Protokoll der Sitzung vom 23.01.2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist 10.00 Uhr. Wir haben Besucher, die ordnungsgemäß auf der Besuchertribüne Platz genommen haben und darauf warten, dass wir jetzt auch rechtzeitig beginnen. Ich bitte also alle, ihre Plätze einzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 55. Sitzung des Landtages von MecklenburgVorpommern. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Die vorläufige Tagesordnung der 55., 56. und 57. Sitzung liegt Ihnen vor. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 35 mit dem Tagesordnungspunkt 26, den Tagesordnungspunkt 26 mit dem Tagesordnungspunkt 33 und den Tagesordnungspunkt 33 mit dem Tagesordnungspunkt 35 zu tauschen. Ich gehe davon aus, dass wir das zeitnah in einer aktualisierten Liste nachlesen können. Die Tagesordnungspunkte 36, 37 und 38 entfallen, da der Antragsteller die Aufsetzung der Antworten zurückgezogen hat. Zudem ist im Ältestenrat vereinbart worden, zu Tagesordnungspunkt 3 keine Aussprache vorzusehen. Wird der so geänderten Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 55., 56. und 57. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserem Kollegen Thomas Krüger ganz herzlich nachträglich zu seinem runden Geburtstag gratulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD, DIE LINKE und Freie Wähler/BMV – Thomas Krüger, SPD: Danke.)

Weiterhin möchte ich Christiane Berg und Lorenz Caffier, die bereits im Dezember Geburtstag hatten, ganz herzlich nachträglich gratulieren. Bevor Sie klatschen, sage ich, Sie können besonders laut klatschen, sie haben nämlich beide am 24. Dezember Geburtstag gehabt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD, DIE LINKE und Freie Wähler/BMV – Zurufe aus dem Plenum: Oh!)

Auch im neuen Jahr gab es bereits Geburtstage. Unsere Kollegin Elisabeth Aßmann und unsere Kollegen Dirk Lerche, Bernhard Wildt, Andreas Butzki, Christian Pegel und Egbert Liskow hatten ebenfalls Geburtstag, auch dazu herzliche Glückwünsche!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD, DIE LINKE und Freie Wähler/BMV)

Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat beantragt, eine Aussprache gemäß Paragraf 43 Nummer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „Aufklärung über gewinnorientierte Sondervergütungen von Vorstandsmitgliedern der Universitätsmedizin Rostock“ als Zusatztagesordnungspunkt auf die Tagesordnung zu setzen. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktio

nen nach der Mittagspause aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung des Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Bevor wir in die Beratung eintreten, möchte ich allerdings die Gelegenheit nutzen, die Schülerinnen und Schüler, die ich schon angesprochen habe, die sehr diszipliniert oben unsere Eröffnung verfolgt haben, zu begrüßen. Es sind die Schülerinnen und Schüler des Gymnasialen Schulzentrums Stralendorf – so viel Zeit muss sein –, herzlich willkommen!

Jetzt rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Mit europäischer Zusammenarbeit Frieden und Wohlstand sichern“ beantragt.

Aktuelle Stunde Mit europäischer Zusammenarbeit Frieden und Wohlstand sichern

Das Wort hat für die Fraktion der SPD der Fraktionsvorsitzende Herr Krüger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern Abend haben wir in einer Gedenkstunde der Opfer der Naziherrschaft gedacht. Das war eine sehr würdige Veranstaltung. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen bedanken, die diese Veranstaltung hier zum Gelingen gebracht haben.

Meine Damen und Herren, in diesem Jahr jährt sich zum 80. Mal der Beginn des Zweiten Weltkrieges, eines Krieges, der von Deutschland ausging und der in weiten Teilen der Welt Tod, Not und Leid gebracht hat, und das für Millionen von Menschen. Wir haben uns gestern Abend auch anhören können, wie berührend da Schicksale bis heute nachwirken.

Die Lehre aus diesem zivilisatorischen Bruch war hier in Europa, dass sich die Staaten zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen haben, einer Gemeinschaft, meine Damen und Herren, die mehr ist als ein bloßer Wirtschaftsverbund. Es ist eine Gemeinschaft, die auf dem Territorium der ihr angehörenden Staaten das geschafft hat, was in Jahrhunderten davor eben nicht geschafft worden ist: Es ist Frieden. Und mit der Gründung der Europäischen Union schloss sich an die dunkelste Epoche der Menschheitsgeschichte die bis heute anhaltende erfolgreichste Epoche europäischer Geschichte an, eine Geschichte, die davon geprägt ist, Politik gemeinsam zu gestalten. Grundlage dieser Politik ist, dass die Staaten sich auf gemeinsame Werte verständigt haben, auf Freiheit, Gleichheit, Demokratie, auf Rechtsstaatlichkeit, darauf, dass man Menschen und Minderheitenwerte achtet. Das, meine Damen und Herren, ist das Fundament unserer Politik.

Kriege entstanden in der Vergangenheit dadurch, dass sich Staaten unterschiedlich entwickelt haben und durch diese unterschiedlichen Entwicklungen Spannungen zwischen den Staaten entstanden sind. Wir haben daher einen gemeinsamen Binnenmarkt geschaffen und wir haben über den Strukturfonds Instrumente entwickelt, die uns die Möglichkeit geben, unterschiedliche Entwicklungen zumindest in Teilen auszugleichen.

Wir haben Gremien geschaffen, in denen wir uns auf eine gemeinsame Entwicklung verständigen, beispielsweise den Europäischen Rat, die Kommission und, meine Damen und Herren, und – das an die AfD gerichtet – auch das Parlament, eine wirklich wertvolle Institution. Oder wenn ich meinen Kollegen Gundlack hier sehe, denke ich an den Ausschuss der Regionen. Das sind wichtige Instrumente, wo wir uns gemeinsam verständigen, wie wir Politik in Europa machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, unser Bundesland hat von der europäischen Zusammenarbeit in den vergangenen fast 30 Jahren massiv profitiert und auch unsere Wirtschaft profitiert davon, wenn innerhalb des Binnenmarktes sich die Volkswirtschaften stabil entwickeln, denn immerhin gehen fast 60 Prozent unserer Exporte in den EUBinnenmarkt. Damit sichert der EU-Binnenmarkt unseren Wohlstand.

Meine Damen und Herren, es macht mich zutiefst betroffen zu hören, dass Großbritannien die Europäische Union verlassen will. Das ist – das will ich auch ganz klar sagen – das legitime Recht der Briten. Ich halte die Entscheidung aber für falsch. Diese Entscheidung ist schlecht für die Menschen und für die Wirtschaft in Großbritannien. Und diese Entscheidung ist gefährlich für den Frieden in Nordirland und für die innere Sicherheit von Großbritannien.

Wir haben gerade erlebt, dass wieder Anschläge in Londonderry sind, Anschläge, die es über Jahre nicht gegeben hat. Das sind erste Auswirkungen dessen, was da an – aus meiner Sicht – verfehlter Politik in Großbritannien passiert. Es ist schlecht für die gesamte Europäische Union, weil wir uns als Europäische Union gegenüber anderen Wirtschaftsräumen schwächen.

Der Brexit zeigt, meine Damen und Herren, sehr deutlich, wohin Nationalismus und Populismus führen, dass sie ein ganzes Land in ein politisches und wirtschaftliches Chaos stürzen. Und die Menschen nehmen dies sehr wohl wahr. Noch nie war die Zustimmung zur Europäischen Union so groß wie heute. Zwei Drittel der Menschen in der Europäischen Union sagen, dass die Europäische Union ihrem Land mehr Vor- als Nachteile bringt. Und wenn wir uns diese Umfragen für Deutschland angucken, dann sind es 75 Prozent, die sagen, die Europäische Union bringt uns mehr Vorteile.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Wenn die Brexit-Tragödie am Ende für eins gut war, meine Damen und Herren, dann dafür, dass sie den Menschen in Europa deutlich vor Augen führt, wie wertvoll die Europäische Union ist.

Meine Damen und Herren, wir haben ja jüngst auch Beschlüsse von Parteien zur Europäischen Union erlebt. Die AfD hat beschlossen unter bestimmten Bedingungen, dass Deutschland aus der Europäischen Union austreten soll. Ich halte diese Beschlüsse für falsch, für dumm und gefährlich, nicht nur allein wegen der Gefahr für die bestehende Friedensordnung, sondern weil wir uns damit erpressbar machen würden.

Wo, meine Damen und Herren, hätte Deutschland heute gestanden, wenn Donald Trump seine wirtschaftspoliti

schen Erpressungsversuche uns gegenüber hätte durchsetzen können? Trump hat auf Granit gebissen. Warum hat er auf Granit gebissen? Weil 28 Staaten der EU wie eine Frau und wie ein Mann zusammengestanden und gesagt haben: Nein, so geht das nicht. Wir haben keine nationale Wirtschaftspolitik. Wir machen das gemeinsam.

Hier ist die Frage zu stellen, meine Herren der AfD, und das richtet sich an Sie und Ihre Partei, wessen Interessen Sie eigentlich vertreten. Die AfD war zudem die einzige Partei, die gejubelt hat, als Donald Trump zum Präsidenten gewählt worden ist. Also wessen Interessen vertreten Sie? Die der Deutschen auf jeden Fall nicht, so viel ist schon mal klar.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Doch, das bewerte ich sehr wohl aus meiner Sicht, Herr Professor.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir bestimmen hier von Mecklenburg-Vorpommern aus nicht die Europapolitik, aber wir sind direkt betroffen. Ich fordere daher alle Verantwortlichen sowohl in Großbritannien als auch in der EU auf, alles dafür zu tun, dass es keinen ungeordneten Brexit gibt. Letztlich sind Tausende Firmen und Zehntausende Menschen direkt davon betroffen, wenn es einen ungeordneten Brexit gibt. Das kann niemand wirklich wollen. Das kann weder im Sinne der Brexit-Befürworter sein noch im Sinne der Europäischen Union.

Meine Damen und Herren, die europäische Zusammenarbeit geht aber weiter als nur innerhalb der EU. Wir streben weiterhin enge und gute wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen zur Russischen Föderation an. Europa ist schließlich größer als die EU und auch unsere gemeinsame Verantwortung für diesen Kontinent ist größer als die EU.

An dieser Stelle kritisiere ich ausdrücklich, dass Teile des Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation ersatzlos ausgelaufen sind. Nicht weniger Partnerschaft, sondern mehr Partnerschaft ist notwendig. Das Auflösen der Politik der Einflusssphären kann nur durch Vertrauen und durch konkrete Zusammenarbeit erreicht werden. Letztlich ist die EU genau dafür das beste Beispiel. Gerade, wenn es vermeintlich mehr Trennendes als Gemeinsames gibt, gerade dann braucht es mehr Dialog und mehr Austausch mit Russland.

Meine Damen und Herren, es gibt keine zwei Völker auf dieser Welt wie die Deutschen und die Russen, die so eng, so lange und so vielfältig verwoben sind mit unheimlichen Höhen und mit unsagbaren Tiefen. Wenn wir nicht mehr miteinander reden, wenn wir nicht mehr trotz aller Meinungsunterschiede auch das Gemeinsame suchen und erhalten, dann werden früher oder später nur noch neue Kriegsgräber das Verbindende sein. Das, meine Damen und Herren, kann niemand wirklich wollen.

Meine Damen und Herren, wir haben aber auch ganz konkrete Projekte mit der Russischen Föderation. Ich will hier das Projekt Nord Stream 2 ansprechen. Nord Stream 2 soll ein weiterer Baustein sein, um Deutschland und die Europäische Union mit Erdgas und damit mit Energiesicherheit zu versorgen. Richtig ist, dass die Versorgung

mit Öl und Gas zu allen Zeiten, selbst in den dunkelsten Zeiten des kalten Krieges, nie gefährdet war und dass die Russen zu keiner Zeit versucht haben, Öl und Gas als politisches Druckmittel einzusetzen. Die russischen Partner haben sich als verlässlich erwiesen.

Vor diesem Hintergrund will ich meine deutliche Verärgerung zum Ausdruck bringen gegenüber den Äußerungen des amerikanischen Botschafters.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und AfD)

Wir brauchen weder Belehrungen zur Energiesicherheit, noch brauchen wir Drohungen gegen unsere Wirtschaft. Diesen Drohungen liegen meiner Meinung nach weniger der Befürchtung der Abhängigkeit Deutschlands oder Europas von Russland zugrunde, sondern eher die wirtschaftlichen Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika. Hier gilt offenbar in besonderem Maße „America First“. Meine Damen und Herren, das werden wir nicht mitmachen. Dieses Verhalten steht nicht in der Tradition der nordatlantischen Freundschaftsbeziehungen, die wir über Jahrzehnte miteinander gepflegt haben.

Meine Damen und Herren, ich hoffe und ich bitte, dass wir alle dafür arbeiten, dass die transatlantischen Beziehungen stärker sind als eine amerikanische Wahlperiode. Lassen Sie uns gemeinsam für Europa arbeiten! Lassen Sie uns gemeinsam für Frieden arbeiten! Lassen Sie uns gemeinsam für den Wohlstand dieses Kontinents arbeiten! – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Freie Wähler/BMV)

Ums Wort gebeten hat jetzt die Ministerpräsidentin unseres Landes Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Ich finde, die SPD-Fraktion hat ein hoch aktuelles Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Das Thema „Mit europäischer Zusammenarbeit Frieden und Wohlstand sichern“ ist vielleicht kein Alltagsthema, was jeden Tag die Medien bestimmt, was jeden Tag die Diskussionen an Familientischen bestimmt, aber es ist ein Thema, was gerade in den letzten Tagen und Wochen in die Öffentlichkeit gerückt ist, auch in Sorgen ausgedrückt wird, wenn ich mit Bürgerinnen und Bürgern spreche, weil wir alle die Nachrichten sehen aus Großbritannien, dieses Chaos um den Brexit, wo man sich fragt: Was wollen denn die Briten jetzt? Was will die britische Regierung?

Europa hat ein Angebot gemacht – wir wollen nicht den Brexit, aber wenn er durch Entscheid der Bevölkerung gewünscht ist –, wie wir auseinandergehen können, fair auseinandergehen können. Das wird vom Parlament dort nicht akzeptiert. Es ist ein Hin und Her und viele fragen sich: Wird es einen geordneten Brexit geben? Wird es einen harten Brexit geben?

Was bedeutet es eigentlich für die Menschen hier in Mecklenburg-Vorpommern? Davon sind zum Beispiel unsere Fischer ganz klar betroffen, die jetzt die Möglichkeit haben, in britischen Gewässern den Fisch zu bekommen und dann auch zu verarbeiten. Es ist also kein

Thema, was so weit weg von uns ist. Aber ich glaube, die Mehrzahl der Bevölkerung treibt um, dass sie sieht, wie unsicher auf einmal die politische Situation in einem Land wird – wirtschaftlich, politisch – für die jungen Menschen. Viele junge Britinnen und Briten fragen sich, wie geht es für uns weiter. Die Frage ist: Wie geht es mit dem Jugendaustausch weiter?

Das sind alles konkrete Themen. Also Brexit und Europäische Union, das ist eigentlich gar nicht so weit weg. Deshalb, glaube ich, ist es gut, dass der Landtag, unser Parlament, sich mit diesem Thema, was bedeutet eigentlich Europa für uns, auseinandersetzt. Ich selbst habe es zum Kern meiner Rede auf dem Neujahrsempfang gemacht und ich freue mich, dass auch der Landtag heute dieses Thema aufruft. Ganz besonders freue ich mich, dass zu dieser Aktuellen Stunde Schülerinnen und Schüler aus unserem Land dabei sind, denn ich glaube, wenn wir Verantwortung tragen für Frieden, Freiheit und Sicherheit in Mecklenburg-Vorpommern, in Deutschland und in Europa, dann tragen wir sie vor allem genau für diese junge Generation, damit auch für sie das garantiert ist, was für meine Generation garantiert war und hoffentlich später auch für ihre Kinder und Enkel: Frieden, Freiheit und Wohlstand. Das wünschen wir uns für unser Land und für ganz Europa.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Torsten Renz, CDU)