Protokoll der Sitzung vom 13.11.2019

(Torsten Renz, CDU: Unser, unser aller! – Andreas Butzki, SPD: Auch Ihrer! – Peter Ritter, DIE LINKE: Wir sind ja ruhig.)

Bitte, Herr Caffier.

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Ich wiederhole das gern noch mal: Unterm Strich haben im nächsten Jahr die Gemeinden, die Städte und die Landkreise über 350 Millionen Euro mehr in der Kasse als noch in diesem Jahr. So viel Geld stand den Kommunen in ihrer Geschichte noch nie zur Verfügung,

(Vincent Kokert, CDU: So ist das.)

und das wird sich nach meiner, nach unserer Überzeugung auch bemerkbar machen. Dieses FAG ist ein Konjunkturprogramm für Mecklenburg-Vorpommern, es ist ein Konjunkturprogramm auch und gerade für den ländlichen Raum.

Zweitens. Wir führen eine Infrastrukturpauschale ein. Diese Pauschale hat einen ganz klaren Zweck. Mit ihr sollen Investitionen und natürlich auch werterhaltende Maßnahmen finanziert werden.

(Marc Reinhardt, CDU: Sehr richtig!)

Schließlich ist es oft sinnvoller, eine Turnhalle regelmäßig zu reparieren, anstatt alle 20 Jahre nach Möglichkeit eine neue hinzustellen. Hierfür stehen in den kommenden drei Jahren jeweils 150 Millionen Euro zur Verfü

gung. Das Land steuert allein 100 Millionen Euro frisches Geld bei. Ab 2023 sind es dann immer noch 100 Millionen Euro insgesamt, wobei eben 60 Millionen Euro vom Land kommen. Die Infrastrukturpauschale ist besonders für die Kommunen wichtig, die Defizite haben. Sie sind damit nicht gezwungen, alle Zuweisungen für die Konsolidierung einsetzen zu müssen. So können auch, ich formuliere mal, nicht so wohlhabende Kommunen den Investitionsstau und damit diese Form der versteckten Verschuldung bekämpfen.

Drittens. Die Verteilung der FAG-Zuweisungen wurde vollständig umgekrempelt. Wir sind nun endgültig nach unendlich langen Diskussionen von einem 3-SäulenModell auf das moderne 2-Ebenen-Modell umgestiegen. Der Gedanke dabei ist, dass wir die Gelder nicht mehr auf kommunale Gruppen aufteilen, sondern das Geld folgt den Aufgaben. Wir unterscheiden zwischen Gemeinde- und Kreisaufgaben, egal, von wem sie wahrgenommen werden. Die aufgabenbezogene Finanzverteilung ist fairer, weil sie alle Kommunen gleichermaßen erfasst und keinen Raum für willkürliche Entscheidungen lässt.

Viertens. Neben den Einwohnern und der Steuerkraft als Verteilungskriterien haben die von uns beauftragten Gutachter Nebenansätze vorgeschlagen. Auf der Kreisebene ist der Soziallastenfaktor ergänzt worden. Die Sozialausgaben sind der Mammutposten in den Haushalten der kreisfreien Städte und der Landkreise. Alle, die in den kommunalen Parlamenten sitzen, wissen das. Und die Gutachter haben festgestellt, die relative Belastung mit Sozialausgaben ist auf der Kreisebene sehr unterschiedlich. Man denke nur an Schwerin und den Landkreis Ludwigslust-Parchim. Deshalb ist es eben geboten, dies auch im Gesamtfinanzpaket mit zu berücksichtigen, wie die Verteilung erfolgt.

Auf Wunsch des Landkreistages haben wir für die Landkreise auch noch einen Dünnbesiedlungsfaktor aufgenommen. Die wissenschaftliche Grundlage dafür ist jedoch etwas dürftig und der Landkreistag ist von seinem Votum auch schon wieder abgerückt. Hier gibt es sicherlich noch Diskussionen und möglicherweise auch Änderungsmöglichkeiten im parlamentarischen Verfahren.

Auf der Gemeindeebene wurde ebenfalls ein zusätzlicher Mehrbedarf für Kinder und Jugendliche ermittelt. Dort, wo es viele Kinder und Jugendliche gibt, sind die Bedarfe besonders hoch. Das leuchtet auch ein. Kita, Schule, Jugendklub, alles, was da mit dazugehört, muss auch finanziert werden. Deshalb gilt im FAG, Kinder und Jugendliche zählen bei der Berechnung mehr als die Erwachsenen oder die Eltern.

Wichtig für mich war, dass wir auch die Ausgleichsquote bei der Verteilung der Gemeindezuweisungen deutlich angehoben und eine relative Mindestausstattung eingeführt haben. Auf diese Weise stärken wir kleine Gemeinden und damit eben auch den ländlichen Raum insgesamt.

Außerdem haben sich die Gutachter intensiv mit den zentralen Orten auseinandergesetzt und deren Mehrbedarf ermittelt. Die allermeisten Zentren profitieren von der Untersuchung. Bei den Grundzentren wurde jedoch festgestellt, dass der Mehrbedarf für klassische zentralörtliche Funktionen offenbar doch nicht so viel größer ist als bisher angenommen. Ich verstehe, dass die betroffenen Kommunen das anders sehen – das ist, glaube ich, aber

auch selbstverständlich – und deshalb wenig glücklich mit der Regelung sind. Die ist aber nun einmal wissenschaftlich fundiert, und eine der Kernaussagen für dieses Gesetz war, dass wir uns auf die Aussagen der Gutachter beziehen und auch gut beraten sind, wenn wir dies tun, denn es wird sicherlich von den 750 Gemeinden mindestens eine geben, die auch wieder das FAG verklagen wird vor Gericht. Und dann ist es natürlich gut und richtig, dass man das auf wissenschaftlich fundierter Grundlage ermittelt hat und nicht gerade sozusagen Pi mal Daumen mal Fensterkreuz.

Deswegen ist es unterm Strich auch dazu gekommen, wie es dazu gekommen ist. Wir dürfen nicht willkürlich davon abweichen, weil es eben dann ein Gesetz und gerade ein solches Kerngesetz auch rechtlich angreifbar macht. Wir haben uns jedoch dazu entschieden, den Grundzentren mit einer fünfjährigen Übergangsphase entgegenzukommen. Das mildert die Folgen für die betroffenen Städte in den ersten Jahren ab. Im Übrigen sind die Grundzentren fast durch die Bank auch steuerstark. Niemand verliert gern Zuweisungen, aber ich denke, diese Gruppe kann es in der Gesamtheit noch am besten kompensieren.

Übrigens haben wir gemeinsam mit dem Gutachter Maßnahmen ergriffen, um eine Ungleichbehandlung der Gemeinden gegenüber den Landkreisen zu verhindern. Wenn eine Gemeinde höhere Zuweisungen erhält, kassiert der Landkreis über die Kreisumlage gleich einen großen Teil ein. Bei so stark steigenden Zuweisungsbeträgen hätten die Landkreise unterm Strich etwas zu viel vom Kuchen abbekommen. Diese Kritik wurde im Verfahren zu Recht geäußert und wir haben ihr Rechnung getragen.

Fünftens. Wir setzen die Entschuldung der Städte und Gemeinden konsequent fort. 50 Millionen Euro stehen hierfür jedes Jahr zur Verfügung.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr gut!)

Damit wollen wir die Wohnungsbaualtschulden und die sonstigen Schulden der Kommunen gleichermaßen abbauen.

(Rainer Albrecht, SPD: Gute Idee.)

Sechstens. Es war ein Herzenswunsch der kommunalen Familie, den Abzugsbetrag für ehemalige IFG-Mittel und Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen aufzulösen und den Kommunen zukommen zu lassen. Hier sind wir der kommunalen Familie weit entgegengekommen. Der Abzugsbetrag wird aufgelöst, die aus dem Abzugsbetrag finanzierten Förderprogramme werden zugleich fortgesetzt. Das Land kompensiert dabei die kommunalen Anteile aus dem Landeshaushalt. Das wird zwar größtenteils durch Verrechnung ausgeglichen, aber eben nicht vollständig. Unterm Strich steht auch hier ein Plus für die Kommunen.

Zu guter Letzt beinhaltet der Gesetzentwurf eine Lösung für die Kompensation des Wegfalls der Straßenausbaubeiträge ab dem Jahr 2020. Auf Basis der von den Gemeinden zu ermittelnden Gemeindestraßenkilometer werden die Mittel zukünftig pauschal ausgereicht. Es werden sicherlich einige Gemeinden ihre Straßenverzeichnisse noch aktualisieren müssen, aber ich denke, bei allen Schwierigkeiten einer pauschalen Verteilung ist

das noch der beste Weg für alle Beteiligten. Das Kapitel „Straßenausbaubeiträge“ wollen wir endgültig zu den Akten legen, und das ist doch auch eine gute Sache, wenn wir ein solches Kapitel abschließen können.

Meine Damen und Herren, auch nach der Reform bleibt das FAG kompliziert. Es werden komplett auch in Zukunft nur die größten Experten vollständig durchdringen und verstehen können. Es kann schon sein, dass ein Bürgermeister mal nachfragt, warum denn die Zuweisungen für seine Gemeinde plötzlich sinken, obwohl die Bevölkerung stabil geblieben ist und auch die Steuerkraft nicht zu- oder abgenommen hat. Dann kann beispielsweise der Grund sein, wie ich in der einen Gemeinde gerade festgestellt habe, dass viele Jugendliche volljährig geworden sind. Nach unserem Berechnungsschlüssel heißt das automatisch, dass ihnen dann 1,5 Erwachsene rund wegfallen in der Berechnung, weil wir uns ja entschieden haben, Kinder und Jugendliche zählen mehr. Wenn sie 18 werden, volljährig, kommen sie aus diesem Berechnungsschlüssel raus und dann ist die Gemeinde zwar stabil geblieben, hat aber einen anderen Zuweisungsschlüssel.

Auch das sind Dinge, die wir transportieren müssen, damit man gerade in kleineren Gemeinden, wo man genau weiß, wie viele Menschen da wohnen, auch das Verständnis dafür mitbringt, so ein FAG bleibt, egal, wie wir es aufstellen, eben ein vertracktes Ding. Das gilt in Mecklenburg genauso wie in allen Flächenländern.

(Patrick Dahlemann, SPD: In Vorpommern auch.)

Aber es muss die Bürgermeister und Kommunalpolitiker im Detail nicht interessieren, wichtig ist für die Bürgermeister, was am Ende rauskommt und was sozusagen auf der Zahlenreihe steht.

Anfang November haben wir den Kommunen den Orientierungserlass zugeschickt, mit dem sie nun schwarz auf weiß nachlesen können, was sie nächstes Jahr erhalten. Und da werden wir in den Städten und Gemeinden – davon gehe ich jedenfalls aus – viele zufriedene Gesichter finden. Es ist das gute Recht der Opposition, sich die wenigen Reformverlierer herauszupicken. Die werde ich auch nicht unter den Tisch fallen lassen, das gehört dazu, und ich glaube, bei 750 Gemeinden kann man – egal, wie man den Verteilungsschlüssel macht – keinen Weg finden, an dem von 750 am Ende alle hundert Prozent zufrieden sind.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Aber klar ist auch, die große Mehrheit der Gemeinden, der Städte und der Landkreise hat nach der Reform mehr in der Tasche als vor der Reform. Das ist ein Riesenerfolg und da werden hier einige Kritiker schon große Verrenkungen machen müssen, um diese Fakten ignorieren zu können.

(Torsten Renz, CDU: So ist es.)

Bei über der Hälfte der Gemeinden mit sinkenden Zuweisungen ist diese Entwicklung maßgeblich von einem Einwohnerrückgang in der jeweiligen Gemeinde begründet. Das kann aber nun einer FAG-Reform nicht angelastet werden. Auch im bestehenden System sinken die Zuweisungen, wenn die Einwohnerzahl sinkt. Aber das

und vieles andere wird gewiss noch ausgiebig in den Ausschüssen beraten und diskutiert werden. Das Innenministerium steht dabei gern mit Rat und Tat zur Seite.

Ich finde, es ist auch richtig, dass sich das Parlament ausreichend Zeit dafür nimmt, denn für die Kommunen ist das eher nebensächlich. Sie bekommen unter Vorbehalt ab Januar die Zuweisungen auf Basis des Gesetzentwurfes. Falls es im parlamentarischen Verfahren zu Änderungen kommt, werden wir diese selbstverständlich im Jahresverlauf berücksichtigen. Ich erwarte da aber von niemandem böse Überraschungen. Kritik, dass das Gesetz für die Kommunen erst jetzt kommt und dass es zu spät ist, ist, glaube ich, hier deplatziert, weil alle Beteiligten wollten umfangreiche Untersuchungen, und wir haben ja zusätzliche Untersuchungen bei den Gutachtern noch mal in Auftrag gegeben, die eben diese Zeit gebraucht haben. Ich habe das schon mal erwähnt, wir haben den Orientierungserlass Anfang November rausgegeben, auf deren Grundlage die Kommunen planen können, und dementsprechend auch erst im Januar im wahrsten Sinne des Wortes an den Start gehen können.

Was ich erwarte von den Landkreisen, will ich an der Stelle auch ganz deutlich sagen: Bei den Zuwächsen, die die Landkreise in der Finanzzuweisung haben, sollte man intensiv darüber nachdenken, dass man das im Rahmen der Kreisumlage in den jeweiligen Gemeinden kenntlich macht, sprich, eine Absenkung der Kreisumlage kommt und nicht noch eine Erhöhung der Kreisumlage,

(Minister Reinhard Meyer: Hm, schönes Thema.)

aber ich glaube, auch darüber werden sich die Parlamentarier in den Ausschüssen sehr intensiv austauschen.

Ich bedanke mich an der Stelle bei allen, die sich intensiv in den Prozess eingebracht haben, meinem Staatssekretär, vor allem meinen Mitarbeitern, aber auch dem Gutachterteam. Das Finanzministerium hat sich hier stets kritisch, aber sehr konstruktiv und letztendlich, muss ich auch sagen, großzügig im Rahmen der Gesamtmittel eingebracht. Die kommunalen Landesverbände waren ein harter, aber fairer Verhandlungspartner. Es ist auch für den Städte- und Gemeindetag und den Landkreistag nicht immer einfach, bei der Struktur unserer Gemeinden und Landkreise alle unter einen Hut zu bekommen.

Danken möchte ich an der Stelle auch den Koalitionsfraktionen, die diesen Prozess frühzeitig begleitet haben, aber auch denen aus der Opposition, die immer wieder auf Dinge hingewiesen haben, die zu berücksichtigen sind.

An der Stelle gilt ein besonderer Dank Professor Dr. Lenk und seinem Team. Ich weiß nicht, ob er wusste, worauf er sich eingelassen hat, als er sagte, ich übernehme den Auftrag hier für Mecklenburg-Vorpommern. Das war nicht ohne. Ein dünn besiedeltes Flächenland wie MecklenburgVorpommern wissenschaftlich zu untersuchen und dabei die ganzen Besonderheiten berücksichtigen zu müssen, war keine einfache Sache.

Ich denke jedoch, dass die wissenschaftliche Grundlage für das FAG über jeden Zweifel erhaben ist. Die Gutachter haben ein Fundament geschaffen, welches das kommunale FAG bestimmt ein oder zwei Jahrzehnte als Grundlage tragen wird. Dass es darin die eine oder ande

re Veränderung geben wird, ist selbstverständlich. Das FAG ist ein Meilenstein für die Kommunalpolitik in unserem Land, und alle, die daran mitgearbeitet haben, können stolz auf ihre Leistung sein.

Ich freue mich auf gute und intensive Beratungen in den zuständigen Ausschüssen und ich gehe davon aus, dass wir dann auch dafür eine gute Grundlage für die weitere Entwicklung der Gemeinden, Städte und Landkreise in unserem Land schaffen. Dafür bedanke ich mich bei allen an der Stelle und wünsche uns eine zügige, wenn auch sachgerechte Umsetzung. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorgesehen. Widerspruch kann ich dazu nicht erkennen, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Dr. Jess.

Ehe Herr Dr. Jess mit seiner Rede beginnt, möchte ich zu solch später Stunde – das ist nicht so häufig in unserem Parlament – eine weitere Besuchergruppe auf der Tribüne begrüßen. Ich gehe davon aus, dass Sie eine Gruppe des Wirtschaftsministeriums sind. Ist das richtig? – Herzlich willkommen!