Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 88. Sitzung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 88., 89. und 90. Sitzung liegt Ihnen vor.
Die Fraktion der AfD hat den Antrag auf Drucksache 7/4920 zurückgezogen. Damit entfällt die Beratung des Tagesordnungspunktes 18. Weiterhin wurde die Aufsetzung der Kleinen Anfragen zu den Drucksachen 7/4815 und 7/4816 vom Fragesteller zurückgezogen, weil die Antworten der Landesregierung zwischenzeitlich vorliegen. Damit entfallen die Tagesordnungspunkte 40 und 41. Wird der so geänderten Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 88., 89. und 90. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch diese Landtagssitzung wird aufgrund der Corona-Krise unter besonderen Hygienebedingungen stattfinden. Ich bitte Sie, die im Ältestenrat vereinbarten Maßnahmen zu beachten und insbesondere die Abstandsregelung möglichst einzuhalten.
Meine Damen und Herren, kommen wir jetzt zu unseren zurückliegenden Geburtstagen. Ich gratuliere recht herzlich Herrn Christoph Grimm, Herrn Ralf Borschke, Holger Arppe, Nils Saemann, unserer Justizministerin Katy Hoffmeister, Martina Tegtmeier, Jens-Holger Schneider, Jörg Kröger, Horst Förster, Rainer Albrecht zu ihren Geburtstagen im vergangenen Monat. Herzlichen Glückwunsch!
Ich gratuliere ganz herzlich für diesen Monat Herrn Dirk Friedriszik, Manfred Dachner, Dr. Matthias Manthei zu ihren Geburtstagen im Mai. Herzlichen Glückwunsch!
Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 88., 89. und 90. Sitzung die Abgeordnete Karen Larisch zur Schriftführerin.
Meine Damen und Herren, Ihnen liegt ein Dringlichkeitsantrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4961 zum Thema „Änderung der Pachtverträge für landeseigene Flächen – Landtag beteiligen“ vor. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 3 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung des Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung der Ministerpräsidentin des Landes MecklenburgVorpommern zur Bewältigung der Corona-Krise.
Regierungserklärung der Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Bewältigung der Corona-Krise
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Als wir vor knapp einem Monat hier im Landtag beraten haben, waren wir uns einig, das Corona-Virus ist die größte Herausforderung für unser Land seit dem Bestehen des Landes, seit 30 Jahren. Wir haben diese Herausforderung angenommen, wir haben Schutzmaßnahmen ergriffen, wir haben unser öffentliches Leben stark heruntergefahren, um vor allem Kontakte zu vermeiden, die das Corona-Virus befördern, wir haben unsere gewohnte Lebensweise sehr stark eingeschränkt. Gleichzeitig haben wir einen Mecklenburg-VorpommernSchutzfonds aufgelegt, um die Folgen eines solchen Herunterfahrens in Wirtschaft, in Arbeit und auch im sozialen Leben aufzufangen.
Mittlerweile ist die Zahl der Neuerkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern, mittlerweile ist die Zahl der Neuerkrankungen in unserem Land und in ganz Deutschland zurückgegangen. Wir wollen und können uns jetzt auf den Weg in eine neue Normalität machen.
Was heißt „neue Normalität“? Das Corona-Virus ist nicht weg! Es ist nach wie vor gefährlich, es ist nach wie vor ansteckend und es gibt weder ein Medikament noch einen Impfstoff. Und deshalb müssen wir uns in Acht nehmen, müssen wir vorsichtig sein, wenn wir das öffentliche Leben, das wirtschaftliche Leben, das soziale Leben wieder Schritt für Schritt öffnen. Wir wollen unser wirtschaftliches Leben, unser soziales Leben im Land wieder öffnen und dabei uns vor dem Corona-Virus schützen! Das ist der Weg in eine neue Normalität in Corona-Zeiten. Besonnenheit, Zuversicht und Solidarität haben uns durch die schwierigen Wochen getragen. Und Besonnenheit, Zuversicht und Solidarität werden uns auch auf diesem Weg begleiten, auf dem Weg in eine neue Normalität.
Vor zwei Monaten war die Lage noch wesentlich dramatischer. Mit Sorge haben wir die Bilder aus Italien gesehen, wie Militärlastwagen die Toten abtransportierten, die nicht mehr beerdigt werden konnten. Wir haben überfüllte Krankenhäuser gesehen und befürchtet, dass auch in unserem Land Ärzte vor die Entscheidung gestellt werden, wer bekommt ein Beatmungsgerät, muss ein Beatmungsgerät bei Älteren abgeschaltet werden, weil man es für die Jüngeren braucht. Fragen, die kein Arzt haben und beantworten möchte.
In Italien und Frankreich mussten Corona-Erkrankte sterben, weil es eben nicht genug Geräte gab. Und deshalb ging es darum, alles Mögliche dafür zu tun, die schnelle Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern, zu verlangsamen und gleichzeitig die Kapazitäten im Gesundheitssystem so hochzufahren, dass wir eine Versorgung von Schwererkrankten sicherstellen können.
Das Corona-Virus breitet sich nach wie vor schnell aus, und Corona ist eine schlimme Krankheit. Schwererkrankte berichten, dass sie wochenlang kaum atmen konnten. Und weil die Krankheit so ansteckend ist, sind die Kranken die ganze Zeit in dieser schwierigen Situation auf der
Isolierstation, auf der Intensivstation allein. Corona ist deshalb weitaus schlimmer und gefährlicher als eine Grippe. Zwar sind Menschen mit Vorerkrankungen weniger anfälliger, aber auch junge, gesunde Menschen können schwer erkranken. Und noch mal: Anders als bei anderen gefährlichen ansteckenden Krankheiten, wie zum Beispiel Masern, gibt es weder ein Medikament noch einen Impfstoff. Und deshalb müssen wir auf die Mittel setzen, die wir haben: Abstand, Kontakte reduzieren und weiterhin vorsichtig sein!
Das war die Situation, als wir im März umfangreiche Schutzmaßnahmen ergriffen haben. Es war nötig, diese persönlichen Kontakte bis rein in das Privatleben streng zu vermeiden und das öffentliche Leben weitgehend zu stoppen. Ich möchte uns das noch mal in Erinnerung rufen, weil es mittlerweile, weil die guten Zahlen, dass es uns nicht erwischt hat wie in Italien und Frankreich, mittlerweile Einige dazu verführt, zu denken, die Gefahr wäre nicht dagewesen. Aber was wäre der Beweis für diese Gefahr gewesen? Mehr Erkrankte? Ärzte, die vor der Triage stehen, sich zu entscheiden, wer kriegt das Beatmungsgerät? Mehr Tote? Sollten wir diesen Beweis antreten? Ich glaube nicht.
Deshalb haben wir schnell und zügig gehandelt. Und ich bin sehr dankbar, dass die Entscheidungen in der Landesregierung, die Entscheidungen der Regierungsfraktionen hier gemeinsam im Landtag von Regierung und Opposition mitgetragen worden sind für die Schutzmaßnahmen und auch für den Schutzfonds. Vielen Dank dafür!
Die Entscheidungen sind uns nicht leichtgefallen. Wir arbeiten seit vielen Jahren dafür, dass unser Land wirtschaftlich vorankommt, dass Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden, dass unsere Kinder in gute Kitas und Schulen gehen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingt, und jetzt mussten wir plötzlich in diesen Bereichen, die uns sehr am Herzen liegen, Einschränkungen machen. Und ja, es stimmt, all diese Einschränkungen sind mit Einschränkungen unserer Grundrechte verbunden. Aber klar ist, dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo eine Gefahr für viele besteht.
Gesundheit ist ein sehr hohes Gut. Der Schutz des Lebens ist ein sehr hohes Gut. Und wer in diesen Zeiten von der Würde des Menschen spricht, sollte daran denken, dass es nicht würdevoll ist, wenn ältere Menschen keine Beatmung bekommen, weil man zu wenige Geräte hat und sich dann für die gesünderen Jüngeren entscheidet. Es ist nicht würdevoll, wenn unser Gesundheitssystem nicht die medizinische Behandlung, die Schwererkrankte brauchen, zur Verfügung stellen kann. Und bei allen berechtigten Diskussionen über das Gesundheitssystem in Deutschland: Unser Gesundheitssystem und unser Sozialstaat – und damit auch der Kern unseres gemeinsamen Zusammenlebens – basieren auf dem Gedanken der Solidarität. Bei anderen Erkrankungen würden wir nicht auf die Idee kommen und sagen, zehn Therapien haben wir nur und deswegen kriegen sie auch nur zehn Leute und die anderen nicht.
Unser Anspruch ist, dass unsere Solidargemeinschaft dann, wenn Menschen Gefahr für das Leben droht, wenn die Gesundheit bedroht ist, schwer bedroht ist, wir dann
auch diese medizinische Versorgung sicherstellen. Dafür arbeiten jeden Tag in Deutschland Tausende von Wissenschaftlern, Tausende von Ärzten, Tausende von Pflegern. Und wir sind es denen, die schwer erkranken, und denen, die für sie sorgen, schuldig, dass dieser Solidaritätsgedanke, wenn immer es möglich ist, bleibt und dass wir nicht in eine Lage kommen, wo unser Gesundheitswesen Schwererkrankte nicht versorgen kann. Das hat mit Würde des Menschen zu tun.
Ich will ganz ausdrücklich sagen, dass diese Einschränkungen temporäre Einschränkungen sind. Die Einschränkungen der Grundrechte dürfen nur solange für den Einzelnen gehen, wie sie auch wirklich es rechtfertigen, rechtfertigen, weil sonst Gefahr für mehrere besteht. Und deshalb sind wir bemüht, so schnell wie möglich Einschränkungen auch wieder aufzugeben, aufzulösen, ja, und wenn es nötig ist, im Tagesrhythmus. In einer Krise kann man sich nicht die üblichen Verfahren leisten, sondern in einer Krise müssen wir schnell und zügig handeln, um die Gesundheit zu schützen, aber gleichzeitig die Freiheitsrechte auch nicht übermäßig einzuschränken.
Und in dieser Balance stehen wir jeden Tag. Und wir haben den Anspruch als Landesregierung, jeden Tag dieser Balance gerecht zu werden, uns jeden Tag die Entscheidungen anzuschauen, ist das richtig, dass wir noch einschränken, oder können wir schon lockern, wie schützen wir die Gesundheit weiter und wie schützen wir weiter Wirtschaft, Arbeitsplätze und Freiheitsrechte. Nicht mehr und nicht weniger und deshalb ist es berechtigt, dass wir jeden Tag drauf schauen und im Zweifel auch jeden Tag die Entscheidungen weiterentwickeln.
Sehr geehrte Damen und Herren, bei uns in Mecklenburg-Vorpommern haben sich insgesamt 735 Menschen infiziert. 20 Menschen sind an Corona gestorben. Das sind nicht einfach Zahlen, das sind persönliche Schicksale. Dennoch bin ich froh, dass bei uns im Bundesland weniger Menschen erkrankt sind, weniger Menschen gestorben sind als in anderen Regionen in Deutschland. Wir haben genug Krankenhausbetten und genug Beatmungsgeräte. Unser Land ist gut durch die Corona-Krise bisher gekommen. Wir haben die Bevölkerung so gut wie möglich geschützt. Vielen Dank allen Beteiligten dafür!
Dass wir das geschafft haben, hat vor allem mit der Haltung der Bürgerinnen und Bürger zu tun. Das eine ist, dass wir Dinge regeln, vorschreiben, dafür werben, aber das andere ist, ob die Bürgerinnen und Bürger überhaupt mitmachen. Ein Abstandsgebot nicht nur im öffentlichen Raum kann und will niemand von uns lückenlos kontrollieren. Wir sind angewiesen darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger sich selbst verantwortlich und vernünftig verhalten. Und deshalb bin ich stolz darauf, dass sich fast alle Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern an diese schweren Regeln gehalten haben. Liebe Bürgerinnen und Bürger, Sie haben damit Menschenleben gerettet. Vielen herzlichen Dank dafür!
Und es ist nicht leicht. Wir haben auf die harte Tour lernen müssen, dass vieles, was ganz normal zum Alltag gehört, in Corona-Zeiten auf einmal gefährlich werden kann: die Hand geben, eine Umarmung, wenn man sich lange nicht gesehen hat und jemanden mag, ein Küsschen auf die Wange, Kinder, die ihre Freunde nicht treffen dürfen, Eltern, die neben dem Job auf einmal Betreuung organisieren müssen, viele arbeiten von zu Hause, viele sind in Kurzarbeit, viele haben Angst um ihren Job, um ihre Firma, die sie sich mühevoll in den letzten 30 Jahren aufgebaut haben, ältere Menschen in Pflegeheimen vermissen ihre Angehörigen. Und trotz dieser drastischen Maßnahmen werden sie von der weit überwiegenden Mehrheit mitgetragen und gelebt. Und deshalb noch mal: Allen, die sich an diese Regeln halten, die diese Einschränkungen mittragen, von Herzen vielen Dank dafür.
Vor allem danke ich den Menschen, die in den vergangenen Wochen dafür gesorgt haben, dass wir trotz aller Einschränkungen eben nicht auf das Notwendigste zu verzichten brauchten. Ich danke den Beschäftigten in den Lebensmittelläden, Apotheken, Drogerien, Tankstellen und Banken, den Ärztinnen und Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern, Reinigungskräften und Lkw-Fahrern. Auch für die Solidarität und Unterstützung der Ärzte und Pfleger aus Polen, die lange ihre Familien nicht sehen, weil sie bei uns arbeiten, bin ich dankbar. Und unverzichtbar sind die Feuerwehrleute, Rettungsdienste, Polizistinnen und Polizisten, die unsere Sicherheit in diesen Zeiten aufrechterhalten haben. Vielen Dank für Ihre großartige Arbeit!
Sehr geehrte Damen und Herren, in den vergangenen Wochen haben wir im Gesundheitssystem die Voraussetzungen geschaffen, um mehr Corona-Kranke behandeln zu können. Wir haben seit März die Zahl der Intensivbetten mehr als verdoppelt. Wir haben mittlerweile 3.000 Testkapazitäten pro Tag. Wir unterstützen die Träger im Gesundheitswesen mit medizinischer Schutzausrüstung. Bei der Nachverfolgung von Infektionen waren wir in unserem Land von Anfang an stark. Es ist wichtig zu wissen, wer hat das Corona-Virus, mit wem hatte er oder sie Kontakt, um dann weiter das Virus nachzuverfolgen, um die Infektionskette zu durchbrechen. Diese einfachen Regeln sind gerade unser schärfstes Schwert.
Wo wir noch vor einigen Wochen über „fliegende Autos“ gesprochen haben, spielt jetzt auf einmal wieder das Händewaschen eine Rolle. Und diese Nachverfolgung der Infektionen ist nach meiner Überzeugung das Erfolgsmoment, dass wir gut aufgestellt sind in M-V. Und dass das möglich ist, dass das möglich gemacht wird, haben wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Gesundheitsämter zu verdanken und unserem Landesamt für Gesundheit und Soziales. Das sind Menschen, die sonst nie im Rampenlicht stehen, und jetzt sehen wir, wie gut und wichtig ein öffentliches Gesundheitswesen ist. Und deshalb vielen Dank für diese großartige Leistung!
Überhaupt leisten die Kommunen ein hervorragendes Krisenmanagement vor Ort. Wir haben, bevor wir alle Maßnahmen ergriffen haben, hier im Landtag damals schon unter Corona-Bedingungen mit der kommunalen Familie zusammengesessen und gemeinsam über diese Maßnahmen beraten. Und auch jetzt beraten wir uns intensiv mit der kommunalen Familie, wie wir wieder den Weg in eine neue Normalität gehen können. Das alles umzusetzen im Tagesrhythmus, im Stundenrhythmus, das war vor allem die Aufgabe vor Ort in unseren Kommunen. Und deshalb ein besonderes Dankeschön und einen großen Respekt an unsere Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte und an ihre Verwaltungen. Sie alle haben hier Verantwortung übernommen und verantwortungsvoll in einer Krise gehandelt. Vielen Dank dafür!
In den vergangenen Wochen haben wir vorsichtig angefangen, die Einschränkungen nach und nach wieder zu lockern. Die ersten Öffnungen haben wir auch gut verkraftet. Weiter infizieren sich nur sehr wenige Menschen in unserem Land. Gestern waren es sieben Neuinfektionen. Mecklenburg-Vorpommern war und ist immer noch eine der sichersten und gesündesten Regionen in Deutschland. Und das ist gut für die Menschen, die hier leben. Jetzt beginnt die nächste Etappe. Wir öffnen wieder unser wirtschaftliches und soziales Leben. Und dafür gilt ein bundesweiter Schutzrahmen mit Abstands- und Hygieneregeln, dem Tragen von Mund- und Nasenschutz in besonderen Situationen, mit Kontaktbeschränkungen mindestens bis Anfang Juni, wobei wir die Kontaktbeschränkungen auch geöffnet haben für Kontakte zum Beispiel von zwei Familien.
Was und wie schnell weiter geöffnet wird, sollten wir regional entscheiden. Es war richtig, dass Bund und Länder am Anfang zusammen die Einschränkungen beschlossen haben, dass wir dann auch in der zweiten Etappe uns verständigt haben, was öffnen wir als Erstes, wie zum Beispiel den Einzelhandel oder die Schulen für die Abschlussklassen, aber jetzt in der dritten Etappe muss jedes Bundesland seinen eigenen Plan machen, seinen eigenen Weg gehen mit bundesweiten Schutzstandards, wie zum Beispiel Abstand und Kontaktbeschränkungen und Mund-/Nasenschutz, aber regional spezifisch, wie die Lage ist. Und deshalb ist es richtig, dass wir auch in einigen Bereichen, wie zum Beispiel in der Gastronomie und im Tourismus, eher begonnen haben als in anderen Bundesländern.
Noch mal: Die drastischen Einschränkungen waren am Anfang wichtig, aber jetzt, wo wir die Lage unter Kontrolle haben, ist es auch wichtig, Verbote zu arbeiten, Verbote, das Unternehmen nicht zu öffnen, Verbote, sich zu treffen, Schritt für Schritt zu lockern, um wieder das wirtschaftliche und soziale Leben hochzufahren. Ob uns das gelingt, hängt von jedem und jeder Einzelnen ab. Je länger Corona dauert, desto größer ist die Versuchung, etwas mal lockerer zu sehen. Ich glaube, das spüren wir alle: mal ein paar Freunde zum Grillabend, mal eine Umarmung, wenn man sich länger nicht gesehen hat. Genau das bleibt gefährlich. Und ich kann alle verstehen, die sich jetzt so schnell wie möglich eine Rückkehr in den normalen Alltag wünschen, aber normal ist anders als
vorher und wird weiter anders sein als vorher. Wenn wir jetzt weitere Lockerungen ermöglichen, dann zunächst einmal dort, wo wir Abstand gut organisieren können: in den Einzelgeschäften, in den Zoos zum Beispiel, und dort, wo wir Kontakte nachverfolgen können wie zum Beispiel durch Adresslisten bei Tischreservierungen im Restaurant.
Außerdem behalten wir bei den weiteren Lockerungen die Infektionszahlen im Blick. Die entscheidende Frage bleibt, wie viele Menschen infizieren sich und vor allem wie schnell. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern haben wir deshalb ein Ampelsystem entwickelt. Wir haben Grün, wenn in allen Regionen sich nicht mehr als zehn Menschen pro 100.000 Einwohner in einer Woche neu anstecken. Wenn es mehr sind, dann springt die Ampel auf Gelb, dann müssen wir schauen, ob weitere Lockerungen möglich sind. Und wenn es mehr als 50 pro 100.000 Einwohner in einer Woche sind, dann ist die Ampel auf Rot. Darauf haben wir uns bundesweit verständigt, dann müssen wir wieder schärfere Maßnahmen ergreifen. Wir wollen aber gar nicht in die Situation kommen, schärfere Maßnahmen zu ergreifen. Deswegen haben wir dieses Ampelsystem, zu schauen, wann ist alles Grün, wann gibt es Gelb, wo wir uns in Acht nehmen müssen, damit Rot erst gar nicht eintritt.
Ich bin vor allem Herrn Reisinger und Frau Dr. Littmann, die uns täglich beraten in diesen Fragen, sehr dankbar. Und auch sie sind nicht allein, sondern sie beraten sich wiederum mit vielen Experten. Wir wollen uns zukünftig die Infektionszahlen anschauen, ganz regional, bezogen auf einen Landkreis, auf eine kreisfreie Stadt. Nur, weil es vielleicht mehr Infektionen in Schwerin gibt, muss man nicht gleich wieder die Kita, Schule und die Gastronomie auf Rügen schließen. Und das sich regional anzuschauen, wird der Situation in Zukunft gerechter.
Das ist unser Weg, und ich sage auch ganz klar, für diese Pandemie gibt es keine Blaupause. Corona-Virus hält die ganze Welt in Atem, niemand hat den Königsweg. Unser Weg ist der Weg der Besonnenheit, der Zuversicht und der Solidarität, Schritt für Schritt, wir lernen jeden Tag dazu und sind bereit, diese Erfahrungen und diese neuen Erkenntnisse, wie sie auch die Wissenschaft hat, immer wieder aufzunehmen.
Schritt für Schritt in eine neue Normalität und die Infektionszahlen im Blick – das ist das Prinzip unseres Mecklenburg-Vorpommern-Plans, mit dem wir das wirtschaftliche und soziale Leben in unserem Land schrittweise wieder hochfahren. Es ist ein Plan in fünf Phasen: Für jeden Bereich und jede Phase haben wir offengelegt, was wir lockern wollen. Das gibt den Betroffenen Perspektiven, aber jede neue Öffnung steht auch unter dem Vorbehalt der Infektionszahlen. Wie müssen gewährleisten, dass die Infektionszahlen weiter überschaubar bleiben und unser Gesundheitssystem nicht an Grenzen stößt. Wir müssen nachverfolgen können, wo sich jemand infiziert und wie die Infektionskette durchbrochen werden kann.