Meine Damen und Herren, die Diskussion würde mir jetzt – und da würde ich mich Jörg Heydorn von gestern anschließen –, würde mir nicht zu allererst bei BMW einfallen. Man kann sie meinetwegen bei BMW führen, das fällt einem Norddeutschen vielleicht leichter als jemandem im Süden, dann fällt es dem Norden schwerer, das über Volkswagen zu diskutieren. Aber das ist momentan nicht der Punkt, der mich umtreibt. Ich glaube, in der politischen Diskussion, die wir da führen, ist es richtig zu fragen, gibt es Bereiche – und das gehört dann zu den Pendeln, die so eine Gesellschaft über 70 Jahre durchmacht –, die Frage, ob wir uns aus manchen Bereichen zu weit zurückgezogen haben, ob wir zu stark davon ausgingen, dass das Pendel ein bisschen mehr Marktwirtschaft betonen möge und der Markt Dinge richtet.
Und dann haben wir in diesem Hohen Hause – es ist im Übrigen nicht so, dass ich hier alleine dazu gesprochen hätte, sondern von breiterem Konsens – Diskussionen geführt zum Thema Post – schon ein bisschen her. Frage: Wie stark hat „Post“ für ländliche Räume, für eine Flächenversorgung eine Aufgabe, und wie stark darf das Aktienrecht sagen, wir folgen in erster Linie dem Shareholder-Value an der Stelle? Wir haben die Diskussion intensiv geführt, und ich glaube zu Recht, im Bereich der Wohnungspolitik, gestern früh: Gibt es da nicht einen gemeinsamen Auftrag? Gibt es etwas, wo wir Menschen auch Sicherheit geben müssen? Und dann kann man Genossenschaften und Gesellschaften zumindest stärker in den Blick nehmen, ohne dass man deswegen den privaten Vermieter verunglimpft. Ich finde, das ist die wesentliche Unterscheidung.
Dann sage ich noch mal, der private Vermieter mit seinen zehn Wohnungen, der ganz dicht dran ist, ist für mich eine andere Baustelle als manche als Aktiengesellschaft aufgebaute, auch rein auf Rendite getrimmte sehr große Gesellschaft, die in Größenordnungen Wohnungen kauft und im Zweifel auch in Größenordnungen wieder verkauft. Das ist eben nicht das Gleiche wie ein kleinerer Vermieter vor Ort, der in direktem Kontakt steht. Ich finde, auch da muss man Differenzierungen miteinander walten lassen, aber auch im Blick haben, wenn man so eine Diskussion führt. Ich glaube aber, dass wir im Wohnungsmarkt ein bisschen stärkere Steuerungen und Obhut öffentlicher Hand gut vertragen können. Ganz so viel Uneinigkeit bestand da nicht.
Ich würde das Thema Bahninfrastruktur gerne aufrufen. Ich habe das Gefühl, 1994 war es kein besonders kluger Schachzug, alles im Bahnkonzern zu lassen. Wenn Sie auf die Bahnhöfe gucken – die im Übrigen vom Schienennetz zu trennen, ich schon eine spannende Konstruktion finde, das habe ich aber hinzunehmen –, aber wenn Sie sich den Bereich „Bahnhöfe und Schieneninfrastruktur“ angucken, kann man überlegen, ob die nicht in einer separierten Einheit mit einer nicht ganz so stark einem Konzerninteresse unterliegenden Grundpolitik durchaus zuweilen allen Bahnunternehmen gleichmäßiger helfen könnte. Vorsichtig formuliert, wir kommen mit der DB Netz hier im Lande gut klar und trotzdem gibt es Momente, wo ich denke, auch die könnten ein bisschen stärkere Gemeinwohlorientierung an dieser oder jenen Stelle vertragen. Wir haben es heute im Übrigen bis zum Fernverkehr diskutiert,
weil eigentlich die rollende Infrastruktur auch eine Infrastruktur ist. Ja, die Bahnlinien selber sind auch eine Form von Infrastruktur.
Und, meine Damen und Herren, ich will zu guter Letzt zum Thema Breitbandausbau kommen, und dann geht dazu für mich auch Mobilfunk. Es ist egal, ob Sie das Kabel nehmen oder die Funkverbindung, beim Breitbandausbau hat man lange ebenfalls auf den Marktmechanismus gesetzt. Und ich plädiere jetzt nicht für die Enteignung der Telekom, sondern ich will lieber umgekehrte Formulierungen stellen: War es klug, all das gemeinsam an die Börse zu geben, oder wäre nicht auch bei den Kabelnetzen eine Trennung nicht von der Hand gewesen? Macht es nicht Sinn, wenn öffentliche Hand eben auch steuernd dafür sorgt, dass nicht nur die Bereiche, wo an 1.000 Metern Kabel 100 Leute hängen, ebenso versorgt sind wie der Bereich, wo an 1.000 Metern 1.000 Leute hängen? Und dann sind wir mit 1.000 Metern und 100 Leuten ja schon nicht mehr in MecklenburgVorpommern, außer in Rostock, Greifswald, Stralsund, Wismar und Schwerin.
Also auch da haben wir in den letzten Jahren selbst im Übrigen die Diskussion geführt zu sagen, der Staat muss helfen. Und ich habe zuweilen den Eindruck, dass wir an den Stellen den alten etwas polemischen Satz, dass wir Gewinne lange individualisiert haben und jetzt gesellschaftlich die entstehenden Lücken trotzdem aus sozialisierten Vermögen tragen, zumindest nicht ganz von der Hand weisen können. Und bei Mobilfunk haben wir diese Diskussion in diesem Saale wiederholt geführt. Auch bei Mobilfunk haben wir uns lange darauf verlassen, dass wir erst ganz viel Geld in Auktionen nehmen dafür, dass jemand überhaupt funken darf. Wenn er dann funkt, ist es völlig klar, dass er sich auf lukrative Bereiche konzentriert. Und hinterher nehmen wir noch mehr Staatsgeld in die Hand, um dafür Sorge zu tragen, dass auch dort gefunkt wird und Mobilfunk existiert, wo es weniger sich lohnt.
Das ist am Ende übrigens keine Frage von Enteignung und auch keine von Sozialismus, sondern – und da bin ich wieder in dem Gleichgewicht – von sozialer Marktwirtschaft, von einem Grundgesetz, das alle Räume der Republik erreichen will. Ich werde im ländlichen Raum nie die gleichen Bedingungen haben wie in der Stadt und in der Stadt nicht wie im ländlichen Raum. Da gibt es unterschiedliche Voraussetzungen, aber die Lebensgrund
lagen in ähnlicher Weise auszugestalten und wenigstens gleiche Chancen an beiden Standorten zu bieten, ist eine Aufgabe.
Von daher glaube ich, dass die Diskussion, die Kevin Kühnert begonnen hat bei BMW, unglücklich anknüpft, aber die Grundtendenz, die da drinsteckt zu fragen, wie viel staatliche Orientierung brauchen wir in gewissen, den Menschen quasi Daseinsvorsorge gleich sehr interessierenden Grundlagen, die finde ich weiterhin richtig. Und deshalb würde mein Pendel deutlich weiterhin in der Mitte schlagen.
Die soziale Marktwirtschaft hat ein bisschen – in Anführungszeichen – „Sozialismus“ in ihrer Brust, nämlich den, dass sie gemeinwohlorientiert guckt. Gemeinwohlorientierung ist der entscheidende Punkt,
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke ganz herzlich. Ich sehe, es wird und bleibt eine spannende Diskussion. – Danke schön.
(Marc Reinhardt, CDU: Völker, hört die Signale! – Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Jetzt spricht ein Zeitzeuge.)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zwischenrufe – ich sage es vorsichtig, um nicht das Wort „unqualifiziert“ zu benutzen – von den Reihen der CDU-Fraktion, auch wenn sie lustig gemeint waren, machen schon zu Beginn deutlich, dass Sie einem alten Sozialismusbegriff anhaften,
(Marc Reinhardt, CDU: Ich wusste gar nicht, dass es einen neuen gibt. – Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)
der mit den Thesen von Kevin Kühnert zum demokratischen Sozialismus und im Übrigen zu den programmatischen Festlegungen auch der SPD zum demokratischen Sozialismus nichts zu tun hat. Vielleicht überwinden Sie mal Ihre Verhaftetheit in der Vergangenheit und wenden sich etwas Neuem zu. Da ist diese Debatte, die beantragt worden ist von der AfD-Fraktion, vielleicht durchaus hilfreich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Soziale Marktwirtschaft statt Sozialismus“ – als ich den Titel dieser Aussprache
gelesen habe, habe ich erregt mein Fenster aufgetan, um zu schauen, wo ist er denn, der Sozialismus.
Da war aber nix, meine sehr verehrten Herren von der AfD-Fraktion, da waren eben nur die mutigen Thesen des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert. Warum also die Aufregung? Ich verstehe es ehrlich nicht.
Aber meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen doch, dass die Idee erst zur materiellen Gewalt wird, wenn sie die Massen ergreift. Die Massen jedoch, auch in der SPD, waren von den Thesen von Kühnert mehr erschüttert als ergriffen. Und da fiel mir dann – Entschuldigung, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD – wieder der ältere, aber leicht besoffene Herr ein, der nach einem Besuch einer SPD-Wahlveranstaltung ausrief, ich zitiere: „Ich werde wahrscheinlich diese Partei wählen – es ist so ein beruhigendes Gefühl. Man tut was für die Revolution, aber man weiß ganz genau: mit dieser Partei kommt sie nicht.“ Zitatende.
(Heiterkeit und Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)
„Soziale Marktwirtschaft statt Sozialismus“ – die AfD, die jetzt so lächelt, weil ich der SPD eine mitgegeben habe, die AfD tut so, als wäre sie die Verfechterin und Bewahrerin der sozialen Marktwirtschaft.
„Selbstverständlich“ rufen die Herren der AfD und beweisen damit, dass sie ihr eigenes Programm nicht kennen.
Das ist genau das Gegenteil von sozialer Marktwirtschaft. Und ich würde Ihnen wirklich mal empfehlen, Ihre eigenen programmatischen Ansätze zu lesen,
denn die AfD fordert in ihrem Bundestagswahlprogramm, dass Deutschland die europäische Transferunion aufkündigen und den Euroraum verlassen soll.
Man solle sich nach dem Willen der AfD ein Vorbild an Großbritannien nehmen. Welches Chaos damit verbunden ist, das erleben wir jeden Tag. Meinen Sie das etwa mit „sozialer Marktwirtschaft“? Ich kann mir das nur schwer vorstellen.
Herr Förster, die AfD will die Mehrwertsteuer senken, was zu erheblichen Mindereinahmen des Staates führen würde. Gegenfinanzierungsvorschläge findet man in Ihren Programmen keine.