Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

(Die Abgeordnete Jeannine Rösler spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.)

Oh! Alles gut.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn einige von Ihnen zu dieser Zeit mit den Augen rollen, hält uns dies nicht ab, unsere Forderung nach einer Wiedererhebung der Vermögensteuer erneut aufzumachen.

(Egbert Liskow, CDU: Täglich grüßt das Murmeltier. – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Wir werden das Thema so lange setzen, wie die Vermögensverteilung in Deutschland so krass auseinandergeht und wie Vermögen hierzulande so gering besteuert werden.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Wir werden nicht nachlassen, bis sich etwas ändert.

Meine Damen und Herren, der letzte Armutsbericht vom Dezember 2018 zeigt, die Armut in Deutschland nimmt weiter zu.

(Egbert Liskow, CDU: Im Durchschnitt!)

Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander.

(Tilo Gundlack, SPD: Egbert, hör dir das gut an!)

Mittlerweile sind es 14 Millionen Menschen, die in Deutschland als arm gelten. Das heißt, mittlerweile verfügt ungefähr jeder Sechste über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in Deutschland.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Und es ist noch immer so, dass die reichsten 10 Prozent der Haushalte 52 Prozent des Nettovermögens besitzen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Die unteren 50 Prozent der Haushalte teilen sich nur 1 Prozent des Nettovermögens.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Um es noch deutlicher zu sagen: Die fünf reichsten Deutschen verfügen über 100 Milliarden Euro. Das ist so viel, wie die ärmsten 40 Prozent zusammen haben, und das ist – mit Verlaub – ungeheuerlich!

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und AfD – Glocke der Vizepräsidentin)

Darüber sollten Sie sich nachher empören oder meinetwegen auch jetzt, und nicht über unseren Antrag!

(Egbert Liskow, CDU: Frau Rösler, liegt das auf dem Konto? Kann man das irgendwie wegnehmen?)

Meine Damen und Herren, diese krasse Ungleichverteilung besteht nicht erst seit heute, sondern ist Ergebnis vergangener politischer Entscheidungen. Ich erinnere zum Beispiel an die Senkung des Spitzensteuersatzes oder an den Übergang zur Abgeltungssteuer von nur 25 Prozent auf Kapitaleinkommen.

Meine Damen und Herren, wie kann das sein, dass trotz anhaltenden wirtschaftlichen Booms die Armut nicht abnimmt? Weil nur wenige von der guten Konjunktur profitieren, dann aber in exorbitanter Größenordnung. Wir müssen endlich anerkennen, dass die Vermögensverteilung in unserem Land ein Ausmaß angenommen hat, das nicht mehr in Ordnung geht. Seit Jahren stimmt die Verteilung des Volkseinkommens, also das Verhältnis zwischen Lohn und Profit, nicht mehr.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Sehr richtig!)

Der Lohnanteil am gesamten erwirtschafteten Einkommen lag im Jahr 2000 noch bei 71,9 Prozent. Jetzt liegt er nur noch bei 68,5 Prozent. Hätten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch die Lohnquote des Jahres 2000, hätten sie sage und schreibe 82 Milliarden Euro mehr in der Tasche.

Meine Damen und Herren, da fragt man sich natürlich: Wo bleibt denn das Geld und warum gibt es diese Entwicklung? Die Antwort: Das Geld bleibt bei denen, die sowieso schon viel haben. Und warum? Weil Niedriglohn, befristete Beschäftigung und Leiharbeit noch immer an der Tagesordnung sind. Und im Übrigen wurde die Ungleichheit verschärft durch die Agenda 2010. Und das sagen nicht nur wir, meine Damen und Herren.

Politisches Ziel aller demokratischen Parteien und ihrer Fraktionen muss es doch sein, dass die Vermögensverteilung gerechter wird. Nicht zuletzt geht es um den sozialen Frieden innerhalb der Gesellschaft.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Was kann man nun tun? Zum Beispiel die Vermögensteuer auf verfassungskonforme Art und Weise wieder erheben.

(Egbert Liskow, CDU: Wie wollen Sie das machen?)

Da muss auch von unserem Land mehr Initiative ausgehen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz auf die Grundidee der Vermögensteuer eingehen, denn diese ist so einfach wie einleuchtend. Es geht darum, Vermögende entsprechend ihrer besonderen Leistungsfähigkeit stärker an der Finanzierung der gesellschaftlichen Aufgaben zu beteiligen.

(Egbert Liskow, CDU: Substanzsteuer.)

Die Vermögensteuer bezieht sich nicht auf das laufende Einkommen, sondern auf das Vermögen abzüglich der Schulden. Steuerpflichtig sind nicht nur Geld- und Kapitalvermögen, sondern ebenso Immobilien- und Betriebsvermögen. Dabei sind entsprechende Freibeträge anzusetzen,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

zum Beispiel – es gibt ja da verschiedene Vorschläge –, zum Beispiel 1 Million Euro pro Person. Besteuert wird also nur der Teil des Vermögens, der den Freibetrag übersteigt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Für selbstgenutzte Immobilien oder Betriebsvermögen sollte es sogar zusätzliche Freibeträge geben.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Besitzt also jemand vermietete Wohnungen im Gesamtwert von 3 Millionen Euro, darauf liegen noch nicht abbezahlte Hypotheken, meinetwegen von 1 Million Euro, das Nettovermö gen beträgt dann 2 Millionen Euro. Bei einem Freibetrag von 1 Million Euro und einem Steuersatz von einem Prozent wird eine jährliche Steuer von 10.000 Euro fällig, die aus den Nettomieterträ gen problemlos finanziert werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wer baut dann noch? Dann haben wir ja noch mehr Wohnungsnot!)

wir haben uns die Vorstellungen der SPD zu ihrem Sozialstaatskonzept angeschaut,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

überschrieben mit „Arbeit – Solidarität – Menschlichkeit. Ein neuer Sozialstaat für eine neue Zeit“.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Klingt gut. – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Es geht dort um Bürgergeld, Kindergrundsicherung, eine Grundrente oberhalb des Hartz-IV-Niveaus

(Patrick Dahlemann, SPD: Das ist die Frage nach der Henne und dem Ei.)

und, und, und.

(Unruhe bei Patrick Dahlemann, SPD, und Henning Foerster, DIE LINKE)

Und das geht durchaus