Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 95. Sitzung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 95. und 96. Sitzung liegt Ihnen vor.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich mit folgendem Zitat beginnen: „Ich habe kein Leitmotiv für mein Leben. Ich bin sehr gern auf Erden, und dieses Grundgefühl kommt tief aus meinem Inneren. Ich mache mir auch keine Gedanken darüber, was geschehen wird, wenn mein Leben zu Ende ist. Die jüdische Lehre sagt, dass die Seele weiterlebt, in einer anderen Dimension.“
Diese Worte, meine sehr geehrten Damen und Herren, stammen von William Wolff, der am 8. Juli im Alter von 93 Jahren in seiner englischen Heimat verstarb. Zuvor war er von 2002 bis 2015 13 Jahre lang Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern. In dieser Zeit hat er das jüdische Leben in unserem Land entscheidend geprägt. William Wolff war Gesicht und Sprachrohr des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden. Er besuchte unzählige Schulen, Kirchen und Diskussionsveranstaltungen und begleitete 2008 den Wiederaufbau der Schweriner Synagoge.
„Vergessen ist die letzte Grausamkeit, die wir den Opfern antun können“, formulierte William Wolff einst, gemünzt auf das furchtbare Geschehen während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Gedenkarbeit war ihm stets wichtig. Für sein Engagement erzielte er zahlreiche Würdigungen, 2006 den Simmerling-Sozialpreis und die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald, 2007 das Bundesverdienstkreuz sowie die Ehrenbürgerschaft 2014 in Schwerin und 2017 in Rostock.
„Ich bin sehr gern auf Erden und dieses Grundgefühl kommt tief aus meinem Inneren.“ Passender hätte William Wolff sich nicht beschreiben können. Und es gäbe so viel zu sagen über diesen besonderen Menschen, der sein Amt als Landesrabbiner erst im Alter von 75 Jahren antrat, der jahrelang zwischen seinen Wohnsitzen – dem englischen Henley an der Themse und Schwerin – pendelte, der englisch dachte, deutsch sprach und seine Predigten auf Russisch hielt, der Yoga ebenso liebte wie Pferderennen.
Meine Damen und Herren, William Wolff hat uns gezeigt, dass man auch mit leisen Tönen überzeugen kann und dass Offenheit, Respekt und Aufgeschlossenheit nie aus der Mode kommen. Wir erinnern uns an William Wolff als einen herzlichen, empathischen und zugewandten Menschen, dem der interreligiöse Dialog ebenso viel bedeutete wie der direkte zwischenmenschliche Dialog und der stets ein Vorbild in Sachen Empathie, Herzlichkeit und Zuversicht bleiben wird.
Meine Damen und Herren, Anfang der Woche erreichte den Landtag eine weitere traurige Nachricht. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Hans-Heinrich Jarchow ist im Alter von nur 65 Jahren von uns gegangen. Der Verstorbene gehörte während der 4. Wahlperiode dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern an. Während dieser Zeit war er Mitglied des Umweltausschusses. Von
2009 bis 2017 war er als Leiter des Geschäftsbereichs „WIR. Erfolg braucht Vielfalt“ der Akademie für Politik, Wirtschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommerns dem Landtag eng verbunden. Hervorzuheben ist sein ehrenamtliches Engagement als Mitglied der Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs sowie der Kirchenleitung. Insbesondere hat er sich durch die Pflege von Kontakten zur Evangelisch-Lutherischen Kirche Kasachstans verdient gemacht, die er alljährlich besuchte.
Denjenigen, die an der ökumenischen Andacht zu Beginn jeder Landtagssitzungswoche teilnehmen, ist er durch sein Posaunenspiel sowie seine plattdeutschen Andachten in allerbester Erinnerung. Insgesamt hat er 13 Andachten gehalten. Noch am 10. Juni 2020 hat er uns in seiner geliebten plattdeutschen Sprache auf die bevorstehende Landtagssitzung eingestimmt. Hans-Heinrich, wi warden di nich vergäten!
Ich darf Sie bitten, sich für eine Minute des Gedenkens an William Wolff und Hans-Heinrich Jarchow von den Plätzen zu erheben.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der AfD hat den Antrag auf Drucksache 7/5267 zurückgezogen. Damit entfällt am Donnerstag die Beratung des Tagesordnungspunktes 29.
Die Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE haben auf Drucksache 7/5302 einen Antrag „Erpressung hat im Welthandel nichts zu suchen – Nord Stream 2 ordnungsgemäß fertigstellen und in Betrieb nehmen“ vorgelegt. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, diesen Antrag unter Tagesordnungspunkt 18 anstelle der dort ausgewiesenen Anträge auf den Drucksachen 7/5279 und 7/5275 zu beraten.
Die Ministerpräsidentin hat darum gebeten, wegen der morgen um 10.30 Uhr stattfindenden Telefonkonferenz mit der Bundeskanzlerin die Tagesordnungspunkte 17 und 18 am Donnerstag zu tauschen. Ich werde dieser Bitte nachkommen.
Wird der so geänderten Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 95. und 96. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihnen liegen ein Dringlichkeitsantrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/5312 zum Thema „Situation der MV Werften“ sowie ein Dringlichkeitsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/5313 zum Thema „Klare Regeln für die Sicherheit an Badestellen in Mecklenburg-Vorpommern schaffen“ vor. Wir werden diese Vorlagen, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 2 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung der Dringlichkeitsanträge erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Meine Damen und Herren, auch diese Landtagssitzung wird aufgrund der Corona-Krise unter besonderen Hygienebedingungen stattfinden. Ich bitte Sie, die im Ältestenrat vereinbarten Maßnahmen zu beachten und insbesondere die Abstandsregelungen möglichst einzuhalten.
Wir kommen jetzt zu unseren zurückliegenden Geburtstagen und die würde ich gern noch kurz durchführen und dann in die Auszeit eintreten, die gerade von der SPDFraktion …
Dann verfahre ich jetzt in der Tagesordnung weiter, das heißt, wir kommen jetzt zu unseren zurückliegenden Geburtstagen. Ich gratuliere recht herzlich dem Fraktionsvorsitzenden Torsten Renz, Tilo Gundlack und Jochen Schulte zu ihren kürzlich begangenen Geburtstagen in diesem Monat. Herzlichen Glückwunsch!
Ich gratuliere ganz herzlich Dirk Stamer, Henning Foerster, Eva-Maria Kröger, Maika Friemann-Jennert und Thomas Würdisch zu ihren Geburtstagen im Monat Juni.
Und ich gratuliere Sebastian Ehlers, Nadine Julitz, Stephan Reuken, Jeannine Rösler, Patrick Dahlemann, Jürgen Strohschein, Torsten Koplin und Philipp da Cunha zu ihren Geburtstagen im Monat Juli.
Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Mecklenburg-Vorpommern in Zeiten der Pandemie – Erreichtes und Herausforderungen“ beantragt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Herfahrt hörte ich im Radio, die CDU beantragt die Aktuelle Stunde, um Zwischenbilanz zu ziehen. Ich will vielleicht deutlich an dieser Stelle sagen, der Schwerpunkt unserer Debatte ist in die Zukunft gerichtet. Es macht nur noch bedingt Sinn, rund um die Uhr sich möglicherweise feiern zu lassen für Erreichtes, sondern es geht darum, wie werden wir die Zukunft gestalten in dieser Krise mit diesen Herausforderungen. Und insofern bin ich auch froh, dass gestern wieder der Koalitionsausschuss schon wieder Beschlüsse gefasst hat, und da will ich nur mal nennen zum Beispiel aus meiner Sicht einen wesentlichen Punkt, nämlich den Beteiligungsfonds für Zukunftstechnologien in Höhe von 10 Milliarden Euro ab 2021 bis 2030. Das heißt, wir müssen über diesen Weg Zukunft
gestalten. Und ein zweiter wesentlicher Punkt, der auch gestern festgezurrt wurde, ist also auch die Bezugsdauer für Arbeitnehmer, also Kurzarbeitergeld auf 24 Monate zu verlängern und auch mit einer Erhöhung von 77 beziehungsweise 87 Prozent zu agieren. Das sind Dinge, wie wir die Zukunft vorbereiten und gestalten wollen.
Und ich will zu Beginn ganz deutlich sagen: Zielstellung unserer Fraktion, der CDU-Fraktion, ist es in diesem Lande, unser Land Mecklenburg-Vorpommern sicher durch die Krise zu führen.
Und ich glaube, dass die Maßnahmen, die wir gemeinsam beschlossen haben, zum Beispiel den MV-Schutzfonds, entscheidend dazu beigetragen haben, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt feststellen können, ja, wir haben es als Land gut gemacht, wir haben die Herausforderungen der Pandemie erfolgreich gemeistert. Aber keiner von uns weiß, wie lange wir sozusagen im Würgegriff – so will ich das mal bezeichnen – der Pandemie sind. Keiner von uns weiß, wann werden wir wieder in die Normalität zurückkehren. Und insofern, Spekulationen, wann der Impfstoff kommt oder nicht, helfen uns in dieser Situation nicht weiter.
Aber was wir wissen, ist, dass es relativ leicht war, den Ausnahmezustand auszurufen, aber jetzt entsprechend Lockerungen auf den Weg zu bringen, ist ein viel, viel schwierigerer Weg und eine viel größere Herausforderung. Und deswegen will ich aktuell an dieser Stelle sagen, weil ja auch morgen die Kanzlerschalte ansteht und eine aktuelle öffentliche Debatte läuft, wir wollen zum Beispiel und haben gestern auf den Weg gebracht wieder Lockerungen für M-V. Gleichzeitig in anderen Teilen Deutschlands wird darüber diskutiert, weitere Dinge zu verschärfen. Und da will ich Ihnen einfach nur sagen, es ist für mich völlig unlogisch, wenn Länder, zum Beispiel wie Nordrhein-Westfalen, die ein viel höheres Infektionsgeschehen haben, beim Thema Familienfeiern Regelungen haben, wo 150 Personen an diesen Veranstaltungen teilnehmen dürfen, und wir – wir, MecklenburgVorpommern mit unseren Minizahlen, so will ich das mal hier formulieren – haben eine Festlegung von 75 Leuten. Das ist unlogisch und das ist nicht nachvollziehbar.
ja, wir können Dinge gemeinsam in Deutschland festlegen, das sind Abstandsregelungen oder die Definition für Kontaktbeschränkungen, wir können auch festlegen, wie die Regelungen gestaltet werden für Reiserückkehrer aus Risikogebieten, aber alles andere, die Vielzahl der Punkte sollten wir nach dem Infektionsgeschehen betrachten und entscheiden. Und deswegen bin ich froh, dass wir hier den Föderalismus zur Anwendung bringen können, und das sollten wir uns auch nicht aus der Hand nehmen lassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich persönlich stelle fest, dass immer noch eine sehr, sehr große Mehr
heit in unserem Land die Maßnahmen zum Infektionsschutz, so, wie wir es vollziehen, mitträgt, und ich glaube, es ist auch richtig, weil mit Blick auf andere Staaten können wir viele andere Situationen zur Kenntnis nehmen, die wir hier alle nicht wollen. Aber trotzdem sage ich für die CDU-Fraktion, es kommt auf die Verhältnismäßigkeit an. Und insofern schließe ich mich da der Meinung oder dem Zitat, das Sie ja auch kennen, dieses Wortspiel des Ministerpräsidenten aus Sachsen, an, wir müssen in dieser konkreten Situation, wenn es auch um Verhältnismäßigkeit geht, nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Wir müssen aber, und das nehme ich wahr, die Perspektive, die Zukunft diskutieren, und zwar mit den Menschen, denen wir das erklären müssen, und wir müssen sie immer wieder mitnehmen und unsere Lösungen entsprechend gut begründen. Und deswegen will ich den Schwerpunkt ab jetzt auf die Zukunft richten.
Ich habe schon in letzten Reden angedeutet, dass es Themen gibt, die gelöst werden müssen, zum Beispiel die Produktion von Schutzmasken, von medizinischen Geräten. Das sind weiter Dinge, die auf der Tagesordnung stehen. Aber ich will neben der Gesundheitspolitik jetzt drei Bereiche kurz ansprechen, die aus meiner Sicht wesentlich sind, wo wir uns entsprechend dann auch hier als Landtag einbringen müssen:
Erster Punkt ist das Thema Finanzen. Klar ist für uns, es muss, es wird einen weiteren Nachtragshaushalt geben, und klar ist für uns auch der zweite Punkt in diesem Zusammenhang, dass dieser Nachtragshaushalt in der zweiten Jahreshälfte dann mit einer Neuverschuldung verbunden sein wird. In welcher Höhe, da werden wir natürlich davon abhängig sein, was die Steuerschätzung und die finanzielle Situation, wie sie sich zurzeit darstellt, wo wir natürlich auch auf Zuarbeit aus dem Finanzministerium angewiesen sind. Diese Dinge im Detail müssen wir dann diskutieren. Aber Fakt ist für uns auch als CDULandtagsfraktion, dass wir verbindliche Tilgungspläne da vereinbaren und das Thema Tilgen nicht irgendein Thema ist, sondern ein Hauptaugenmerk entsprechend auch bei unserer Finanzpolitik, bei unserer Ausrichtung sein wird.
Und in diesem Zusammenhang ist es für uns ganz wichtig, dass wir, wenn wir diese Thematik Schuldenaufnahme betrachten, die Hauptverlierer dieser Pandemie auf alle Fälle im Blick haben sollten, und das sind aus meiner Sicht im Moment die Familien mit Kindern. Das sind die Kinder, die insbesondere in die Schule gehen, die auf ein Schulsystem treffen, das aus meiner Sicht unzureichend auf solche Dinge vorbereitet ist, das Stichwort ist hier „Digitalisierung“. Und es sind insbesondere die Kinder, die aus sozial schwächeren Elternhäusern kommen und die sich eben keinen Nachhilfeunterricht leisten können. Und wenn ich diese Jugendlichen im Blick habe, dass sie auf der einen Seite dieser Belastung ausgesetzt sind, auf der anderen Seite das Thema Finanzen, weil das sind diese Jugendlichen, die später am Arbeitsmarkt tätig sein sollen, die die Schulden abtragen müssen, die wir – und deshalb auch nicht leichtfertig – aufnehmen müssen und auf die Tilgung entsprechend dringen müssen, das sind die Jugendlichen, die sozusagen doppelt bestraft sind, und um die müssen wir uns kümmern.
Und ich will auch deutlich sagen, wir haben seit Jahren auch den Bildungsminister nicht gestellt, demzufolge sind wir auch relativ unverdächtig, dass dieses Thema
Ich kann nachweisen, auch für Herrn Krüger, anhand von Anträgen, schon zu Zeiten eines Ministers der SPD, dass es, als es um die Rettung der kleinen Schulen auf dem Lande ging,
wir immer das Thema E-Learning nach vorne getragen haben, aber das Thema wurde nicht angefasst, oder wenn, nur mit ganz, ganz spitzen Fingern. Und das können wir so auf Dauer nicht mehr stehen lassen,