(Henning Foerster, DIE LINKE: Haben Sie einen Clown gefrühstückt oder was?! – Zuruf von Jeannine Rösler, DIE LINKE)
Und zweite Vorbemerkung: Nicht alles, was altbacken ist, muss deswegen zwangsläufig falsch sein, lieber Kollege Koplin.
Knapp 90 Prozent derjenigen deutschen Haushalte mit einer Reinigungskraft sollen Schätzungen zufolge ihre Wohnung schwarz putzen lassen. Von über drei Millionen Haushalten, die eine Hilfe beschäftigen, ließen knapp unter drei Millionen Haushalte schwarz reinigen und einkaufen.
(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Was hat das jetzt mit Cannabis zu tun? – Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)
Das sind beides Zahlen aus dem Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. Sie haben eine Reihe von Zahlen vorgetragen, aus der Hanfindustrie nachzulesen. Wenn ich der Logik Ihres heutigen Antrages folge, sollen wir genau dieses Vorgehen entkriminalisieren,
denn unsere bisherige – ich nehme mal die Worte aus Ihrem Antrag, und über den reden wir ja – rückwärtsgewandte und auf Verbote setzende Politik im Bereich des Steuerrechts und des Sozialversicherungsrechts geht schließlich an der Lebensrealität dieser fast drei Millionen Menschen vorbei. Ich denke, dieser Vergleich bringt ganz gut auf den Punkt, wie weitab Ihre Denke von der Lebensrealität von über 80 Millionen rechtschaffenen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land ist, liebe Kollegen.
Aber gut, Sie können sich bei Ihren Forderungen zumindest keine Widersprüchlichkeiten vorwerfen lassen. Schwarzfahren soll ja nach Ihrem Willen schließlich auch
bald legal sein, Ladendiebstähle vielleicht ebenfalls. Ich hoffe nur, dass bei Raubüberfällen auch bei Ihnen dann irgendwann am Ende die Fahnenstange erreicht ist.
Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen, bleiben Sie doch ganz entspannt! Das ist doch Ihr Antrag, das kann ich nicht verstehen.
Drei Millionen Menschen in Deutschland konsumieren also Cannabis, Studie Hoch. Wir können uns unterschiedliche Studien vortragen. DIE LINKE möchte, dass wir das schlicht ignorieren und als gegeben hinnehmen. Stärker noch, sie suggeriert quasi, dass es sich bei den Konsumenten von Cannabis um eine Art kulturelle Avantgarde handelt, die ihrer Zeit voraus ist und die durch regelwidriges Verhalten den gesellschaftlichen Wandel vorantreibt, lieber Kollege Koplin. Damit trägt sie zu nichts Weiterem als der Verharmlosung dieser Droge bei,
und das ist, lieber Kollege Koplin – das lasse ich mir nicht ausreden –, gerade mit Blick auf jüngere Menschen nach meiner festen Überzeugung nicht zu verantworten! Feststeht, Cannabiskonsum schädigt die Gesundheit.
Feststeht, es kann zu Realitätsverlust, zu Schwindel und paranoiden Störungen führen. Und die Symptome werden stärker, je häufiger diese Droge konsumiert wird, auch Ergebnis vieler Studien.
Außerdem kommt es zu Bewusstseins-, Wahrnehmungs- und Verhaltensstörungen, die sich auch in verzögerten Reaktionszeiten äußern, was wiederum unter anderem im Straßenverkehr sehr gefährlich sein kann.
Wir können uns heute natürlich einen Wettbewerb darin liefern, lieber Kollege Koplin, wer am meisten Studien zitieren kann, die die eine oder andere Position belegen.
Besonders zielführend wäre das sicherlich nicht. Ich bitte aber schon inständig, dass Sie in sich gehen und überlegen, welche Folgen Ihre Forderungen gerade für unsere Jugend hätten. Es ist doch eine Milchmädchenrechnung zu glauben, dass durch eine Beinahe-Legalisierung von Cannabis ab 18 Jahren Unter-18-Jährige keinen leichteren Zugang zu den Drogen hätten.
Dass die Realität anders aussieht, zeigen uns doch die Erfahrungen bei Alkoholkonsum von Minderjährigen.
Reden Sie doch mal mit den Psychiatern und Psychotherapeuten, die sich mit Folgen von Cannabiskonsum bei Jugendlichen beschäftigen müssen!
Viele junge Menschen kiffen, weil sie so besser Situationen auszuhalten meinen, die sie sonst schwer ertragen. Schwierigkeiten in der Familie oder mit den Freunden, schulischer Druck, ganz schnell ist man bei regelmäßigem Konsum gelandet.
Dabei ist es doch gerade im jungen Alter wichtig, gewissen Druck auszuhalten, auch wenn es mal nicht so läuft wie gewünscht, eine Phase, in der Jugendliche lernen, Probleme zu lösen, indem sie schrittweise denken und planen. Wer Probleme nur aussitzt und stattdessen zum Joint greift, lernt genau diese Verhaltensweisen auf jeden Fall nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Umso mehr sollte uns Sorge machen, dass der Cannabiskonsum unter jungen Leuten in Deutschland immer weiter steigt. 2008 haben knapp 12 Prozent, 2016 knapp 17 Prozent und im letzten Jahr bereits 22 Prozent der 18- bis 25-Jährigen Cannabis zu sich genommen. Und gerade auch der Anstieg dieser Zahlen bei den 12- bis 17-Jährigen sollte uns zu denken geben. Gleichzeitig steigt der Gehalt des Cannabiswirkstoffs THC. Seit Mitte der 90er hat sich dieser Wert bis heute sowohl für Haschisch als auch für Marihuana ungefähr verdreifacht. Im Angesicht dieser Zahlen finde ich es überhaupt nicht hilfreich, wenn immer wieder auf das alte Argument abgestellt wird, dass Alkohol genauso schädlich ist.
Wir können froh sein, dass der Alkoholkonsum unter Jugendlichen in den letzten Jahren zurückgegangen ist, auch wenn Alkoholexzesse immer sehr besorgniserregend sind.
Das erfolgt meistens am Wochenende auf Partys oder bei Freunden zu Hause. Dabei erfolgt dieses Sichabschießen nicht einmal in der Regelmäßigkeit wie der Cannabiskonsum. Insbesondere die Bereitschaft zum Experimentieren bei diesen Exzessen sollte uns große Sorgen bereiten, denn bin ich schon einmal bei Joints gelandet, dann auch noch in Kombination mit Alkohol, ist der Schritt zu härteren Drogen eben nicht weit. Da haben wir eine grundsätzlich andere Auffassung als Sie.
Das ist das, was Ihnen Praktiker erzählen, die mit diesen Fällen zu tun haben. Allein in Mecklenburg-Vorpommern
haben 2018 über Tausend Menschen die Sucht- und Drogenberatungsstellen des Landes wegen psychischer und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide aufgesucht. Mit knapp einem Drittel war davon die zweitgrößte Gruppe junger Menschen im Alter von 19 bis 24 Jahren, und 17 Prozent der Betroffenen waren sogar jünger als 18 Jahre. Und das sind nur die Fälle, die sich proaktiv, also von sich heraus, Rat gesucht haben. Wir reden gar nicht über die Dunkelziffer, die es dabei noch gibt. Außerdem kann die Antwort auf Probleme, die wir bereits mit legalen Drogen haben, doch nun wirklich nicht sein, dass wir andere Drogen noch zusätzlich legalisieren. Im Übrigen sprechen über 70.000 Tote durch Alkohol und über 120.000 Tote infolge von Tabakkonsum nicht gerade für legale Drogen.
Cannabis macht abhängig. Punkt, meine Damen und Herren! Ihr Antrag ändert an dieser Sache rein gar nichts. Und gerade im Interesse unserer Jugend sollte Ihnen daran gelegen sein, uns die Handhabe, die wir hier haben, nicht zu nehmen.
Unabhängig davon ist natürlich die Diskussion um Schmerztherapien und Arzneimittelverordnung zu sehen. Die steht hier überhaupt nicht zur Debatte, und die wird, glaube ich, von kaum einem, ich behaupte mal, von allen im Haus, nicht angezweifelt, weil sie auch eine gewisse Sinnhaftigkeit hat.
Und natürlich hat auch niemand etwas gegen Aufklärungskampagnen über die Gefahren von Drogenkonsum. Unsere intensiven Bemühungen in diesem Bereich haben beim Tabak- und Alkoholkonsum erfreulicherweise zu einem Rückgang der Zahlen geführt. Wir haben also Ansatzpunkte, um unsere Jugend zu schützen, denn nur darum sollte es gehen. Deswegen kann ich Ihr Ansinnen nicht ansatzweise nachvollziehen. Das hat auch nichts mit rückwärtsgewandter Politik zu tun.
Erwin Sellering hat 2010/2011 sehr intensiv das Verbot von Rauchen in öffentlichen Einrichtungen, in Gaststätten, in unseren öffentlichen Verwaltungen mit vorangetrieben. Und mit solchen Dingen hat es dazu geführt, dass viele dann eben nicht mehr geraucht haben. Das betrifft mich selbst. Das Verbot hat dazu geführt, dass ich vor zehn Jahren aufgehört habe zu rauchen, weil ich eben nicht immer auf den Hof rennen wollte, wenn ich mit den Mitarbeitern irgendwas besprechen wollte.
(Heiterkeit bei Sebastian Ehlers, CDU, und Dr. Matthias Manthei, Freie Wähler/BMV – Karen Larisch, DIE LINKE: Aha!)
Und Sie sagen, nein, wir wollen legalisieren, das ist viel besser als Verbote. Das, glaube ich, ist eher rückwärtsgewandt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.