Protokoll der Sitzung vom 18.10.2019

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Die wirklichen Nazis sind alle tot oder vergreist.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Sie haben ihr Unwesen nach dem Kriege in vielen Parteien getrieben, keinesfalls aber in der AfD.

(Torsten Renz, CDU: Sie machen es sich aber ziemlich leicht!)

Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Einen Moment, Herr Grimm! Zu Ihrem Wortbeitrag gibt es eine Kurzintervention, angemeldet durch die Fraktion DIE LINKE.

Und ich rufe auf die Abgeordnete Frau Larisch.

Danke, Frau Präsidentin!

Herr Grimm, Sie haben in Ihrer Rede Menschen, die ökonomisch benachteiligt sind, also die in Situationen stecken, in denen sie beispielsweise ihre ganzen Stromrechnungen nicht bezahlen können, Schwierigkeiten haben, ihre Miete zu bezahlen, eventuell aus verschiedensten Problemen vielleicht auch wohnungslos werden, unterschwellig als Extremisten bezeichnet, weil Sie dieses als Grund angegeben haben, dass diese Gesellschaft von Extremisten unterwandert ist. Und ich weise entschieden zurück, dass die Menschen in diesem Land, die sich täglich anstrengen, ihre Rechnungen zu bezahlen, Extremisten sind.

(Dr. Ralph Weber, AfD: So ein Schwachsinn!)

Möchten Sie darauf antworten, Herr Grimm?

Wenn ich darf, gerne, ja.

Also, Frau Larisch, ich weiß nicht, was Sie da in den falschen Hals bekommen haben. Eine Aussage, wie Sie es eben hier zitiert haben, habe ich überhaupt nicht getroffen. Richtig ist, dass durch die Politik der etablierten Parteien, aber auch dieser Landesregierung eine stetige Verarmung der Gesellschaft stattfindet. Das haben Sie richtig verstanden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Es gibt viele Leute, die ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können, es gibt immer mehr Altersarmut, und das ist ein Grund dafür, dass sich unsere Gesellschaft zunehmend spaltet. Und auf einem solchen Nährboden kann das nicht erblühen, was wir uns alle erhoffen, nämlich Demokratie und Toleranz. Das müsste Ihnen einleuchten. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte, die Beratung zur Unterrichtung der Landesregierung zur weiteren Umsetzung des Ersten Landesprogramms „Demokratie und Toleranz“, erfährt durch die Ereignisse in Halle an der Saale eine besondere Brisanz. Das hasserfüllte, rechtsextremistisch und antisemitisch motivierte Attentat hat uns mahnend vor Augen geführt, dass unsere demokratisch-freiheitliche Grundordnung behauptet und vor Extremisten, egal aus welcher Richtung, geschützt werden muss.

Angriffe auf Einzelne wie in der vergangenen Woche sind Angriffe auf uns alle und berühren uns auf eine erschütternde Art und Weise. Niemals wird es in einem rechtsstaatlichen und demokratischen Deutschland dazu kommen, dass die Würde des Menschen, die Unversehrtheit des Einzelnen oder aber der Schutz von Religionsgemeinschaften zur Diskussion stehen. Sie sind fester Bestandteil des einenden Bandes unserer verfassungsmäßigen Ordnung, zu der wir uns durch das Grundgesetz bekennen und auf dessen Basis wir in Deutschland unser vielfältiges friedliches Miteinander organisieren.

Auch, das möchte ich als evangelische Christin an dieser Stelle sehr deutlich betonen, sind wir nicht zuletzt vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte dazu verpflichtet, jüdisches Leben in Deutschland gegen extremistische, verbale oder gar nonverbale Anfeindungen oder Angriffe effektiver zu schützen. Es ist nicht hinnehmbar – und hier spreche ich als Sicherheitspolitikerin –, dass sich vielfach jüdischgläubige Menschen in Deutschland zunehmend bedroht sehen in ihrem Alltag oder in der Auslebung ihres Glaubens, wie zum Beispiel beim Tragen einer Kippa auf offener Straße. Diese Entwicklung ist keinesfalls tolerierbar, und ich schließe mich daher gern den Forderungen meiner Fraktion auf Bundesebene an, die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Gemeinden oder Einrichtungen zukünftig zu verstärken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus der Extremismusforschung wissen wir, dass frühzeitige politische Bildung entscheidend dazu beitragen kann, Radikalismus und Extremismus bei jungen Menschen zu unterbinden. Salonfähig gewordener und mitunter vollkommen enthemmter Hass im Internet, auch hierfür ist die politische Bildung ein wirksames Mittel, um demokratische und menschenachtende Werte auf breiter gesellschaftlicher Basis zu fördern.

Demokratie lebt von mündigen Bürgerinnen und Bürgern, welche eine Vielfalt von Meinungen und Haltungen akzeptieren. Um den bei uns im Land Mecklenburg-Vorpommern eingeschlagenen Weg fortzusetzen, haben wir vor genau zwei Jahren in einem gemeinsamen Antrag von SPD, CDU und LINKEN beschlossen, das seit 2006 bestehende und bewährte Landesprogramm „Demokratie und Toleranz“ fortzusetzen. Diese Arbeit, dessen Federführung seit 2012 bei der Landeszentrale für politische Bildung in guten Händen liegt, verdient Anerkennung und verlangt angesichts der eingangs geschilderten Herausforderungen eine zielgerichtete Fortsetzung.

Damals und heute sind wir uns darin einig, dass Demokratie vermittelt und verteidigt werden muss, und zwar inmitten des gesellschaftlichen Alltags, auf allen Ebenen unseres Zusammenlebens. Gerade durch die Geschehnisse in Halle wird doch deutlich, dass wir das zivilgesellschaftliche Fundament stärken müssen, dass es nicht

tolerierbar ist, wenn man am Stammtisch über religiöse Minderheiten witzelt oder wenn im vermeintlich rechtsfreien Netz gegen Personen des öffentlichen Lebens gehetzt wird.

Ich möchte, dass unser Staat entschlossen gegenüber seinen Feinden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung agiert. Aus diesem Grund ist es weiterhin wichtig, dass wir das mittlerweile 13 Jahre andauernde Engagement des Landes fortsetzen, um zivilgesellschaftliche und demokratiestärkende Prozesse zu fördern oder die Rahmenbedingungen für demokratisches Engagement zu verbessern. Dazu zählt für mich auch, dass wir landesseitig alles daransetzen, ab 2020 mit einer landesweiten Ehrenamtskarte genau diese Personen zu honorieren und zu unterstützen, die sich für ein demokratisches Engagement einsetzen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Wir müssen leider feststellen, dass das ohnehin vergleichsweise schwach ausgeprägte ehrenamtliche Engagement in den neuen Bundesländern in Kirchen, Vereinen oder Parteien seit Jahren sinkt, und dies leider auch in Mecklenburg-Vorpommern. Umso dringlicher ist es, dass wir zivilgesellschaftliches Engagement weiter stärken, weil wir nicht zuletzt auch hiermit die politische Kultur stabilisieren. Ich bin mir sicher, dass die in Neustrelitz dank meines Fraktionsvorsitzenden zukünftig wirkende Bundesehrenamtsstiftung substanzielle Beiträge dazu leisten wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Marc Reinhardt, CDU: So ist es. – Torsten Renz, CDU: Jawoll!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im März 2019 hat die Landesregierung eine, wie ich finde, sehr wegweisende Erste Fortschreibung des Landesprogramms vorgelegt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: War das nicht Eckhardt Rehberg, der das gemacht hat?)

Unsere Intention als CDU-Fraktion hierfür war und ist sehr eindeutig. Einerseits ist es uns wichtig, an die bestehenden bewährten Maßnahmen und Angebote anzuknüpfen. Die Vermittlung von demokratischen Werten und Einstellungen ist eine Herausforderung, die nur mit Kontinuität und Nachhaltigkeit gemeistert werden kann. Andererseits war es mir wichtig, dass das Landesprogramm auf breitere und daher aus meiner Sicht noch wirkungsvollere Füße gestellt werden muss. Mit der Fortsetzung des Landesprogramms verbinde ich die Zielstellung, dass wir die Auseinandersetzung mit jeglicher Form von Extremismus, Antisemitismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit fördern.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Diesem Grundgedanken wurde in der Fortschreibung Rechnung getragen, indem bereits in der Beschreibung der Ausgangslage eindringlich beschrieben wird, dass der demokratische Rechtsstaat vielfältigen Angriffen aus allen Extremismusfeldern ausgesetzt ist, denen begegnet werden muss. Ich erwarte daher, dass diese Ausgewogenheit zukünftig auch bei der auf dem Landesprogramm basierenden Projektförderung stärker Berücksichtigung findet. Davon unberührt bleibt die Feststellung, dass der

Rechtsextremismus weiterhin den Schwerpunkt der extremistischen Aktivitäten im Land bildet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 30 Jahre friedliche Revolution, die wir am Mittwoch in Waren gefeiert haben, bedeuten auch 30 Jahre Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Dies gilt es zu schützen, zu bewahren und gemeinsam zu stärken und immer wieder daran zu erinnern, dass Demokratie kein Selbstläufer ist. Demokratische Grundwerte und Einstellungen, die Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen und das Vertrauen in Institutionen und demokratische Verfahren müssen – da wiederhole ich mich gern – vermittelt und gelebt werden. Auch dazu trägt das bewährte Landesprogramm „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!“ bei.

Ich bitte Sie daher um Zustimmung zur vorliegenden Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses, auf deren Basis die Landesregierung mit der Erarbeitung einer Umsetzungsstrategie zur Implementierung des fortgeschriebenen Landesprogramms beauftragt wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Ich begrüße auf unserer Besuchertribüne Teilnehmende eines Integrationskurses bei migra e. V. in Rostock. Herzlich willkommen!

Ich rufe auf für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Herrn Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich meinen Redebeitrag mit einem etwas längeren Zitat beginne. Ich zitiere:

„Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern betrachtet den Rechtsextremismus in allen seinen Erscheinungsformen als eine ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie und verfassungsmäßige Ordnung in unserem Land.

Es ist ein dringendes gesamtgesellschaftliches Anliegen, die deutlichen rechtsextremistischen Tendenzen vor allem unter den jungen Menschen in unserem Land zurückzudrängen und die insbesondere, aber nicht nur von Rechtsextremisten verübten Gewaltstraftaten mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln konsequent zu bekämpfen.

Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Gewalt muss von allen demokratischen Kräften und gesellschaftlichen Organisationen in unserem Land geführt werden. Dabei kommt nicht nur der Justiz und der Polizei eine herausragende Bedeutung zu. Gerade auch zu Hause in den Familien und in den Schulen muss die inhaltliche Auseinandersetzung mit rechtsextremistischem Gedankengut ehrlich und intensiv geführt und Demokratieverständnis und menschliche Werte vermittelt und vorgelebt werden. Sportvereine, Arbeitgeber und Ausbilder, aber auch die Medien und nicht zuletzt jedes einzelne Mitglied in unserer Gesellschaft tragen Verantwortung dafür, dass Ausländerfeindlichkeit, rechtsextremistische Gesinnung, dumpfe Gewalt und Missachtung vor dem menschlichen Leben nicht zum Alltag in Mecklenburg-Vorpommern gehören. Um eine Stärkung des rechtsextremistischen Lagers zu verhindern, ist es notwendig, die mit der

rechtsradikalen Szene sympathisierenden Jugendlichen nicht auszugrenzen, sondern in das demokratische Gesellschaftssystem zu integrieren.

In diesem Zusammenhang darf nicht außer Acht gelassen werden, dass denjenigen, die sich mutig und selbstlos Gewalttätern entgegengestellt und dabei eigenen Schaden erlitten haben, ebenso wie den Opfern bessere rechtliche Hilfe und moralische Unterstützung zuteil werden muss.“ Zitatende.

Das von mir eben Vorgetragene stammt aus einem Antrag der damaligen Oppositionsfraktion CDU unter der Überschrift „Bekämpfung von Rechtsextremismus und Gewalt“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum habe ich das in dieser Ausführlichkeit vorgetragen? Weil erstens der Antrag der damaligen Oppositionsfraktion CDU im Jahr 2000 die Problemlage dieses Landes konkret benannt hat, nämlich die Herausforderungen bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Gewalt. Zweitens wurde dieser Antrag, nicht, wie gern behauptet, auch hier im Landtag jetzt unter dieser Regierungskonstellation, dass alles von der Opposition abgelehnt wird, nein, zweitens wurde dieser Antrag in die Ausschüsse des Landtages überwiesen. Es hat eine umfängliche Anhörung im Innenausschuss stattgefunden, es hat Beratungen zu diesem Antrag gegeben in allen Fachausschüssen des Landtages, und es hat dazu eine Beschlussempfehlung gegeben, die über das, was die CDU damals vorgeschlagen hatte, hinausging. Das ging der CDU damals wiederum zu weit. Sie hat die Beschlussempfehlung nicht mitgetragen und dann auch am Ende diesen von ihr selbst eingebrachten Antrag.

(Torsten Renz, CDU: Von welchem Jahr sprechen Sie jetzt noch mal?)