Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Und ich sage: „Schön.“ Und warum macht sie das? Weil sie es kann, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die „Fusion“ ist ein friedliches Festival. Punkt!

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Und weil das so ist, werde ich mich an diese Mentalität halten, wenn ich jetzt für die „Fusion“ spreche, denn sie ist viel mehr als das, was viele sich vorstellen wollen, wenn sie „Festival“ hören: Kunst und Kultur, Familienprogramm, Workshops, internationale Begegnungen und ein selbstdefinierter Freiraum, der Normen festgelegt hat, Normen, an die sich alle halten. Die „Fusion“ ist anders, anders als andere Festivals. Ich selbst habe das Miteinander damals als kleine heile Welt erfahren, in der niemand komisch guckt, wenn man anders aussieht oder tanzt, und zwar nicht nur, weil es sich nicht gehört, komisch zu gucken, sondern weil es einfach akzeptiert wird, so zu sein, wie man eben ist. Du bist besonders, und das ist gut so. Du bist schrill, und das ist auch gut so. Und es ist eben ein großer Unterschied, ob man zur „Fusion“Community gehört und sich auf diese besondere Welt eingelassen hat oder ob man kritischer Beobachter mit Kontrollabsicht ist, sprich Polizistin oder Polizist.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist, wie es ist, an dieser Stelle stört sie, die Polizei.

(Egbert Liskow, CDU: Warum? – Dr. Ralph Weber, AfD: Unsere Polizei stört nie.)

Und es erschüttert unsere Gesellschaft doch nicht im Mark, wenn es Menschen gibt, die sich von der Anwesenheit der Polizei gestört fühlen. Ich persönlich habe auch keine Angst vor Polizistinnen und Polizisten. Mein Vater ist Bundespolizist. Aber ich kann sehr gut nachvollziehen, warum man ohne sie feiern will, warum man sich ohne Polizei unbeschwerter fühlt, warum für manche Menschen die Anwesenheit der sogenannten Ordnungshüter/-innen eben keine Nebensache ist, keine Selbstverständlichkeit.

Mal abgesehen von der gesellschaftspolitischen Frage, die ich hier ganz relevant finde, zählt noch etwas anderes. Eine Einsatzwaffe auf dem Gelände und eine Bestreifung ohne Anlass, also eine Kontrolle ohne Anlass, sind mit Blick in die Vergangenheit durch nichts zu rechtfertigen. Eine permanente Überwachung durch die Polizei kann nicht begründet werden und bisher habe ich auch noch kein einziges überzeugendes Argument gehört. Im Gegenteil, die meisten Anwürfe klingen konstruiert und nach einer verzweifelten Suche nach Begründungen.

Dabei ist der Verein Kulturkosmos Müritz gewillt, alle erforderlichen Maßnahmen des Behördenkatalogs umzusetzen, sofern sie umsetzbar und auch leistbar sind für

eine solche Veranstaltung. Und in diesem Zusammenhang, liebe Kolleginnen und Kollegen, finde ich es äußerst kritikwürdig, dass gestern Abend noch mal eine Liste mit Forderungen bei den Veranstalter/-innen eingegangen ist, noch mal neue Ansprüche, noch mal komplizierte und aus meiner Sicht auch überzogene Forderungen.

Langsam, aber sicher müssen wir fragen, ob hier einfach verzögert werden soll. – Offenbar, denn am Sonntag sind die Kommunalwahlen. Offenbar will man weder die eine noch die andere Wählerseite vergrätzen. Stattdessen wird noch mal nachgefordert und Entscheidungen werden weiter nach hinten geschoben, obwohl die Zeit schon jetzt drängt.

Werte Mitglieder des Landtages, ein Sicherheitskonzept ist wichtig, keine Frage, da sind sich alle einig. Menschen müssen vor Gefahren geschützt werden, natürlich. Und wie sicher ist die „Fusion“ oder aber wie gefährlich? Auf einmal werden Vergleiche bemüht, die mehr als nur hinken. Die Massenpanik auf der Loveparade oder ein Bühnenbrand während des „Rock am Ring“-Festivals eignen sich nicht, um angeblich notwendige Sicherheitsmaßnahmen zu begründen. Die „Fusion“ findet auf einem Gelände statt, das circa 210 Fußballfelder groß ist. Mit einem Tunnel in Duisburg kann man das nun wirklich nicht vergleichen. Über das stets und gerne gezogene Damoklesschwert Terrorismus will ich gar nicht erst reden, denn mit der Angst vor dem Terror wurde in den letzten Jahren schon so manche Schweinerei legitimiert, die sich hinterher als falsch und vorgeschoben herausgestellt hat.

Die Veranstalter/-innen der „Fusion“ sind zur Kooperation bereit, das haben sie mehrfach bewiesen. In konkreten Verdachtsfällen und natürlich in Notfällen kann die Polizei auf das Gelände kommen. Niemand stört sich daran, niemand hat etwas gegen ein Kriseninterventionsteam. Warum jedoch die positive Sicherheitsstatistik der „Fusion“ negiert und sogar ins Gegenteil verkehrt wird, verstehen wir nicht. Warum die Wache in unmittelbarer Nähe außerhalb des Geländes sein kann beziehungsweise nicht sein kann, versteht auch niemand.

Und an dieser Stelle möchte ich klar sagen, zum Gelände gehören alle gepachteten Flächen, und „außerhalb“ heißt dann eben auch „außerhalb“. Doch ganz offenbar stört sich der Polizeipräsident einfach daran, dass die Polizei in den vergangenen Jahren eben keine absolute Kontrolle hatte. Seine Aussage, man müsse einen Fehler der letzten Jahre korrigieren, spricht doch hier Bände.

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Dr. Ralph Weber, AfD)

Herr Nils Hoffmann-Ritterbusch schürt Ängste und man muss sich fragen, ob er die Konfrontation sogar sucht. Das Sicherheitskonzept 2018 war absolut ausreichend, und genau zu diesem Konzept müssen wir zurückkehren, denn uns bricht kein Zacken aus der Krone, wenn wir akzeptieren, dass es Menschen in unserer Gesellschaft gibt – und ich rede ausdrücklich nicht von Gewalt –,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Die kiffen und dealen, ne?)

die sich aber durch die Anwesenheit von PolizistInnen eingeschränkt fühlen oder sogar bedroht. Können wir

nicht akzeptieren, dass dieses Festival ein Hort ist für Leute, die auch ohne Polizei friedlich zusammen sein wollen und können? 70.000 bis 100.000 Menschen aus ganz Europa treffen aufeinander, und das ist doch großartig.

Babette Kirchner, Musiksoziologin an der TU Dortmund, beschreibt das Festivalphänomen so, ich zitiere: „Die Fans finden dort ein Zugehörigkeitsgefühl – sie bilden ein Gemeinschaftsgefühl aus. Und jemandem, dem man sich zugehörig fühlt, dem möchte man nichts Böses.“ Zitatende. Sie macht klar, es geht darum, den Moment zu erleben und Spaß zu haben. Man gehört zusammen, zumindest für diesen Moment. Endet das Festival, endet dieses Gefühl. Aber solange die Musik spielt, sichert dieses Gefühl die Friedfertigkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie sich einen Ruck! Tausend Beamte dort zu stationieren, wo in den letzten Jahren nicht einmal 250 nötig waren, kommt nicht friedlich rüber, nein, das ist übertrieben. Wer auch nur einmal auf der „Fusion“ war, weiß, dass dieses Konzept nicht aufgehen kann und dass dringend abgerüstet werden muss. Und die äußerst fragwürdigenden Begleiterscheinungen, die rund um die Debatte zur sogenannten Absicherung auftauchten, sind ebenso besorgniserregend, aber darüber sollten wir im Innenausschuss reden.

Der Vorsitzende des Kulturrates von MecklenburgVorpommern, Michael Körner, erklärte, er habe kein Verständnis für die jetzige Situation, und Polizisten auf dem Gelände seien „nicht sinnvoll“. Dies wäre „provozierend und nicht deeskalativ“. Recht hat er. Er meint sogar, ich zitiere aus einem Bericht von „Deutschlandfunk Kultur“, die Polizei solle „dem Geist der Fusion nicht mit einer Law-and-Order-Mentalität begegnen“, sondern die Entfaltung des Geistes des Festivals ermöglichen. Er lobt die Kreativität, die Fantasie und die Kultur, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir auch tun. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Selten war ich für einen Oppositionsantrag dankbarer als für den „Fusion“-Antrag der LINKEN. Er gibt mir die Gelegenheit, hier im Landtag Stellung zu beziehen und vor allen Dingen vieles geradezurücken, denn ich kann mich nicht erinnern, über nachvollziehbares und verantwortungsbewusstes Handeln staatlicher Stellen – und hier rede ich eben nicht nur von der Polizei, sondern hier rede ich auch vom Amt, hier rede ich auch vom Kreis, von der Genehmigungsbehörde – so viel Unsinn, Diffamierendes und so viele Unwahrheiten gehört zu haben wie in den letzten Wochen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD)

Und angesichts des aufgebauten Popanzes ist es schon peinlich, dass Sie als Linksfraktion diesen Tagesordnungspunkt am Freitagnachmittag ansiedeln.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD – Unruhe vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Aber zur Sache!

(Zuruf von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Es ist Ihre Entscheidung, wo die Punkte angesiedelt werden, nicht meine.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das entscheidet der Ältestenrat!)

Erstens. Die „Fusion“ hat in Mecklenburg-Vorpommern eine lange Tradition.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich kann es auch morgen machen.)

Der Landkreis, das zuständige Ordnungsamt,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

das zuständige Ordnungsamt, die Landesregierung und selbstverständlich auch der Polizeipräsident und die Polizei wollen, dass die „Fusion“ dem Land in Zukunft erhalten bleibt. Wer etwas anderes behauptet oder verbreitet, der verbreitet schlicht Blödsinn.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Horst Förster, AfD)

Zweitens. Die „Fusion“ ist sicherlich kein gewöhnliches Festival. Es werden verschiedene Musikrichtungen gespielt, es gibt Theatervorführungen, es gibt Kabinett, Kabarett,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Kinoprogramme, Kunstinstallationen und auch,...

Das war der berühmte freudsche Versprecher.

... und auch,

(Zurufe von Jochen Schulte, SPD, und Martina Tegtmeier, SPD)

und es gibt auch Performancevorstellungen. Ja, die Veranstaltung ist etwas Besonderes. Der Veranstalter Kulturkosmos Müritz e. V. hat hier etwas Spezielles und auch etwas Einzigartiges geschaffen. Dafür gebührt ihm Anerkennung und Unterstützung und auch Dank, ohne Wenn und Aber. Dennoch, kein Festival, kein Kulturfest, keine öffentliche Veranstaltung findet im rechtsfreien Raum statt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD)

Auch für die „Fusion“ gelten Regeln, die unter anderem, liebe Kolleginnen und Kollegen, in vielen Fällen das Parlament selbst aufgestellt hat. Ob es die Landesbauord

nung ist, ob es die Jugendgesetzgebungen sind, ob es das SOG ist, es sind unsere Regeln, über die wir hier reden.

Drittens. Die genehmigende Behörde, sagte ich eingangs schon, für die „Fusion“ ist nicht die Polizei, ist auch nicht der Innenminister, auch nicht die Landesregierung, sondern das Ordnungsamt Röbel-Müritz. Es beteiligt den Landkreis und bezieht selbstverständlich die Polizei mit ein.

Viertens. Es stimmt, das Sicherheitskonzept der „Fusion“ wurde in den letzten Jahren stets mehr oder weniger ausnahmslos genehmigt. Doch das lag eben nicht an dem erstklassigen Sicherheitskonzept, sondern daran, dass sich Genehmigungsbehörde und Polizei nicht intensiv genug mit dem Konzept auseinandergesetzt haben.