Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

(Marc Reinhardt, CDU: Wir können uns nicht nur mit Rostock aufhalten, wir müssen voranmarschieren.)

Selbst darüber stolpern wir noch, darüber reden wir noch – Riesenprobleme. Angeblich digitalisierte Prozesse werden immer noch ausgedruckt.

(Marc Reinhardt, CDU: Wir müssen doch da mal ein bisschen … – Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Wir wissen doch, wie es läuft, da können wir ehrlich miteinander sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Da müssen wir uns doch nicht in die Tasche lügen.

Also, es ist ja eine schöne Idee mit der E-Residency, ich fand das auch alles ganz spannend, als ich mir das angeguckt habe, und auch die Gespräche – ich hatte ja die Freude, mit zwei E-Residenten darüber sprechen zu können, wie das Verfahren so abgelaufen ist und welche Vorteile sich jetzt für sie ergeben –, aber Modellregion?! Also ich glaube, da sollten wir im wahrsten Sinne des Wortes dann doch mal ein bisschen die Kirche im Dorf lassen, erst recht mit Blick auf die hiesigen Defizite.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zurufe vonseiten der Fraktion der SPD: Was?!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Hätten Sie mal lieber beim Änderungsantrag zugestimmt.)

Schönen Dank, Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Pegel, Sie waren in Estland und haben uns ja dann direkt daran teilhaben lassen, dass Sie dort neue Eindrücke gewonnen haben. Dieser Antrag ist jetzt offensichtlich auch ein Teil des Ergebnisses dieser Reise.

(Jochen Schulte, SPD: Ich war nicht mit in Estland.)

Bitte? Sie waren auch mit in Estland.

(Jochen Schulte, SPD: Nee, ich sage ja gerade, ich war ja nicht in Estland.)

Ach so! Na ja, okay.

(Philipp da Cunha, SPD: Das steht im Koalitionsvertrag.)

Jedenfalls haben Sie diesen Antrag hier auf den Weg gebracht mithilfe von Herrn Schulte, der nicht in Estland war. Das spielt auch gar keine große Rolle. Der Unterschied zwischen Estland und Mecklenburg-Vorpommern – Frau Kröger hat es schon gut dargestellt – beginnt 1991. 1991 hat Estland auf Digitalisierung gesetzt mit der Unabhängigkeit am 20. August. Man hat diesen Kurs konsequent und in wirklich letzter Konsequenz durchgehalten. Das Land ist einfach um Längen moderner. Deswegen fahren ja auch heute deutsche Minister nach Estland und nicht so sehr umgekehrt, um sich dort anzuschauen, wie ein modernes Land aufgebaut ist. Da können wir an keiner Stelle mithalten.

Ich kann auch verstehen, dass man den Auftrag gibt, dass dieses Thema mal geprüft wird, aber dann bitte nicht mit Mecklenburg-Vorpommern als Modellregion,

(Heiterkeit bei Dirk Lerche, AfD)

dann muss es wenigstens eine leistungsfähigere Region sein, die auch mehrere Themen gleichzeitig abarbeiten kann. Wir haben ja heute Mittag erfahren, dass zum Beispiel das Thema Gewerbesteuer erst irgendwann mal angestoßen werden kann, weil man sich jetzt auf die Grundsteuer konzentrieren muss. Da frage ich mich, wie man die vielen Themen, die mit E-Residency zusammenhängen, überhaupt hier bearbeiten möchte.

Ich kann die Zeit für das Verfahren, das standardisierte Verfahren in Estland noch toppen. Einer hatte gesagt, eine Stunde, jemand anderes 18 Minuten, bei mir stehen 15 Minuten. Grundlagenkenntnisse der englischen Sprache, persönliche Daten, ein Passbild sind digital in ein

Formular einzupflegen. Im Anschluss beginnt eine vierwöchige Prüfungszeit, in der die estnische Polizei die persönlichen Angaben prüft und dabei sicherheitsrelevante Themenfelder berücksichtigt. Die sind nämlich zu berücksichtigen, darum muss man sich auch kümmern. Abschließend geht idealerweise ein positiver Bescheid der Behörde zu, der eine Aufforderung erhält, die EResidency persönlich auf einer hinterlegten Polizeistation in Estland abzuholen, also in Tallinn sogar.

(Jochen Schulte, SPD: Oder in der Botschaft.)

Mindeststammkapital sind 2.500 Euro, und dann kommt der große Komplex der Steuern. In Estland kennt man keine Pflichtmitgliedschaften wie in der Handelskammer oder in der Handwerkskammer, und es gibt zum Beispiel auch keine Gewerbesteuern in Estland. Herr Waldmüller, das verstehe ich dann nicht so ganz, bei den angestammten Unternehmern, die jetzt hier seit Jahrzehnten in Deutschland Gewerbesteuer zahlen, ist keine bürokratische Erleichterung möglich, aber für die E-Residency kann man die von vornherein weglassen?! Das ist merkwürdig.

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

Dann ist natürlich auch auffällig, dass Steuern erst dann zu zahlen sind, wenn Gewinne das Land verlassen. Wozu kann das führen?

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Dass eben auch Kapital gesammelt wird, dass Kapital gesammelt wird auf eine sehr einfache Art und Weise. Damit sind also intensive Probleme verbunden. Sie haben das Verrechnungspreisthema, sie können ja dann zum Beispiel über so eine estnische Firma Handelsströme lenken und über die Verrechnungspreise steuern, wo die Gewinne bleiben. Dann fallen mit einem Mal riesige Gewinne in Estland oder – vielleicht hoffen Sie drauf – in Mecklenburg-Vorpommern an, die aber zum Beispiel in Estland tatsächlich nicht versteuert werden.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist doch Unsinn!)

Natürlich!

Das sind Probleme, über die man sprechen muss und die intensiv geprüft werden müssen.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist doch nur …)

Sie können nicht einfach so aus dem Knick heraus sagen, na ja, E-Residency ist jetzt die perfekte Lösung für Mecklenburg-Vorpommern.

Ich bitte dann, das auch ernst zu nehmen, was Sie in Ihrem eigenen Antrag schreiben, dass das intensiv geprüft werden muss. Dafür bin ich. Das kann man intensiv prüfen. Wir stimmen nur Ihrem Antrag deshalb nicht zu, weil ich jetzt auch keine Lust hatte, diesen Antrag mit einem Änderungsantrag zu versehen, der von Ihnen dann sowieso wieder abgelehnt wird. Da kann man sich diesen Umweg und diese Schleife einfach sparen. Man kann das sicherlich gerne von der Bundesregierung prüfen lassen. Es wird auch einen Weg geben für die EResidency, aber nicht für Mecklenburg-Vorpommern als

Pilotregion, und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass das am Ende dieses Prozesses herauskommen wird. – Danke schön.

(Beifall Ralf Borschke, Freie Wähler/BMV – Andreas Butzki, SPD: Das glaub ich nicht.)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manchmal geht mir ja durch den Kopf …

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manchmal geht mir ja durch den Kopf, Basis jeder Rede ist in erster Linie Unwissen. Und, sehr geehrte Kollegen, ich fange mal mit einem Punkt an, weil hier immer wieder die Mär aufgemacht worden ist, einige Kollegen aus dem Landtag wären zusammen mit dem Energieminister in Estland gewesen und deswegen wäre wie Manna vom Himmel die Idee einer E-Residency über die Koalitionsfraktionen gefallen. Lesen bildet und in dem Fall bildet auch mal wieder das Lesen des Koalitionsvertrages von SPD und CDU.

Da heißt es nämlich unter der Textziffer 68: „Das Land wird sich mit einer Bundesratsinitiative für die Öffnung der bundesrechtlichen Maßgaben dergestalt einsetzen, dass ein Modellvorhaben möglich wird, mit dem – analog dem bereits mehrjährig regulär in Estland geübten Modell – ein digitaler Firmensitz in Mecklenburg-Vorpommern als konsequente Fortsetzung der Digitalisierung der gesamten Wirtschaft genommen werden kann.“ Nun mag ich mich irren, aber ich glaube nicht, dass diese Koalitionsvereinbarung in den letzten Tagen nach der EstlandReise geschlossen wurde.

(Zuruf von Philipp da Cunha, SPD)

Das wäre mir jetzt neu. Also vor dem Hintergrund die Mär hier aufzumachen, das wäre jetzt alles von dem Besuch aus Estland, weil man an der einen oder anderen Stelle eine digitalisierte Verwaltung angeguckt hat, das ist doch etwas weit hergeholt.

Sehr geehrte Frau Kröger, ich bin schon ein bisschen enttäuscht von einem Menschen, der deutlich jünger ist als ich, denn, ich meine, dass man manchmal ein bisschen in der Zeit stehenbleibt, das kann immer passieren, aber dass Sie im Grunde noch Vorstellungen haben, die aus dem letzten Jahrhundert kommen, und nicht bereit sind zu sagen, man muss vielleicht mal neu denken, auch Prozesse neu denken, das irritiert mich dann doch schon.

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Dann haben Sie mir aber nicht richtig zugehört!)

Wir haben und ich habe das …

Doch, ich habe Ihnen, Frau Kröger, ich habe Ihnen genau zugehört.

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Nein, offensichtlich nicht.)