Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Das Wort hat für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Abgeordnete Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Aussprache zu diesem Thema beschäftigt sich mit einem hochpolitischen Thema. Gestern ist versucht worden von Herrn Krüger, das so ein bisschen einzuengen auf einen rein ökonomischen Fall. Das ist aus meiner Sicht nicht richtig, aber genau dazu dient diese Aussprache, da die Argumente auszutauschen.

Ich möchte beginnen mit der Überschrift in der heutigen „Schweriner Volkszeitung“ „Spaltpilz in der Ostsee“, denn in der Tat entwickelt sich dieses Projekt zu einem Spaltpilz innerhalb Europas zwischen verschiedenen europäischen Regierungen. Das dürfen wir nicht nur einfach so zur Kenntnis nehmen und mit der Schulter zucken, sondern wir müssen auf die Argumente der Partner in der Europäischen Union eingehen, denn gerade gestern haben wir in der Aktuellen Stunde ja noch gesagt, wie

wichtig uns die Europäische Union ist und wie sehr uns die Zusammenarbeit und die Kooperation mit den Partnerländern am Herzen liegt.

Am 7. Dezember titelte „Die Zeit“: „Ein außenpolitisches Desaster für Deutschland“. Auch da zeigte sich schon, dass es einen erheblichen Sprengstoff hat, nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern auch innerhalb der deutschen Innenpolitik, denn es gibt zum einen die Grünen, aber auch Teile der CDU, die das Projekt mittlerweile ablehnen oder sogar strikt ablehnen, und es gibt insbesondere die SPD als zweite Regierungsfraktion, die dieses Projekt weiterhin befürwortet und zum Projekt Nord Stream 2 steht. Aber wie wird sich das Ganze weiterentwickeln?

Im Europaparlament haben wir eine klare Mehrheit gegen das Projekt. Im Europarat haben wir eine klare Mehrheit gegen das Projekt. Und Deutschland ist tatsächlich das Land, das einzige Land, dass die neue Gasrichtlinie blockiert, um genau die Verhinderung der Nord-Stream-Pipeline zu verhindern. Die Bundesregierung hält fest an diesem Projekt. Das ist derzeit noch der Stand, um die Kontrolle nicht komplett an Russland zu verlieren. Das ist mittlerweile schon das Argument, also nicht mehr aus vollem Herzen, sondern um die Kontrolle nicht zu verlieren.

Ich hatte gerade schon von den europäischen Partnerländern gesprochen. Schweden, Dänemark, aber auch die baltischen Staaten befürchten eine Militarisierung der Ostsee, und besonders betroffen ist natürlich die Ukraine.

Da möchte ich den CEO des ukrainischen Gaskonzerns zitieren, Andrej Kobelew, der sagt, Nord Stream 2 mache den Weg frei für eine russische Invasion der Ukraine und es gebe keine ökonomischen Gründe für diese Pipeline.

(Tilo Gundlack, SPD: Das ist doch Quatsch!)

Ob das Quatsch ist oder nicht, spielt ja jetzt erst mal keine Rolle. Es sind auf jeden Fall...

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Doch, doch, es sind jetzt erst mal die Positionen, die wir in der Europäischen Union hören. Und dieses...

(Peter Ritter, DIE LINKE: Teilen Sie die Auffassungen?)

Dazu komme ich ja gleich noch, Herr Ritter. Ich möchte jetzt erst mal darstellen, was es alles gibt.

Die polnische Regierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten Morawiecki, sagte am 19.11. in Hamburg – übrigens saß der Finanzminister Herr Scholz direkt daneben und hat ihm nicht widersprochen –, dass Russland in die Ukraine einmarschieren wird, sobald Nord Stream 2 fertiggestellt ist. Das sind also sehr konträre Positionen, die dort aufgerufen werden.

Deswegen sage ich das noch mal ganz deutlich: Es ist nicht nur ein ökonomisches Thema, sondern es ist ein hochpolitisches Thema. Polen selbst bezieht kein Erdgas mehr aus Russland, sondern baut gerade die Baltic Pipe und bezieht das Gas dann anschließend aus Norwegen. Die beiden Pipelines werden sich innerhalb der Ostsee

kreuzen. Einmal fließt das Gas von Ost nach West zu uns und einmal fließt es von West nach Ost, von Norwegen über Dänemark nach Polen. Es gibt auch weitere Umgehungen der Ukraine als Transitland durch die Südpipeline, die über die Türkei laufen wird.

Dann haben sich natürlich auch die USA zu Wort gemeldet. Da sagte Herr Krüger gestern, das wäre eben quasi nur Herr Trump, den man vernachlässigen könnte. Das stimmt so nicht. Er ist nicht ein verrücktgewordener Präsident, den man jetzt nur überstehen muss, bis er nicht mehr da ist,

(Thomas Krüger, SPD: Ich habe gesagt, das sind amerikanische Wirtschaftsinteressen.)

es sind auch nicht nur amerikanische Wirtschaftsinteressen, sondern es ist erst mal das US-Repräsentantenhaus, das die EU aufgefordert hat, den Pipelinebau zu stoppen, und zwar am 13.12. Und das Parlament fordert den Präsidenten auf, einzugreifen.

(Tilo Gundlack, SPD: Und warum? Und warum? Aus wirtschaftlichen Interessen.)

Das Parlament fordert den Präsidenten auf, einzugreifen. Es ist also nicht nur eine Einzelmeinung, sondern es ist das gesamte Parlament.

(Tilo Gundlack, SPD: Weil sie ihr Fracking-Gas verkaufen wollen.)

Es gibt natürlich ökonomische Interessen. Das will ich gar nicht abstreiten, dass es ökonomische Interessen gibt.

(Tilo Gundlack, SPD: Das sind nur ökonomische Interessen.)

Um es vielleicht mal vorwegzunehmen, meine Fraktion ist für das Projekt. Sie brauchen sich jetzt gar nicht in Rage zu reden.

(Tilo Gundlack, SPD: Ich rede mich nicht in Rage.)

Ich möchte wirklich die Argumente vorstellen, die es gibt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, Sie wollen die Strategie der Landesregierung kennenlernen.)

Und warum ich der Meinung bin, die Landesregierung braucht eine Strategie, um mit diesen ganzen Konflikten umzugehen: Wir können nicht in der Aktuellen Stunde sagen, wir sind die glühenden Anhänger Europas, und dann, wenn es zum Schwur kommt, wenn es mal wichtig wird, Konflikte zu lösen, dann tauchen wir weg und ignorieren alle anderen Partner in der Europäischen Union. Das geht nicht!

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV – Dietmar Eifler, CDU: Stimmt ja nicht!)

Der Staatshaushalt in Russland beträgt 253 Milliarden USDollar. Davon hängen genau 50 Prozent ab vom Export von Öl und Gas und mehr als zwei Drittel aller Exporte aus Russland sind Öl- oder Gasexporte. Und wenn Sie

sich vorstellen, es gibt diese ganzen Pipelines, die aus dem Osten das Gas oder auch das Öl nach Westen transportieren, dann können Sie sich gedanklich vorstellen, es gibt auch noch andere Pipelines,

(Tilo Gundlack, SPD: Durchlaufgebühr.)

die nämlich die Dollars oder Euros von Westen nach Osten pumpen. Ohne diese Bezahlung der Gasexporte wäre der russische Staat schon pleite.

Das gilt auch für den ukrainischen Staat. Zehn Prozent der ukrainischen Staatseinnahmen sind die Transitgebühren,

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

das heißt – und das ist natürlich ein sehr viel kleineres Volumen –, das sind nur 33 Milliarden Dollar, was bedeutet, ohne diesen Transit wäre auch die Ukraine pleite. Das heißt, auch die Ukraine hat ökonomischen Interessen,

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

alle haben ökonomische Interessen und das Ganze vermengt sich zu einem großen hochkomplexen Gemisch.

Was kann man da nun tun an dieser Stelle? Das ist natürlich die Frage, die sich dann stellt, und wir haben auch hier innerhalb Deutschlands natürlich verschiedene Einflussfaktoren. Wir haben auch Einfluss aus der Energiewende. Wir haben den Atomausstieg. Wir haben den geplanten oder den vollzogenen Steinkohleausstieg. Wir haben den geplanten Braunkohleausstieg. Der Energiemix in Deutschland hat sich massiv verändert und deswegen nimmt natürlich der Anteil oder die Bedeutung der Gasimporte laufend zu. Auch das muss man in diese Betrachtungen mit hineinnehmen. Es geht also nicht nur um Versorgungssicherheit, es geht auch um die Interessen unserer europäischen Partner. Wir haben, sagen wir mal – und da bitte ich dann auch um Konsequenz –, auf der einen Seite Sanktionen gegen Russland, weil die Krim besetzt wurde, auf der anderen Seite finanzieren wir den russischen Staatshaushalt. Und das ist natürlich genau der Vorwurf, der aus Amerika kommt, auch vom Kongress kommt, dass dort gesagt wird, wir sollen als US-Amerikaner Europa beschützen, im Zweifelsfalle ist es immer die große militärische Supermacht, aber ansonsten macht ihr da gern eure Alltagsgeschäfte und versucht, Geld zu verdienen, und finanziert damit letzten Endes Russland.

Was kann man tun? Wir brauchen eine Strategie der Bundesregierung. In erster Linie ist natürlich die Bundesregierung gefordert, die verschiedenen Argumente und Positionen miteinander vereinbar zu machen und auf diese schwerwiegenden Bedenken, die ich gerade aufgeführt habe, auch einzugehen. Und die Landesregierung muss diese Strategie der Bundesregierung einfordern und unterstützen.

Man kann zum Beispiel darauf eingehen, indem man auch Flüssiggasimporte aus den USA oder aus anderen Staaten möglich macht und dort Lieferverträge abschließt, um zum Beispiel im Falle eines Falles wenigstens gewappnet zu sein, auf das russische Gas verzichten zu können, wenn es denn tatsächlich einmal notwendig sein sollte. Wir können nicht noch mal Sanktionen

einerseits fordern und andererseits uns komplett abhängig machen vom russischen Gas.

Trotzdem – und das hatte ich schon zwischenzeitlich gesagt – stehen wir vollumfänglich zu der Pipeline Nord Stream 2, aber nur, indem wir es auch begleiten mit vernünftigen Maßnahmen im Konzert unserer europäischen Partner und nicht einfach nur sagen, es …

Herr Fraktionsvorsitzender Wildt, ich habe Ihnen schon wirklich viel mehr Redezeit zugebilligt.

Vielen Dank. Ich bin auch jetzt zu Ende. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Ums Wort gebeten hat für die Landesregierung der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Herr Pegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Vor allen Dingen aber sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Wildt, Sie haben mich jetzt ein bisschen mit dem Spagat überrascht und den haben Sie nicht aufgelöst. Als Bekenntnis war ja: Ich bin für das, was dort geschieht.