Protokoll der Sitzung vom 10.01.2017

Nö, die haben wir schon in der Tasche. Jaja, na klar.

(Zuruf aus dem Plenum: Ich hab noch keinen gekriegt.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Ihnen noch immer nicht klar ist, wie angreifbar wir geworden sind, wenn Sie immer noch nicht einsehen wollen, dass jetzt Geld in die Hand genommen werden muss,

(Jochen Schulte, SPD: Ist Ihnen eigentlich klar, wie viel diese Debatte kostet, ohne dass Sie einen einzigen konkreten Vorschlag machen?!)

wenn Sie noch immer nicht verstehen, dass die Bürger mehr verdient haben als ständig gebrochene Wahlversprechen, wenn Sie noch immer glauben, der Terrorkelch geht an Mecklenburg-Vorpommern vorbei, bleibt Ihnen nur eine Möglichkeit, um den Rest Ihrer Glaubwürdigkeit zu behalten: Schaffen Sie die Personenkontrollen hier im Landtag ab! – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Anschlag in Berlin hat uns alle fassungslos gemacht und erschüttert, meine Vorredner haben dies bereits deutlich gemacht. Und dem möchte sich meine Fraktion und möchte ich mich ausdrücklich anschließen.

Aber – und so können Sie es den Worten des Innenministers heute, aber auch in den vergangenen Wochen entnehmen und so können Sie es den Pressemitteilungen zur Sicherheitslage der letzten Monate entnehmen – in Deutschland bestand bereits vor dem Anschlag in Berlin

eine sogenannte „abstrakte Terrorgefahr“. Deutschland mit seiner demokratischen Kultur und seiner toleranten Lebensweise ist ein potenzielles Ziel des Terrorismus. Deutschland ist das Sinnbild für Demokratie, für christliche Religion, aber auch für Religionsfreiheit. Damit sind wir Zielscheibe für Menschen, die eben diese – unsere! – Lebensweise ablehnen. Deshalb waren wir in den vergangenen Jahren Angriffsziel und deshalb werden wir es wohl auch zukünftig leider bleiben.

Die Polizisten, Verfassungsschützer und politischen Verantwortungsträger wissen dies und haben das auch im Vorfeld der Weihnachtsmarkteröffnung öffentlich angesprochen und darauf hingewiesen. Gut besuchte Weihnachtsmärkte mit ihrem religiösen Hintergrund und vielen potenziellen Opfern gelten bereits seit dem Jahr 2000, seitdem eine algerische Schläferzelle den Straßburger Weihnachtsmarkt ins Visier nahm, als bevorzugte Ziele für islamistischen Terror. Deshalb haben sowohl der Bundesinnenminister als auch seine Kollegen in den Ländern im Vorfeld der Weihnachtszeit darauf hingewiesen, dass die Lage ernst sei, es aber keinen Grund zur Panik gebe.

Aus diesem Grund wurden auch in Mecklenburg-Vorpommern die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort verschärft, so wie auch bereits die Jahre zuvor, denn diese abstrakte terroristische Gefahr besteht nicht erst seit dem Jahr 2016, so, wie Sie es hier mit Ihrem Antrag für die heutige Sondersitzung suggerieren. In Deutschland hat es vor Berlin seit dem Jahr 2000 mindestens 15 Anschläge oder Anschlagsversuche gegeben. Die meisten konnten verhindert werden oder schlugen fehl. Daran kann man sehen, dass unsere Sicherheitsbehörden nicht überlegen, wie zu handeln ist, sondern dass sie handeln.

Diese Terrorgefahr kann deshalb auch nicht mit der Flüchtlingskrise gleichgesetzt werden. Die Sauerland-Gruppe bestand bis zum Jahr 2007. Der Weihnachtsmarkt in Straßburg sollte im Jahr 2000 Anschlagsziel werden. Ich hatte es bereits erwähnt. Die Kofferbomber von Köln agierten 2006. Das sind alles terroristische Anschläge weit vor der Flüchtlingskrise und alles Anschläge oder Anschlagsversuche im Namen von Al Kaida oder IS.

Die Gefahr eines terroristischen Anschlags in Deutschland gibt es schon seit Jahren. Deshalb ist das Bewältigen von Terrorlagen nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in ganz Deutschland fester Bestandteil von Aus- und Fortbildung der Einsatzkräfte, insbesondere auch der Polizei. Aber auch Krankenhäuser haben sich darauf eingestellt. Nach dem Anschlag wurde in Berlin in den Krankenhäusern der Katastrophenfall ausgerufen. Allein in den beiden größten Krankenhäusern der Stadt waren jeweils 1.000 Menschen an medizinischem Personal im Einsatz. Vor Ort am Breitscheidplatz waren 500 Beamte beziehungsweise Helferinnen und Helfer im Einsatz. Die Handelnden vor Ort in Berlin haben professionell agiert. Das zeigt, dass Polizei, Einsatzkräfte und Ärzte aufgrund der eingeschätzten Sicherheitslage definitiv vorbereitet sind.

Und unsere Aufgabe als politisch Verantwortliche ist es, denjenigen, die sich beruflich mit Terroristen beschäftigen müssen, denjenigen, die sich zum Beruf gemacht haben, unsere Lebensweise gegen Angriffe zu schützen, denen müssen wir eine Ausstattung zukommen lassen, damit sie ihre Aufgabe zuverlässig erledigen können. Das bedeutet mehr Personal im Sicherheitsbereich, eine

Sicherheitsausrüstung auf dem neusten Stand und hervorragende technische Unterstützung.

Wir sind dort, was Mecklenburg-Vorpommern angeht, auf einem sehr guten Weg. Im Haushalt 2016/2017 wurden gerade die Gelder für ballistische Helme, Schutzwesten und andere Schutzausstattungen und Ausrüstungsgegenstände bereitgestellt. Und angesichts der Sicherheitslage wird meine Fraktion weiterhin darauf drängen, die Sicherheitsausrüstung der Polizisten noch weiter zu verbessern. Das ist gut investiertes Geld.

Aber wir müssen eben auch die Ermittlungsmöglichkeiten verbessern. Ich habe keine Lust mehr auf Diskussionen über Videoüberwachungen auf öffentlichen Plätzen und den Spruch: Eine Videokamera hat noch keine Straftat, noch keinen Terroranschlag verhindert.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist aber so.)

Meine Fraktion hat dafür gesorgt,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

dass das Thema der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen in Mecklenburg-Vorpommern im Koalitionsvertrag überhaupt thematisiert wurde.

(Beifall Torsten Renz, CDU)

Ich vertraue darauf, dass auch der Koalitionspartner die Zeichen der Zeit erkennt, aufgrund der realen Vorkommnisse seine Ansichten überdenkt und dem Prüfauftrag entsprechend positiv gegenübersteht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Eines können wir doch sicher sagen: In die Köpfe von Menschen können wir nicht hineinschauen.

(Jochen Schulte, SPD: Auch nicht mit Videokameras.)

Wir sehen niemandem an, ob er mit terroristischen Absichten in unser Land kommt oder sich hier radikalisieren wird. Präventiv können wir zwar viel machen – Aufklärung, Integration, Observation und Ermittlung –, aber in den Kopf, in die Gedanken eines Terroristen kommen wir nicht hinein.

Die Arbeit der Verfassungsschützer in den letzten Jahren in diesem Punkt war schon hervorragend. Das muss man einfach mit Blick auf die Ereignisse in Frankreich und in Belgien sagen. Aber den absoluten Schutz kann es in einem freien Staat nicht geben. Die Gefährdung von sogenannten weichen Zielen hat es bisher gegeben und wird es wohl leider auch weiter geben. Deshalb müssen wir auf ein Danach vorbereitet sein. Wenn wir die Gefahr eines terroristischen Anschlages trotz aller Vorkehrungsmaßnahmen schon nicht komplett verhindern können, dann müssen wir jedoch jede Möglichkeit ergreifen dürfen, um den Terrorverantwortlichen zu finden und zur Verantwortung ziehen zu können. Da können wir doch nicht ernsthaft den Ermittlungsbehörden wichtige Ermittlungsinstrumente wie Videokameras, Vorratsdatenspeicherung und Funkzellenabfrage mit dem Hinweis auf ein Datenschutzrecht des Terroristen vorenthalten.

Oder auch die Diskussion im Bundesrat auf die Einstufung von sicheren Herkunftsländern: Ich kann nach Tu

nesien in den Urlaub fahren, dahin abschieben kann ich aber nicht, weil es kein sicheres Land sei? Das ist doch widersinnig und das kann niemand der Bevölkerung ernsthaft erklären wollen. Da müssen die rot-grün und rot-rot-grün regierten Bundesländer auch endlich mal die Realität akzeptieren. Auf Bundesebene könnten wir in dem Punkt schon so viel weiter sein.

(Torsten Renz, CDU: So ist es.)

Die Terrorgefahr in Deutschland und auch in Mecklenburg-Vorpommern ist abstrakt gegeben. Dies bedeutet, sie ist vorhanden, wir sind im Visier des Terrorismus, aber wir unternehmen alles, um dieses Risiko zu minimieren, und wir statten die Personen, denen wir diese wichtige Aufgabe aufbürden, auch entsprechend aus. Dafür steht meine Fraktion und hat sich in der Vergangenheit auch genau dafür eingesetzt.

Unser ausdrücklicher Dank gilt allen Polizistinnen und Polizisten und Verfassungsschützerinnen und Verfassungsschützern, die sich jeden Tag ganz aktiv dafür einsetzen und unsere Lebensweise schützen, die sich, nur mal beispielhaft aufgezählt, weil es gerade aktuell so passend ist, bei eisigen Temperaturen über zwölf Stunden im Außendienst befinden, damit wir unser Silvester ohne Zwischenfälle feiern können – ich als Polizistin weiß, was das bedeutet –, ein Silvester, welches die Polizisten bestimmt auch gerne daheim bei ihren Familien und Freunden verbracht hätten, aber eben stattdessen für unsere Sicherheit, für unser Sicherheitsgefühl genau darauf verzichtet haben. Da ist die Kritik von einzelnen Politikern an dieser Polizeiarbeit völlig deplatziert.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Jedem Polizeibeamten im Land und den Familien der Polizeibeamten einen ganz herzlichen Dank für ihre Arbeit, ihren Einsatz und ihre Unterstützung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Holger Arppe, AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie haben zu Recht auf die Umfrage verwiesen, wonach sich Frauen auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr so sicher fühlen wie in der Vergangenheit. Da Abhilfe zu schaffen, wäre jetzt Gelegenheit, das Anliegen der Petition „Schutz vor häuslicher und sexualisierter Gewalt“ endlich aufzugreifen und in Mecklenburg-Vorpommern umzusetzen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will mich nicht weiter mit der Rede des Innenministers auseinandersetzen, obwohl es hier aus meiner Sicht viel zu kritisieren gäbe. Das Thema ist zu vielschichtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Tag nach dem abscheulichen Anschlag in Berlin war in den Zeitungen auch Folgendes zu lesen, ich zitiere: „Der Mordanschlag auf Betende in einer Moschee in Zürich ist mit großer

Wahrscheinlichkeit von einem kurz darauf tot aufgefundenen Mann begangen worden. … Neben dem Toten in der Nähe des Tatortes lag eine Waffe. Über die Hintergründe der Tat lagen zunächst noch keine Erkenntnisse vor. Ein Unbekannter hatte am Montagabend im Gebetsraum eines islamischen Zentrums wahllos auf mehrere Betende geschossen“, Zitatende.

Ob dieses ebenso tragische Ereignis in der Schweiz genutzt wurde, eine politische Debatte zu beginnen, weiß ich nicht, das ist mir auch an dieser Stelle relativ egal, aber allein diese beiden Ereignisse von Berlin und Zürich, stattgefunden an einem Tag, an einem Abend, machen deutlich: Diese Welt ist aus den Fugen geraten. Aber ist dies Zufall? Ist dies eine Verkettung unglücklicher Ereignisse? Ist dies Ergebnis einer verfehlten Asyl- und Flüchtlingspolitik? – Wohl kaum.

(Heiterkeit bei Dr. Gunter Jess, AfD)

Seit 15 Jahren wird Krieg gegen den weltweiten Terror geführt: Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien. Die Bilanz dieser Kriege? Der weltweite Terror, vor allem der islamistische Terror, wurde nicht geschwächt, im Gegenteil, er wurde und wird gestärkt. Durch die Beteiligung der Bundeswehr in diesen Auseinandersetzungen wurde auch Deutschland zur Zielscheibe der Terrornetzwerke. Diese Politik,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

diese Politik muss geändert werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Schluss mit den Kampfeinsätzen in aller Welt! Schluss mit Waffenexporten in alle Krisenherde der Welt! Frieden muss in der Außenpolitik wieder das Primat haben. Mit Krieg bekämpft man Terror ebenso wenig, wie man mit Fußfesseln Terroristen daran hindert, ihre Mordanschläge zu begehen.