Protokoll der Sitzung vom 27.04.2018

Vielen Dank, Herr Minister.

Der Minister hat die angemeldete Redezeit um achteinhalb Minuten überschritten.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das macht ja nichts, es ist ja nur Freitagnachmittag. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Diese Zeit steht nach Paragraf 85 unserer Geschäftsordnung den nicht an der Regierung beteiligten Fraktionen zusätzlich zur Verfügung.

Ich rufe jetzt auf für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Letzten, in diesem Fall die Letzte …, wobei ich gar nicht weiß, ob ich die Letzte bin,

(Marc Reinhardt, CDU: Das weiß man doch nicht.)

nachdem die anderen Fraktionen jetzt noch mehr Redezeit bekommen haben.

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Du musst das jetzt aber nicht ausnutzen.)

Egal, ich hoffe, Sie sind geneigt, mir noch zuzuhören.

Ich will nicht so sehr viel wiederholen, es ist schon viel gesagt worden. Allerdings, was wir noch nicht so richtig diskutiert haben und was ich mal anregen würde, was wir aber im Ausschuss diskutieren sollten,

(Beifall Andreas Butzki, SPD)

nicht hier im Rahmen einer Aussprache im Parlament, wären die Chancen, die allein aus der Energiewende im Verkehrssektor für Arbeitsplätze Effekte haben würden. Da kann ich mir vorstellen, das wird doch deutlich zur Wertschöpfung beitragen, und das ist auch das, was wir mit der Sektorenkopplung machen wollen.

Dazu fallen mir gleich zwei Stichworte ein:

Erstens. Die Stärkung des öffentlichen Verkehrs brauchen wir auf jeden Fall und der kann dann auch gern elektrisch basiert sein, also auf Strom.

Das Zweite ist, ich habe gelesen – das ist allerdings schon ein bisschen her und ich kenne auch das Ergebnis nicht –, dass in Holland zum Beispiel Versuche gemacht worden sind, Fahrradwege mit Solarpaneelen zu belegen, die dann gleichzeitig von den darauf fahrenden Elektrofahrrädern den Strom nutzen können.

Also wie gesagt, zumindest passiert viel, auch auf diesem Gebiet. Es würde sich sicherlich lohnen, über den Verkehrssektor und die Energiewende mal genauer zu reden.

Die Rede von Herrn Borschke hat mich so ein bisschen an die im Januar erinnert. Das ist also offensichtlich doch ein ziemlich starker Eindruck gewesen, der da bei mir zurückgeblieben ist. Allerdings sind das keine positiven Erinnerungen. Sie haben für meine Begriffe eine ziemlich merkwürdige Vorstellung von Umwelt- und Klimaschutz. Sie wollen allen erklären, dass die Energiewende unnütz ist.

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

Sie wollen uns erklären, dass Energiewende ausschließlich Geld verbrennt, sie keine Arbeit bringt und eine riesige Umverteilung von unten nach oben ist. Sie wollen allen erklären, dass der Umweltschutz nur vorgeschoben ist, weil Windräder millionenfach Vögel töten. Sie wollen allen erklären, dass CO2 eigentlich überhaupt nicht eingespart wird und das auch nicht nötig ist, weil CO2 etwas Tolles für die Fotosynthese ist.

Aber, meine Damen und Herren, die Frage ist doch – und die stellen Sie nicht, Herr Kollege Borschke –, auf welcher Grundlage Wohlstand und Sozialstaat überhaupt künftig stehen sollen. Können wir so weitermachen, wie Sie meinen, dass es richtig ist, weitermachen mit Kohleverbrennung zur Energiegewinnung, weitermachen mit Atomkraftwerken? Das wollen Sie ja offensichtlich.

(Zuruf von Jürgen Strohschein, AfD)

Aber dabei hat doch Fukushima nicht nur gezeigt, dass das Risiko nicht hundertprozentig zu beherrschen ist, sondern es hat gezeigt, dass es auch in einem so hoch entwickelten Land wie Japan nicht zu hundert Prozent zu beherrschen ist.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Wollen wir weitermachen mit größeren Autos, die immer mehr Kraftstoff verbrauchen, egal, ob es Diesel oder Benzin ist? So nach dem Motto „Freie Fahrt für freie Bürger“? Wollen wir auch weitermachen mit dem massenhaften Artensterben? Ich will nur daran erinnern, dass sich bei uns schon jetzt die Flora und Fauna verändern. Das liegt nicht nur am Klimawandel, aber auch. Wir leben im Zeitalter des Klimawandels. Es hat Klimaveränderungen immer gegeben, das bezweifeln wir nicht, aber niemals in solchem Tempo.

Es gibt mehr zu tun, als nur die Energiewirtschaft umzubauen, um den Klimawandel zu verzögern und auf zwei Grad Erwärmung zu begrenzen. Aber, meine Herren, es kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, dass, wenn fast 200 Länder der Erde feststellen, dass eine globale Energiewende und die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen, und nicht nur CO2, fundamental wichtig sind und jetzt und nicht irgendwann dafür Maßnahmen ergriffen werden müssen, diese 200 Länder, deren Vertreter – mal abgesehen von der großen Zahl von Wissenschaftlern – das genauso sehen, die sind doch nicht alle blöd! Nur Sie denken, Sie haben den Stein der Weisen gefunden.

Die Energiewende ist beschlossene Sache in Deutschland, daran wird sich nichts ändern, ich hoffe das jedenfalls – keine Aktuelle Stunde, kein Antrag, keine Aussprache, und das ist auch gut so.

Natürlich gibt es an vielen Stellen erheblichen Verbesserungsbedarf, aber der Minister hat es gesagt – und da stimme ich völlig mit ihm überein –, eine solch gravierende Umgestaltung ist mit Problemen behaftet. Das ist völlig klar, das geht nicht so von heute auf morgen und das geht auch nicht ohne Probleme.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sie haben damit ein Problem, dass wir ein Problem aussprechen.)

Es wurde gerade in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Ausbau der Windenergie einiges falsch gemacht, auch

das habe ich schon öfter gesagt. Da sind Investoren wie Heuschrecken über das Land gezogen, haben sich Grundstücke gesichert, fahren große Gewinne ein, und die Menschen, die die Anlagen vor der Nase haben, haben aus privatökonomischer Sicht nichts davon. Allerdings muss ich auch sagen, gerade diejenigen, die der Marktwirtschaft so etwas anhängen, da finde ich es immer ein bisschen schwierig, ansonsten Marktwirtschaft zu wollen. Marktwirtschaft hat auch zur Grundlage, dass man Gewinne erwirtschaftet, aber der Windbranche billigt man das nicht zu. Das finde ich irgendwie nicht so richtig konsistent.

Mit dem Beteiligungsgesetz haben wir versucht, ein bisschen davon zu heilen. Ob das funktioniert, werden wir erst noch sehen, bisher funktioniert es nicht. Und es ist auch aus unserer Sicht ein Skandal, dass die Menschen hier im Land die höchsten Strompreise bezahlen. Da müssen wir ran!

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Doch das bedeutet nicht, dass andere dafür die großen Lasten tragen. Also ein Ausgleich sollte schon sein.

(Bernhard Wildt, BMV: Aha!)

Doch außer, dass Sie gegen die Energiewende sind und am liebsten wieder mehr Atomkraftwerke bauen oder Kohle baggern wollen, habe ich noch nichts Konstruktives von Ihnen gehört. Den Ausbau der Windenergie zu stoppen, das ist nicht konstruktiv, Herr Borschke, denn der Strom – das ist schon von mehreren, auch von mir schon gesagt worden – muss erst mal in die Steckdose rein, ehe man ihn herausziehen kann. Es ist natürlich auch leicht, einfach eine Aussprache zu beantragen und zu erzählen, was alles nicht läuft. Da unterscheiden Sie sich in keiner Weise von der AfD.

Meine Damen und Herren, wir brauchen die Energiewende nicht zum Selbstzweck, weil wir unsere Welt mit dem Verhalten der Industrienationen ansonsten zugrunde richten. Die Verbrennung von Kohle und Heizöl heizt unseren Planeten auf.

Ja, Herr Borschke, auch vor 55 Millionen Jahren kam es bereits auf der Erde zu einem schnellen Anstieg von CO2. Doch das geschah über 10.000 Jahre hinweg und nicht über wenige Jahrzehnte. Was das am Ende des Tages bedeutet, das sehen wir auf der einen Seite, wenn wir uns auf der ganzen Welt umsehen: Das globale Klima erwärmt sich, die Eismassen an den Polen schmelzen, der Meeresspiegel steigt, extreme Wetterereignisse nehmen rasant zu. Jetzt könnten Sie ja kommen, und das tun Sie vielleicht auch, und sagen, was gehen mich denn die Pole und der Meeresspiegel an, zumal Deutschland noch auf der Insel der Glückseligen zu leben scheint. Aber der Klimawandel bringt Veränderungen nicht nur weltweit, auch in Deutschland, hier vor unserer Tür, in Mecklenburg-Vorpommern.

Kollege Borschke, Sie waren leider nicht in der Ausschusssitzung des Energieausschusses, als die Kollegin vom Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität vorgetragen hat.

(Ralf Borschke, BMV: Ich war im Krankenhaus, Frau Schwenke.)

Das war keine Kritik, das war einfach eine Feststellung, Herr Borschke.

Da hätten Sie auch noch was lernen können. Ich nenne Ihnen nur drei Stichworte: Es wird von einer Erhöhung des Meeresspiegels von 70 bis 80 Zentimetern bis zum Jahr 2100 ausgegangen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Jetzt schüren Sie mal keine Ängste hier!)

Das heißt, dass ein nicht kleiner Teil unseres Landes vom Meer verschluckt werden kann. Sie und ich, Herr Kollege Borschke, wir werden das nicht mehr erleben. Aber was ist mit unseren Kindern und Enkeln und den nachfolgenden Generationen? Hinzu kommen schwere Sturmfluten und Hochwasser. In der Welt ist das längst schon gang und gäbe, aber es wird auch um uns keinen Bogen machen. Und wenn Ihnen das nicht reicht, dann müssen wir doch noch mal den Kopf heben und insbesondere in den Süden der Welt schauen, dort, wo die Wetterextreme noch stärker zugenommen haben, dort, wo wenig Kapital ist, um sich vor den Schäden des Klimawandels zu schützen, und dorthin, wo den Menschen die Lebensgrundlagen genommen werden. Die Regionen der Welt, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, sind am meisten davon betroffen. Die Zahl der Klimaflüchtlinge hat schon zugenommen und sie wird weiter steigen. Weder das Mittelmeer noch Mauern oder Grenzen werden diese Menschen aufhalten, denn sie haben nichts zu verlieren.

Ich plädiere zum Beispiel dafür, dass wir bei uns im Land ein eigenes Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen und unseren Zielen Gesetzescharakter verleihen. Andere Länder haben das schon getan. Ein solches Gesetz bildet dann die Grundlage, um den Klimaschutz im Land energischer anzupacken. Wir könnten damit den Aktionsplan untermauern, der aber bisher nur ein Maßnahmenpaket ist, das von jedem Ressort umgesetzt werden kann oder auch nicht, es gibt keine Konsequenzen. Das wäre dann die perfekte Gelegenheit, um noch mal die Ziele zu überprüfen und die Maßnahmen zu konkretisieren, insbesondere, was den Zeitrahmen anbelangt, aber auch die Überprüfung von Fördermaßnahmen einschließt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Energiewende muss sozialer und demokratischer werden. Klimaschutz muss ressortübergreifend zielstrebiger und verpflichtend verfolgt werden, nur so erhalten wir auch zukünftigen Generationen überhaupt die Grundlage, um sich Wohlstand zu erarbeiten. Die Energiewende bedeutet einen grundlegenden Strukturwandel. Das heißt, in nicht zukunftsfähigen Wirtschaftszweigen gehen Arbeitsplätze verloren, neue entstehen. Aber wenn es solchen Wandel im Laufe der Geschichte nicht gegeben hätte, würden wir heute noch in Erdhöhlen wohnen und mit der Trommel um das Lagerfeuer rennen.

Frau Dr. Schwenke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Dr. Weber?

Nein, das gestatte ich nicht.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Danke!)

Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)