Protokoll der Sitzung vom 27.04.2018

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Wir wollen zu dem Antrag etwas hören, Herr Förster!)

Ich wollte auch nicht hören, was ich alles hören musste.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und AfD – Glocke der Vizepräsidentin)

1993 hat die CDU die Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl mit guten Gründen gefordert. Selbst wollte man einen Gesetzesvorbehalt haben, weil nämlich dieses Grundrecht als individuelles Grundrecht in der Verfassung gewissermaßen einen Einmaligkeitscharakter hat – aber darüber kann man ja heute auch nicht sachlich diskutieren, weil das wie eine Monstranz von den Altparteien vor sich hergetragen wird –,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Reden wir noch über das Sozialversicherungsabkommen? – Zuruf von Christiane Berg, CDU)

allerdings durch Artikel 16a, das war der Kompromiss, faktisch ausgelöchert ist, wenn man ihn anwenden würde und nicht dagegen verstoßen würde.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Martina Tegtmeier, SPD: In welchem Zusammenhang steht das jetzt mit Ihrem Antrag?)

Das Abkommen, um das es hier geht, ist zweifelsfrei überholt.

(Martina Tegtmeier, SPD: Kommen Sie jetzt zum Antrag?)

Es hat seine historischen Gründe in der wirtschaftlichen Situation nach dem Mauerbau, wo der Zuzug von Fachkräften aus der ehemaligen DDR gestoppt war – das spielt nämlich auch da rein – und Arbeitskräfte in der

Türkei angeworben wurden. Man nannte sie Gastarbeiter und dachte nicht daran, dass viele von ihnen auf Dauer in Deutschland bleiben würden und sehr viele davon sich auch voll integriert haben.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Es ist doch unbezweifelbar, dass sich das Abkommen überholt hat und deutsche Arbeitnehmer objektiv benachteiligt sind, weil der weite Familienbegriff, der unter anderem die Eltern einbezieht, eben nur für die türkische Seite gilt.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Was? – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Das wurde auch schon ausgeführt, es ist hier in Deutschland ja anders, hier sind die Kinder bei den Eltern mitversichert. Richtig ist auch, dass sich die Kosten aufgrund der Fallzahlen und der Abrechnungspauschalen in Grenzen halten. Die Pauschalen richten sich nämlich nach den Durchschnittskosten der in der Türkei Versicherten und der durchschnittlichen Zahl der in der Türkei lebenden Familienangehörigen. Zudem sind die Kosten ärztlicher Behandlungen in der Türkei niedriger als hier. Genaue Angaben zu den tatsächlichen Kosten, insbesondere dazu, wie sich die in der Kritik stehende Mitversicherung der Eltern auswirkt, existieren allerdings nicht. Jedenfalls werden die nicht genannt.

Und jetzt sagen Sie, wenn dieses Abkommen gekündigt würde, dann hätte das große Nachteile für uns, dann kämen nämlich die Türken hierher. Das habe ich auch gefunden, das steht irgendwo in so einem Kommentar, wenn man nach diesem Thema googelt. Das wird natürlich einfach übernommen. Wieso ist das so? Das stimmt doch gar nicht.

(Thomas Krüger, SPD: Ach, Sie wissen Bescheid?!)

Sie können zum einen davon ausgehen, dass in der Türkei nicht die Ein-Kind-Ehe wie in China herrscht, sondern die haben in der Regel mehrere Kinder und da sind auch mehrere Söhne. Und dann bricht es schon mal zusammen. Wieso sind die Eltern nur bei dem versichert, der mal hier in Deutschland war? Also es ist überhaupt nicht anzunehmen, dass die dann hierherkämen.

(Thomas Krüger, SPD: Nein, überhaupt nicht. – Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

Es geht hierbei natürlich – das sehen Sie richtig –

(Zurufe von Thomas Krüger, SPD, und Martina Tegtmeier, SPD)

nicht um die Millionen, die eingespart werden sollen, sondern es geht auch um etwas Grundsätzliches. Es geht um die Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung und wofür diese ausgegeben werden. Ich glaube nicht, dass bei der ohnehin hohen Abgabenlast einem Arbeitnehmer zu vermitteln ist,

(Thomas Krüger, SPD: Sie haben doch gerade gehört, dass das nicht relevant ist in der Aufrechnung.)

dass er mit seinen Beiträgen für die Krankheitskosten der Elterngeneration türkischer Großfamilien einzustehen hat,

(Bernhard Wildt, BMV: Das stimmt ja gar nicht.)

und sei es auch nur in relativ geringem Umfang.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Insofern kommt es eben nicht darauf an, um wie viel Millionen es hier geht, es geht auch um etwas Grundsätzliches

(Bernhard Wildt, BMV: Es sind auch grundsätzliche Pauschalen.)

und um eine Frage sozialer Gerechtigkeit.

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

Jetzt hören Sie zu! Jetzt werden Sie sich noch mehr ärgern.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Völlig offen ist im Übrigen – das ist auch nicht irgendwo hergeholt, das hat einen realen Hintergrund –, völlig offen ist im Übrigen, ob die in der Türkei lebende Zweit- oder Drittfrau auch mitversichert ist. Das liegt nämlich keinesfalls fern. Die Vielehe ist in der Türkei zwar seit 1923 verboten, sie ist aber wieder kräftig auf dem Vormarsch und wird von der islamisch-konservativen Regierung geduldet. Es spricht also einiges dafür, dass sie nach türkischem Recht zur Familie zählt und damit auch nach türkischem Recht mitversichert ist.

(Bernhard Wildt, BMV: Das ist aber unerheblich. Das ist eine Familienpauschale.)

Das war übrigens nach deutschem Recht auch lange Zeit so.

(Bernhard Wildt, BMV: Das ist eine Familienpauschale. Begreifen Sie das mal!)

Die Rechtslage in Deutschland war nämlich so,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Es war einmal. – Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

dass bis April 2005 die Zweit- und Drittfrau eines muslimischen Mannes in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland mitversichert war.

(Ministerin Stefanie Drese: Das sind Märchen aus „Tausendundeine Nacht“.)

Das belegt …

Das glaubt man kaum, es ist aber so. Das können Sie alles nachprüfen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Er hat eine schwere Kindheit gehabt, tut mir leid. – Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Das belegt im Übrigen, dass der Irrsinn in unserem Land eine lange Vorgeschichte hat. Natürlich war damit zu rechnen, dass uns Stimmungsmache gegen Ausländer vorgeworfen wird. Ich will Ihnen eins sagen, damit kommen Sie auf Dauer nicht durch.

(Thomas Krüger, SPD: Nein.)

Dafür wachsen die Probleme, die die Kanzlerin des Jedermann-Volkes nach eigener Definition mit ihrer bis heute nicht grundsätzlich korrigierten Migrationspolitik unserem Land beschert hat,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Sie haben eine Glaskugel, ne?!)

zu offensichtlich ständig weiter.

(Thomas Krüger, SPD: Sie gucken in die Glaskugel?!)

Aber darum geht es hier gar nicht. Unser Thema hat mit Migration, Türkenhass oder einer irgendwie gearteten Feindlichkeit gegen Ausländer nichts zu tun.