Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

Zunächst einmal: Um welche Personengruppe geht es im Antrag eigentlich? Geht es um Flüchtlinge im Speziellen, Ausländer im Allgemeinen oder gar Deutsche? Ich will das nicht weiter vertiefen. Fangen wir einfach mal bei den Flüchtlingen an. Kommt ein Flüchtling in der Erstaufnahmeeinrichtung oder einer Ausländerbehörde an, werden erst einmal seine biometrischen Daten aufgenommen und mit Datenbanken wie EURODAC, Interpol und anderen abgeglichen. So wissen wir im ersten Schritt, ob die Person vielleicht schon einmal irgendwo anders erstmalig registriert wurde oder nicht.

Dann kommt das BAMF ins Spiel. Fehlen Ausweisdokumente, kann es beispielsweise mit Spracherkennungssoftware prüfen, ob die Angaben zur Herkunft wirklich plausibel sind. Auch die Daten der Mobiltelefone können mittlerweile ausgelesen und ausgewertet werden. Liegen Ausweisdokumente vor, kann mit Dokumentenprüfgeräten geprüft werden, ob die Dokumente möglicherweise gefälscht sind. Liegt ein Verdacht vor, gehen die Dokumente nach Nürnberg, wo die Dokumente durch Experten im Einzelfall überprüft werden.

Den Erstaufnahmeeinrichtungen und den Ausländerbehörden im Land stehen sowohl die PIK als auch die Dokumentenprüfgerätsysteme längst zur Verfügung. Damit ist jeder Asylbewerber eindeutig identifizierbar. Mehrfachidentitäten sind quasi ausgeschlossen. Die Altfälle wurden und werden dabei nacherfasst, sodass auch die Fehler – die möglichen Fehler – aus der Vergangenheit geheilt werden können.

Wie Sie wissen, erhalten Asylbewerber Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In den entsprechenden

Leistungsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern sind die sogenannten Fast-ID-Geräte ebenfalls längst verteilt. Die Behörden sind verpflichtet, bei Zweifeln an der Identität des Asylbewerbers die Fingerabdrücke zu nehmen und mit dem Ausländerzentralregister abzugleichen. Da gibt es dann auch kein Ermessen. Leistungsmissbrauch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist damit so gut wie weitestgehend ausgeschlossen.

Das Gleiche passiert, wenn der Asylbewerber als Schutzberechtigter anerkannt wird und einen Aufenthaltstitel erhält. Wenn er keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufnimmt, rutscht er automatisch in SGB II. Auf Deutsch, er erhält Hartz IV. Im Jobcenter weist er sich dann mit dem sogenannten elektronischen Aufenthaltstitel aus. Das ist eine Art Personalausweis, der auch die Fingerabdrücke speichert. Die Mitarbeiter in den Jobcentern gleichen diesen elektronischen Aufenthaltstitel dann mit dem Ausländerzentralregister ab und nehmen bei Bedarf die Fingerabdrücke. Und wer eben gut zugehört hat, weiß, dass damit Missbrauch so gut wie ausgeschlossen wird.

Unterm Strich ist Sozialleistungsmissbrauch im gesamten Asylbereich kaum noch möglich. Man muss schon eine extrem hohe kriminelle Energie an den Tag legen, um dieses System zu knacken. Bemerkenswert ist dabei, Dokumentenprüfgeräte sind bei den Leistungsbehörden gar nicht notwendig. Selbst wenn jemand den elektronischen Aufenthaltstitel fälschen würde, würde er beim Abnehmen der Fingerabdrücke auffliegen.

Also, werte Kollegen der AfD, den Sozialleistungsmissbrauch von Flüchtlingen anzuprangern, ist schlichter Unsinn und letztendlich auch eine Täuschung der Bürger. Falls Sie das vorhaben, sage ich an der Stelle: Lassen Sie es lieber sein!

Aber vielleicht bezieht die AfD Ihren Antrag jedoch wider Erwarten nicht nur auf Flüchtlinge, sondern allgemein auf Ausländer oder sogar Deutsche.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Letzteres wäre ein Skandal!)

Gemeint können dann ja nur noch EU-Ausländer sein,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deutsche betrügen doch nicht!)

Touristen erhalten bekanntermaßen keine Sozialleistungen in Deutschland. Wie sieht die Situation hier aus? Ich sage mal so: Für Sozialleistungsmissbrauch brauchen wir keine Ausländer, Deutsche, Polen, Franzosen, Dänen, Holländer. Ja, es ist möglich, dass EU-Bürger den deutschen Sozialstaat prellen. Ich gehe aber davon aus, dass trotzdem niemand möchte, niemand hier, dass die Jobcenter von Deutschen die Fingerabdrücke nehmen und sie mit einer zentralen Datei abgleichen. Das kann ich mir jedenfalls schwer vorstellen.

Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass das Problem mutmaßlich nicht so groß ist und die Sozialbehörden natürlich fortwährend Anstrengungen unternehmen, das System sicherer zu machen. Ich glaube, falsche Angaben über die Vermögenssituation, die Familienverhältnisse sowie Schwarzarbeit bereiten den Sozialleistungsbehörden wesentlich größere Sorgen als falsche oder doppelte Identitäten von Deutschen oder EU-Ausländern.

Natürlich könnten potenzielle Betrüger, ob Deutsche oder EU-Ausländer, versuchen, mit gefälschten Ausweisen sich quasi mehrere Wohnsitze zuzulegen, um dadurch mehrfach Sozialleistungen zu kassieren. Ich glaube jedoch, dass sich die Anzahl dieser Fälle arg in Grenzen halten wird. Nichtsdestotrotz sind sich Bund und Länder einig, dass wir die Meldebehörden in ganz Deutschland mit Dokumentenprüfgeräten ausstatten wollen. Schon heute prüfen die Meldeämter Ausweise und Pässe auf Echtheit. Dokumentenprüfgeräte können hierbei eine wichtige Unterstützung sein. Die Meldeämter in Schwerin und Rostock nutzen diese Geräte bereits seit 2017. Mein Ziel ist es aber, dass alle 115 Meldeämter im Land diese Möglichkeit bekommen.

Leider liegt beziehungsweise lag der Teufel im Detail. Zwischen Bund und Ländern, das wurde bereits erwähnt, hat es in der Zwischenzeit Gespräche gegeben, wie diese Geräte nicht nur für Mecklenburg-Vorpommern, sondern für alle Meldeämter in Deutschland flächendeckend eingeführt werden können. Dabei dreht es sich wie immer um eine zentrale Frage, um das liebe Geld. Es gab entsprechende Signale – ja, in der Tat –, dass der Bund bereit ist, die Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile steht fest, daraus wird nichts.

Dabei möchte ich aber einmal festhalten, dass jede Gemeinde, jede Stadt, jedes Amt und jeder Landkreis diese Geräte sofort und ohne Probleme selbst bestellen und nutzen kann. Ein Gerät kostet circa, nach meinen Unterlagen, 3.000, nach Ihren 1.750, egal, kostet ein paar Tausend. Das ist in der Frage für die entsprechenden Behörden nicht die Welt. Die Kosten würden sogar in die Erstattungsberechnungen nach Paragraf 15 Finanzausgleich mit einfließen, das heißt, die Kommunen würden das Geld sogar über Umwege wieder zurückbekommen.

Tatsächlich wäre das aber noch nicht einmal notwendig. Für jeden über Paragraf 15 FAG finanzierten kommunalen Arbeitsplatz – und dazu gehören nach meiner Auffassung auch die Arbeitsplätze in den Meldebehörden – wird eine IT-Pauschale von 3.450 Euro zur Verfügung gestellt, für jeden Arbeitsplatz und für jedes Jahr, Jahr für Jahr. Da sollten im Zweifel, wenn man es will, die 3.000 Euro oder 2.000, von mir aus auch 4.000, schon möglich gewesen sein. Aus dieser Pauschale könnten sowohl die Hardware als auch die Software finanziert werden. Wir sind uns sicher einig, dass ein Dokumentenprüfgerät pro Meldeamt damit locker finanziert werden könnte und kann. Aber offensichtlich sind die Meinungen dazu in den Ämtern sehr unterschiedlich, um es mal an der Stelle freundlich zu formulieren.

Nun ist es müßig, auf Bund oder Kommune zu zeigen. Ich will diese Geräte und deswegen habe ich auch die zentrale Beschaffung dieser Geräte angewiesen. Es geht nach geltender Rechtslage – Ausschreibung und alles, was dazugehört – nicht von heute auf morgen, aber perspektivisch wird auch diese Baustelle geschlossen. Vielleicht springt auf diese Weise sogar noch ein erklecklicher Mengenrabatt für die Geräte heraus.

Mit dieser Entscheidung gehen wir in MecklenburgVorpommern gemeinsam mit anderen Bundesländern, die Sie hier schon erwähnt haben, die zum Teil dies schon befolgt haben, einen Schritt auf die Kommunen zu, im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger. Insofern denke ich, dass das Thema damit auch abgeschlossen ist, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die Notwendigkeit kommunaler Dokumentenprüfsysteme mit dem Fall Anis Amri begründet, der hat sich in meinen Augen bereits aus der Debatte verabschiedet, bevor sie überhaupt begonnen hat. Denn, lieber Kollege Kramer, Amri war alles, nur kein den Behörden Unbekannter.

(Jochen Schulte, SPD: Nee, das war ja das Problem.)

Leider aber hat so manche Behörde im entscheidenden Moment ihre Informationen lieber für sich behalten. Nicht fehlende Dokumentenprüfsysteme waren das Problem, sondern der Grundsatz, Quellenschutz geht vor Aufklärung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die zweite Argumentationslinie des AfD-Antrages, also den vermeintlichen Kontrollverzicht an unseren Grenzen, sehe ich anders. Nicht die Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist zu bekämpfen, die es den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union ermöglicht, in einem anderen EU-Land zu arbeiten und zu wohnen. Mit dieser Rechtslage wurde der bürokratische Aufwand erheblich reduziert, für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Und gerade diese Freizügigkeit ist es doch, die das Wir-Gefühl der Mitgliedsländer der Europäischen Union stärkt. Nur, wer dieses Wir-Gefühl schwächen will, übersetzt Freizügigkeit mit Kontrollverzicht. Aber das ist ja eine der Grundlinien Ihrer Politik, liebe Kollegen der AfD-Fraktion.

(Horst Förster, AfD: Unterstellung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren...

Das ist keine Unterstellung, das sind Tatsachen,

(Horst Förster, AfD: Das ist eine Unterstellung!)

die Sie vor allen Dingen in Ihren Reden, Herr Kollege Förster, hier auf jeder Landtagssitzung dokumentieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, drei Anmerkungen zum Antrag selbst, den meine Fraktion ablehnen wird.

Erstens wurde über den konkreten Sachstand der Ausstattung unserer Kommunen mit Dokumentenprüfsystemen im Innenausschuss und in den Antworten der Landesregierung informiert, ebenso in dem eben gehaltenen Redebeitrag des Innenministers. Unser Innenministerium, das wurde auch jetzt wieder klar, möchte schon gern weiter sein beim Ausstattungsgrad, aber irgendwie kommt immer etwas dazwischen. Für die AfD zeugt dies von einer Verschleppungshaltung. Das kann ich so nicht teilen. Ich meine auch darüber hinaus, so groß kann die Not nicht sein, wenn man politische Entscheidungen treffen will, Stichpunkt 9. Februar 2017, Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Minis

terpräsidenten. Bei diesem Bund-Länder-Gipfel zu einer Änderung der Asylpolitik wurde im Handumdrehen ein 15-Punkte-Beschluss veröffentlicht, weil man eine Veränderung der Politik wollte. Warum es hier nicht so schnell geht, das erschließt sich mir allerdings dann auch nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zweitens muss daran erinnert werden, dass das Meldewesen eine Aufgabe der kommunalen Meldeämter ist. Es liegt in deren Verantwortung zu entscheiden, ob sie ein Dokumentenprüfsystem nutzen oder nicht. Bund und Länder könnten bei dieser Entscheidung behilflich sein, wenn es denn so dringlich wäre. Das Bundesministerium für Inneres und Heimat hat die Landesregierung inzwischen wissen lassen, dass vom Bund hierfür keine finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Und unser Innenministerium lässt den Innenausschuss wissen, dass sich das Land nicht verpflichtet sehe, die entsprechenden Ausstattungen der kommunalen Behörden primär zu finanzieren. Für die ITAusstattung gebe es bereits pauschal FAG-Mittel. Auch das ist eben in dem Redebeitrag des Ministers noch mal deutlich geworden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Kommunen selbst treiben offensichtlich ganz andere Sorgen um. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt die Bundesregierung nachdrücklich davor, die Beiträge des Bundes zu den Integrationskosten wie geplant drastisch zu reduzieren. Ich zitiere: „Wer solche Überlegungen anstellt, der kennt... offenbar die Situation vor Ort nicht. Hunderttausende von Flüchtlingen sind derzeit von einer echten Integration noch meilenweit entfernt. Daran müssen wir arbeiten.“ So der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Dr. Uwe Brandl. Von einem akuten Bedarf an Dokumentenprüfsystemen hat der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes keine Silbe verloren, Herr Kramer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, drittens schließlich frage ich: Liegen die Missbrauchsprobleme nicht ganz woanders? Steuerschlupflöcher und Steueroasen für Superreiche,

(Zuruf von Nikolaus Kramer, AfD)

Steuerbetrug in großem Stil, Verschiebung von Vermögen ins Ausland, diese Fragen sollten uns beschäftigen.

(Horst Förster, AfD, und Nikolaus Kramer, AfD: Auch, auch!)

Hier entgehen dem Bund, den Ländern, den Kommunen erhebliche Einnahmen. Hier finden wir den wahren Missbrauch von Gesetzen und Sozialbetrug in Größenordnungen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Nikolaus Kramer, AfD)

Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, begrüße ich ganz herzlich auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 9 des Gymnasiums Grevesmühlen. Herzlich willkommen!

Das Wort hat nun für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Der Innenminister hat hier den Sachverhalt schön aufgedröselt und klargestellt, wie die Dokumentensituation bei den Flüchtlingen aussieht. Aber alles, was der Innenminister gesagt hat, das wissen Sie ja. Das wissen Sie ja ganz genau. Deswegen muss man sich auch fragen, warum stellen Sie diesen Antrag und vor allen Dingen warum schreiben Sie diese Begründung,

(Nikolaus Kramer, AfD: Das werde ich gleich sagen.)

weil diese Begründung mit Ihrem Antrag eigentlich ja herzlich wenig zu tun hat. Sie lenken die Aufmerksamkeit mit diesem Antrag auf die Hunderttausenden Personen mit nicht sichergestellten Personalangaben, die in Deutschland leben. Wir haben gestern erst gehört, das sind für Sie alles Straftäter, weil sie sich illegal in Deutschland aufhalten,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

auch wenn sie Ersatzpapiere bekommen haben.