Protokoll der Sitzung vom 24.10.2018

Die Bedürfnisse von Blinden, Seh- und Hörgeschädigten beziehungsweise von Menschen mit anderen Handicaps liegen uns sehr am Herzen. Die Anwendungsfähigkeit von digitalen Angeboten wie Websites und mobile Anwendungen werden für Behinderte auch immer wichtiger. Da ist die Umsetzung der vorliegenden EU-Richtlinie nur sinnvoll. Wie im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, werden Gesetze zur Gleichstellung ständig an die Richtlinien der Vereinten Nationen und der Bundesgesetzgebung angepasst und natürlich auch an die Richtlinien der EU. Es ist zu erwarten, dass die Bedeutung der digitalen Verwaltung und der digitalen Anwendungen, die von öffentlichen Stellen angeboten werden, weiter ansteigen wird. So ist es auch richtig, dass die Finanzierung durch Mittel aus dem Maßnahmenplan Digitalisierung gedeckt wird. Das Geld ist sinnvoll angelegt und das verfolgte Ziel sollte es uns wert sein.

Nur mit einer konsequenten Durchführung von barrierefreier Gestaltung der digitalen Anwendungsbereiche kann in Zukunft noch gleichberechtigte Teilhabe an Informationen und Dienstleistungen gewährleistet werden. Deshalb ist auch wichtig, dass es eine nicht mehr aufzuschiebende Pflicht gibt, die Barrierefreiheit in diesem Bereich durchzusetzen. Eine einzuführende Überwachungsstelle des Landes und der einzuführende Feedback-Mechanismus werden dafür sorgen, dass sich digitale Angebote für Menschen mit Behinderungen verbessern.

Die Regierungskoalition aus CDU und SPD tut viel, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen voranzutreiben. Dies ist eine Mammutaufgabe, die von uns wahrscheinlich nicht nur eine Maßnahme erfordert. Gerade in der letzten Sitzung hat der Landtag der Einführung eines „Tages der Menschen mit Behinderungen“ sein Ja gegeben. Allein die Problematik der Barrierefreiheit dieses Raumes hier, des Plenarsaals, lässt aber erahnen, wo überall Hürden lauern, die Menschen nicht überwinden können. An diesem Beispiel lässt sich demonstrieren, wie schwer es für einen Menschen ohne Beeinträchtigungen ist, die Hürden zu sehen und auch herauszufinden, was notwendig ist, um diese zu beseitigen.

Menschen mit Behinderungen bleiben politisch nicht ungehört in der Bundesrepublik. Auch in MecklenburgVorpommern befinden sich Menschen mit Handicap in der Mitte der Gesellschaft, und um hier weiterzukommen, ist diese kleine Novelle des Gleichstellungsgesetzes richtig. Wer auf Augenhöhe auch und gerade durch digitale Möglichkeiten kommunizieren kann, kann wieder ein

Stück mehr als gleichgestellt betrachtet werden, und das wird sicherlich auch entsprechende Auswirkungen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Sinne freue ich mich, dass wir jetzt in die Phase des parlamentarischen Verfahrens zum Behindertengleichstellungsgesetz kommen. Wir stimmen der Überweisung selbstverständlich zu. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Peter Ritter, DIE LINKE – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Linksfraktion ist sehr geprägt durch die Zeit, die wir, dieses Thema betreffend, zusammenarbeiten durften mit unserer vormaligen Kollegin Irene Müller. Sie war aufgrund einer Erkrankung erblindet, ist hier als Frau mit Handicap damals ins Parlament eingezogen und hat uns viele Dinge zum Nachdenken mit auf den Weg gegeben und hinterlassen. Ein prägender Satz war: „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert.“

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das ist so ein Punkt, immer, wenn das Thema relevant ist hier im Landtag, dass wir daran erinnert werden. Insofern begrüßen wir jede, wirklich jede Aktivität, die dahin wirkt und Wirkung entfaltet, dass es eben keine Barrieren gibt, keine Ausgrenzung, keine Behinderung in dem Sinne,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Deswegen habt ihr auch den Gebärdensprachenantrag abgelehnt?!)

wie Irene Müller das seinerzeit mal angesprochen hat.

Nun haben wir den von der Ministerin eingebrachten Antrag vorliegen und müssen mit Bedauern feststellen, dass da einiges zu kritisieren ist. Zum wiederholten Male – das hat hier schon eine Rolle gespielt – werden Rechtsetzungen der Europäischen Union zu spät durch unsere Landesregierung umgesetzt und zunächst hier auch zu spät vorgelegt.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Das ist von der Frau Ministerin dargelegt worden, dass am 2. Oktober 2016 diese Richtlinie in Kraft trat. Wir hatten auch als Land Mecklenburg-Vorpommern bis zum 23. September dieses Jahres Zeit, diese Regelung umzusetzen. Jetzt haben wir Mitte Oktober und wenn wir das Verfahren dann mal vorausschauend bedenken, werden wir realistischerweise voraussichtlich im Frühjahr 2019 – ich sage mal, März 2019 – in einer Zweiten Lesung das Verfahren abschließen können. Das ist nicht in Ordnung und die Landesregierung muss sich befleißigen. Es geht nicht an. Die Zeiträume, die die Europäische Union für solche Regelungen eröffnet, sind hinreichend.

Frau Friemann-Jennert sagte ja, es handelt sich um eine kleine Novelle. Das ist das nächste Übel aus unserer Sicht. Warum eigentlich eine kleine Novelle? Die UNBehindertenrechtskonvention hat uns viele Dinge ins Stammbuch geschrieben, die wir bedenken sollten und die in eine solche Novelle eigentlich hineingehören. Also,

auch das ist ein Punkt, den wir aufrufen werden in der Behandlung dieses Gesetzentwurfes, wenn er dann in den Ausschüssen eine Rolle spielen wird.

Zu den Inhalten: Es ist begrüßenswert, wenn die Regelungen ausgeweitet werden, wenn es Verbesserungen gibt bei der Inanspruchnahme von Websites und anderen mobilen Möglichkeiten, insbesondere für Nutzerinnen und Nutzer mit Handicap. Aber es gibt drei Dinge, die uns verärgern an dieser Stelle.

Erstens. Warum sind hier nur öffentliche Institutionen angesprochen und in die Pflicht genommen? Ja, man kann sagen, mehr gibt die Richtlinie der Europäischen Union nicht her. Gleichwohl können wir doch mehr leisten,

(Egbert Liskow, CDU: Wir wollen aber nicht mehr.)

können wir mehr einfordern, zum Beispiel, Herr Liskow, von der Privatwirtschaft. Die Privatwirtschaft gehört dazu.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Nein, ich sage …

Ja, Sie sind ja Vertreter der kleinen Leute, wie ich höre.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Eben.)

Die Privatwirtschaft...

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Der Mittelstand gehört eben genau auch dazu.)

Alle gehören dazu,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das konnte er in seinem Redebeitrag nicht so darstellen.)

alle gehören dazu, wenn wir Barrierefreiheit erreichen wollen, und die Privatwirtschaft auch. Ich finde, das ist hier vorhin locker durchgegangen, dass beim Nachtragshaushalt darüber gesprochen wurde, dass die privaten Unternehmen 40 Millionen Euro zusätzliche Förderung bekommen sollen für Digitalisierung. Wir finden, das ist erst mal in Ordnung. Aber sind daran nicht auch Verpflichtungen geknüpft, zum Beispiel zur Herstellung von Barrierefreiheit? Wir finden schon. Also die Förderung zu bekommen, um sich gut aufzustellen, ist die eine Seite der Medaille,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

die andere ist, dann aber auch dafür zu sorgen, dass Angebote barrierefrei nutzbar sind. Das ist der erste Punkt.

Ein zweiter Punkt, der uns zu schaffen macht, ist die hier angesprochene Überwachungsstelle. Aus dem Gesetz geht nicht hervor, Frau Ministerin – das haben wir jetzt gerade erst durch Sie erfahren –, dass die Überwachungsstelle bei Ihnen angesiedelt sein soll. Dass Sie sich damit beschäftigen, das ist gut, aber das gehört doch irgendwie ins Gesetz. Und im Übrigen, mit der Überwachungsstelle gehen ja nicht nur die damit verbundenen Kosten einher. Das haben wir gerade gehört, dass das noch eine Rolle spielen wird. Die Frage ist doch auch die: Mit welchen Mitteln und Möglichkeiten wird diese

Überwachungsstelle denn ausgestattet? Hat sie überhaupt Möglichkeiten der Sanktionierung? Und wie wollen wir das dann letztendlich auch begleiten?

Das ist ein nächster Punkt, der sich daraus ableitet. Wenn Sie sich mal anschauen, in dem neu gefassten Paragrafen 13 Absatz 5 sind eine ganze Reihe von Punkten aufgelistet, aus denen sich ergibt, was alles über Rechtsverordnungen geregelt werden soll. Na klar ist Rechtsverordnung ein entsprechendes Instrument, wenn man Flexibilität herstellen will. Das hatten wir vorhin gerade gehört im Zusammenhang mit dem Entwurf des Landespflegegesetzes, aber hier ist sehr viel über Rechtsverordnung zu regeln, das ist das Vorhaben, und alles, was mit Rechtsverordnungen einhergeht, das wissen wir, entzieht sich unserer unmittelbaren Einflussnahme. Wie wollen wir dann sicherstellen, dass die UNBehindertenrechtskonvention auch wirklich vollumfänglich umgesetzt wird, wenn das alles sozusagen ausgeparkt wird?

Also das ist ein Punkt, der wird uns in der Anhörung noch beschäftigen, und dann natürlich der Punkt, der in dem jetzt geltenden Gesetz auch schon misslich ist, nämlich der umfängliche Finanzierungsvorbehalt. Da können sich Institutionen, das ist ja auch beschrieben, mindestens zwei Ministerien zusammentun und können dafür Sorge tragen, dass man das Gesetz über einen gewissen Weg dann wieder aushebelt. Das wollen wir alles nicht.

Abschließen möchte ich damit, dass ich gesagt habe, warum eigentlich nur eine kleine Novelle. Es ist ein guter Zeitpunkt zu sagen, wir beschäftigen uns auch mal mit grundsätzlichen Dingen, nämlich mit Definitionen. Wenn Begriffe nicht klar sind, stolpert man ja über jeden einzelnen Stock oder jedes Hindernis, das sich einem in den Weg legt, und insofern sind Definitionen und eine Klarheit über Definitionen ungeheuer wichtig.

Eine solche ist zum Beispiel die im Landesbehindertengleichstellungsgesetz zu verankernde Definition eines Behindertenbegriffs. Der ist, wenn wir nachschauen, immer noch defizitär medizinisch geprägt und ausformuliert. Die UN-Behindertenrechtskonvention weist aber darauf hin, dass Behinderungen etwas mit Wechselwirkungen zwischen Individuum und Gesellschaft zu tun haben. Insofern muss der Behindertenbegriff auch novelliert werden. Gleiches trifft auf die Definition von Barrierefreiheit zu. Die stimmt nämlich im jetzigen Gesetz auch nicht mehr. Barrierefreiheit heißt nicht wörtlich „zugänglich für Menschen mit Behinderungen“, sondern es geht um Design, den Nutzen und die Zugänglichkeit für alle Menschen. Barrierefreiheit in jeglicher Hinsicht muss viel vehementer im Gesetz gefordert werden. Dafür stehen wir, dafür werden wir streiten als LINKE. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Erst mal kann man zu dem Thema ja bemerken, dass auf der Ebene der Europäischen Union, auch was den Bereich der Behindertenpolitik angeht, Dinge aufgegriffen und unternommen werden und dass die Umsetzung dieser Richtlinie dazu führt, dass künftig in der Europäischen Union Menschen mit

Behinderungen, wahrscheinlich in erster Linie mit Sehbehinderungen oder auch mit Hörbehinderungen, die Möglichkeit haben, das Thema „Internet und mobile Angebote“ so zu nutzen, dass sie ohne fremde Hilfe damit umgehen können. So, das hat die Europäische Union gut gemacht. Das will ich gerne mal an die AfD adressieren, weil das sind ja diejenigen, die ansonsten an der Europäischen Union kein gutes Haar lassen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen war der Redebeitrag auch so bescheiden.)

Ja, wobei, Herr Ritter, ich will hier keinen Dialog führen, aber von dem Abgeordneten der AfD, der hier gesprochen hat, habe ich bisher während der ganzen Parlamentszeit nur bescheidene Redebeiträge gehört, also was Substanzielles war bisher da nicht zu vernehmen, und das ist natürlich auch heute nicht gekommen.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Enttäuscht bin ich darüber nicht, weil ich nichts anderes erwartet habe.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Also die Europäische Union macht Dinge,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: „Guten Tag“ sagen kann er auch nicht.)

die letztendlich Bevölkerungsgruppen, hier den Menschen mit Behinderungen, wirklich nutzen und denen entgegenkommen.