Protokoll der Sitzung vom 23.05.2019

ich gestehe es, ich hatte eine sehr glückliche Kindheit, allein schon deswegen, weil ich 300 Meter vom Hafen entfernt groß geworden bin. Hafen, Schiffe, nicht nur Überseehafen – mit dem Loch im Zaun, als ich fünf Jahre alt gewesen bin und meine Eltern haben mich gesucht, ich kannte das Loch im Zaun und war im Hafen. Fischkutter, der Duft, Teer, Tank, Geräuchertes, das machte meine Kindheit aus. Da geht mir das Herz auf. Natürlich kann ich mir und will ich mir auch keinen kleinen Fischereihafen in Kirchdorf auf Poel oder in Rerik, in Barth, ja, auch in Freest nicht, vorstellen ohne Fischerei. Aber „Heimat bewahren“?! Geht es nicht eine Nummer kleiner?

Waren Sie schon mal im Hafen in Sassnitz?

(Dr. Ralph Weber, AfD: Ja.)

Da liegt ein Kutter, der heißt „Heimat“. Da wird Fisch verkauft seit ungefähr acht oder neun Jahren, Räucherfisch.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Gott sei Dank!)

Da ist übrigens kein einziger Räucherfisch aus der Ostsee dabei, da kommt fast alles aus dem Atlantik, aber das ist ein anderes Thema.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht das erste Mal, dass in dieser Legislaturperiode über die Küstenfischerei geredet wird. Das ist auch notwendig, denn den Fischern geht es in der Tat nicht gut. Aber heute

präsentiert uns die AfD-Fraktion eine vermeintliche Lösung, die die Rettung der kleinen Küstenfischerei verspricht. Aber ich glaube, wir sollten da genau hinschauen, worin eigentlich die Intention besteht.

Natürlich wird zugleich ein düsteres Bild gezeichnet vom aktiven Aussterben eines ganzen Gewerbes, und die Politik hat Schuld. Das wird dann mit der kulturellen Identität am Rande nur garniert, aber weitreichende Folgen für das Bundesland und den Tourismus werden genauso in das Bedrohungsszenario eingebaut wie an anderer Stelle dann wahlweise, wie wir es auch schon gehört haben, die Offshorewindparks, Windparks an Land, Wolf, Biber, Kormoran. Es wird alles in den gleichen Duktus gepackt. Auch hier ist unser schönes Bundesland – das schönste Bundesland der Welt, wie Herr Dr. Backhaus immer so schön sagt – im Bestand bedroht.

Geht es nicht wirklich eine kleine Nummer kleiner? Nehmen Sie doch einfach mal den Aluhut ab!

Die Aufhebung der Logbuchpflicht für Fischereifahrzeuge – besser sagte man wohl, für Fischerboote unter zehn Meter – wird nichts an der Situation der kleinen Küstenfischerei ändern.

(Andreas Butzki, SPD: So ist es.)

Diese Pflicht zur Führung eines Logbuches ist sicherlich für einige Fischer eine überaus lästige und bürokratische Angelegenheit. Aber der Wegfall dieser Ordnung, insbesondere was das Fischen am Rande der Kernzone des Nationalparks anbetrifft, ist geradezu schädlich, insbesondere deswegen, weil es kaum eine Überprüfungsmöglichkeit gibt, wo wirklich gefischt wird, jedenfalls nach dem klassischen Muster. Damit sage ich ausdrücklich nicht, dass unsere Fischer in der Verbotszone fischen, sondern mache klar, dass der gesunde oder ungesunde Behördenmisstrauensakt kaum anders zu befriedigen ist.

Und außerdem, Logbuch? Sie stellen hier einen Antrag und im Moment haben wir gerade eine technischtechnologische Entwicklung, wo wir ja mit jedem Smartphone genau wissen können, wo wer ist, und die GPSSignale abgegriffen werden können – vielleicht wird es in kurzer Zeit gar keine Logbücher mehr geben, weil man das alles zentral registrieren kann.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Dann können Sie ja zustimmen.)

Zudem will die AfD,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

dass die Fischerei mit sogenannten Kleinfahrzeugen generell von der Fangmengenbegrenzung, die für alle Fischer und teils auch für Angler gilt, ausgenommen wird. Sicher würde dies dem einzelnen Fischer helfen, insbesondere dann, wenn er in einer besonderen Bredouille ist, aber in keinem Fall den Fischen und ihrer Nachwuchsproduktion in diesen begrenzten Fanggebieten.

Meine Damen und Herren, selbst die Fischer haben doch längst begriffen, dass Veränderungen nötig sind, dass es kein „Weiter so“ geben kann, und zwar auf die Gefahr des eigenen Unterganges. Die AfD will aber, dass alles so bleibt, wie es ist. Der Traum von Gestern mag ein

gutes Motiv sein, vielleicht sogar ehrlich positiv besetzt, aber in der Kernzone des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft und um Jasmund sollte aus unserer Sicht nicht mehr gefischt werden als bisher. Die Sondergenehmigungen für diese Gebiete sind für unseren Geschmack sowieso schon viel zu lange erteilt und verlängert. Eine Lösung dieses Problems wird von den Umweltverwaltungen dieses Landes im Dialog mit nicht wenigen Fischern gesucht, um endlich auch die gesetzlich festgelegte Regelung für Nationalparke zu erfüllen.

Übersetzt heißt aber das, was die AfD hier will, die betreffenden Nationalparke zu verkleinern oder vielleicht sogar ganz zu schleifen. Das wird meine Fraktion aber nicht mitmachen. Hände weg von unseren Nationalparks! Wir werden hier auf keinen Fall dafür stimmen, an dieser Stelle ein Tor aufzumachen.

Das bedeutet nicht, dass es nichts zu verbessern gibt an der Nationalparkregelung. Aber ganz am Rande, die Frage des Tourismus wurde schon angesprochen und ich glaube schon, dass meine Fraktion den Tourismus in diesem Zusammenhang mit Recht auch ins Kalkül einziehen möchte. Gerade, weil Mecklenburg-Vorpommern so eine reichhaltige Ausstattung mit Nationalparks und anderen Großschutzgebieten hat, kommen so viele Menschen zu uns, zu uns, um Urlaub zu machen, sich zu erholen, und nicht in erster Linie – das sage ich nun auch wieder mit Bedauern auf das, was ich in meiner eigenen Kindheit erlebt habe und was mich geprägt hat –, nicht in erster Linie, weil da irgendwo ein Fischkutter liegt.

Wir werden der Logbuchproblematik also eine Absage geben. Was Hunderttausende von Touristen in unser Land zieht, ist etwas anderes. Und was die Nationalparks anbetrifft, meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, ich bekenne mich dazu, wenn es darauf ankommt, dann sind wir Roten die letzten wahren Grünen,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Marc Reinhardt, CDU: Oha!)

denn wir verbinden die Ökologie-, die Umwelt- und Klimafrage mit der sozialen Frage. Sagen Sie das ruhig weiter, das wäre eine gute Reklame für uns!

(Zuruf von Sandro Hersel, AfD)

Auf die Ökologie reduziert

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

würde nämlich ohne die soziale Frage der Mensch mit Amöben und Pflanzen gleichgestellt.

(Zuruf von Christoph Grimm, AfD)

Wir sehen den Unterschied in der sozialen Frage, denn wir haben uns die Erde nicht nur untertan gemacht, sondern wir haben auch die Verantwortung, sie zu bewahren – ohne die Natur über den Menschen zu stellen, aber eben auch nicht umkehrt. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Andreas Butzki, SPD – Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Lenz.

(Dietmar Eifler, CDU: Zeig mal, was ein Fischer ist! – Heiterkeit und Zuruf von Thomas Krüger, SPD – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Heiterkeit bei Marc Reinhardt, CDU: Lieber Burkhard! – Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD)

Ich hatte mir meinen Redebeitrag ein bisschen anders vorgestellt.

(Minister Dr. Till Backhaus: Ich auch. – Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD)

Als aber diese Emotionen bei dem Herrn Backhaus rausgekommen sind, habe ich gedacht, oh, wie willst du das wieder kleinkriegen.

Ich fange mal doch so an, wie ich es mir eigentlich gedacht habe. Herr Lerche, als ich Ihren Antrag gelesen habe,

(Andreas Butzki, SPD: Gar nicht wahr.)

habe ich gedacht, Mensch, wieder nur ein Punkt aus der Fischerei, über den wir hier beschließen sollen. Der Fischerei – das hat der Minister ja auch zugegeben – geht es wirklich nicht gut und ich bin auch der Meinung, dass, wenn wir uns jetzt nicht langsam mal irgendwo über alle Probleme unterhalten und wirklich versuchen, allen Ernstes versuchen, mit allen Mitteln, die uns vom Land zur Verfügung stehen, unsere Fischer zu retten,

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

dann gibt es in zwei Jahren keine Fischereigenossenschaft mehr.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Ralf Borschke, Freie Wähler/BMV)

Auch einen Punkt hat der Herr Minister angesprochen, deswegen gehe ich jetzt gleich darauf ein. Sie sagten, mehr als die Hälfte der Fischer sind über 60. Genauso habe ich von jemandem erfahren, wie es geht, also wie es um die Fischer steht, gerade was das Alter betrifft. Da sind wirklich in zwei Jahren kaum noch Fischer da. Damit lösen sich an der Küste die Fischereigenossenschaften auf. Und das ist die Grundlage, damit wir die Küstenfischerei weiter betreiben können.

Und, Herr Backhaus, ich hoffe eigentlich nur, dass es den Jugendlichen oder den Nachfolgern gelingt, die Betriebe ihrer Eltern, ihres Vaters, die Schiffe ihres Vaters zu übernehmen. Was machen aber die meisten Jungen? Die werden Freizeitfischer.

(Minister Dr. Till Backhaus: Tja, Sie wissen auch, warum.)

Das ist ein Ding, sodass wir von der Berufsschifffahrt bald wirklich keinen mehr haben. Da bin ich jetzt bei der Berufsschifffahrt, bei der Ausbildung der Fischerei, wo wir in den letzten 20 Jahren auch nicht viel getan haben für die Ausbildung der Fischer.

(Minister Dr. Till Backhaus: Da sind die Unternehmen gefordert.)

Wir sind nicht in der Lage, die Fischerei, Ausbildung der Fischer auf modernsten Stand zu stellen. Die Fischer sind heute mit ganz anderen Problemen konfrontiert als vor 10, vor 20 Jahren. Kaufmännisches Wissen und Bürokratieeinweisung kriegen sie während ihres Lehrganges, während ihrer Ausbildung überhaupt nicht vermittelt. Das sind jetzt erst mal Probleme, die ganz außen vor sind und mit den Anträgen hier eigentlich gar nichts zu tun haben.