Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das, was wir Ihnen weiter in diesem Entwurf vorstellen, sind Klarstellungen. Natürlich gehört es zu den Aufgaben der Fraktionen, eigenständige Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Wer soll es denn sonst machen, wenn es nicht die Fraktionen machen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Verständigung in diesem Haus darüber gibt, dass es der Landtag als Einrichtung für alle Fraktionen gemeinsam macht. Bei allen Gemeinsamkeiten, die es an der einen oder anderen Stelle zwischen Fraktionen gibt, wird jede der Fraktionen Wert darauf legen, ihre eigenen politischen Positionen nach außen kommunizieren zu können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Frage ist: Was will man kommunizieren? Will man nur das kommunizieren, was hier bereits stattgefunden hat, was zum Beispiel am heutigen Tag im Rahmen von Gesetzentwürfen oder Anträgen in den einzelnen Fraktionen vorgebracht worden ist, oder will man die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig in die Vorstellungen mit einbeziehen, bereits im Vorfeld mit ihnen Initiativen und Konzepte der jeweiligen Fraktionen diskutieren und die jeweiligen politischen Standpunkte der eigenen Fraktion kommunizieren im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern? Ich glaube, es ist das legitime politische Interesse aller Fraktionen, die im Haus sind, frühzeitig genug in den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu treten, um somit ihrer eigenen Verantwortung im parlamentarischen Prozess gerecht zu werden.

Am Ende dieses Tages müssen die gesetzlichen Vorgaben – ich nenne jetzt einmal nur die Parteienfinanzierung, das darf nicht stattfinden, das ist im Paragrafen 54 des Abgeordnetengesetzes oder auch über das Parteiengesetz geregelt – selbstverständlich gewahrt bleiben. Am anderen Ende ist es natürlich die Entscheidung jeder einzelnen Fraktion, welches der ihr zur Verfügung stehenden Mittel der Öffentlichkeitsarbeit sie nutzen will und in welcher Form sie das nutzen will. Dass die Fraktionen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dabei nicht dem Gebot der Neutralität unterliegen, ist, glaube ich, eine

Selbstverständlichkeit, weil das ist genau das, was uns unterscheidet. Egal, ob es die Fraktion DIE LINKE ist oder die Fraktion der AfD, wir alle wollen unsere Positionen, die wir hier im Haus vertreten, entsprechend in der Öffentlichkeit kommunizieren.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle möchte ich eine Diskussion oder Anmerkung aufgreifen, die in der Öffentlichkeit durch die Presse, durch die Medien gegangen ist, und zwar die Frage, inwiefern das, was Ihnen als Entwurf vorgelegt wird, nicht korrespondieren würde oder korrespondieren würde mit der Landesverfassung dieses Landes. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich die Landesverfassung angucken und wenn Sie sich da entsprechend die Regelungen im bisherigen Abgeordnetengesetz anschauen, dann wird klar, dass vor dem Hintergrund, dass wir uns explizit an Vorstellungen gehalten haben, die bereits in anderen Bundesländern Gesetzgebung sind und mit den entsprechenden verfassungsrechtlichen Grundlagen dort korrespondieren, wir hier einen Entwurf vorgelegt haben, an dem Zweifel, was die Verfassungsmäßigkeit angehen sollte, nicht bestehen.

Fraktionen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sind nach Artikel 25 Absatz 2 „selbstständige und unabhängige Gliederungen des Landtages“. Das habe ich eben schon angesprochen, indem ich gesagt habe, wir machen unsere eigenständige Positionierung, und nicht der Landtag macht das insgesamt für uns. Wir wirken mit eigenen Rechten und Pflichten bei der parlamentarischen Willensbildung mit. Das ist genau das, worum es geht. Wir wirken als Fraktionen an der parlamentarischen Willensbildung mit und das Nähere, so ist es in der Landesverfassung geregelt, regelt das Gesetz. Das machen wir über das Abgeordnetengesetz.

Wenn Sie sich die derzeitige Regelung in Paragraf 51 Absatz 2 des Abgeordnetengesetzes ansehen, dann ist es etwas dürftig, was da geregelt ist: „Sie“, die Fraktionen, „können die Öffentlichkeit über Ihre Arbeit informieren und mit Fraktionen anderer Parlamente zusammenarbeiten.“ Der Entwurf, der Ihnen heute vorliegt, konkretisiert am Ende des Tages das, was Zusammenarbeit oder Information und Arbeit ist und was die Zusammenarbeit angeht.

Es gibt einen Unterschied, das ist richtig, zu den Regelungen, was andere Landtage in anderen Flächenländern angeht. Das ist die Zusammenarbeit mit den Vertretungen in Kommunalvertretungen. Das sind keine Parlamente, das ist richtig, deswegen ist das gesondert geregelt.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie sieht es denn in diesem Land aus? Teile dieses Hauses haben es in der Vergangenheit beklagt, dass wir über sehr große Landkreise verfügen in diesem Land. Das ist richtig. Teile dieses Hauses haben auch beklagt, dass die Kommunikation zwischen diesem Haus und den entsprechenden Kreistagen nicht immer so stattfindet, wie man sich das wünschen könnte. Tatsächlich gibt es eine große Schnittmenge zwischen den politischen und parlamentarischen Überlegungen auf der einen Seite in diesem Haus und der Arbeit in den entsprechenden Kreistagen, Stadtvertretungen, wenn ich zum Beispiel nur mal die Diskussion, die wir auch in diesem Haus führen, zu der Frage der Straßenbaubeiträge als Thema in die Reihe stellen will, wo man genau sieht, dass es da Berührungspunkte gibt.

Sehr geehrte Kollegen, lassen Sie mich noch einen Satz zu der Frage grundsätzlicher Verfassungsmäßigkeit von Öffentlichkeitsarbeit sagen. Ich erlaube mir, in dem Zusammenhang nur auf das Bundesverfassungsgericht zu verweisen in verschiedenen Entscheidungen, unter anderem 44, 125, aber auch 20, 56. Da heißt es, dass „gesetzgebende Körperschaften“, das sind die Parlamente und die ihnen angehörenden Fraktionen, „der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darlegen und erläutern“. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, genau das ist es, was wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verfolgen. Ich würde mich freuen, wenn wir das in einer entsprechenden Diskussion im Rechtsausschuss einvernehmlich klären können. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Torsten Renz, CDU)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Grimm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste! Drei Fraktionen hier in diesem Hohen Hause wollen das Abgeordnetengesetz ändern. Das kann man mal versuchen, aber bitte nicht so. Geändert werden soll der bisher sehr übersichtliche Paragraf 51 mit seinen zwei nur sehr kurzen Absätzen. Davon bleibt nach Ihrem Entwurf nur der Absatz 1 unangetastet, Absatz 2 soll dagegen neu gefasst werden. Wir haben es gerade gehört. Hinzukommen sollen zwei zusätzliche Absätze 3 und 4, von denen mein Vorredner allerdings hier eben nicht viel erwähnt hat.

Sehen wir uns das mal genauer an. Der neu gefasste Paragraf 51 Absatz 2 soll nun lauten, Zitat: „Als Teil des Landtages sind die Fraktionen unmittelbar Adressat der politischen Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger und zugleich selbst maßgeblicher Faktor des politischen Willensbildungsprozesses.“

(Egbert Liskow, CDU: Das ist doch so, oder nicht?)

Das allein erscheint mir schon hoch problematisch, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen regelt Artikel 25 Absatz 2 unserer Landesverfassung, dass die Fraktionen mit eigenen Rechten bei der parlamentarischen Willensbildung mitwirken. In der gesamten Kommentierung zu unserer Landesverfassung, etwa bei Zapfe, zu Artikel 25, findet man an keiner Stelle auch nur einen Hinweis darauf, dass die Landtagsfraktionen an der politischen Willensbildung der Bürger teilhaben. Und dann sollen die Fraktionen dem entgegen nach Ihren Vorstellungen plötzlich Adressat und zugleich noch maßgeblicher Faktor der politischen Willensbildung sein? Nein, das kann meines Erachtens nicht zutreffen. Zutreffend ist, dass es bei der Regelung in der Landesverfassung bleibt, nach der die parlamentarische Willensbildung allein von den Fraktionen übernommen wird.

Zum anderen – und das ist der zweite Grund – besagt Artikel 21 Absatz 1 unseres Grundgesetzes, dass es Aufgabe der Parteien ist, bei der politischen Willensbildung mitzuwirken – Aufgabe der Parteien also. Die strikte Trennung von parlamentarischer und politischer Willensbildung charakterisiert daher bei der Aufgabenverteilung rechtssystematisch die Fraktionen auf der einen und die Parteien auf der anderen Seite.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ihr Entwurf, meine Damen und Herren Einreicher, definiert da offenbar etwas völlig Neues, ja, fast möchte man schon sagen, etwas Revolutionäres, und Sie kommen in Konflikt. Sie kommen in Konflikt mit unserer Landesverfassung und mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Aber die Neufassung des Paragrafen 51 Absatz 2 des Abgeordnetengesetzes ist erst der Anfang. Sehen wir uns den neu hinzugefügten Paragrafen 51 Absatz 3 einmal genauer an. Da heißt es, Zitat: „Zu den Aufgaben der Fraktionen gehört die eigenständige Öffentlichkeitsarbeit. Sie dient der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die parlamentarischen Vorgänge, Initiativen und Konzepte der Fraktionen, der Vermittlung ihrer politischen Standpunkte und dem Dialog mit dem Bürger. Die Fraktionen sind in der Entscheidung über die geeigneten Mittel und Formen ihrer Öffentlichkeitsarbeit frei. Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen unterliegt nicht dem Gebot der politischen Neutralität.“

Hier liegt der Hase im Pfeffer, meine ich,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

denn während die Sätze 1 und 2 noch bislang geltende parlamentarische Grundregeln aus der alten Fassung des Paragrafen 51 Absatz 2 des Abgeordnetengesetzes wiedergeben, erscheinen die letzten beiden Sätze wieder hoch problematisch. Bisher gilt, dass die Fraktionen bei der Wahl ihrer Mittel und Formen der Öffentlichkeitsarbeit gerade nicht frei sind. An dieser Stelle kommt die Parteienfinanzierung ins Spiel. Nach Paragraf 25 Absatz 2 Nummer 1 Parteiengesetz dürfen Fraktionsmittel nicht zu Parteizwecken eingesetzt werden.

Gerade bei der Öffentlichkeit der Fraktionen hat sich in der Rechtsprechung und Literatur im Laufe der Zeit eine deutliche Abgrenzung herausgebildet, anhand derer für jeden denkbaren Fall eine klare Entscheidung darüber abgeleitet werden kann, ob eine Maßnahme zulässig ist oder als unzulässige Parteienfinanzierung bezeichnet werden muss.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der von Ihnen unter Buchstabe A zum Problem gemachte Interpretationsspielraum der bislang geltenden Regelung erscheint somit hochstilisiert. Abgrenzungsmerkmal ist bisher stets ein Bezug zur parlamentarischen Arbeit der Fraktion. Besteht er nicht, kann die Öffentlichkeitsarbeit auch nicht mehr als eine solche der Fraktion angesehen werden. Selbst die gemeinsame Finanzierung von Aktionen, Veranstaltungen oder Publikationen durch Fraktion und Partei ist zulässig, vorausgesetzt, es erfolgt eine besondere Begründung, die eine missbräuchliche Verwendung von Fraktionsmitteln ausschließt. Dem neu einzufügenden Absatz 3 Satz 3 könnte man ohne viel bösen Willen nun entnehmen, dass dies alles nicht mehr gelten soll.

Ich gebe Ihnen Beispiele: Bisher galt, nur sachliche Informationen über die konkrete parlamentarische Tätigkeit der Fraktion waren zulässig, keine Herabwürdigung des politischen Gegners und keine wertende Auseinandersetzung mit der Position des politischen Gegners, in der Vorwahlzeit Gebot größter Zurückhaltung und Verbot

jeglicher Leistungs-, Erfolgs-, Arbeits- oder Bilanzberichte, kein Anstieg der Ausgaben bei Näherung an den Wahltermin, keine Publikationen für Parteizwecke und Wahlkreisarbeit der Abgeordneten. Demgegenüber eröffnet der eingebrachte Gesetzentwurf die Möglichkeit, nahezu alle Aktivitäten einer Fraktion als mit öffentlichen Mitteln finanzierbare Fraktionsarbeit gestalten zu können.

Meine Damen und Herren von den Einreicherfraktionen,

(Torsten Renz, CDU: Von wem?)

geht es Ihnen wirklich nur darum, klarer und detaillierter zu formulieren, wie Fraktionen mittels Öffentlichkeitsarbeit über ihre Arbeit zu informieren haben,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja.)

wie es in der Begründung zu Ihrem Entwurf heißt, oder steckt am Ende mehr dahinter? Soll etwa wie bisher als unerlaubt sanktionierte Parteifinanzierung mit Fraktionsmitteln durch die Hintertür möglich gemacht werden,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Natürlich, ja.)

etwa „klammheimlich … ohne Beteiligung … von AfD und BMV“ und dann auch noch während eines Weltmeisterschaftsspieles von Die Mannschaft,

(Unruhe vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Zeit für Grimms Märchen. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

wie ein NDR-Beitrag mutmaßt? Ich denke,

(Tilo Gundlack, SPD: Was ich selber denk und tu, traue ich dem anderen zu.)

ich denke, Sie sind uns und den Bürgern da draußen noch einige Erklärungen zu Ihrem Entwurf schuldig.

Auch Absatz 4 Ihres Entwurfes wirft Fragen auf. Hier heißt es, Zitat: „Die Fraktionen haben das Recht, mit anderen Fraktionen und mit Fraktionen anderer Parlamente und mit Fraktionen der Kommunalvertretungen zusammenzuarbeiten, regionale und überregionale sowie internationale Kontakte zu pflegen.“ Zitatende. Es handelt sich aber bei den Kreistagen oder bei den Kommunalvertretungen nicht um Parlamente und auch nicht um Organe der Legislative.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Was also will man mit der Neuordnung bewirken, wenn doch die Aufgaben der betroffenen Gremien völlig unterschiedlich sind?

(Jochen Schulte, SPD: Haben Sie mir eben nicht zugehört, Herr Kollege?)

Artikel 28 Grundgesetz einerseits und die Kommunalverfassung andererseits machen eine Vergleichbarkeit dieser Aufgaben unmöglich.

Vieles spricht also dafür, es bei dem schlichten Wortlaut des Paragrafen 51 Absatz 2 zu belassen. Dort heißt es,

sie sollen „die Öffentlichkeit über ihre Arbeit informieren und mit Fraktionen anderer Parlamente zusammenarbeiten“. Am besten lassen Sie gleich alles beim Alten und den guten Paragrafen 51 des Abgeordnetengesetzes unangetastet. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Renz.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Aber bitte sachlich! – Peter Ritter, DIE LINKE: Hat der fünf Kilo Papier da vorne, oder was?)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie angekündigt, aber der NDR konnte nicht wissen, wie der Zeitplan so läuft. Die AfD übernimmt es dann blind. Wenn hier steht, „klammheimlich während des WM-Spiels“, wird das auch noch vorgetragen, obwohl das Spiel noch gar nicht läuft.

(Heiterkeit bei Sebastian Ehlers, CDU – Zuruf von Christoph Grimm, AfD)