Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 66. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist damit eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 39: Beratung des Antrages der Fraktion der AfD – Sozialleistungsmissbrauch bekämpfen: Dokumentenprüfsysteme für die Kommunen sicherstellen, Drucksache 7/3591.

Antrag der Fraktion der AfD Sozialleistungsmissbrauch bekämpfen: Dokumentenprüfsysteme für die Kommunen sicherstellen – Drucksache 7/3591 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Kramer.

(Nikolaus Kramer, AfD: Das ist falsch gemeldet. – Torsten Renz, CDU: Ich stelle fest, es gibt keinen Redner. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Wenn das jetzt die falsche Rede ist!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute!

(Torsten Renz, CDU: Na, na!)

Ich war etwas überrascht, ich hatte den Tagesordnungspunkt einen Punkt später erwartet.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Torsten Renz, CDU: Ja, die Wahl des Vizepräsidenten findet nicht statt.)

Leben in der Lage?

(Martina Tegtmeier, SPD: Waren Sie gestern nicht da?)

Natürlich bin ich dazu in der Lage. Frau Tegtmeier, Sie haben mich doch gesehen! Sie haben mich doch gesehen und ich habe doch gestern auch geredet.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Da haben Sie offensichtlich nicht zugehört und nicht zugeschaut.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach Sie waren das?!)

Habe ich keinen Fußabdruck hinterlassen? Keinen CO2Fußabdruck habe ich gestern hinterlassen offensichtlich, aber ich kann Ihnen versichern, ich bin von der ersten Minute bis zur letzten Minute gestern hier im Plenarsaal gewesen.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Dokumentenprüfsysteme für die Kommunen sicherstellen, meine Damen und Herren. Lassen Sie uns doch bitte in die Debatte einsteigen!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, wir warten schon eine Stunde darauf!)

Lassen Sie mich den Antrag bitte einbringen!

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Und anschließend hat dann der Minister das Wort und dann können Sie, Frau Tegtmeier, gerne hier erwidern.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Wir dürfen gespannt sein.

(Torsten Renz, CDU: Das geht alles von der Redezeit ab.)

Unser Staat muss wissen, mit wem er es zu tun hat. Die Zahl der Urkundenfälschungen in MecklenburgVorpommern ist deutlich angestiegen, meine Damen und Herren. Laut offizieller Statistik kletterte die Zahl von 1.115 erfassten Fällen im Jahr 2015 auf zuletzt 1.704 im vergangenen Jahr.

(Martina Tegtmeier, SPD: In Deutschland?)

Laut aktueller Schätzung von Sicherheitsexperten...

Nein, nicht in Deutschland, in Mecklenburg-Vorpommern, Frau Tegtmeier. Haben Sie wieder nicht zugehört? Das habe ich einen Halbsatz vorher erwähnt.

Laut aktueller Schätzung von Sicherheitsexperten leben in ganz Deutschland Hunderttausende Personen mit einer nicht sichergestellten Identität. Das Bundeskriminalamt gab an, nach fast fünf Millionen gefälschten Personalausweisen zu fahnden. Allein der Terrorist Anis Amri besaß 14 Aliasidentitäten.

Kriminalität mit gefälschten Dokumenten ist ein unübersehbares Problem. Wie hoch die Dunkelziffer in Mecklenburg-Vorpommern ist, wissen wir nicht. Wie viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern leben, die sich durch gefälschte Identitäten Sozialleistungen erschleichen oder als unerkanntes Sicherheitsrisiko an uns vorbeilaufen, wissen wir nicht, denn den meisten Behörden des Landes und der Kommunen fehlt die Ausrüstung, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Meine Damen und Herren, unsere Behörden können es nicht wissen, weil in den 115 Meldeämtern der Kommunen nur die von Rostock und Schwerin technisch aufgerüstet wurden. Die Landesregierung untersucht die fehlende Ausstattung unserer Meldeämter mindestens seit Oktober 2017. Bis heute gibt es keine konkreten Lösungsvorschläge der Landesregierung. In nahezu allen Meldeämtern Mecklenburg-Vorpommerns fehlt die entsprechende Technik. Ganz anders sieht es in SchleswigHolstein aus, wo erst Ende letzten Jahres die kommunalen Behörden mit insgesamt 250 Dokumentenprüfsystemen ausgerüstet wurden. Ja, selbst im links regierten Berlin sind alle Bezirke der Stadt im letzten Jahr mit Dokumentenprüfsystemen ausgestattet worden.

(Thomas Krüger, SPD: Jetzt echt?)

Man sieht, wie in den anderen Bundesländern gehandelt wird. Bei uns fehlt anscheinend schlicht der politische Wille.

Bereits im Jahr 2016 hat die Bundesdruckerei Alarm geschlagen. Die Experten betonen, dass selbst, wenn alle Ämter top geschulte Mitarbeiter hätten, es schlicht aus Zeitmangel nicht möglich ist, effektive Prüfungen durchzuführen. Und es ist auch von keinem noch so erfahrenen Beamten zu verlangen, dass er sich mit den Sicherheitsfeatures aller ausländischen Dokumente bis ins Detail auskennt.

Herr Innenminister, ich schreibe Ihnen heute ins Stammbuch, dass ein verhinderter Sozialbetrugsfall die Kosten für die Anschaffung eines neuen Prüfgerätes im Wert von 1.700 Euro – ich wiederhole, 1.700 Euro pro Prüfgerät – locker wieder reinholt.

(Thomas Krüger, SPD: Ja, aber das wird der Innenminister Ihnen gleich erklären.)

Ich darf in Erinnerung rufen, Herr Minister, dass Sozialbetrug bei einer Einzelperson im Jahr mit 10.500 Euro zu Buche schlägt. Bei einer fünfköpfigen Familie steigen die Kosten auf 35.000 Euro an. Seit fast zwei Jahren befrage ich die Landesregierung zu diesem Thema. Die lapidare Antwort lautet noch immer, man befinde sich im Abstimmungsprozess und der Bund würde etwaige Kosten nicht übernehmen. Angesichts Tausender unsicherer Identitäten ist dies nichts anderes als eine Verschleppungshaltung. Ich kann diese Trägheit beim besten Willen nicht nachvollziehen. Während der Debatte im Ausschuss hat das Innenministerium mehrfach selbst auf die Gefahr von Sozialleistungsmissbrauch hingewiesen und entsprechende Sicherheitsrisiken bei gefälschten Identitäten. Das Problem ist erkannt.

Meine Damen und Herren, die Erfahrungen in der Landeshauptstadt Schwerin bestätigen meine bisherigen Ausführungen. Das dort seit einiger Zeit eingesetzte System hat bei fast einem Drittel der über 3.000 überprüften Dokumente Auffälligkeiten festgestellt. Ein nicht kleiner Teil dieser Fälle stellte sich dann als tatsächlich gefälscht heraus. Schwerin zeigt den Handlungsbedarf, Herr Friedriszik.

Meine Damen und Herren, dass noch immer keine Ergebnisse bei der Finanzierungsfrage erzielt wurden, führt zu unserem heutigen Antrag. Wir fordern eine finanzielle Unterstützung vonseiten des Landes für eine flächendeckende Ausstattung der Meldeämter mit Dokumentenprüfsystemen. Die Kommunen haben keine Schuld an dieser auch durch offene Grenzen verursachten Identitätskrise. Festzustellen ist, dass die 2017 erfolgte Anschaffung von Geräten in Rostock und Schwerin das Problem nicht in der Fläche angreift. Wir müssen endlich den Missbrauch im ganzen Land aufdecken.

Werte Abgeordnete dieses Hauses, ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir brauchen sofort eine Investition des Landes, um die Meldebehörden Mecklenburg-Vorpommerns mit modernen Dokumentenprüfsystemen auszustatten. Geben wir unseren Behörden die Möglichkeiten an die Hand, die Interessen unserer Steuerzahler durch moderne Technik zu schützen und den Sozialbetrug zu bekämpfen! – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung der Minister für Inneres und Europa. Herr Caffier, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über die Dokumentenprüfsysteme führen wir nicht zum ersten Mal,

(Nikolaus Kramer, AfD: Richtig!)

aber es ist förderlich, denke ich, wenn ich in der Debatte dazu einiges klarstelle. Im Übrigen ist die Forderung, die Sie aufgemacht haben, schon längst erfüllt, nur die Kommunen müssen sie umsetzen, denn sie können dementsprechend die 3.000 Euro, die bei uns veranschlagt sind, über das FAG wieder abrechnen. Aber darauf komme ich noch zurück.

Sozialleistungsmissbrauch gibt es, solange es Sozialleistungen gibt. Das betrifft Deutsche wie Ausländer gleichermaßen. Dieses Problem ist den Sozialbehörden und das Problem ist auch dem Gesetzgeber bekannt. Es wird stetig daran gearbeitet, die Rahmenbedingungen anzupassen und die Systeme noch sicherer zu machen. Es ist daher durchaus legitim, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Ihr Antrag selbst allerdings, der geht indes an der Sache vorbei.

Zunächst einmal: Um welche Personengruppe geht es im Antrag eigentlich? Geht es um Flüchtlinge im Speziellen, Ausländer im Allgemeinen oder gar Deutsche? Ich will das nicht weiter vertiefen. Fangen wir einfach mal bei den Flüchtlingen an. Kommt ein Flüchtling in der Erstaufnahmeeinrichtung oder einer Ausländerbehörde an, werden erst einmal seine biometrischen Daten aufgenommen und mit Datenbanken wie EURODAC, Interpol und anderen abgeglichen. So wissen wir im ersten Schritt, ob die Person vielleicht schon einmal irgendwo anders erstmalig registriert wurde oder nicht.