Mit unserem Änderungsantrag, dem der Fraktion DIE LINKE, wollten auch wir den Begriff „Behinderungen“ ändern, weil der, der im Landesbehindertengleichstellungsgesetz verankert ist, gegenwärtig veraltet ist. Und wenn wir uns genauso wie die andere Fraktion auf die
UN-Behindertenrechtskonvention beziehen, liegt es in der Natur der Sache, dass sich die Worte an dieser Stelle gleichen. Ansonsten gibt es einen deutlichen Unterschied zu dem Änderungsbegehren der AfD. DIE LINKE wollte – Frau Ministerin hat darauf schon mal Bezug genommen – auch den Paragrafen 13 ändern, und zwar wollten wir die Ausnahmeregelungen, die für Schulen, Kitas und Horte gelten, nicht mittragen. So weit zu dieser Antragslage und zu dieser Beschlussempfehlung.
Nun will ich gern darauf verweisen, dass wir uns als LINKE im Sozialausschuss letztlich der Stimme enthalten haben. Wir haben heute früh – und wir haben insgesamt mehrfach diesen Gesetzentwurf in der Fraktion diskutiert –, noch mal abgewogen, ob es, gemessen an den Bedarfen der Betroffenen und den gesellschaftlichen Erfordernissen angemessen ist, einen solchen Gesetzentwurf auch nur mit einer Enthaltung, die wir vorher gezeigt haben, zu quittieren. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass wir abweichend von unserem Votum im Sozialausschuss heute diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden. Wir halten weder eine Zustimmung noch eine Enthaltung für angebracht, und das aus mehreren Gründen.
Ein erster Grund ist der, den auch die Ministerin und weitere Vorredner ansprachen: Es handelt sich um die Frage der verspäteten Einbringung dieses Gesetzentwurfs in dieses Parlament. Man kann nachvollziehen, dass bestimmte Vorgänge länger dauern. Man kann nachvollziehen, dass es Irritationen gibt, wenn die Bundesebene zunächst sagt, das regeln wir für alle Bundesländer. Aber dann hätte auch die Bundesregierung handeln müssen. Wir haben mal geschaut, wer denn 2016, als diese EU-Regelung die Bundesrepublik erreichte, Bundesministerin war. Zuständig war damals unsere heutige Ministerpräsidentin Frau Schwesig. Also das Versäumnis begann da und hielt offenbar an bis Januar 2018.
Uns wurde im Übrigen gegenüber dem Sozialausschuss zunächst gesagt, final wäre im vergangenen Sommer mitgeteilt worden, dass das Land zuständig wäre, späterhin, dass man ab Januar 2018 wusste, dass das Gesetz zu ändern sei. Das kann man verstehen. Auch das mag für ordentliche Geschäftsvorgänge ein kurzer Zeitraum sein. Andere Bundesländer haben aber ihr Gesetz verändert, zum Beispiel Niedersachsen. Und es stellt sich die Frage – es stellt sich die Frage auch für uns –: Warum gelingt in Niedersachsen etwas, was uns nicht gelingen sollte? Nun haben wir es kurz vor Toresschluss noch hinbekommen, haben heute die Zweite Lesung.
Aber – auch das ist ein wesentlicher Grund, warum wir heute ablehnen – in diesem Gesetzentwurf, der ja nun unverändert angenommen werden sollte, sind drei Kritikpunkte, die wir aufrechterhalten und deshalb den Gesetzentwurf nicht mittragen, ihn ablehnen. Das ist einmal die Kritik an den unbestimmten Rechtsbegriffen. Frau Ministerin hat einen Rechtsbegriff heute nachgeliefert, den der Unverhältnismäßigkeit. So deutlich geht das aus den Unterlagen nicht hervor und folgerichtig haben viele Betroffene in der Anhörung gesagt, wie soll denn das geklärt werden vor Ort, wenn die Frage steht, ob hier Barrierefreiheit herzustellen ist oder nicht. Ein zweiter Kritikpunkt für uns sind die Ausnahmeregelungen. Ein dritter Kritikpunkt ist die Finanzierung, konkreter gesagt, die Kostenfolgeabschätzung.
Was die unbestimmten Rechtsbegriffe betrifft, so zeigt sich ja allein an der heutigen Debatte, dass sie durchaus in das Gesetz hätten eingepflegt werden können. Zu den Rechtsbegriffen wäre noch hinzuzufügen, dass mit vielen Querverweisen gearbeitet wird, zum Beispiel, was die Umsetzungsfristen anbelangt, statt diese einfach ins Gesetz aufzunehmen. Es werden Ausnahmeregelungen geschaffen für die barrierefreie Gestaltung, die im Falle der Kitas und Schulen nicht nachvollziehbar sind, und ganz profane verwaltungsorganisatorische Gründe angeführt.
Ich habe das im Sozialausschuss schon gesagt: Unsere Politik, Landespolitik muss letztlich widerspruchsfrei sein. Und wenn Inklusion, also der Inklusionsgedanke insbesondere im Bildungsbereich, in Kita, Schule und Hort, ein zentrales Thema ist, dann darf es nicht dazu kommen, dass, …
… dann darf es nicht dazu kommen – wenn ich den Satz noch beenden darf, Frau Präsidentin –, dass dieses Kernanliegen unserer Politik, nämlich Inklusion, letztendlich an dieser Stelle missachtet wird. Danke für die Aufmerksamkeit bis hierhin. – Vielen Dank.
Ich nutze die Gelegenheit, noch mal darauf hinzuweisen, dass wir uns am besten bei den Gebärdendolmetschern bedanken, wenn wir gerade im Rücken nicht so viel sprechen. Das bezieht sich explizit auf die erste Reihe in der CDU-Fraktion.
Herr Jesus de Fernandes, Sie haben es ja gerade gehört: Entweder Sie lügen oder Sie sind faul. Wenn Sie die Vorlage, den Bericht des Sozialausschusses gelesen haben, dann haben Sie hier vorne gestanden und wissentlich gelogen. Und wenn Sie ihn nicht gelesen haben, dann sind Sie zu faul, sich die notwendigen Dinge, die den Landtag hier beschäftigen mit dem Gesetzentwurf, letztendlich anzusehen und sachgerecht vorzutragen. Das ist einfach hundsmiserabel.
Sie gehen nach vorne, machen den Eindruck eines seriösen Abgeordneten, aber den machen Sie nur schlecht, und das Einzige, was Sie betreiben, ist, dass Sie hier Leute in den Senkel stellen wollen. Bei Ihren Ausführungen wird nur eins deutlich, dass Sie überhaupt
keine Ahnung haben, dass Sie von parlamentarischen Verfahren, die einfach vorgeschrieben sind, überhaupt keine Ahnung haben.
Wenn wir uns jetzt die Sache angucken: Unterstellen wir mal, das Datum des 18.01.2018 stimmt und die Landesregierung hat zu dem Zeitpunkt erfahren, dass hier landesgesetzliche Regelungen erforderlich sind, da muss man sich ja die Frage stellen, was wird denn jetzt erforderlich. Der erste Schritt, der passiert ist, ist, dass im zuständigen Ministerium ein Gesetzentwurf erarbeitet wird. Wie lange wird so was dauern? Es sind ja Juristen unter Ihnen.
Herr Professor Weber, vielleicht hätten Sie Ihren Kollegen beraten sollen, dass man so was nicht in der Schublade liegen hat und das so was quasi kleinteilig und genau zu erarbeiten ist.
(Dr. Ralph Weber, AfD: Von jemandem, der so unverschämt auftritt, brauchen wir keine Ratschläge, Herr Heydorn.)
Und was passiert dann? Jetzt gehen wir mal Schritt für Schritt durch und dann stellen wir die Frage …
Ich möchte es noch mal ausführen. Die Arbeit für die Gebärdendolmetscher und die Bedingungen hier im Plenarsaal sind nicht optimal. Ich weiß, dass Zwischenrufe zulässig sind. Es ist natürlich die Problematik, wie das jetzt hier mit dem Gebärdendolmetschen wird. Vielleicht sollten wir es in diesem Falle ein bisschen ruhiger angehen lassen. Das wäre zumindest meine Bitte, damit es irgendwo noch einfacher wird.
Also, ich muss mal sagen, mit Ihren Antworten habe ich per se kein Problem. Das ist für mich etwas, na, ich würde mal sagen, wenn jemand wie Sie mich nachts im Schlaf überfallen würde, dann würde ich mich umdrehen und weiterschlafen.
(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Herr Heydorn, lassen Sie das bitte! – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)
Jetzt sind wir an dem Punkt und stellen fest, das zuständige Ministerium hat den Gesetzentwurf erarbeitet. Und was passiert als Nächstes? Jetzt passiert als Nächstes, dass die anderen Ministerien der Landesregierung, die hier betroffen sein könnten, zu beteiligen sind. In jedem Fall gehe ich mal davon aus, dass es das Innenministerium ist, wenn es um IT geht, dann ist das Justizministerium zu beteiligen und so weiter und so fort. Die haben
Jetzt geht das zurück ins Sozialministerium, das Sozialministerium guckt sich die Stellungnahmen an und verändert den eigenen Gesetzentwurf. Mit dem abgestimmten Gesetzentwurf geschieht dann Folgendes: Damit geht man in die erste Besprechung, in die Staatssekretärsrunde, und versucht, das Thema dort zu konsentieren. Sollte es dann nicht konsentierbar sein, weil bestimmte Auffassungen nicht aufgenommen worden sind und so weiter und so fort, wird dieser Entwurf nochmals verändert. Dann kommt er – ich denke, zum zweiten Mal – in die Staatssekretärsrunde und wird endabgestimmt.
Nach der Endabstimmung in der Staatssekretärsrunde kommt es zur ersten Kabinettsbefassung. Nach der ersten Kabinettsbefassung erfolgt die sogenannte Verbandsanhörung. Wenn ich das richtig sehe, Verbandsanhörungen sind immer so zwei Monate im Soll mit den betroffenen Verbänden, wo Sie ja hier vorne gestanden und gesagt haben, die sind überhaupt nicht beteiligt worden, überfahren worden sind die. Das ist alles falsch. Und auch da kann man wieder resümieren: Entweder haben Sie keine Ahnung oder Sie lügen und wollen hier Dinge bewusst falsch darstellen.
Das heißt, die Verbandsanhörung läuft, und im Ergebnis der Verbandsanhörung ist das, was von den einzelnen Verbänden und Vereinen zu Papier gebracht worden ist, zu prüfen und gegebenenfalls wieder in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Der ist noch mal anzupassen und zu verändern.
Dann geht das Prozedere von vorne los bis zur zweiten Kabinettsbefassung. Und nach der zweiten Kabinettsbefassung wird der Gesetzentwurf dem Landtag zugeleitet, er wird dem Landtag zugeleitet. Der Landtag hat dann auch wieder quasi seine Zeiträume und seine einzelnen Verfahrensschritte, um sich damit zu befassen.
Ich muss jedem Dank aussprechen, dass wir hier auf der Landtagsebene dieses beschleunigte Verfahren zustande gekriegt haben. Da haben sich alle dran beteiligt, damit hier möglichst keine Strafzahlungen an die EU entstehen. Dafür mein ausgesprochener Dank an diejenigen, die sich konstruktiv daran beteiligt haben,
wobei man an der Stelle auch wieder sagen muss, Ihre inhaltliche Beteiligung ist entbehrlich. Da ist null Substanz dahinter. Ob Sie im Ausschuss am Tisch sitzen oder Sie bleiben zu Hause am Kaffeetisch sitzen, das ist letztendlich das Gleiche. Mehr haben wir da nicht im Soll zu erwarten. Das ist die Lebensrealität, die wir im Bereich der Sozialpolitik von der AfD sehen – nicht mehr und nicht weniger. Das ist die Wirklichkeit.
Jetzt erlauben Sie mir noch ein paar Ausführungen zu dem Gesetzentwurf. Wir als Koalitionsfraktionen haben uns dazu entschieden, dabei zu bleiben, was die Regierung in den Gesetzentwurf reingebracht hat, um möglichst schnell zu einem Ergebnis zu kommen, was im
Grunde dazu führt, dass hier keine finanziellen Belastungen drohen. Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die angesprochen worden sind, unter anderem durch den Kollegen Koplin, was das Thema Ausnahmeregelungen betrifft und so weiter und so fort.
Was ich nicht verstehen kann, ist Ihre Kritik an unbestimmten Rechtsbegriffen. Also jedes Gesetz ist in irgendeiner Form von unbestimmten Rechtsbegriffen charakterisiert. Was mir einfällt, ist aus dem Bereich der Sozialhilfe der sogenannte notwendige Lebensunterhalt. Was ist notwendiger Lebensunterhalt? Also der notwendige Lebensunterhalt ist so ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem zeitlichen Wandel unterworfen ist. Vor 30 oder 40 Jahren gehörte mit Sicherheit ein Fernseher noch nicht zum notwendigen Lebensunterhalt, heute ist das eine ganz andere Geschichte.
Oder nehmen Sie den Bereich der Unterkunftskosten, also, dass angemessene Unterkunftskosten zu übernehmen sind. Angemessene Unterkunftskosten waren vor 30 Jahren ganz was anderes als heute und sind bei uns in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Dorf auch was ganz anderes als in München. Das heißt, in einem Gesetzgebungsverfahren kommen Sie ohne unbestimmte Rechtsbegriffe überhaupt nicht aus, denn, wie gesagt, die Zeiten ändern sich, die Verhältnisse ändern sich. Man kann ja nicht jedes Mal, wenn eine Änderung eintritt, gezwungen sein, das Gesetz zu verändern. Insofern kann ich das nicht kritisieren.
Wir als Koalition haben uns darauf verständigt, dass wir in den nächsten Monaten darangehen, uns das Landesbehindertengleichstellungsgesetz grundlegend anzugucken, und spätestens im nächsten Jahr sind wir an dem Punkt, wo wir dann vertieft inhaltlich, also auch zu anderen Veränderungen kommen werden. Für uns ist das der praktikabelste Schritt und die praktikabelste Herangehensweise, dass wir sagen, wir machen jetzt einen Schritt nach dem anderen. Das, was dringlich ist, das machen wir sofort, wir machen nicht drei Schritte auf einmal, da droht man nämlich, auf die Klappe zu fallen. Deswegen ist das so passiert. – Ansonsten, meine Damen und Herren, bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.