Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Aber, das will ich auch sagen, jeder, der klar denken kann, weiß, dass dort, wo staatliches Geld verteilt wird und wenig Transparenz und Kontrolle herrschen, der Anreiz zur Selbstbedienung deutlich, deutlich größer als null ist. Und darum sagt einem der gesunde Menschenverstand, dass dieser Untersuchungsausschuss richtig und wichtig ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Hier ist dringend Aufklärung notwendig. Das schaffen wir eben nicht mit einigen Sitzungen verschiedener Ausschüsse und nicht allein mit mehr Prüfrechten des Landesrechnungshofes. Den Landesrechnungshof möchte ich auch erwähnen und ich möchte ihm ausdrücklich danken für seine wichtige Arbeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Er versucht mit viel zu wenig Personal zu prüfen, und es muss auch frustrierend sein, wenn die Arbeitsergebnisse dann weitgehend ignoriert werden. So rügt der Rechnungshof schon lange, dass Mittel zur Projektförderung seit zig Jahren für Geschäftsstellen der Verbände eingesetzt werden. Das aber ist keine Projekt-, sondern eine Dauerförderung, und die läuft dem Zuwendungsrecht zuwider. Ja, es ist richtig, dass der Landesrechnungshof mehr Prüfrechte bekommt. Das ist ja laut Koalitionsvertrag geplant und das unterstützen wir. Vor allem aber müssten sich auch die Sozialverbände in die Bücher schauen lassen, denn da wird ja bisher gemauert.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, was macht der Rechnungshof denn?)

Der Rechnungshof braucht natürlich auch mehr Personal und nicht weniger.

(Vincent Kokert, CDU: Wie viele Stellen?)

Im bisherigen Stellenplan ist aber ein weiterer Abbau von Personal vorgesehen und das passt nicht zusammen.

Wir müssen uns bei der Arbeit des Untersuchungsausschusses die Verquickung von Verbänden und Politik ansehen. Jeder weiß beispielsweise, dass die AWO maßgeblich von vielen ehemaligen und jetzigen SPDPolitikern gesteuert wird. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an die SPD-Fraktion appellieren, auf den ihr zustehenden Vorsitz in diesem Ausschuss freiwillig zu verzichten, das wäre guter politischer Stil, damit gar nicht erst der Anschein von Befangenheit entstehen kann.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Vincent Kokert, CDU: Wer würde dann von Ihnen Vorsitzender werden? Haben Sie da schon einen Personalvorschlag?)

Das kriegen wir schon hin.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ah ja! – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Ich möchte noch kurz auf das Argument eingehen, der Untersuchungsausschuss sei zu teuer. Dieses Argument kommt ja ironischerweise von der SPD, die zusammen mit der CDU ungekrönter Landesmeister im Schaffen von Versorgungsposten ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Peter Ritter, DIE LINKE: Gleiches sagten Sie zum NSU-PUA. Selbst der NSU-PUA war für Sie zu teuer.)

Es ist ein falsches Argument,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

denn wir wollen mit diesem Ausschuss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass zukünftig sorgsamer und transparenter mit dem Geld der Steuerzahler umgegangen wird.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss ist für zwei Dinge wichtig: Er soll erstens eine möglichst umfassende Aufklärung über die Vorgänge bei der AWO und über die langjährige intransparente Förderpraxis bringen, und er soll uns zweitens durch seine Ergebnisse Antworten auf wichtige Fragen liefern. Wie können wir das Fördersystem transparenter und damit unanfälliger für Selbstbedienung und Vetternwirtschaft gestalten? Welche Regeln müssen wir dafür schaffen? Wie können wir mehr Wettbewerb in das System bringen, um die Steuermittel kostenschonend einzusetzen? Es wartet also sehr viel Arbeit auf diesen Untersuchungsausschuss, aber die Arbeit wird sich – davon bin ich überzeugt – für unser Land lohnen. – Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Jochen Schulte für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen!

Sehr geehrter Herr Holm, eins vorweg, ich habe Ihnen das ja eben schon mal im Zwischenruf angedeutet: Ihre Worte, wonach Sie das Engagement der unzähligen Menschen, die sich, egal, ob es die AWO, die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz, der Paritätische Wohlfahrtsverband ist, in diesem Land,...

(Patrick Dahlemann, SPD: Volkssolidarität.)

Volkssolidarität natürlich auch, Herr Kollege Dahlemann.

... die sich in diesem Land ehrenamtlich oder auch hauptamtlich für das Wohl der Menschen engagieren, mit Ihrem Untersuchungsausschuss nicht diskreditieren wollen, wären nur dann glaubwürdig, Herr Kollege Holm, wenn Sie sich im Vorfeld als Fraktionsvorsitzender der AfD gleich im Anschluss an die letzte Landtagssitzung von den Äußerungen Ihres Fraktionsmitgliedes de Fernandes, der hier an diesem Pult von „Sozialmafia“, von „Sozialindustrie“ gesprochen hat, entschuldigt hätten und nicht damit gewartet hätten, bis der Vorsitzende der kleinen LIGA, Herr Scriba, Sie öffentlich dafür kritisiert hätte, um dann hier den Kotau zu machen, immer nach dem üblichen Motto der AfD, einer von Ihnen prescht vor, diffamiert, beleidigt, pauschalisiert und der Nächste stellt sich in die Ecke und tut so, als ob Sie alle nichts damit zu tun hätten.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Meine Damen und Herren,

(Zuruf von Enrico Komning, AfD)

meine Damen und Herren, das werden wir Ihnen in der Debatte heute, aber auch in der weiteren Arbeit des Untersuchungsausschusses so nicht durchgehen lassen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Enrico Komning, AfD: Das wollen wir mal sehen. – Zuruf von Holger Arppe, AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Kommen Sie mal zum Thema!)

Das in Artikel 23 unserer Landesverfassung gewährleistete Recht auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gehört zu den ältesten und wichtigsten Rechten eines jeden Parlaments. Über das Frage- und Informationsrecht hinaus soll es dem Landtag jene Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung eröffnen, die das Parlament zur Vorbereitung seiner Entscheidungen und vor allem zur Wahrung seiner Kontrollfunktion gegenüber der ihm verantwortlichen Regierung benötigt. Dabei ist das notwendige Quorum für die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, auch ausdrücklich in unserem Land, so gewählt worden, dass nicht nur die Mehrheit dieses Hauses, sondern gerade eben auch eine qualifizierte Minderheit dieses Instrument nutzen und einsetzen kann.

Meine Fraktion hat in diesem Landtag sowohl als Oppositions- als auch als Regierungspartei dieses Recht immer

hochgehalten und die Fraktion der SPD wird auch in Zukunft dieses Recht des Parlaments gegen jede Infragestellung verteidigen. Zu diesem Recht gehört auch, dass der oder die Antragsteller im Rahmen der Gesetze allein verantwortlich darüber entscheiden, wie der Inhalt des Einsetzungsantrages ausgestaltet ist. Ich weiß, dass immer wieder Behauptungen kursierten, meine Fraktion habe den Umfang des Einsetzungsantrages – in welcher Form auch immer – einschränken wollen. Ich sage an dieser Stelle und ich sage es deutlich: Das ist schlicht unwahr, um es freundlich auszudrücken.

Aber jedes Recht, meine Damen und Herren, das man innehat, birgt auch immer die Pflicht zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit diesem Recht in sich. Und auch wenn die Antragsteller innerhalb des gesetzlichen Rahmens frei in der Ausgestaltung eines Antrages auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sind, müssen sie sich doch die Frage gefallen lassen, ob das, was sie tun, einer solchen Verantwortung – auch gegenüber den Menschen in diesem Land – immer entspricht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ja, es hat in diesem Land, gerade im Zusammenhang mit einzelnen Kreisverbänden der Arbeiterwohlfahrt, in der Vergangenheit Vorkommnisse gegeben, die, zumindest nach den in den Medien veröffentlichten Informationen, Anlass für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sind. Ja, es ist richtig und es ist gut, dass die Staatsanwaltschaft dahin gehend ermittelt, ob und, wenn ja, in welchem Umfang ein strafrechtlich relevantes Verhalten dieser Personen vorliegt. Diese Vorfälle, meine Damen und Herren, müssen aufgeklärt werden. Meine Fraktion begrüßt es ausdrücklich, dass die Staatsanwaltschaft dieses Landes die entsprechenden Ermittlungen aufgenommen hat. Und ja, meine Damen und Herren, an diesen Vorkommnissen sind offenkundig auch einzelne Personen, die sowohl Mitglied eines Wohlfahrtsverbandes als auch der SPD sind, beteiligt. Aber auch hier gilt die klare Aussage meiner Fraktion: Wer immer sich eines strafbaren Verhaltens schuldig gemacht haben sollte, muss mit den entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. In den Augen meiner Fraktion gibt es, sofern strafbare Handlungen vorliegen sollten, keinerlei Entschuldigung. Diejenigen, die sich, in welcher Weise auch immer, in krimineller Weise bereichert haben sollten, müssen die entsprechenden Konsequenzen tragen.

Sehr geehrter Herr Holm! Meine Damen und Herren der AfD-Fraktion! Ich weiß, dass in den letzten Wochen von politisch interessierten Kreisen, die meiner Partei, meiner Fraktion in der öffentlichen Debatte offenkundig schaden wollen, immer wieder die Behauptung gebracht wurde, dass die SPD-Landtagsfraktion versuchen würde, die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses zu verhindern oder zumindest doch den Einsetzungsantrag dahin gehend einzuschränken, um sich so vermeintlich schützend vor die Beschuldigten zu stellen. Das – ich habe es auch in den letzten Wochen immer wieder erleben müssen – war so, dass Journalisten in diesem Land solche Behauptungen kolportierten, obwohl es keinerlei konkrete Anhaltspunkte für diese, ich sage es ausdrücklich, wahrheitswidrige Behauptung gab und gibt.

Ich sage es an dieser Stelle ganz klar: Wir als SPDFraktion wollen eine sachgerechte Aufklärung, wir wollen sie durch die zuständige Staatsanwaltschaft. Wir werden uns einer sachorientierten Aufklärung auch an anderer

Stelle nicht nur nicht entgegenstellen, sondern sie im Rahmen unserer Möglichkeiten und im Rahmen der Gesetze unterstützen. Dies gilt, meine Damen und Herren, auch ausdrücklich für den von Ihnen nunmehr initiierten Untersuchungsausschuss.

Deswegen wird sich auch heute, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Landtagsfraktion weder gegen die Einsetzung des beantragten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wenden noch in irgendeiner Weise Änderungsvorschläge zu dem gestellten Einsetzungsantrag unterbreiten, und das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, obwohl dieser Antrag dermaßen schlecht formuliert ist, wie ich es in 14 Jahren parlamentarischer Arbeit nur selten, ja, fast nie erlebt habe. Selbst die Fraktion der NPD war bei ihrer Tätigkeit in diesem Parlament – von Arbeit möchte ich an dieser Stelle nicht sprechen –

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD)

zumindest noch in der Lage, wenigstens vergleichbare frühere Anträge anderer Fraktionen abzuschreiben.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Selbst hierzu ist die AfD bei ihrem Antrag auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses nicht in der Lage gewesen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Liegt am Klimawandel.)

Und es ist ausdrücklich zu begrüßen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es ist zu warm in deren Büros.)