Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Richterbund hat öffentlich Kritik an der Ministerpräsidentin geübt, und da finde ich es gut, dass wir heute zwei Oppositionsanträge haben, die das Thema in den Landtag tragen. Das bietet die Möglichkeit, hier mit sachlichen Hinweisen auf die Rechtslage öffentlich geradezurücken, was da an abwegigen Vorwürfen geäußert worden ist. Es geht um drei Punkte: die Kompetenzen der Ministerpräsidentin in Bezug auf Richter überhaupt, die bundesweite Ausschreibung für Spitzenämter in der Justiz und die Frauenförderung.
Wir haben eben schon gehört, die Kompetenzen der Ministerpräsidentin in Bezug auf Richter sind verfassungsrechtlich klar geregelt. Artikel 48 der Landesverfassung bestimmt, die Ministerpräsidentin ernennt die Beamten und Richter. In dem hoch anerkannten Kommentar zu unserer Landesverfassung können Sie zu Artikel 48 nachlesen, dass Ernennung und Einstellung keine bloße Formsache sind, sondern in den Befugnissen enthalten sind das Recht zur Personalauswahl – nach dem Prinzip der Bestenauslese selbstverständlich – und zur Gestaltung der Verfahren, wie diese Auswahl zu erfolgen hat.
Die Ministerpräsidentin kann, wie hier geschehen, die Befugnisse übertragen, sie muss allerdings weiterhin für die Personalwirtschaft die volle Verantwortung behalten.
Sie kann deshalb jederzeit wieder Regelungen treffen, wie das zum Beispiel regelmäßig vor Wahlen passiert, indem sie einen Beförderungsstopp erlässt. Das wird, glaube ich, jedem einleuchten.
Das Gleiche gilt für Äußerungen zu der Frage, ob die höchsten Ämter in der Justiz des Landes bundesweit ausgeschrieben werden sollten. Die Ministerpräsidentin bewegt sich mit solchen Anregungen im Kernbereich ihrer verfassungsrechtlichen Rechte aus Artikel 48. Und sie spricht damit ganz sicher keine rechtswidrige Handlungsweise an. Wir haben das eben von der Justizministerin gehört.
Herr Dr. Manthei, Sie haben ja mehrfach zitiert, dass die Beförderung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erfolgt, und haben dann trotzdem davon gesprochen, dass es problematisch sei, bundesweit auszuschreiben. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, dass das, was Sie zitiert haben, aus Artikel 33 ist. Juristen sollten Vorschriften immer vollständig lesen, in diesem Fall ist es sehr interessant. Also danach ist es so, dass Artikel 33 Absatz 2 jedem Deutschen in jedem Bundesland gleiche Rechte gibt – und jetzt kommts – und nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung „gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“. Das bedeutet – das, was Sie zitiert haben –, dass ganz selbstverständlich ist, dass die bundesweite Ausschreibung eigentlich der von der Verfassung vorgesehene Regelfall ist.
Jetzt kann man natürlich im Wege der Ermessensentscheidung zu anderen Überlegungen kommen – das ist hier im Land der Fall –, dass es andere gewichtige Interessen gibt, zum Beispiel die Umsetzung des Personalkonzeptes oder auch eben die Frage, dass es ein Personalkonzept gibt, das alle Richterinnen und Richter kennen, und dass sie sich dann auch darauf verlassen können müssen.
Ich will noch einen Satz vielleicht sagen zu der Motivation, die hier angesprochen ist, bei Richterinnen und Richtern. Da ist es so – ich habe jetzt kein Zitat, weil mich die Frage überrascht hat –, aber da ist es einfach so, dass die Besoldungssituation für Beamte und Richter sehr unterschiedlich gestaltet ist, und zwar mit dem Hintergedanken, dass Richter möglichst nicht auf eine Beförderung schielen sollen. Die beginnen mit einem Gehalt, das etwa A13 entspricht, und enden mit einem Gehalt, das A15 entspricht. Also die normale Beförderung für Beamte, die die Motivation fördern sollen, wird für Richter so nicht geplant. Das ist nicht das, was es ist.
Jetzt zurück: Die Argumente, dass man sagt, wir verzichten auf eine bundesweite Ausschreibung, die verlieren aber, meine ich, deutlich an Gewicht, wenn es um die Besetzung der absoluten Spitzenämter geht. Da, meine ich, sollte das Land nicht darauf verzichten, den oder die Beste aus ganz Deutschland zu bekommen.
Meine Damen und Herren, wenn das alles so eindeutig und klar ist, ist natürlich die Frage, wie kann denn dann der Richterbund zu diesen Anwürfen und Angriffen kommen. Und da, denke ich, haben wir einfach ein grundsätzliches Problem, das einmal deutlich angesprochen werden muss. Der Richterbund ist die Interessenvertretung der im Richterdienst des Landes Beschäftigten. Er betreibt selbstverständlich Lobbyarbeit und er ist dabei noch nie zimperlich gewesen. Das muss er auch nicht sein. Da ist er im Grunde wie jede Gewerkschaft, die einfach das Beste für ihre Leute herausholen will. Der Richterbund untermauert seine Forderung aber regelmäßig damit, dass sonst die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr sei.
Das ist ein durchaus geschickt aufgebauter moralischer Druck: hier die Politik, die unter Generalverdacht gestellt wird, rechtswidrig geheimnisvolle Ziele zu verfolgen, dunkle Ziele zu verfolgen, und da die unabhängige Justiz, die höchstes Ansehen verdient.
Und das klappt ja ganz gut in der Öffentlichkeit. Es ist offensichtlich gelungen, den Kampfbegriff „Unabhängigkeit der Justiz“ fest zu verankern. Der wird ja auch von der Opposition hier bedenkenlos gebraucht. Mir liegt daran, heute einmal sehr deutlich zu sagen, dass dieser Begriff inhaltlich falsch ist. Die Justiz nimmt damit etwas für sich in Anspruch, das ihr nicht zusteht. Zur Justiz zählen die Gerichte der unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten, die Staatsanwaltschaft, der Justizvollzug, die sozialen Dienste der Strafrechtspflege, die Justizverwaltung. Unabhängigkeit genießen ausschließlich die Richterinnen und Richter. Nur sie sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.
Bei dem Justizvollzug, den sozialen Diensten und der Verwaltung ist das offenkundig, aber auch die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind nicht unabhängig, sondern sie sind Teil der Behörde. Ihre Arbeit unterliegt der Aufsicht durch den Behördenleiter und letztlich durch den Generalstaatsanwalt. Daran muss man immer mal wieder erinnern.
Die auf die Richter beschränkte Unabhängigkeit ist kein individuelles Grundrecht. Das ist eine Pflicht, der jeder Richter zu genügen hat, und sie gilt ausschließlich für die Entscheidungsfindung in den konkreten Einzelfällen, in denen er der gesetzliche Richter ist oder sie, und nicht etwa für alles,...
... und es gilt nicht etwa für alles, was sie sonst noch so sagen. Die richterliche Unabhängigkeit ist kein persönliches Privileg. Sie verleiht keine Unfehlbarkeit, weder bei der Entscheidung in dem Fall, wo sie zuständig sind, noch erst recht, wenn sie sich außerhalb ihrer eigentlichen Rechtsprechungstätigkeit zu Wort melden. Wenn der Richterbund bei seinen Angriffen so tut, als sei die richterliche Unabhängigkeit – darum kann es ja nur gehen – in Gefahr, wenn nicht in seinem Sinne gehandelt wird, wenn zum Beispiel die lukrativsten Beförderungsposten im Land nicht ausschließlich den von ihm vertretenen, im Land bereits tätigen Richtern vorbehalten bleiben, dann reklamiert er damit richterliche Unabhängigkeit in einem Bereich, der eindeutig – wir haben eben etwas zur Gewaltenteilung gehört –, der eindeutig der vollziehenden Gewalt, der Regierung, zugeordnet ist
Und, meine Damen und Herren, ich halte es für ein Alarmsignal, wenn der Richterbund die Wahrnehmung der verfassungsmäßigen Rechte, die Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrages durch die Ministerpräsidentin als, ich zitiere, „rechtsstaatswidrige Einflussnahme“ kritisiert oder wenn er sich gegen, Zitat, „jegliche Einflussnahme bei der Besetzung von Spitzenämtern in der Justiz“ verwahrt. Diese sehr scharfe Kritik stellt eine völlige Verdrehung der Rechtslage dar. Das ist eine Missachtung der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes und im Grunde eine Missachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung. Der Richterbund sollte seine Haltung dringend überprüfen, und ich denke, eine klarstellende Entschuldigung wäre sehr angebracht.
Zur Frauenförderung. Die Ministerpräsidentin beziehungsweise die von ihr beauftragte Justizministerin müssen bei den einzelnen Beförderungsentscheidungen die Beurteilungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber selbstverständlich als gegeben hinnehmen.
Diese Beurteilungen werden verfasst von den vorgesetzten Richtern, die damit entscheidenden Einfluss auf die einzelne Auswahlentscheidung haben. Aber die Ministerpräsidentin trägt weiter die Verantwortung für das richtige Auswahlverfahren insgesamt, für das richtige Verfahren, wie man die Besten ermittelt. Deshalb ist es ihre Aufgabe, zusammen mit der von ihr beauftragten Justizministerin das gesamte Fördersystem, das gesamte Beförderungssystem zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu ordnen, wenn es offensichtliche Mängel aufweist, wie das bei der Besetzung von Spitzenämtern in der Justiz mit Frauen deutlich geworden ist. Das ist der Hintergrund, weshalb die Ministerpräsidentin gleiche Beförderungschancen in der Justiz angemahnt hat.
Das ist übrigens nicht nur eine von Manuela Schwesig besonders engagiert verfolgte politische Idee, das sicherlich auch, aber vor allem erfüllt die Ministerpräsidentin damit einen entsprechenden klaren Verfassungsauftrag. Nach Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes hat der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung – die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung! – von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Das ist ihre Aufgabe. Und in der Justiz des Landes ist es um die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen vielleicht doch nicht zum Besten bestellt. Offenbar gibt es doch, das ist hier ja auch angeklungen, Hindernisse, ernst zu nehmende Hindernisse, über die wir dringend reden müssen, die man dringend beseitigen müsste. Zwar gibt es immer die Möglichkeit, schönzurechnen, wie viele Frauen schon in der Justiz sind und was wir schon alles machen, aber nehmen Sie nur einmal die wichtigsten und einflussreichsten Behördenleiter in den beiden Bereichen, in denen jetzt die Spitzen neu zu besetzen sind, ordentliche Justiz und Staatsanwaltschaft. Die Präsidenten des Oberlandesgerichts und der vier Landgerichte, der Generalstaatsanwalt und die vier Leiter der Staatsanwaltschaften – zehn absolute Spitzenämter, zehn Männer. Auch in den höchsten Ämtern mit reiner Rechtsanwendung ohne Verwaltungsanteil ist das Verhältnis Mann/Frau auf Dauer sicherlich nicht hinnehmbar.
Und, Herr Förster, das liegt nicht an der fehlenden Einstiegsqualifikation, das kann es nicht, denn die Frauen weisen im Durchschnitt, wenn sie in den Landesdienst kommen, bessere Examina auf als Männer.
Dann kann man doch nur sagen, wenn sie am Ende auf der Strecke bleiben, gestaltet sich ganz offenbar der Berufsalltag in der Justiz des Landes höchst nachteilig für Frauen. Und dann muss man da hinschauen in dieser Situation. Dass man da das ganze System der Förderung und Beförderung auf den Prüfstand stellt, dass man sich um die offenkundig bestehenden strukturellen Benachteiligungen – einige sind hier angesprochen worden – kümmert, dass man die möglichst weitgehend abbaut, dass man kluge Förderinstrumente entwickelt, dass man nicht eine Frau befördert, weil sie eine Frau ist, das ist völlig albern, sondern kluge Förderinstrumente entwickelt, die es auch Frauen ermöglichen, die notwendige Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu erwerben, das zu tun, das ist kein Verstoß gegen die Verfassung, gegen Artikel 3, wie jetzt manche glauben, ganz im Gegenteil, es ist die Erfüllung des besonderen Verfassungsauftrages aus Artikel 3 Absatz 2.
Meine Damen und Herren, die Benachteiligung von Frauen in der Justiz hat eine lange Geschichte. Beim Vierten Deutschen Richtertag in Leipzig wurde noch darüber abgestimmt, ob Frauen – daran musste ich eben denken, als Sie gesprochen haben –, ob Frauen überhaupt Richterinnen werden können. Darüber wurde abgestimmt.
Die höchsten Juristen des Landes und Richter waren da. Es wurde abgestimmt, und 248 : 2 wurde gesagt, also Frauen können nicht Richterinnen werden. Darüber wurde stundenlang diskutiert. Das Hauptargument war, Frauen sind im Unterschied zu Männern einfach nicht in der Lage, abstrakt und sachlich zu denken und ihre Gefühle zu beherrschen.
Das war – zum Glück, kann man da sagen – 1921. Der Deutsche Richterbund war damals treibende Kraft dieser rückwärtsgewandten Sicht.
dass die Distanz von 100 Jahren vielleicht nicht vollständig überwunden ist. Auch manche Äußerungen, die wir eben hier gehört haben, sind so.
Jetzt zu einem ganz ernsten Punkt. Manche Aussagen hören sich so an, als könnten Sie sich Frauenförderung nur vorstellen als eine rechtswidrige Bevorzugung von Frauen. Wer das denkt, der muss, glaube ich, sein Frauenbild mal überprüfen.
In den beiden anderen staatlichen Gewalten sieht es zum Glück deutlich besser aus. Hier im Landtag, was wir hier ständig erleben: drei Frauen an der Spitze. In der Exekutive die Ministerpräsidentin, drei Ministerinnen, drei Staatssekretärinnen, eine deutlich zunehmende Zahl an Abteilungsleiterinnen. Das ist eine gute Bilanz und sie zeigt, dass man an diesem Problem arbeiten kann.
Meine Damen und Herren, ich hatte eben gesagt, der Richterbund – und das ist ja von manchen hier geteilt worden – hat in drei Punkten Kritik geübt. Wir können also in diesen drei Punkten sagen, es gibt eine klare Rechtslage, die geäußerte Kritik ist einfach juristisch abwegig. Ich muss aber sagen, was mir Sorge macht, ist, mit welch verletzender Schärfe und mit welch völlig abwegigen Unterstellungen die Diskussionen der letzten Wochen aufseiten des Richterbundes geführt worden sind. Einzelne Richter und Staatsanwälte haben den Richterbund dabei in peinlicher Weise, finde ich, unterstützt, darunter ein BeinaheJustizminister – glücklicherweise nur beinahe, kann man sagen, wenn man liest, was er da von sich gegeben hat.