzentwurfes darauf abgestellt. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass aktuellen Umfragen folgend zwar 77 Prozent der Beschäftigten an Fortbildungen interessiert sind, nur 1 bis 2 Prozent jedoch Bildungsurlaub nehmen, obwohl sie in 14 von 16 Bundesländern einen gesetzlichen Anspruch darauf haben. Die einen kennen ihre Freistellungsansprüche nicht, die anderen wissen nicht, wie sie Bildungsurlaub beantragen sollen, oder fürchten Nachteile im Betrieb.
Anträge, die darauf abzielen, die Flexibilität der Beschäftigten zugunsten des Arbeitgebers oder Dienstherren
einzuschränken, sind folglich wenig hilfreich und abzulehnen.
Das gilt gleichermaßen für das Ansinnen, alle Mittel ausschließlich der beruflichen Bildung zuzuführen. Wer das fordert, wie es die AfD in ihren Änderungsanträgen tut, Herr Schneider, hat den Sinn eines Bildungsfreistellungsgesetzes nicht verstanden.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Meine Fraktion hat die Deckelung der Förderung im Bereich „Berufliche Weiterbildung“ bei der letzten Novelle 2013 im Landtag abgelehnt, insofern begrüßen wir die Möglichkeit, künftig wieder bis zu 50 Prozent des Gesamtbudgets in Sachen Bildungsfreistellung für diesen Zweck einsetzen zu können.
Der Mittelabfluss in den letzten Jahren war unbefriedigend. Während die Mittel für die berufliche Bildung zeitnah ausgeschöpft waren, blieb ein Großteil der Mittel für die Ehrenamtsqualifizierung oder die politische Bildung ungenutzt. Das belegen auch die Zahlen. Von den 188.400 Euro im entsprechenden Haushaltstitel flossen 2016 ganze 81.390 Euro ab. 2017 waren es 78.970 Euro und 2018 schließlich 79.410 Euro. Insofern müsste man sich doch fragen, wie man zu einer besseren Inanspruchnahme des Geldes kommt und wo die Hemmnisse liegen. Einen Punkt hat die Landesregierung mit der Verkürzung der Mindestdauer von Veranstaltungen ja im Gesetzentwurf auch aufgegriffen.
Ich möchte an der Stelle nur darauf hinweisen, dass Arbeitgeber über die Arbeitsmarktförderung von Bund und Land diverse Möglichkeiten haben, Unterstützung bei der Qualifizierung ihrer Beschäftigten zu erhalten. Hier im Land gibt es das Instrument der Bildungsschecks, und die Bildungsagentur für Arbeit bietet im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes diverse Möglichkeiten. Kleinere Unternehmen erhalten dort übrigens größere finanzielle Unterstützung als mittlere oder große Unternehmen.
Wenn ich mir jetzt die Novelle anschaue, dann finde ich also durchaus Dinge, die gut gelungen sind. Ein Blick in die Unterlagen aus der Verbandsanhörung zeigt jedoch, dass es aus den Reihen der Expertinnen und Experten diverse Vorschläge gab, die leider nicht aufgegriffen wurden. Meine Fraktion hat im Wirtschafts- und im Bildungsausschuss darauf fußende Änderungsanträge gestellt, die wir hier heute noch einmal einbringen. Worum geht es dabei?
Wir haben erstens den Vorschlag der Gewerkschaft ver.di aufgegriffen, der darauf abzielt, eine Freistellung von maximal zwölf statt zehn Tagen immer dann zu ermöglichen, wenn im Betrieb des Beschäftigten regelmäßig mehr als fünf Arbeitstage gearbeitet wird. Das ist nur konsequent, denn der umgekehrte Fall ist bereits geregelt: Wenn im Betrieb des Beschäftigten regelmäßig an weniger als fünf Tagen gearbeitet wird, verringert sich der Anspruch entsprechend.
Ebenfalls aufgegriffen haben wir zweitens die Intention von DGB, LAG Arbeit und Leben sowie Erzbistum Hamburg, die Novelle des Bildungsfreistellungsgesetzes dahin gehend zu nutzen, den Bereich der kulturellen Wei
terbildung als gleichrangig in das Gesetz aufzunehmen. Alle drei Institutionen verweisen darauf, dass sich die verschiedenen Bereiche der Weiterbildung ergänzen und dazu beitragen, sich konstruktiv und kritisch mit der Lebens- und Arbeitswelt in all ihren Facetten auseinanderzusetzen.
Sinnvoll erschien es uns drittens auch, die Antragsfrist auf sechs Wochen zu verkürzen, vorausgesetzt, ein aktueller Anlass oder ein aktuelles Ereignis sorgen dafür, dass Themen kurzfristig in einem Seminar behandelt werden müssen.
Ein wichtiger Impuls kam von der IHK zu Neubrandenburg. Für eine wirksame Förderung der Fachkräftesicherung müssen nicht nur mehr Haushaltsmittel für die berufliche Weiterbildung zur Verfügung gestellt werden. Dies geschieht ja, wie schon erwähnt, durch die Aufhebung der Deckelung und die Möglichkeit, künftig wieder 50 Prozent des Gesamtbudgets für diesen Bereich nutzen zu dürfen. Darüber hinaus müssen aber die pauschal gewährten Erstattungsbeiträge dringend angehoben werden, denn die jetzigen Sätze sind zu niedrig und liegen knapp über Mindestlohnniveau, was gerade Arbeitgeber, die tariflich oder übertariflich zahlen, benachteiligt. Daher haben wir viertens die vorgeschlagenen Erstattungssätze, nämlich 75 statt 55 Euro bei beruflicher Weiterbildung und 150 statt 110 Euro bei politischer und ehrenamtlicher Weiterbildung, in unseren Änderungsantrag übernommen.
Zu guter Letzt sei fünftens noch erwähnt, dass ich bereits bei Einbringung des Antrages die Notwendigkeit erläutert habe, das Bildungsfreistellungsgesetz einer Evaluation zu unterziehen. Wir halten dies erstmals nach zwei Jahren und danach alle vier Jahre für notwendig.
Da all diese Änderungen in den Ausschussberatungen leider keine Berücksichtigung gefunden haben und ich nicht davon ausgehen kann, dass sich das Stimmverhalten heute ändert, werden wir uns zum vorliegenden Gesetzentwurf enthalten. Wir sind ganz klar für ein modernes Bildungsfreistellungsgesetz, und ich möchte mit Blick auf die eingangs erwähnte Diskrepanz zwischen dem grundsätzlichen Interesse an Weiterbildung und der Inanspruchnahme von Bildungsurlaub auch dafür werben, die Möglichkeiten besser zu nutzen. Mit der Ablehnung der vorgeschlagenen Änderungen von Gewerkschaften, Kammern und Kirchen ist aus unserer Sicht aber leider eine gute Chance vertan worden, für mehr Akzeptanz bei Arbeitgebern und vor allem auch mehr Interesse bei den Beschäftigten unseres Landes zu sorgen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben auf Antrag meiner Fraktion in diesem Jahr hier schon häufiger über touristische Themen diskutiert. Das heutige Thema hat den Landtag bisher allerdings nicht beschäftigt.
Ich bin selbst seit Jahren bekennender Dauercamper und verfolge somit die Entwicklung in diesem Bereich auch mit besonderem Interesse. Ich will Ihnen aber sagen, den heutigen Antrag hätte es vermutlich nicht so gegeben, wenn die Corona-Krise nicht auch die Campingplatzbetreiber vor besondere Herausforderungen gestellt hätte. Denen haben sie sich nach meiner Wahrnehmung professionell gestellt, egal, ob es um die Sicherstellung von Abstandsregelungen, um Kontaktbeschränkungen, die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln oder die Neuregelung von Wegebeziehungen auf den Plätzen ging. Verärgert waren viele Unternehmer jedoch darüber, dass beim Thema Wohnmobiltourismus offenbar mit zweierlei Maß gemessen wurde, denn eigentlich galt früher das Prinzip, ohne Reservierung kein Stellplatz.
Wer also nach M-V kommen wollte, musste über eine Übernachtung auf einem Campingplatz oder bei einem anderen touristischen Anbieter verfügen. Tatsächlich standen aber in Schwerin, an der Ostsee und anderswo Hunderte Wohnmobile auf öffentlichen Stell- und Parkplätzen. Und während auf unserem Campingplatz regelmäßig die Polizei ihre Runden drehte und mein Vermieter tagtäglich die Adressen seiner Gäste erfassen und die Postleitzahlen seiner Gäste mit den Lageberichten der Gesundheitsbehörden abgleichen musste, schien das muntere Treiben auf den öffentlichen Stell- und Parkplätzen niemanden zu interessieren.
Vom Verband auf das Problem aufmerksam gemacht, verwies die Landesregierung auf die Zuständigkeit der Kommunen. Diese wiederum winkten bei entsprechenden Anfragen ab und verwiesen darauf, dass Wohnmobile derzeit keinen Schwerpunkt bei Kontrollen der Ordnungsbehörden darstellen würden. So geschehen zum Beispiel hier auch in der Landeshauptstadt Schwerin. Dies war dann auch der Aufhänger für ein persönliches Gespräch mit Verbandsvertretern während der Sommermonate. Und wie das so ist, wenn man dann ohnehin einmal beisammensitzt, ergeben sich schnell auch weitere Themen.
Der Wohnmobiltourismus war bereits in den letzten Jahren stark auf dem Vormarsch. Die Corona-Krise hat
diesem Bereich noch einmal Auftrieb verschafft. Autark zu verreisen, ohne Maskenpflicht und Mindestabstand, dafür aber mit Familie und/oder Freunden, das war für sehr viele Menschen in diesem verrückten Sommer ein verlockendes Angebot. Die Verkaufszahlen gingen jedenfalls durch die Decke. 50 Prozent mehr Freizeitfahrzeuge verkauften die Hersteller in Deutschland allein im Juni. Bei Reisemobilen lag das Plus sogar bei 65 Prozent. Die Branche erlebte trotz Corona-Pandemie das beste erste Halbjahr ihrer Geschichte, jubelte der Caravaning Industrie Verband (CIVD). Knapp 55.000 Fahrzeuge wurden in diesem Zeitraum neu zugelassen, so viele wie sonst im gesamten Jahr.
In einigen Tourismusregionen führte der Boom allerdings zu Problemen. So waren viele Campingplätze im In- und Ausland ausgebucht. In der Folge parkten Wohnmobile nächtelang auf Parkplätzen oder mitten in der Natur, was bestenfalls in Ausnahmefällen erlaubt ist. Und damit nicht genug: Abfälle blieben liegen, Chemietoiletten wurden im Gebüsch entleert. All diese Entwicklungen, die uns teilweise auch im persönlichen Gespräch geschildert wurden, waren Motivation, das Thema heute einmal im Landtag aufzurufen, und deshalb befassen wir uns heute damit.
Zunächst einmal haben wir im Zuge eigener Recherchen auch feststellen können, dass auch unser Land ein beliebtes Ziel für Wohnmobiltouristen ist. Allerdings findet man keine Zahlen in der offiziellen Statistik. Da es sich, wie eben geschildert, um ein stark wachsendes Segment handelt, halten wir es daher für wünschenswert, den Wohnmobiltourismus künftig auch in der amtlichen Statistik des Landes gesondert zu erfassen.
Darüber hinaus gingen mit einer Zunahme des Individualtourismus in diesem Bereich natürlich auch besondere Herausforderungen einher. Vor dem Hintergrund der schon beschriebenen Probleme halten wir eine Diskussion über die Frage von Mindeststandards für Wohnmobilstellplätze, ob nun auf klassischen Campingplätzen oder im öffentlichen Raum, für dringend geboten, und zwar nicht nur aus Gründen einer gewissen Chancengleichheit für die unterschiedlichen Anbieter und Betreiber, sondern auch mit Blick auf Umweltbelange und die Akzeptanz dieser Form von Individualtourismus durch die heimische Bevölkerung.
Der Bundesverband der Campingwirtschaft Deutschland e. V. hat seine Vorstellungen zu diesem Thema in einem Entwurf für eine Musterverordnung für Camping- und Wochenendplätze sowie Wohnmobilstellplätze formuliert. Für den Wohnmobiltourismus ist hier insbesondere der Teil III interessant. Dort finden sich Regelungen zur Größe der Standplätze, zur Beschaffenheit des Untergrunds mit Blick auf Aspekte der Oberflächenentwässerung und des zulässigen Gesamtgewichtes, zum Brandschutz oder zum Mindestabstand zwischen zwei Fahrzeugen. Darüber hinaus geht es um die Regelung der Versorgung mit Trinkwasser, die Aufstellung dichter und von der übrigen Platzanlage abgeschirmter Abfallbehälter oder die Möglichkeit der Entsorgung der Inhalte von Fäkal- beziehungsweise Abwasserkassetten aus Wohnmobilen.
Zudem wird zwischen kleinen Wohnmobilplätzen mit nicht mehr als zehn Standplätzen und größeren Plätzen unterschieden. Für die kleineren wird vorgeschlagen, einen Hinweis auf die nächstgelegene Ver- und Entsor
gungseinrichtung an einer zentralen Stelle des Wohnmobilstellplatzes anzubringen. Aus unserer Sicht sollte dieses Papier die Basis für Gespräche zwischen Verband und Kommunen unter Beteiligung des für Tourismus zuständigen Wirtschaftsministeriums sein.
Zu guter Letzt sehen wir die Notwendigkeit, im digitalen Zeitalter auch ein Serviceangebot für die wachsende Zahl der Wohnmobiltouristen in unserem Land zu etablieren. Es ist natürlich auch aktuell schon möglich, ins Internet zu gehen und dort nach einzelnen Campingplätzen und ihrem jeweiligen Angebot zu schauen. Zeitgemäßer wäre allerdings die Entwicklung und Betreibung einer Applikation für digitale Endgeräte, über die Wohnmobiltouristen eine Gesamtübersicht über alle Stellplätze mit Angaben zur jeweiligen Infrastruktur, zum Beispiel zu den Entsorgungsmöglichkeiten, erhalten können.
Wir haben mit der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zur Kenntnis genommen, dass die Projektskizze der Kolleginnen und Kollegen vom Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland e. V., Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, das Ministerium erreicht hat und dass man dort entsprechende Fördermöglichkeiten prüft. Nach unserem Kenntnisstand ist das Thema wohl grundsätzlich förderfähig. Die Summe, die im Raum stehen soll, ist allerdings nach unserer Einschätzung für eine moderne, langfristig nutzbare und bedienerfreundliche Lösung noch nicht optimal.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass die Mitglieder des Vorstandes des hiesigen Landesverbandes der Campingwirtschaft die heutige Debatte sehr aufmerksam verfolgen. Ich danke ihnen an dieser Stelle für die bisherigen Gespräche und die zahlreichen Anregungen und würde mir insbesondere vor diesem Hintergrund wünschen, dass wir die Debatte im Rahmen einer Ausschussbefassung vertiefen können. Ich beantrage folglich die Überweisung des Antrages und würde mich freuen, wenn Sie diesem Ansinnen folgen könnten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Corona-Krise hat dafür gesorgt, dass viele Dinge, bei denen es seit Jahren hakt, noch einmal deutlich an die Oberfläche treten. Das gilt auch für die in unserem Antrag angesprochenen Themen und Entwicklungsfelder im Wohnmobiltourismus. Die von mir in der Einbringung angesprochene Mustersatzung für Wohnmobilstellplätze ist ja auch schon etwas älter als das Virus, welches uns nun seit Jahresbeginn in verschiedenster Form beschäftigt.
Und ja, Herr Minister, wir haben die im Antrag aufgeführten Sachverhalte bereits mittels Kleiner Anfrage beleuchtet, und es ist auch zutreffend, dass diese Anfrage natürlich beantwortet wurde. Aus den Antworten allerdings zu schlussfolgern, die Regierung sei – und das haben Sie ja hier so ein bisschen angedeutet – diesbezüglich schon mit Siebenmeilenstiefeln unterwegs und die Probleme seien faktisch abgearbeitet, ist nicht nur abenteuerlich, sondern gleichermaßen billig wie nervig.
Wenn inhaltliche Argumente für eine Ablehnung fehlen, dann kommen Sie natürlich gern mit dieser Leier.
Nur weil der Minister uns hier gut gelaunt erzählt, dass bereits einige Gespräche geführt wurden,
hat sich der Antrag ja noch nicht erledigt. Hätten Sie uns darüber informiert, dass zwischenzeitlich Mindeststandards definiert, mit den Verbandsvertretern abgestimmt und veröffentlicht worden sind, dann hätte ich das eingesehen.
Aber, meine Damen und Herren, haben wir heute etwas darüber gehört, dass Standplätze eben zu gestalten sind und die Tragfähigkeit des Untergrundes mindestens 3,5 Tonnen betragen sollte? Wurde im Rahmen der Debatte zur Frage des Mindestabstands von zwei Metern zwischen zwei Fahrzeugen ausgeführt?
Hat irgendjemand seine Haltung zum verbandsseitig vorgeschlagenen Stellplatzmindestmaß von acht mal fünf Metern verdeutlicht?
Ich habe nichts gehört.
Auch zu den Themen Abfallentsorgung, Trinkwasser und Fäkalkassetten war wenig bis gar nichts zu vernehmen, genauso wenig wie zu wichtigen Fragen wie Unfallverhütung, Brandschutz, Beleuchtung oder Sicherheit und Ordnung. Also hier, stelle ich fest, hat sich gar nichts erledigt.
Während Sie sich in der Debatte weitgehend hinter Zuständigkeitsfragen versteckt haben, pflegt man in unserem Nachbarland Schleswig-Holstein offenbar einen anderen Umgang mit Vertretern der Branche.
Dort hat man zur Eindämmung des von mir geschilderten Wildwuchses die Campingplatzverordnung jüngst geändert und entsprechende Regelungen für Wohnmobile getroffen.
Im Übrigen ist der Vorwurf, wir würden Zuständigkeiten falsch einordnen, Herr Eifler, nur eine schwache Ausrede, denn was wir wollen, ist, dass die Landesregierung einen Dialogprozess unter Beteiligung des Verbandes der Campingwirtschaft und der kommunalen Spitzenverbände moderiert, der einheitliche Mindeststandards zum Ziel hat. Nur so kann es doch gelingen, den derzeitigen Flickenteppich im Land zu überwinden.
Herr Minister, dass Sie im Grundsatz bereit sind, eine innovative, benutzerfreundliche und ausgereifte Applikation für mobile Endgeräte zu fördern, ist gut, denn hier wurden unter anderem von Herrn Brade viele Apps und Homepages genannt. Mit keiner von den genannten kann man allerdings direkt reservieren und bezahlen. Im Übrigen, Herr Minister, wäre es besser, Sie würden den Verband im weiteren Verfahren dahin gehend beraten, welche Unterlagen Sie konkret benötigen, um das Vorhaben dann auch tatsächlich an den Start bringen zu können. Auch hier, stelle ich fest, ist überhaupt nichts erledigt – leider, möchte ich hinzufügen.
Und, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, wenn ich Langeweile oder zu viel Zeit hätte, dann würde ich mal all Ihre Schaufensteranträge der letzten Jahre durchzählen,
bei denen der jeweils zuständige Minister hier im Plenum ausführlich erklärt hat, was sein Haus schon alles unternommen hat, um im Antrag angesprochene Punkte auf den Weg zu bringen. Dann müsste ich mich vor lauter Rückenwind, Kollege Eifler, vermutlich hier am Rednerpult festklammern,
um nicht von den kräftigen Böen aus dem Plenarsaal gefegt zu werden.
Ich denke mal, dass die Mehrzahl Ihrer Anträge dieser Kategorie zuzuordnen ist.
Aber zurück zur Sache: Wir würden es begrüßen, das Thema mit den Experten vom Bundesverband der Campingwirtschaft Deutschland e. V., Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, noch einmal auch im für Tourismus zuständigen Wirtschaftsausschuss zu diskutieren. Der Wunsch der Damen und Herren besteht nach wie vor, wie sie uns heute Morgen bei einem Gespräch in unseren Fraktionsräumen noch einmal verdeutlicht haben.
Wenn das aus schwer nachvollziehbaren Gründen nicht auf dem Wege der Überweisung unseres Antrages geht, dann müssen wir es eben auf dem Wege der Selbstbefassung tun.
Zum Schluss noch eine Anmerkung zur amtlichen Statistik: Uns ist natürlich klar, dass diese nicht immer alles
beinhalten kann, was wir oder andere – in diesem Fall die Verbandsvertreter – sich wünschen. Auch ist eine Änderung der Erhebungsdaten nicht mit einem Fingerschnipp getan, aber, Herr Glawe, das hat auch keiner gefordert.
Im Antrag steht lediglich, dass sich die Landesregierung dafür einsetzen soll, nicht mehr und nicht weniger. Da steht nichts von Änderung bis zum 1. November oder andere utopische Daten.
Eine Debatte im Fachausschuss würde im Übrigen auch hier die Möglichkeit bieten, mal zu beleuchten, was realistisch ist und wie viel Zeit dafür benötigt wird. Warum können wir nicht einen Vertreter des Statistischen Landesamtes zu einem solchen Expertengespräch mit Verbandsvertretern hinzuziehen,
genauso wie das Energieministerium, sofern es fördertechnisch für die digitale Lösung des Themas „Applikation für Wohnmobiltouristen“ eingebunden werden kann? Das, meine Damen und Herren, wäre für mich seröses politisches Arbeiten und nicht diese Spielchen, die SPD und CDU hier Landtagswoche für Landtagswoche an den Tag legen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ziel dieses Gesetzentwurfes war es, die Frage, inwieweit der aktuelle Vergabemindestlohn Mecklenburg-Vorpommern armutsfest ist oder nicht, noch einmal in den Mittelpunkt einer parlamentarischen Debatte zu stellen. Für meine Fraktion habe ich in der Einbringung deutlich gemacht, dass 10,35 Euro dieser Anforderung nicht gerecht werden. Diese Erkenntnis haben wir ja nicht exklusiv gewonnen, sondern sie fußt auf einer Auskunft der Bundesregierung. Diese teilte auf Anfrage unserer Bundestagsfraktion mit, dass ein Bruttostundenlohn von mindestens 12,63 Euro notwendig ist, um nach 45 Jahren Arbeit nicht auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Das ist und das bleibt unser Maßstab, und nichts anderes.
Wie notwendig es ist, dass die öffentlichen Auftraggeber Land und Kommunen ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, zeigen jüngste Zahlen aus Berlin noch einmal deutlich. Trotz des auch hier im Haus gern und oft gefeierten wirtschaftlichen Aufschwungs am Arbeitsmarkt haben sich die staatlichen Hartz-IV-Zuzahlungen an Beschäftigte mit geringem Einkommen kaum verändert. Allein 2019 flossen rund 9,4 Milliarden Euro an Hartz-IVBedarfsgemeinschaften mit mindestens einem abhängig Beschäftigten. In den konjunkturell ebenfalls erfolgreichen Jahren 2017 und 2018 flossen den Informationen zufolge sogar 10 beziehungsweise 9,7 Milliarden Euro in die Aufstockung der Gehälter von Niedriglohnempfängern.
Insgesamt hat der Staat seit 2007 also mehr als 126 Milliarden Euro an ergänzenden Hartz-IV-Leistungen zur Aufbesserung niedriger Löhne ausgegeben. Übersetzt heißt das, die Gesellschaft subventioniert auf diese Art und Weise seit vielen Jahren Arbeitgeber, die Niedriglöhne zahlen oder ihren Beschäftigten nur prekäre Arbeitsverhältnisse, zum Beispiel als ungewollte Teilzeit- oder Minijobs, anbieten. Insofern ist das Thema hochaktuell, und das bleibt es auch.
Wenn ich nun...
Da kann man auch mal klatschen, ja.
Wenn ich nun auf die Debatte bei Einbringung des Antrages zurückschaue, dann muss ich feststellen, dass die Argumente im Wesentlichen ausgetauscht sind. Die SPD ist nicht per se gegen einen höheren Vergabemindestlohn, setzt systematisch aber künftig stärker auf die Privilegierung tariflicher Regelungen. Die CDU hat ihre bekannten Positionen zur aus ihrer Sicht notwendigen Entbürokratisierung des Vergabegesetzes vorgetragen. Und die AfD hat auf die aktuellen Schwierigkeiten etlicher Unternehmen verwiesen und mit Blick auf vermeintliche Kostensteigerungen angekündigt, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Für meine Fraktion habe ich zu all diesen Punkten bereits im August Stellung genommen. Da aufgrund der leider unterbliebenen Befassung der Ausschüsse weder damit zu rechnen ist, dass heute noch neue Argumente das Tageslicht erblicken, noch, dass sich an der grundsätzlichen Positionierung der einzelnen Fraktionen etwas ändert, ziehe ich den Gesetzentwurf zurück.
Vergeblich war die Mühe allerdings nicht, denn wir haben im Kontext der Landtagsbefassung tatsächlich noch die eine oder andere konstruktive Anregung für ein modernes Vergabegesetz erhalten. Folglich kann ich Ihnen bereits heute versprechen, dass dies noch nicht die letzte Befassung mit dem Thema Vergabegesetz in dieser Wahlperiode gewesen ist. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Schönen guten Morgen, Frau Ministerin! Die Mitglieder des Hafenbahn-Vereins in Neustrelitz haben ihr Vorkaufsrecht genutzt und den historischen Lokschuppen 2017 von der Bahn gekauft. Das alte Gebäude ist quasi die Basis für die Vereinsarbeit, weil da die Fahrzeuge beheimatet sind, und ist stark sanierungsbedürftig. Vor diesem Hintergrund hat der Verein einen Förderantrag gestellt und ich möchte gern von Ihnen wissen, wie es um dessen Bearbeitung steht.
Danke schön!
Guten Morgen, Herr Minister! Gewalt gegen Kolleginnen und Kollegen im Zugbegleitdienst ist leider an der Tagesordnung, und ein Vorschlag der Bundesregierung sorgt nun für zusätzliche Verunsicherung, denn statt eines Bußgelds, das Polizei und Ordnungsamt bislang einfordern müssen, sollen die Zugbegleiter von den Fahrgästen ohne Maske einen Aufpreis auf ihr Ticket kassieren. Meine Gewerkschaft EVG befürchtet, dass dies die Lage für die Zugbegleiter noch verschlimmern wird, und vor diesem Hintergrund bitte ich um Auskunft, wie die Landesregierung diese Frage beurteilt und wie sie sich diesbezüglich positioniert hat beziehungsweise in weiteren Gesprächen mit dem Bund noch positionieren wird.
Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mancher von Ihnen hat beim Studium der Tagesordnung möglicherweise ein Déjà-vu gehabt. DIE LINKE und Hartz IV, da war doch schon mal was. Und ja, da liegen Sie richtig. Meine Fraktion hat dieses Thema und die Probleme derer, die auf Leistungen aus der Grundsicherung angewiesen sind, regelmäßig auf die Tagesordnung gesetzt. Das ist auch richtig und notwendig, denn scheinbar haben die davon Betroffenen in diesem Land keine andere Stimme im Parlament als die unsrige.
Das zeigt sich auch im Corona-Krisenjahr 2020. Als der Bundestag im Zuge des Lockdowns im Frühjahr das erste Milliardenpaket schnürte, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise abzufedern, gab es 600 Milliarden für große und 50 Milliarden für kleine und mittlere Unternehmen. Schon darüber könnte man streiten, geben Letztere doch 58 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland Lohn und Brot.
Noch wesentlich schlechter kamen jedoch Geringverdiener und Hartz-IV-Empfänger weg, obwohl die Krise sie besonders hart getroffen hat. So blieben zum Beispiel viele Tafel-Ausgaben pandemiebedingt geschlossen und in den Geschäften wurden lebensnotwendige Dinge knapper und teurer. Die GroKo in Berlin kalkulierte für das SGB II zwar Mehrausgaben von 7,5 Milliarden Euro ein, allerdings nur, weil sie krisenbedingt von einem Anstieg der Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften um circa 1,2 Millionen ausging. Kein Wunder also, dass verschiedentlich zu lesen war: „Corona-Hilfen der Bundesregierung: Milliarden für die Reichen, Almosen für die Armen“.
Und wer nun dachte, der zweite Anlauf der Bundesregierung im Sommer würde den Fokus stärker auf diese Probleme richten, der sah sich erneut getäuscht. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge kritisierte das 130-Milliarden-Konjunkturpaket von Union und SPD wie folgt: „Dieses Konjunkturprogramm setzt einen starken Impuls für die Wirtschaft, mir gefällt aber nicht, dass rund 100 Milliarden auf die Unternehmen und nur 30 Milliarden auf Konsumenten, Arbeitnehmer, Transferleistungsbezie
her und ihre Familien entfallen. Man hat den Eindruck, dass die Ärmsten“ erneut „vergessen wurden.“
Das Konjunkturprogramm umfasste seinerzeit unter anderem die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 sowie des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7 auf 5 Prozent ab dem 1. Juli für ein halbes Jahr. Butterwegge sagte seinerzeit dazu: „Am meisten profitieren umsatzstarke Konzerne. Es ist auch ein Unterschied, ob man 2.400 Euro bei einem 80.000 Euro teuren Sportwagen spart oder ein paar Cent bei der Trinkmilch.“ Der Armutsforscher forderte deshalb einen „Ernährungsaufschlag von 100 Euro im Monat“ unter anderem für Hartz-IV-Empfänger.
Sein Rufen verhallte indes ungehört. Stattdessen wurde selbst die Minianhebung der Regelsätze von Politikern der Union zur Disposition gestellt, und diese stand und steht ohnehin schon deutlich in der Kritik. So appellierte der DGB an Bundestag und Bundesrat, den ursprünglichen Vorschlag aus dem BMAS deutlich nachzubessern. „Teilhabe“ sei, so DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel, „mit diesen realitätsfremden und“ viel „zu niedrigen Regelsätzen nicht möglich.“
Nun sollen die Regelsätze gegenüber dem im August bekannt gewordenen Entwurf aus dem BMAS zum Jahresbeginn 2021 doch stärker steigen, für Alleinstehende um 14 Euro auf 446 Euro, für Paare in einer Bedarfsgemeinschaft um 12 Euro auf 401 Euro und für junge Erwachsene, die noch zu Hause leben, um 12 Euro auf 357 Euro. Kaum nachzuvollziehen ist die lächerliche Anhebung um gerade mal 1 Euro auf dann 309 Euro für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren. Das BMAS begründete die Anpassung mit höheren Löhnen und steigenden Preisen.
Nun mögen sich manche Kollegin und mancher Kollege hier im Saal denken, dann ist doch alles schick, was will denn der Foerster da vorne noch, es gibt doch jetzt mehr Geld für diejenigen, die auf Leistungen aus der Grundsicherung – also Hartz IV – angewiesen sind! Diese Frage möchte ich Ihnen gerne beantworten. Das Problem liegt darin begründet, dass die Ursache allen Übels nach wie vor nicht beseitigt wurde, und diese liegt im Berechnungsverfahren, das Arbeitsloseninitiativen, Gewerkschaften, Sozialverbände und auch meine Fraktion seit Jahren kritisieren.
Wie funktioniert eigentlich das Ganze? Die Regelsätze werden aus der alle fünf Jahre stattfindenden Einkommens- und Verbraucherstichprobe abgeleitet. Beteiligte an selbiger führen dazu drei Monate lang ein Haushaltsbuch. Durch die Bundesregierung werden nur die Ausgaben der unteren 15 Prozent der Bevölkerung berücksichtigt. Diese sind einkommensarm und zum Teil erheblich materiell unterversorgt. Die Gruppe setzt sich zusammen aus 27,2 Prozent Erwerbstätigen, 40 Prozent Rentnern, 13,7 Prozent Nichterwerbstätigen und 19,1 Prozent Studenten. Bei der Betrachtung werden nur die Bezieher von Grundsicherung ausgeschlossen, nicht die verdeckt Armen oder diejenigen, die aufgrund ihres zu niedrigen Einkommens noch aufstocken müssen. Zusätzlich werden viele Ausgaben als nicht regelbedarfsrelevant eingestuft, und allein dadurch reduziert sich der Regelsatz um 150 bis 180 Euro. Dazu zählen zum Beispiel die chemische Reinigung, auch wenn es sich um einen Anzug für ein Bewerbungsgespräch handelt, oder das Essen außer Haus, auch wenn es nur um die Tasse Kaffee im Vereinsheim geht. Weiterhin zählen dazu Grabschmuck,
Weihnachtsbaum, Schnittblumen, Futter für Haustiere, alle Ausgaben fürs Auto oder Motorrad, auch im ländlichen Raum, und Genussmittel wie Zigaretten und Alkohol.
Dass unter diesen Umständen schon über den Regelsatz gesteuert die Pflege von sozialen Kontakten eingeschränkt, die Jobsuche erschwert und im schlechtesten Fall Vereinsamung und Isolierung drohen, müsste eigentlich jedem einleuchten. Am Ende stehen dann zum Beispiel die 446 Euro für einen Erwachsenen in einem Einpersonenhaushalt.
Nun wird sich mancher denken, okay, so weit die Kritik, aber was würde DIE LINKE dann an der Systematik ändern, wenn sie die parlamentarischen Mehrheiten dazu hätte? Auch diese Frage möchte ich Ihnen gern beantworten. Uns ist wichtig, dass ein gerechteres Berechnungsmodell auch auf nachvollziehbaren Zahlen, Daten und Fakten beruht. Und deshalb hat sich unsere Bundestagsfraktion auch an das statistische Bundesamt gewandt, um die Ausgaben anderer Referenzgruppen abzufragen, zum Beispiel die der unteren 20 Prozent. Wir reden hier keinesfalls über Leute, denen es besonders gut geht, sondern über Menschen, deren Einkommen zwischen 769 und 1.280 Euro im Monat liegt und die somit fast alle ebenfalls einkommensarm und zum Teil materiell unterversorgt sind.
Bei unserer Berechnung würden wir keine Abschläge mit Ausnahme von Ausgaben vornehmen, von denen Sozialleistungsbeziehende befreit sind, zum Beispiel GEZ-Gebühren sowie Wohn- und Heizkosten, die ja über die Kosten der Unterkunft abgedeckt sind. Und für sogenannte „weiße Ware“, also Waschmaschinen und Kühlschränke, würden wir im Bedarfsfall einen Anspruch auf einmalige Beihilfe vorsehen wollen. Stromkosten sollten nach unserer Auffassung den Kosten der Unterkunft zugeschlagen und künftig über diese abgedeckt werden. Diese Vorstellungen decken sich übrigens – von Nuancen abgesehen – mit denen anderer Kritiker der jetzigen Berechnungsmethode. Würde man unsere Variante zur Grundlage der Berechnung für die Regelsätze machen, läge der Wert für einen Einpersonenhaushalt bei durchschnittlich 657,55 Euro. Und dabei haben wir nur die offensichtlichsten Tricks der Damen und Herren im BMAS weggelassen.
Sie wissen, dass meine Fraktion und meine Partei seit Jahren die Auffassung vertreten, dass Hartz IV überwunden und durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden sollte. Mit dem heutigen Antrag fordern wir die Landesregierung lediglich dazu auf, sich dafür einzusetzen, die Berechnungsgrundlage so anzupassen, dass eine bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze für Grundsicherungsbeziehende erfolgt. Das ist nun wahrlich noch keine Revolution, würde vielen Betroffenen aber ganz konkret helfen.
Die Möglichkeiten, sich dieses Themas anzunehmen, sind vielfältig und reichen von Bundesratsinitiative bis Normenkontrollklage. Hier haben wir dieses Mal keine Vorgabe formuliert, sondern der Landesregierung die nötige Beinfreiheit gelassen, selbst zu entscheiden, welches Instrument am ehesten geeignet erscheint, eine Veränderung im Sinne der Tausenden Betroffenen in unserem Land zu erreichen. Denn ganz offensichtlich ist es eben nicht so, wie CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn in einem Anflug von Überheblichkeit 2018 ausführte, als er sagte: Mit Hartz IV habe „jeder das, was er
zum Leben braucht“. Die Realität ist leider, möchte ich sagen, eine ganz andere. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Ja, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus und der bisherigen Debatten zum Thema Hartz IV in der Vergangenheit, da war mir natürlich schon klar, welches Schicksal auch unserem neuerlichen Antrag beschieden sein würde. Und dennoch finde ich es wichtig, dass er heute auf der Tagesordnung stand, denn auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, die Ärmsten in dieser Gesellschaft und ihre Alltagssorgen würden ohne das Engagement meiner Fraktion in diesem Landtag doch gar keine Rolle mehr spielen.
Das ist die traurige Realität auch im Herbst 2020.
Und, Frau Drese, Frau Friemann-Jennert, ich muss sagen, Ihnen kann man es auch nie recht machen. Fordern wir den großen Wurf, also die Überwindung von Hartz IV und die Einführung einer entsprechenden Alternative, dann finden Sie Argumente, das abzulehnen, und wenn wir uns dann konkret einem Thema widmen
und sagen, jetzt gerade im Corona-Jahr wäre es angemessen, sich noch mal der Berechnungsmethodik für die Regelsätze zuzuwenden, dann ist das auch falsch.
Im Übrigen tue ich ja hier nur das, was der Innenminister uns gestern in der Debatte zu 30 Jahren M-V ins Stammbuch geschrieben hat. Sinngemäß hat er gesagt, es sei die vornehmste Pflicht jedes Abgeordneten dieses Hauses, mit den Menschen im Gespräch zu bleiben, deren Anliegen aufzugreifen, in den Landtag zu tragen und hier für entsprechende Mehrheiten zu werben. Und was mich betrifft, ich bin seit 2011 regelmäßig mit Betroffenen, mit dem Arbeitslosenverband, mit Beschäftigungsgesellschaften, mit Bildungsträgern oder TafelAusgaben im Gespräch
und ich kann Ihnen versichern, dass sich bei vielen Langzeitbetroffenen schon so ein Stück Bitternis
über ihr persönliches Schicksal und eine gewisse Ausweglosigkeit breitgemacht haben.
Wenn hierzulande über Arbeitsmarktentwicklung berichtet wird, dann liegt eben – und das haben wir heute auch wieder erlebt – der Fokus oft auf der Arbeitsmarktstatistik und eben nicht auf der Frage, was Hartz IV mit den Betroffenen eigentlich macht. Es dauert ja nicht mehr lange,
dann wird in diesen Räumlichkeiten das diesjährige Erwerbslosenparlament stattfinden, und ich bin gespannt darauf, was für salbungsvolle Reden dann, wenn hier einzelne Betroffene und deren Interessenvertreter sitzen, wieder gehalten werden. Schöne Worte gab es da in der Vergangenheit ja schon viele, getan hat sich dagegen wenig. Und gerade in diesem Jahr wäre konkrete Hilfe auch für Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger doppelt wichtig gewesen, denn die Konjunkturpakete, das habe ich versucht zu erläutern, der Berliner GroKo sind armutspolitisch leider so gut wie wirkungslos, Frau Ministerin Drese.
Da gab es zwar den Kinderbonus, der ja auch Familien im Hartz-IV-Bezug zugutekommt und endlich mal auch nicht angerechnet wird, das war sicher ein Schritt in die richtige Richtung, aber wenig Verständnis hat meine Fraktion dafür, dass es für arme Menschen ohne Kinder keinerlei finanzielle Hilfen gibt. Selbst wenn die Mehrwertsteuerabsenkung von den Unternehmen vollständig im Preis weitergegeben würde, dann läge der Kaufkraftzugewinn in Hartz IV und Altersgrundsicherung für einen Single nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes gerade einmal bei 1,9 Prozent, also 8,20 Euro im Monat.
Und dessen Vorsitzender, Ulrich Schneider, dem ist folglich beizupflichten, wenn er sagt, „es sei ,völlig unakzeptabel‘, dass die Bundesregierung – trotz heftigen Drängens von allen Seiten – Hilfen für Millionen in Hartz IV und Altersgrundsicherung“ befindliche Menschen „so hartnäckig verweigere. ,Die coronabedingten Kostensteigerungen und weggebrochene Hilfsangebote … werden mit keinem Cent berücksichtigt“. Und er hat auch recht, wenn er darauf hinweist, dass „,unsere ohnehin sozial tief gespaltene Gesellschaft an dieser Krise zerbrechen (kann). Konjunktur- und Hilfsprogramme müssen‘“ deshalb „,sozial, gerecht und wirksam sein. Niemand in dieser Krise (darf) abgehängt werden.‘“
Und auch wenn die Berechnung der Regelsätze schon seit Jahren kritisiert wird, in der aktuellen Situation wäre eine bedarfsgerechte Anhebung doppelt angebracht. Mit Ihren Reden in dieser Debatte haben Sie leider deutlich gemacht, dass damit in naher Zukunft nicht zu rechnen ist.
Der DGB hat den Umgang des SPD-geführten Bundesarbeitsministeriums mit dem Thema Regelsätze jüngst noch einmal als „politisch motivierte“ und „extrem unsaubere Pfennigfuchserei“ bezeichnet. Nach einer Analyse des Berechnungsmodells fällen dessen Sozialexperten ein vernichtendes Urteil: Die Regelsätze bekämpfen die Armut nicht, sondern sie zementieren diese. Besser hätte ich es auch nicht formulieren können.
Mit Blick auf die fortgeschrittene Zeit verzichte ich heute Abend hier darauf, die Darlegung aus der Analyse im Detail vorzutragen.
Wer sie nachlesen will, findet die Unterlagen im Onlineangebot des DGB. Ich möchte Ihnen allerdings zurufen, dass Malstifte und Eis für Kinder kein irrelevanter Luxus sind. Als solcher werden sie wie viele andere Dinge – in der Einbringung schon geschildert – aber derzeit bei der Festlegung der Regelsätze betrachtet.
Aus dem Regelsatz muss darüber hinaus nicht nur der laufende Lebensunterhalt finanziert werden, sondern müssen auch teure Anschaffungen bezahlt werden, etwa wenn die Waschmaschine kaputtgeht. Auch die dafür in den Regelsätzen eingepreisten Ansätze werden aus den Verbrauchsausgaben der Vergleichsgruppe ermittelt. Und nicht nur aus Sicht des DGB ist das ein völlig untaugliches Verfahren, das zu realitätsfremden Kleinstbeträgen führt, denn Ausgaben für langlebige Gebrauchsgüter fallen nur in sehr großen zeitlichen Abständen an. Entsprechend erfasst die Verbrauchsstatistik nur sehr wenige Haushalte, die im dreimonatigen Befragungszeitraum eine größere Anschaffung getätigt haben. Von den 2.311 in der Sonderauswertung zur Ermittlung der Regelsätze erfassten Einpersonenhaushalte hatten beispielsweise nur 38 Haushalte Ausgaben für die Verbrauchsposition Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspül- und Bügelmaschinen gemacht. Aufgrund der Durchschnittsbildung über alle 2.311 erfassten Haushalte hinweg ergibt sich so ein Kleinstbetrag in Höhe von 1,60 Euro für die Anschaffung einer Waschmaschine. Unterstellt man, dass für eine gebrauchte, zuverlässige und halbwegs energieeffiziente Waschmaschine mindestens 250 Euro ausgegeben werden müssen, dann müsste ein Hartz-IV-Haushalt 156 Monate, also dreizehn Jahre sparen, um sich so ein Gerät anschaffen zu können.
Meine Damen und Herren, nein, das ist kein Witz. Man könnte es wie viele andere Dinge im Kontext von Hartz IV bestenfalls als „Realsatire“ bezeichnen. Für die Betroffenen ist das allerdings alles andere als lustig.
Ich komme zum Schluss. Schade, dass diesen Mitbürgerinnen und Mitbürgern auch die heutige Debatte keinerlei Aussicht auf zeitnahe Verbesserung ihrer Situation gebracht hat. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist notwendig, dass ich in meinem Redebeitrag hier noch einmal das eine oder andere für meine Fraktion klarstelle. Zunächst mal zum Thema Transparenz. In den letzten Wochen ist es doch so gewesen, dass wir alle nicht nur sehr viele, sondern vor allem auch sehr unterschiedliche und in Teilen widersprüchliche Meldungen zur Lage bei Genting und bei den MV WERFTEN zur Kenntnis genommen haben. Ich will mal ein paar Beispiele nennen:
Zum Thema Gutachten titelte der NDR während der Sommerpause am 10.07. „Finanzminister Meyer: MV Werften läuft die Zeit davon“. Und im Text dazu heißt es dann: „Meyer erklärte, bis Anfang September, also in rund sechs Wochen, müssten insgesamt vier Gutachten vorliegen, unter anderem das wichtige Sanierungsgutachten. Diese Papiere seien die Voraussetzung für die Verhandlungen mit dem Bund über weitere Hilfen. … Bisher aber habe Genting diese Gutachten offenbar noch nicht einmal in Auftrag gegeben.“
Am 15.07. folgte dann wiederum im NDR das Demen- ti aus dem Wirtschaftsministerium. Der Titel: „Glawe: MV Werften halten Zeitplan für Rettungsschirm“. Und im Text wird der Minister sinngemäß mit der Aussage zitiert, die MV WERFTEN des Genting-Konzerns aus Hongkong hätten erste Schritte unternommen, um schnell unter den Corona-Rettungsschirm des Bundes zu kommen, und dazu zwei wichtige Gutachten in Auftrag gegeben.
Ich erwähne das deshalb, weil vorhin hier so viel über Vertrauen und darüber, was man in den Medien dann tatsächlich thematisiert oder nicht, gesprochen wurde. Ich stelle fest, es sind also auch die Ministerien selbst, die durch Pressestatements durchaus hin und wieder für Fragezeichen sorgen.
Eine Woche später wiederum beim NDR die Meldung „MV Werften: Mutterkonzern in Turbulenzen“. Die Aussage diesmal, Genting räumt ein, 3,4 Millionen Euro Bankgebühren im Zusammenhang mit dem Bau bestimmter Schiffe nicht gezahlt zu haben. Und dazu noch die Mitteilung, dass der Genting-Konzern mit Milliarden Euro in der Kreide stehe und unklar sei, wie sich dies auf die MV Werften auswirken werde.
Am Montag dann bei „Seatrade Cruise News“, einem englischsprachigen Portal, die Meldung, dass Genting Hong Kong eine Gläubigerversammlung abgehalten habe, um die angekündigte Umstrukturierung anzuschieben. Dazu die Info, dass im Vorfeld des Meetings die Bankgebühren, die letzte Woche fällig waren, gezahlt worden seien.
Vorgestern schließlich die Meldung in verschiedenen Medien, dass Genting anstrebe, das eigene Schiffbauunternehmen an die öffentliche Hand in Deutschland zu verkaufen. Ein entsprechendes Angebot zur Übernahme von 51 Prozent sei an Bund und Land unterbreitet worden.
Gestern klingt das dann schon wieder anders. Plötzlich heißt es, Glawe zeigt sich zuversichtlich und zieht für die Rettung der Werftenstandorte und Belegschaften in Wismar, Rostock und Stralsund eine staatliche Beteiligung in Betracht. Denkbar sei demnach eine stille Beteiligung des Bundes, wie dies auch bei der Lufthansa der Fall sei. Wir haben es vorhin auch noch mal gehört.
Und dass sich angesichts dieses Tohuwabohus ernsthaft noch jemand darüber wundert, dass die Opposition eine öffentliche Debatte verlangt, die zumindest einmal verdeutlicht, welche Linie die Landesregierung denn nun tatsächlich verfolgt und wie sie mit den sich offenbar ständig ändernden Rahmenbedingungen umgehen will, kann ich nun beim besten Willen nicht nachvollziehen.
Und während wir als Abgeordnete ja zumindest noch die eine oder andere Information über die Fachausschüsse des Landtages bekommen, sind die Kolleginnen und Kollegen auf den Werften und ihre Familien den ständigen oft Negativmeldungen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Das Gros ist dort seit Monaten in Kurzarbeit und dazu verdammt, der Dinge zu harren, die da kommen. Und diese Leute erwarten doch zu Recht von uns, dass sie nicht nur dann informiert werden, wenn es mal Hoffnungsvolles zu verkünden gibt, wie zuletzt im Rahmen der Sonderlandtagssitzung zur Freigabe der Mittel aus der sogenannten Locked Box, sondern dass man sie jetzt auch mitnimmt, wo die Kacke sprichwörtlich am Dampfen ist.
Denn gar nichts zu erfahren, kann im Übrigen auch sehr belastend sein, will ich aus eigener Erfahrung als Kollege
in der schwierigen Situation eines Unternehmens hier auch mal sagen.
Heute gibt es nun eine öffentliche Debatte und verschiedene Anträge liegen vor, es klang an. Wir bei uns in der Fraktion haben lange darüber diskutiert, wie man sich dem Thema nähern soll, und uns dazu entschieden, mit Punkt 1 zum Ausdruck zu bringen, dass wir die Bestrebungen der Landesregierung unterstützen, die rechtlich zulässig und wirtschaftlich vertretbar erscheinen, wenn es darum geht, die Zukunft der Werften zu sichern. Ich glaube, wir sind uns hier alle einig, dass, realistisch betrachtet, nur eine Lösung mit der Unterstützung des Bundes infrage kommt.
Was der Begriff „Schutzschirm“ und die darüber akquirierten Mittel dann in der konkreten Ausgestaltung bedeuten, das muss man miteinander diskutieren. Das kann auch eine stille Beteiligung sein, aber dazu braucht es dann in den Fachausschüssen auch möglichst einheitliche und belastbare Aussagen der Regierung. Und diesen Punkt haben Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, ja dann gleich mal sauber von uns abgeschrieben.
Ich werte das mal als ein gutes Zeichen, weil wir an der Stelle uns dann ja tatsächlich scheinbar einig sind.
Mit Punkt 2 unseres Antrages tun sich viele hier im Saal schwer
und das verstehe ich durchaus, denn erstmals nach Jahren des Auf und Ab beim Thema Werften stellt damit ja auch eine Fraktion in diesem Haus öffentlich die Frage, was denn nun eigentlich passiert, wenn alle Bemühungen der Ministerpräsidentin und der beteiligten Fachminister am Ende nicht zum Erfolg führen sollten. Ich kann Ihnen versichern, niemand in meiner Fraktion, am allerwenigsten ich selbst, der Gewerkschafter, für den die Sicherung guter, tariflich bezahlter Industriearbeitsplätze immer einen immens hohen Stellenwert hat, wünscht sich ein solches Szenario. Aber ich darf daran erinnern, selbst Frau Ministerpräsidentin Schwesig hat gestern noch einmal dezidiert darauf hingewiesen, dass auch ein solches Szenario eintreten kann, und davor kann man sich also nicht wegducken.
Kurzfristig würde im Worst Case natürlich im Mittelpunkt stehen, wie die Beschäftigten aufgefangen werden können. Die arbeitsmarktpolitischen Instrumente, mit denen der Eintritt von Arbeitslosigkeit in solchen Fällen verhindert wird und die darauf abzielen, betroffene Beschäftigte zu qualifizieren, umzuschulen und weiterzuvermitteln, sind Ihnen bekannt. Dazu will ich daher jetzt an dieser Stelle auch gar nicht weiter ausführen. Schwieriger und eben nicht über Nacht aus dem Hut zu zaubern sind
dagegen Entwicklungskonzepte, bei denen es mittel- und langfristig darum geht, Standorte so weiterzuentwickeln, dass dort zukunftsträchtige Industriearbeitsplätze geschaffen werden können, die den betreffenden Kommunen und den dort beheimateten Werftarbeiterinnen und Werftarbeitern eine echte Perspektive bieten. Da bleibt auch Schiffbau immer noch eine Option, aber eben nicht die einzige.
In unserem Nachbarland Dänemark kann man sich anschauen, wie es in einem solchen Fall gehen könnte. Wo früher Odense Steel Shipyard als einst zweitgrößte dänische Schiffswerft beheimatet war, entstand seit 2012 mit Zwischenschritten die LINDØ port of Odense A/S als Mischung aus Industriepark und Hafenbetrieb, auf deren Gelände sich circa 160 verschiedene, teilweise namenhafte Firmen auch aus der maritimen Industrie angesiedelt haben. Und auch dort ging das nicht über Nacht. Und völlig klar ist, dass ein solcher Prozess auch nicht ohne massive Unterstützung, sprich entsprechende Fördermittel von Bund und Land, auf den Weg gebracht werden kann.
Hier ist oft betont worden, dass die Werften identitätsstiftend für unser Land sind. Das stimmt ohne jeden Zweifel und deshalb noch einmal: Die Landesregierung soll auch nach unserer Auffassung das Mögliche tun, um sie zu retten. Wenn es am Ende dennoch nicht gelingt, dann muss aber mit dem Bund auch dahin gehend verhandelt werden, wie die Folgen abgemildert werden können und wie neue Impulse gesetzt werden können. Und deswegen haben wir in den Abschnitt 2 ja auch hineingeschrieben den Verweis auf Mitteldeutschland. Denn es ist ja nicht so, dass es damit hierzulande überhaupt keine Erfahrung gäbe. Der Strukturwandel ist angesprochen worden. Die große Bergbautradition in Brandenburg oder Sachsen geht leider zu Ende. Und auch dort wird es eine Ära danach geben.
Abschließend will ich noch was zum Antrag von SPD und CDU sagen. Dass die Landesregierung den Finanzausschuss fortlaufend informiert, davon bin ich auch ohne Punkt 3 Ihres Antrages ausgegangen.
Und Ihre Einschätzung, dass die Entscheidung vom Juni zur Freigabe der Mittel aus der Locked Box richtig war, teilen wir, denn auch uns war natürlich wichtig, dass die Gehaltszahlungen für die Kolleginnen und Kollegen gesichert werden und dass vor allen Dingen auch die Forderungen der Zulieferer im Land bedient werden. Gerade für Letztere haben wir uns in dem gesamten Diskussionsprozess auch immer wieder starkgemacht, immer nach dem Motto, nicht nur an die Großen denken, auch an die vielen Kleinen, die ja auch Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern geschaffen haben, sozusagen auch diese mitzunehmen – mit Erfolg im Übrigen. Und an dieser Position hat sich auch nichts geändert, und das werden wir, denke ich, morgen im Finanzausschuss auch deutlich machen.
Am Ende meiner Rede bleibt mir heute nur noch, den Bemühungen der Landesregierung in Berlin Erfolg zu wünschen. Ich gehe mal davon aus, dass wir für den Fall, dass eine Lösung gefunden wurde, sehr schnell davon erfahren. Und sollte das wider Erwarten oder allen Hoffnungen zum Trotz nicht gelingen, dann ist auch zügiges und überlegtes Handeln angezeigt, damit es in Wismar,
in Rostock und in Stralsund weitergeht, ob in der bisher gewohnten Art und Weise oder, wenn nötig, auch auf neuen Pfaden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Müssen wir noch drüber reden, wo wir das Bild machen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für gewöhnlich nähere ich mich Landtagsanträgen immer derart, dass ich mir folgende Fragen stelle: Worin besteht das Problem? Ist die Problembeschreibung zutreffend? Wird ein Lösungsansatz präsentiert und ist dieser Lösungsansatz dann praktikabel und hilfreich? Und übertragen auf den vorliegenden Antrag komme ich da zu folgendem Ergebnis: Laut der Überschrift empfindet die AfD die Innovationsförderung als intransparent. Das nehme ich erst mal zur Kenntnis, okay. So weit, so gut. Sie schlägt daher einen turnusmäßigen Bericht vor, um diese Transparenz herzustellen, einen Bericht mit Namen, Anschriften, Fördersummen, bunten Bildern und Beschreibungen mit Werbecharakter. Okay, auch das nehme ich erst mal zur Kenntnis.
Doch jetzt kommen die beiden entscheidenden Dinge: Ist die Problembeschreibung zutreffend und ist der vorgeschlagene Lösungsansatz praktikabel? Nun, meine Fraktion ist nicht dafür bekannt, sich gegen Transparenz zu sträuben. Da gibt es ohne Zweifel nach wie vor Baustellen, zum Beispiel bei der Nachverfolgung, bei der Entste
hung und bei den Einflüssen von Gesetzen oder auch bei der Offenlegung von Nebenverdiensten von Abgeordneten. Mein Parlamentarischer Geschäftsführer Peter Ritter war zum Beispiel derjenige, der die Regierung monatelang mit Kleinen Anfragen erst dazu treiben musste, das Abstimmungsverhalten von Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat zu veröffentlichen.
Das Problem mit Ihrem Antrag ist aber, dass es eigentlich gar kein Problem gibt. Die gewünschten Daten – das klang ja beim Wirtschaftsminister an – sind digital verfügbar, will heißen, jeder, der gern wissen möchte, was an Innovationen in Mecklenburg-Vorpommern gefördert wurde, findet diese Angaben im Internet als PDF oder als Excel-Datei, und zwar jeden einzelnen Förderfall, die Förder- und die Kofinanzierungssumme, das Unternehmen, die Anschrift und eine kurze Beschreibung. Und das ist Ihnen, Herr Lerche, doch in einer Antwort der Landesregierung auf eine entsprechende Kleine Anfrage auch samt Link übermittelt worden.
Ich frage mich also, was soll dieser Antrag.
Wenn ich es richtig verstehe, wollen Sie einen analogen Bericht, also Papier, und Selbiges soll da nicht nur die gewünschten Informationen liefern, sondern auch noch einen gewissen Werbecharakter inklusive hübscher bunter Bilder zur Veranschaulichung haben.
Ja, das lässt mich, ehrlich gesagt, etwas ratlos zurück.
Ich dachte immer, Sie sind EDV-Fachmann. Hier nehme ich Sie aber als jemanden wahr, der ständig Bücher und Broschüren drucken lassen möchte. Und mal ernsthaft gemeint: Für wen wollen Sie das produzieren? Für uns als Parlamentarier, um für mehr Amüsement beim Lesen zu sorgen,
oder für die Bevölkerung, die sich solche Berichte mit ziemlicher Sicherheit nicht bei einem kühlen Getränk auf der Terrasse nach Feierabend anschauen wird?
Herr Lerche, ernsthaft, wer sich für diese Dinge interessiert, ob Unternehmer, Investor, Politiker oder Journalist, gegebenenfalls auch Privatmann, dem reicht auch eine abrufbare Excel-Datei. Ein Transparenzdefizit kann ich jedenfalls hier nicht feststellen. Und ein regelmäßiger, gedruckter Förderbericht ist aus Sicht meiner Fraktion auch kein wirksames und vor allen Dingen auch kein zeitgemäßes Instrument, um die Werbetrommel für die bestehenden Förderinstrumente oder gar für das Land Mecklenburg-Vorpommern zu rühren. Da, muss ich sagen, kann die Landesregierung die Zeit in wirklich wichtigere Themen, wie das Management der Corona-Krise, die Werftenrettung, ein modernes Vergabegesetz oder die Rettung der kinder- und jugendtouristischen Einrich
tungen, in diesem Land stecken. Deshalb müssen wir diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Kollege Lerche, ich glaube, niemand – auch der Minister nicht, auch ich nicht – hat bezweifelt, dass das Thema „Innovationsförderung, Forschung und Entwicklung“ von zentraler Bedeutung für Mecklenburg-Vorpommern ist, nur hat das alles nichts mit Ihrem Antrag zu tun, denn in Ihrem Antrag steht, und das möchte ich noch mal vorlesen: „Die Landesregierung wird aufgefordert, alle drei Jahre einen Förderbericht für Innovation zu publizieren. In dem Förderbericht soll erläutert werden, welches Unternehmen zu welchem Zweck Zuschüsse durch das Land“ M-V „oder seine Untergliederungen erhalten hat. Zur obligatorischen Berichterstattung zählen der Name mit Anschrift der geförderten Organisation“ et cetera, et cetera.
Insofern haben Sie jetzt zum eigentlichen Antrag und zu dem Ansinnen wenig bis gar nichts gesagt.
Und darauf habe ich mich in meinem Redebeitrag bezogen, weil ich rede zu den Anträgen, die Sie einreichen, und nicht allgemein über irgendwelche Dinge, die sicherlich für unser Land auch von Bedeutung sind. Ich beziehe mich auf das, was Sie konkret hier vorlegen, und das war in dem Fall die Forderung nach einem bebilderten Förderbericht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in den zurückliegenden Monaten häufig und ausführlich über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Tourismus gesprochen, zuletzt ja im Rahmen einer Aussprache auf Antrag meiner Fraktion vor der Sommerpause. Vor fünf Wochen etwa erreichten uns nun erste Zahlen des Statistischen Landesamtes, die ein Gefühl dafür vermitteln, wie konkret Corona auf die Zahlen in der Tourismusbranche durchgeschlagen hat. Und am vergangenen Montag wurden die Ergebnisse ja auch auf der Landespressekonferenz dargestellt und eingeordnet.
Ich möchte einige dennoch hier noch einmal kurz wiedergeben. Die Zahl der Übernachtungen von Januar bis Mai 2020 brach im Vergleich zum Vorjahr in der Hotellerie um knapp 55 Prozent ein, und wenn man den Monat Mai mal für sich betrachtet, sogar um mehr als 78 Prozent. In der Statistik sind auch die Zahlen für den Kinder- und Jugendtourismus enthalten, die zu meinem Bedauern in der öffentlichen Berichterstattung leider wieder eine deutlich untergeordnete Rolle gespielt haben. Sie sind noch um einiges dramatischer. So sank die Zahl der Übernachtungen von Januar bis Mai 2020 in den Jugendherbergen und -hütten um mehr als 81 Prozent. Und wenn man auch hier den Monat Mai nur für sich betrachtet, im Vergleich zum Vorjahr, dann sind es sogar minus 93 Prozent. Angesichts dessen dürfte sich die Frage, warum sich meine Fraktion hier zum wiederholten Male ganz besonders diesem Bereich widmet, eigentlich erledigt haben.
Ich stelle fest, die Situation in diesem Bereich ist noch einmal um einiges schlimmer als in der Hotellerie. Aber aus dieser Erkenntnis müssen nun endlich auch die richtigen Schlüsse gezogen werden, ansonsten wird das Phänomen des Einrichtungssterbens durch Corona beschleunigt weitergehen. Und mit Marktbereinigung hat das im Übrigen gar nichts zu tun, denn staatlich verordnet gab und gibt es im Augenblick ja gar keinen Markt. Was meine ich damit konkret? Im Vergleich zur Hotellerie oder zum Camping dauert die Durststrecke noch viel länger an. Insbesondere die ausgefallenen Klassenfahrten werden in diesem Jahr nicht mehr nachgeholt werden können. So viel steht ja schon fest. Aus unserer Sicht spielt das Bildungsministerium hier auch keine gute Rolle. Es schiebt die Verantwortung für die Durchführung von Klassenfahrten auf die Schulen und letztlich auf die Klassenlehrer ab, so mit dem O-Ton, na, wenn ihr das verantworten könnt, dann fahrt mal los. Besser wäre dagegen ein klares Statement, etwa Klassenfahrten sind im Rahmen der geltenden Hygieneregeln ausdrücklich gestattet und auch erwünscht.
Meine Kollegen und ich haben während der Sommerpause mehrere Einrichtungen besucht, und egal, ob es
sich um eine Jugendherberge, ein Schullandheim oder Kinderferienlager handelte, alle forderten unisono ein Bekenntnis zu den Einrichtungen, anderenfalls drohe auch die neue Saison ins Wasser zu fallen, und das übrigens völlig unabhängig davon, wie sich Corona und das gesamte Drumherum weiterentwickelt. Ein entsprechendes Schreiben sollte daher unverzüglich das Licht der Welt erblicken und aus dem Bildungsministerium an die Schulen gehen.
Meine Damen und Herren, für viele Einrichtungen wird dieses Jahr das wohl schwerste in ihrer Geschichte. Während derzeit einige wenige Einnahmen aus Gruppenreisen erzielt werden können, ist die Hauptsaison fast vorüber und dann fehlt vielen Betrieben das überlebenswichtige Polster für den Winter. Sie müssen sich das bitte bei den Kinder- und Jugendübernachtungsstätten ein bisschen vorstellen wie beim Winterschlaf von einem Bären. In den Monaten Mai bis September werden so gut wie alle Einnahmen erzielt, sprichwörtlich also Reserven angefuttert, und spätestens im November werden dann viele Einrichtungen geschlossen, sie gehen also in den Winterschlaf und leben fortan von ihren Reserven, die sie im Sommer aufgebaut haben. Oft ist nur eine Person abgestellt, die hin und wieder mal nach dem Rechten sieht oder aufpasst, dass bei Frost keine Heizungen kaputtgehen, und erst im Frühjahr erfolgt dann die Wiederinbetriebnahme häufig einhergehend mit Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten. Ich stelle hier fest, Corona hat dazu geführt, dass dieser Winterspeck 2020 nicht vorhanden sein wird.
Was ich damit deutlich machen will, ist, dass die wirklich kritische Phase erst beginnt, und dafür brauchen die Einrichtungen weitere Unterstützung zum Beispiel aus dem von meiner Fraktion initiierten Sozialfonds. Aus selbigem konnten für die Monate April bis Juni Mittel beantragt werden. Das war richtig und das war auch gut so. Doch hier entsteht nun absehbar eine Lücke, die geschlossen werden muss, und aus diesem Grund schlagen wir Ihnen konkret vor, den Sozialfonds in der Säule 2 zeitlich auszuweiten.
Meine Damen und Herren, doch wir müssen noch einen Schritt weiter gehen, denn was derzeit betrieben wird, ist bei aller Wertschätzung für die auf den Weg gebrachten Maßnahmen nur Schadensbegrenzung. Wenn Sie sich auch einmal die Zeit nehmen und – so wie ich jüngst – durch das Land reisen, um die unterschiedlichsten Einrichtungen zu besuchen, dann werden Sie noch einmal selbst sehen, dass dort vielfach ein Investitionsstau herrscht. Diesen Investitionsstau können auch SPD und CDU längst nicht mehr leugnen. Die jährlich 100.000 Euro für den Schullandheimverband aus dem Strategiefonds sind der Beweis dafür. Letztlich war selbst dieses Geld nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber natürlich besser als gar nichts. Und der Bedarf ist anhaltend hoch, nicht nur bei den Schullandheimen, sondern auch in anderen Einrichtungen.
Was passiert jetzt eigentlich, wenn bedingt durch die Corona-Pandemie keine Überschüsse mehr generiert werden können? Dann ist es auch aus mit der Finanzierungsquelle Strategiefonds, und selbst die 100.000 Euro versiegen – für die Koalitionsabgeordneten so kurz vor der Wahl sicher ärgerlich, für die Schullandheime im Land aber ein existenzielles Problem. Und deshalb wiederholen wir heute noch einmal unsere Forderung nach einer Investitionsoffensive für Kinder- und Jugendüber
nachtungsstätten. Erheben Sie bitte die Bedarfe und priorisieren Sie nach den dringlichsten Maßnahmen, aber tun Sie etwas und sorgen Sie dafür, dass verlässlich finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden! Der Investitionsstau muss behoben werden, damit die Einrichtungen attraktiv bleiben und sich dann auch zertifizieren lassen mit dem Qualitätssiegel, was einst in M-V erfunden wurde, zu anderen Zeiten, als dieser Bereich noch bundesweiter Vorreiter war.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf eine Sache hinweisen: Bislang gibt es im Sozialministerium einen Titel, der es den Jugendherbergen im Land, die unter dem Dach des DJH organisiert sind, erlaubt, jährlich Fördermittel für Renovierung, Neubauten oder Sanierung in Anspruch zu nehmen. Solch eine Möglichkeit haben die anderen gemeinnützigen Einrichtungen im Land nicht. Das muss sich aus unserer Sicht ändern. Und um nicht missverstanden zu werden, wir wollen dem DJH hier nichts wegnehmen, sondern wir schlagen vor, den Titel auch für andere gemeinnützige Einrichtungen zu öffnen und die Mittel in diesem Zuge auch aufzustocken.
Ein weiteres Thema, welches wir immer und immer wieder hier thematisiert haben, ist die personelle Untersetzung von Koordination und Vernetzung der Einrichtungen im Kinder- und Jugendtourismus. Corona hat noch einmal sehr deutlich gezeigt, wie wichtig ein zentraler Ansprechpartner für diesen Bereich ist. Viele Einrichtungen haben sich hilfesuchend auch an uns gewandt, und wir haben ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten auch bestmöglich geholfen. Wir haben mehrfach vor Ort authentisch die Schwierigkeiten geschildert bekommen, sich zum Beispiel im Dschungel der verschiedensten Hilfspakete zurechtzufinden. Und das hat mir noch einmal vor Augen geführt, dass die Einrichtungen des Kinder- und Jugendtourismus, die keinen Verband wie das DJH oder den Schullandheimverband hinter sich haben, keine Lobby und auch keine Stelle haben, die sie berät, die bei der Vernetzung hilft, die sich auf Landesebene für ihre Interessen einsetzt.
Und deshalb hoffe ich sehr, dass die Koalitionäre ihren Starrsinn an dieser Stelle endlich aufgeben und mithelfen, eine solche Stelle zu schaffen, denn ich sage ganz deutlich, wenn ein gewisser Kollege, den alle, die jemals in diesem Land mit dem Thema Berührung hatten, kennen, eines Tages nicht mehr da ist, weil es nicht mehr geht oder weil er entscheidet, jetzt tatsächlich nur noch Rentner zu sein, dann wird es hier zappenduster. Egal, wo wir in diesem Sommer vorgesprochen haben, alle Einrichtungen haben unisono betont, wie dankbar sie sind, dass sie hier immer noch Tag und Nacht ein offenes Ohr und im Zweifel auch tatkräftige Hilfe gefunden haben.
Meine Damen und Herren, der Kinder- und Jugendtourismus in diesem Land war aufgrund struktureller Veränderungen und eines in Teilen veränderten Reiseverhaltens auch vor Corona schon in schwierigem Fahrwasser. Das Virus hat aber hier erheblich ins Kontor geschlagen, und deshalb brauchen die Einrichtungen, die unverschuldet zusätzlich unter Druck geraten sind, jetzt unsere Hilfe. Die kann im Übrigen nicht darin bestehen, ihnen weitere Darlehen oder Kredite zu offerieren, denn insbesondere die aktuelle Ertragslage macht das den meisten unmöglich, die daraus resultierenden Zinsaufwendungen und Tilgungen zu bedienen. Letztlich wird der Berg dadurch nur noch höher und noch unüberwindbarer.
Ohne es dramatisieren zu wollen, aber wenn es keine weitere Unterstützung für die Einrichtungen geben sollte, dann sehe ich wirklich sehr düstere Zeiten für den Kinder- und Jugendtourismus auf uns zukommen. Lassen Sie uns heute mit einer breiten Zustimmung zum Antrag gegensteuern! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Nein, Frau Ministerin, nicht zur Möglichkeit von KfW-Krediten. Wo da die Probleme liegen, habe ich, glaube ich geschildert.
Aber meine Frage ist eine andere: Sie haben hier sehr viel und sehr ausführlich über die Problematik beim DJH gesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass im Land 14 Jugendherbergen unter dem Dach des DJH organisiert sind, wir insgesamt aber über 100 Kinder- und Jugendübernachtungsstätten im Land haben, die Problematik sich also weit über die Thematik „DJH und Jugendherbergen“ hinaus ergibt?
Ja, ich möchte eine Nachfrage stellen, und zwar dahin gehend, inwieweit Sie denn nun die Anregung aufgreifen oder nicht aufgreifen, das Programm aus der Säule 2, zu dem Sie gerade noch einmal Stellung genommen haben, zu verlängern, denn das Problem wird sich ja über den Herbst und Winter hinaus nicht erledigt haben, sondern weiter auswachsen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss gestehen, die Debatte lässt mich etwas ratlos zurück, denn ich weiß nicht so richtig, wie Landtagsanträge der Koalitionsfraktionen entstehen, aber bei uns ist es in der Regel so, dass wir uns mit Fachleuten und Praktikern zu einem Thema austauschen, Dinge vor Ort in Augenschein nehmen, Anregungen und Hilferufe aufgreifen, das dann sortieren und dann versuchen, das in einen sinnvollen Antragstext zu gießen, mit dem wir das Parlament befassen.
Und in der Logik dieser Herangehensweise ist auch begründet, dass wir hinterher natürlich eine Rückmeldung an die Kolleginnen und Kollegen geben. Und diese haben hier und heute zwar keine peinlichen Abhandlungen über muffige Stockbetten und persönliche Traumata mit Morgenappell und Einheitsverpflegung in früheren Pionierlagern der DDR gehört wie beim letzten Mal, als wir das hier diskutiert haben, sondern immerhin ein Grundverständnis für ihre schwierige Situation. Das ist schon mehr als beim letzten Mal, aber davon alleine kann sich eben auch keine Einrichtung etwas kaufen.
Unseren konkreten Vorschlägen stehen Sie abwartend bis ablehnend gegenüber und eine Beratung im zuständigen Fachausschuss – das habe ich jedenfalls für mich jetzt so verstanden – wird offenbar auch nicht gewünscht. Ich finde das, ehrlich gesagt, sehr frustrierend und werde mich jetzt hier auch nicht noch mal knapp zehn Minuten hinstellen
und einen erneuten Problemaufriss präsentieren in der Hoffnung, hier vielleicht doch noch irgendeinen umzustimmen. Stattdessen …