Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich finde das eher traurig. Ich finde das eher traurig.)

was die Videoüberwachung am Marienplatz betrifft. Wir mussten feststellen, dass derjenige, der den Zuschlag gehabt hat, nicht in der Lage war, die darin gestellten Forderungen umzusetzen, insbesondere, was den VPNTunnel betrifft.

Und da Sie selbst derjenige sind, der immer sehr vehement die Einhaltung des Datenschutzes einfordert,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Zu Recht, zu Recht.)

habe ich entschieden, die Anlage neu zu vergeben und dementsprechend auch so zu verfahren, dass die Bedingungen, die wir als Land, die Sie als Parlamentarier an den Gesetzgeber stellen, umgesetzt werden. Ich bleibe dabei, wir werden am Marienplatz eine Videoanlage installieren,

(Beifall Horst Förster, AfD – Henning Foerster, DIE LINKE: Wann, 2020?)

die den rechtlichen Anforderungen entspricht, so wie auch zu dem Thema, was ja heute bekannt geworden ist. – Insofern herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Kramer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Und in jedem Plenum grüßt das Murmeltier. Auch kurz vor der plenarfreien Zeit kommt der Landtag nicht zur Ruhe und diskutiert erneut über Fragen der inneren Sicherheit. DIE LINKE sorgt sich darum, dass in Mecklenburg-Vorpommern ein bayerischer Überwachungswahn ausbricht.

Liebe Bürger Mecklenburg-Vorpommerns, die AfD beantragte im Ausschuss, dass die Debatte zunächst über eine Expertenanhörung versachlicht werden sollte. Die Regierungsparteien und auch DIE LINKE verweigerten sich dieser bisher, schlossen eine Anhörung aber generell nicht aus. Es ist diese typische Verschleppungstaktik von Parteien, deren Gewissen sich langsam meldet. Stattdessen steigen Sie heute im Plenum direkt in das absehbare politische Geplänkel mit den Regierungsparteien ein. Dass diese Partei mit fragwürdiger Entstehungsgeschichte inzwischen aus der totalitären DDRÜberwachung gelernt haben will, ist immerhin schon mal ein gutes Zeichen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Doch fragt DIE LINKE auch nach den aktuellen Ursachen des um sich greifenden Bedürfnisses nach mehr Sicherheit? Offensichtlich nicht. DIE LINKE postuliert, dass Kriminalitätsursachen aus einem gesellschaftlichen und individuellen Komplex entstehen. Das Konzept der LINKEN für mehr innere Sicherheit lautet daran anschließend: Eine gute Sozialpolitik bleibt die beste Kriminalitätsprävention.

(Horst Förster, AfD: Alle reinlassen vor allem.)

Hier kommen wir zum Kern des Problems, das die AfD grundsätzlich anders versteht, als es DIE LINKE tut. Es geht um die Lesart dessen, was auch den Sozialstaat im 21. Jahrhundert schützen wird.

Der Historiker Rolf Peter Sieferle hat es klar benannt: „Es wird irgendwann deutlich werden, daß eine Welt von no borders, no nations zugleich auch eine Welt von no welfare sein muß“, also ohne Grenzen kein Wohlstand.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Es ist unglaublich, dass nach den vielen Morden an jungen Frauen, der extrem gewachsenen Terrorgefahr und der in Italien und Österreich aus Sicherheitsaspekten eingeleiteten Asylwende hier im Landtag noch immer nicht der effektive Grenzschutz als Kernbestandteil von innerer Sicherheit verstanden wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Ann Christin von Allwörden, CDU)

Masseneinwanderung und Sozialstaat sind auch aus sicherheitspolitischen Gründen unvereinbar. Wenn die politische LINKE in diesem Hohen Haus mit ihrer These zur Kriminalitätsprävention ernst machen will, dann muss sie endlich die Debatte zum Migrationsproblem versachlichen und ihre ideologischen Blendgranaten daheimlassen.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Viel Hoffnung hierzu besteht allerdings nicht. Warum sonst wird Sahra Wagenknecht auf dem jüngsten Bundesparteitag ihrer Partei vorgeworfen, sie würde mit ihrer von der AfD kopierten Analyse die eigene Partei kaputtmachen? Eines haben die letzten Wochen dennoch gezeigt: Die AfD wirkt – von Seehofer bis Wagenknecht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Horst Förster, AfD: Genau.)

Und, liebe LINKE, wir wollen den freien Bürger in einem freien Land. Wir wollen Terror und Gewalt die gesellschaftspolitischen Grundlagen entziehen. Bleiben Sie endlich sachlich und diskutieren Sie mit uns in Ruhe im Ausschuss über die Ursachen der Gefahr sowie die infrage kommenden Antworten hierauf!

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Noch ein paar Sätze zu dem von Ihnen als Überwachungswahn dargestellten bayerischen Polizeiaufgabengesetz. Der Minister hat es auch schon ausgeführt, die bayerische Staatsregierung geht in ihrer Novellierung des PAG weiter als alle anderen Länder. So wurde etwa aus dem BKA-Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Begrifflichkeit der „drohenden Gefahr“ übernommen. Demnach soll die bayrische Polizei nicht mehr, wie bislang, eine konkrete Gefahr begründen müssen, bevor sie jemanden überwacht. Eine lediglich drohende Gefahr soll genügen. Die Polizei kann deshalb früher als bisher präventiv tätig werden, das allerdings nur, wenn bedeutende Rechtsgüter in Gefahr sind. Dazu gehören Gefahren für Leib und Leben, der Bestand des Landes oder die sexuelle Selbstbestimmung, aber auch Gefahren für erhebliche Eigentumspositionen oder Sachen, deren Erhalt im öffentlichen Interesse ist, wie etwa die Stromversorgung.

Sowohl bei der drohenden als auch bei der konkreten Gefahr geht es um präventive Maßnahmen, bevor eine Straftat begangen wurde. Dazu gehören auch verdeckte Ermittlungen, wie etwa das Abhören von Telefon oder Onlinedurchsuchungen. Diese müssen jedoch immer von einem Richter genehmigt werden. Die Kategorie der drohenden Gefahr senkt zwar die Eingriffsschwelle, tatsächlich rechtfertigen aber auch hier nur faktische Hinweise die jeweilige Maßnahme, die zudem unter Richtervorbehalt steht.

Ja, die Debatte ist sensibel. Deshalb fordern wir alle Parteien heute erneut auf, die Frage, ob entsprechende Maßnahmen in Mecklenburg-Vorpommern gesetzlich zu verabschieden sind, muss schnellstmöglich auf den Tisch des Innen- und Europaausschusses gelegt werden. Die Dringlichkeit ist für meine Fraktion unbestreitbar.

Professor Kyrill Schwarz hat bereits vor über einem halben Jahr in einer Stellungnahme an den Innenausschuss unseres Landes klar dargelegt, und ich zitiere: „… es existiert vielmehr eine nicht mehr nur theoretische Bedrohung bisher ungeahnten Ausmaßes, die den Staat in der Wahrnehmung seiner Schutzpflichten zwingt, im Interesse einer effektiven Terrorgefahr Grundrechte zu beschränken, um so die ihm anvertrauten Bürger zu schützen.“ Zitatende.

Und auch, wenn die Debatte zu dieser Position bundesweit noch nicht abgeschlossen ist, urteilte das Bundesverfas

sungsgericht in diese Richtung. Ich zitiere abermals: „Die Verfassung hindert den Gesetzgeber nicht grundsätzlich daran, die traditionellen rechtsstaatlichen Bindungen … auf der Grundlage … neuartiger oder veränderter Gefährdungs- und Bedrohungssituationen fortzuentwickeln. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit darf vom Gesetzgeber neu justiert, die Gewichte dürfen jedoch von ihm nicht grundlegend verschoben werden.“ Zitatende.

Es ist Zeit, die Debatte in den Gremien dieses Parlamentes ausführlich zu behandeln. Somit sollte auch nach dieser Aussprache klar sein: Der parlamentarische Weg der LINKEN ist die hysterische Warnung vor dem Überwachungswahn aus Bayern. Der Weg der AfD ist die Frage nach der Abwägung zwischen notwendig gewordenen Antiterrormaßnahmen und der Freiheit unserer Bürger, die für uns an erster Stelle steht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dachner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Ritter, zunächst einmal zu Ihrer Bemerkung wegen der Pressemitteilung: Solche wichtigen Presseinformationen mache ich immer schriftlich. Insofern will ich auch keine Kommentierung des letzten Artikels vornehmen. Allerdings habe ich mich schon gewundert, dass Sie mit Ihren reichlichen Erfahrungen diese Pressemitteilung so gewertet haben, wie Sie es gern hätten. Dies ist absolut falsch, muss ich bedauerlicherweise so sagen.

Ich bin Ihnen aber dennoch dankbar, Herr Ritter, dass Sie dieses Thema heute hier auf die Tagesordnung gebracht haben und vor dem Überwachungswahn nach bayerischem Vorbild warnen. Ob man nun von einem Überwachungswahn aus Bayern sprechen kann oder nicht, das möchte ich überhaupt gar nicht bewerten und kann ich auch nicht bewerten, aber ich glaube, das Folgen jeglicher Wahnvorstellungen ist immer gefährlich, ob sie aus Bayern kommen oder sonst woher.

(Horst Förster, AfD: Oder aus Berlin.)

Aber wir oder Sie sollten auch nicht vergessen, vor einer Unterbelichtung oder meinetwegen Unterschätzung der gegenwärtigen prekären Sicherheitslage zu warnen, die ja in dem drohenden Terrorismus besteht und keinesfalls weniger geworden ist.

Bei der Novellierung des SOG, glaube ich, zumindest so die SPD, suchen wir nach einer Balance zwischen der Wahrung der Freiheit der Persönlichkeitsrechte und natürlich der zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen, die sich aus dieser Gefahr des Terrorismus weiterhin ergeben. Diese Balance ist natürlich nicht einfach zu suchen und zu finden, dafür machen wir ja auch gemeinsam die Innenausschusssitzungen und Expertenanhörungen. Aber mittlerweile sehe ich zwei Lager, das eine – jetzt gucke ich mal nach rechts – meint, die gesamte Bedrohung kommt von Asylbewerbern und Ausländern,

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

und die andere Seite – da gucke ich mal nach links – meint, das ist der böse Staat, der die Freiheitsrechte

zumindest einschränken oder abschaffen möchte. Dabei sind, wenn man mal die Polizeigesetze der letzten 30 Jahre, 50 Jahre aus der Bundesrepublik betrachtet, die Eingriffsmaßnahmen der Polizei immer mehr reduziert worden, sie sind nicht erhöht worden, auf keinen Fall. Und wenn wir vor der Novellierung des SOG stehen, dann müssen wir sagen, in erster Linie auch dadurch, dass wir die Europäische Datenschutzgrundverordnung anpassen müssen, allein daraus ist schon kein Wahn zulässig und möglich, die Freiheitsrechte der Bürger und Informationsrechte der Bürger einzuschätzen oder einzuschränken. Da ist ein Wahn von vornherein schon ausgeschlossen.

Die Grundlage für die SPD bei der Novellierung unseres Gesetzes wird weitestgehend fast ausschließlich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum BKRGesetz abgeleitet sein. Auf andere Länder zu schauen, wie sie es gemacht haben, dürfte auch nicht verboten sein, aber parteipolitisch hört man ja meistens das, was man hören möchte, nämlich Onlineüberwachung und den Rechtsbegriff „drohende Gefahr“. Natürlich muss man dieses Wort und diesen unbestimmten Rechtsbegriff „drohende Gefahr“ gar nicht ins SOG aufnehmen, aber er stammt nun mal aus dem positiv geprägten Urteil der Verfassungsrichter, den hat sich niemand ausgedacht. Die Verfassungsrichter erwähnen dieses in ihrem Urteil mindestens 15- oder 18-mal. Ich will mich da gar nicht festlegen, ich will auch nicht zitieren, könnte es aber.

Natürlich ermöglicht die „drohende Gefahr“ der Polizei, eher einzuschreiten als bisher bei konkreter Gefahr. Nun kann man dieses Wort weglassen, aber die Prävention und den präventiven Eingriff wird es garantiert geben müssen. Welche Maßnahmen sonst?! Und das ist ausschließlich auch so geurteilt worden bei terroristischen Gefahren. Es wurde hier schon gesagt, es trifft nur dann zu, wenn es um schwere Straftaten geht, Verletzung von Leib und Leben, sexuelle Selbstbestimmung und natürlich, wenn besondere Güter des Staates und der Gesellschaft gefährdet sind, wie zum Beispiel Wasserwerke und andere. Das erinnert mich manchmal so ein bisschen an den Kalten Krieg. Da wurden nicht nur im Osten Deutschlands diese wichtigen sensiblen Zentren besonders durch die Polizei in Augenschein genommen, aber wir haben es hier mit einer hinterhältigen terroristischen Bedrohung zu tun, und das ist wahrscheinlich – nicht von mir, sondern im BKA-Gesetz nachzulesen – wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden.

Ich will Ihnen vielleicht an einem Beispiel die Kompliziertheit der polizeilichen Arbeit sichtbar machen. Wenn ein angetrunkener Kraftfahrer, der erkennbar angetrunken ist, in sein Auto steigt, ist es dann eine konkrete Gefahr oder ist das eine drohende oder abstrakte Gefahr?

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Das muss der Beamte erst mal beurteilen. Niemandem ist es ja verwehrt, in sein Auto zu steigen, dort zu telefonieren, ob er nach Hause zu Fuß gehen oder überhaupt kommen darf, oder ob er seinen Rausch in seinem Auto ausschlafen will. Das war schon immer ein Knackpunkt. Also die präventive Ansprache gab es auch vorher schon von der Polizei, aber wenn der Bürger mit dem Polizisten nicht sprechen will, dann hört er eben nicht hin, setzt sich in sein Auto, liest oder schläft. Wo beginnt jetzt die konkrete Gefahr? Gut, meistens hat man gesagt, dann, wenn er seine Handbremse löst oder den Zündschlüssel nimmt,

aber heute hat keiner mehr einen Zündschlüssel. Wo beginnt sie? Und wenn die neue Situation eintrifft, dass das Fahrzeug mit dieser Person dort parkt, dieser Fahrer in alkoholisiertem Zustand ist, bei Großveranstaltungen, vielleicht noch mit politischem Charakter oder andere und noch undefinierbare Schwierigkeiten dazukommen, die allein der Polizeibeamte beurteilen muss, wann soll er dann einschreiten?

Ich könnte Ihnen noch ein anderes Beispiel nennen, wo drei Schüsse auf einen Polizisten in Neubrandenburg vor 15 Jahren abgegeben wurden, aber dafür reicht jetzt die Zeit nicht. Also wo beginnt die präventive Maßnahme der Polizei bei terroristischer Abwehr oder zumindest bei dem Verdacht? Wir müssen der Polizei auch Handwerksmaterial in die Hand geben, damit sie den Bürger vor solchen Angriffen präventiv schützen kann und auch muss.

Sicherlich, das wurde ja auch gesagt, werden die Dinge, bei denen immer gerade bei der Onlineüberwachung natürlich alle politischen Alarmglocken läuten, übersehen und es wird gar nicht gesagt, dass zum Beispiel bei verdeckten Ermittlungen, Telefonüberwachung und Onlinedurchsuchung auf den Richtervorbehalt abzustellen ist und dass eine – das muss natürlich auch gesagt werden, im BKA-Urteil nachzulesen, dass das bei solchen Erkenntnissen über Telefonüberwachung mit präventivem Charakter festgestellt werden muss – unabhängige Stelle überhaupt prüfen muss, ob die Polizei diese weiterverwenden darf. Also Sie müssen nicht immer so tun, als wenn der Bürger irgendwelchen Maßnahmen ausgeliefert ist. Das ist er eben im Rechtstaat nicht, und deshalb ist Panikmache hier vollkommen fehl am Platze.