Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

(Peter Ritter, DIE LINKE: „Junge Freiheit“!)

Meine Damen und Herren, was wir in Syrien erleben, ist nichts anderes als eine geopolitische Grundsatzverschiebung, bei der Westeuropa faktisch keinerlei echten Einfluss mehr besitzt. Der für den jüngeren Konfliktverlauf entscheidende Faktor war zuletzt und ist ganz aktuell Russland. Mein Kollege Förster hat es schon in der Kurzintervention erwähnt. Die militärischen Eingriffe des Westens im Nahen Osten und in Nordafrika sind weitestgehend gescheitert. Selbst wenn man der Meinung ist, dass Deutschland eine selbstbewusstere militärische Rolle spielen sollte, dann unterliegt das Unterfangen, damit jetzt in Nordsyrien anzufangen, einer gnadenlosen Selbstüberschätzung gegenüber den eigenen Fähigkeiten. Deutschland überschätzt sich im Moment. Unkalkulierbare Militärabenteuer einer Verteidigungsministerin, die sich in der eigenen Partei kaum noch profilieren kann, lehnen wir entschieden ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der vorliegende Antrag spricht zwar eine sehr wichtige Fragestellung an, ist aber aufgrund seiner dogmatischen

Ablehnung gegenüber militärischen Interessen Deutschlands unausgereift. Aus diesem Grunde sehe ich mich persönlich gezwungen, den Antrag in dieser Form abzulehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Friedriszik.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, und das ist auch gut so. Und es gibt keinerlei Zuständigkeiten hier in diesem Hohen Hause, was die Bundeswehr angeht, und auch nicht bei der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns.

Ich habe lange überlegt, ob ich mich zu diesem Antragsgegenstand überhaupt äußere. Ich bin 1992 in die Bundeswehr eingetreten und habe auch an einer Vielzahl von Auslandseinsätzen teilgenommen. Es ist – und da spreche ich, glaube ich, die Meinungen vieler meiner Kameradinnen und Kameraden aus –, Ihre geheuchelte Solidarität mit der Bundeswehr ist als Beleidigung hinzunehmen. Wir lehnen diesen Antrag selbstverständlich ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Ach?!)

Für die Fraktion der LINKEN hat jetzt das Wort der Abgeordnete Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn eines sicher ist, dann ist es die Tatsache, dass hier in diesem Hohen Haus die verschiedenen Fraktionen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zum Auftrag der Bundeswehr die unterschiedlichsten Positionen haben. Das ist allerdings auch keine neue Erkenntnis.

Es hat innerhalb der zurückliegenden Wahlperioden schon einmal den Versuch gegeben, aufgrund dieser unterschiedlichen Positionen einen Keil zwischen die Fraktionen zu treiben, als nämlich die NPD-Fraktion einen Antrag stellte unter dem Titel „Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden“. Ich habe damals für die demokratischen Fraktionen die Ablehnung dieses Antrages begründet, auch in dem Wissen, dass CDU, dass SPD, damals die GRÜNEN und meine Fraktion zu den Auslandseinsätzen eine völlig unterschiedliche Herangehensweise haben.

Und so ist das für meine Fraktion auch heute, denn das, was der Kollege Arppe hier geboten hat, war eine ziemliche sicherheitspolitische Geisterfahrt, die am Ende dann aber das offenbarte, was er eigentlich verfolgt mit einem solchen Ansatz: Man möge doch bitte die jungen syrischen Männer, die sich hier im Land nach seiner Auffassung unberechtigt aufhalten, in einem Bataillon zusammenfassen und dann nach Syrien schicken und dort sollen sie ihre Konflikte lösen, aber bitte nicht bei uns zu Gast sein.

(Zuruf von Holger Arppe, fraktionslos)

Das ist doch das, was eigentlich hinter Ihrem Antrag steckt. Und von einem Antrag traue ich mich ja gar nicht zu reden.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Das ist ein Satz, den Sie uns hier hinknallen. Sie kommen hier früh um 11 Uhr in den Landtag hineingeschlendert, wo wir schon seit mehreren Stunden über die wichtigen Dinge in diesem Land reden,

(Zuruf von Dirk Friedriszik, SPD)

dann knallen Sie uns hier so einen Satz hin, dann halten Sie hier eine flegelhafte Rede, und wenn es Ihnen passt, dann gehen Sie wieder nach Hause und verlangen von uns, dass wir einer solchen unparlamentarischen Arbeit beitreten. Nicht mit meiner Fraktion, Herr Arppe, nicht mit meiner Fraktion!

Auch die AfD-Fraktion hat ihre Position dargestellt, Herr Kramer, doch offensichtlich gibt es in Ihrer Fraktion unterschiedliche Herangehensweisen zu dieser Thematik. Das, was sozusagen Ihr Kernpunkt in der Auseinandersetzung mit sicherheitspolitischen Fragen ist, haben Sie auch auf den Punkt gebracht: die Wiederherstellung der alten Grenzregime. Das ist eine Geschichte, die meine Fraktion auch überhaupt nicht teilt, weil wir für ein weltoffenes Europa stehen mit all den Problemen, die damit auch verbunden sind.

Und ich teile auch nicht die Auffassung, dass wir keine Zuständigkeit hätten, dass wir sozusagen nicht verantwortlich wären, dass sozusagen die Entscheidungen nur in Berlin getroffen werden. Nein, wir sind auch hier zuständig, denn erstens leben Soldatinnen und Soldaten, die in Auslandseinsätze geschickt werden, auch in Mecklenburg-Vorpommern,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Sehr richtig!)

auch in unseren Wahlkreisen. Für diese Soldatinnen und Soldaten und für ihre Familien tragen wir Verantwortung. Das ist doch ganz klar. Und ich wünsche jedem, ich wünsche jedem, der in einen Auslandseinsatz geschickt wird, dass er wohlbehalten und gesund zurückkommt. Ich denke, das ist ein Punkt, der uns alle einigen kann.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und Horst Förster, AfD)

Zweitens glaube ich aber auch, dass es auch politische Einflussmöglichkeiten gibt, denn nicht umsonst ist unser Innenminister ja seit vielen Jahren Vorsitzender des – jetzt hätte ich fast gesagt, Nationalen Verteidigungsrates –,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und AfD – Zuruf aus dem Plenum: Das ist ja noch nicht so lange her.)

nein, des Verteidigungsausschusses des Bundesrates. Und insofern glaube ich schon, dass man auch als Innenminister, der eine solche Position bekleidet, doch auch bundespolitisch Einfluss hat und über bestimmte Dinge dort reden kann und von mir aus auch mit einem Auftrag des Parlaments ausgerüstet solche Punkte dort auf die Tagesordnung setzt. Allerdings muss es dann den konkreten Auftrag des Parlaments geben.

Und wenn der Kollege Arppe hier fordert: „Die Landesregierung wird aufgefordert, sich auf der Bundesebene gegen einen wie auch immer gearteten Einsatz der Bun

deswehr in Syrien auszusprechen“, da weiß ich nicht so richtig, was er meint. Künftige Einsätze oder Einsätze, die schon laufen? Denn die Bundeswehr ist doch schon längst eingebunden. Also wenn Sie ernsthaft an diese Problematik herangegangen wären, hätten Sie Ihren eigenen Antrag anders formulieren müssen.

(Zuruf von Dirk Friedriszik, SPD)

Denn es ist Fakt, dass die Bundeswehr seit 2015 an der internationalen Koalition zum Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat in Syrien und im Irak beteiligt ist mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen und zur Luftbetankung. Sie unterhält eine Ausbildungsmission auf bilateraler Ebene im Irak. Aus Sicht meiner Fraktion trägt dieser Bundeswehreinsatz weder zur Friedenssicherung noch zur Versöhnung im Irak und in Syrien bei.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Das Engagement in der Anti-IS-Koalition begründet sich offensichtlich in externen geostrategischen Interessenlagen. Und statt, wie von der Bundesregierung behauptet, zu einer Versöhnung in der Region beizutragen, hat diese einseitige Unterstützungsleistung durch die internationale Koalition, deren tragenden Kräfte zuvor massiv die Destabilisierung im Irak und Syrien betrieben, zur Spaltung Syriens und im Irak beigetragen. Das ist Fakt.

Und das, was ich jetzt vorgetragen habe, stammt aus einem Antrag der Bundestagsfraktion der LINKEN unter der Überschrift „Bundeswehr sofort aus dem Anti-ISEinsatz zurückrufen“, mit konkreten Maßnahmen untersetzt, die weit darüber hinausgehen als das, was der Herr Arppe hier uns einfach mal so präsentiert, Landesregierung mach mal und sieh zu, dass wir aus Syrien herauskommen. Das ist also nicht zielführend, was uns hier präsentiert worden ist, erstens.

Zweitens braucht meine Fraktion eine solche Handreichung von Herrn Arppe überhaupt nicht, weil die Position meiner Partei hier im Land ist klar, meiner Fraktion. Die Position der Fraktion auf Bundesebene im Bundestag ist klar, also braucht es hier solche Anträge nicht. Wir werden das also auch nicht unterstützen.

Und im Übrigen, was die Auseinandersetzung auf der bundespolitischen Ebene angeht, bin ich da sehr bei dem neuen Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion, Herrn Mützenich, der dieser Tage gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ sagte, ich zitiere: „Ich nehme jede Äußerung der Verteidigungsministerin ernst – und ich finde kaum eine wirklich durchdacht.“ Zitatende. Das ist eine Position, …

Herr Kollege …

… der ich mich anschließen kann und bin jetzt zu allen Dingen bereit.

(Heiterkeit bei Stefanie Drese, SPD: Zu allen?)

Herr Kollege Ritter, Sie gestatten also, nehme ich so zur Kenntnis, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kramer?

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen Dank.

Sehr geehrter Kollege Ritter, Sie sagten, ich hätte in meinem Redebeitrag behauptet, es ginge mir um Grenzverschiebung.

Nein, die Wiederherstellung des alten Grenzregimes. Also, Sie haben ja gesagt, Sie wollen sozusagen, dass Deutschland die eigenen Grenzen wieder sichert, und das sollte für Europa auch zutreffen. Also, das ist die Wiederherstellung des alten Grenzregimes. Ich meine damit nicht die Grenze 1961, die errichtet wurde, wenn Sie darauf abzielen, sondern die ehemaligen Grenzziehungen, die es vor der europäischen Einigung gegeben hat. Wir leben jetzt in einem grenzenlosen Europa. Darüber bin ich sehr froh, und ich habe überhaupt keine Lust,

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

dass auf dem europäischen Kontinent wieder irgendwo welche Grenzen gezogen werden, um die eigenen, die eigenen Interessen zu wahren und Menschen, die in Not sind, nicht hineinzulassen.

Eine weitere Zwischenfrage, gestatten Sie die, Herr …?

Bitte.

Vielen Dank, dass Sie das Missverständnis aufklären konnten. Sie haben recht, wir leben in einem freien Europa. Dennoch ist es nach meinem Dafürhalten legitim, der Wunsch einer Grenzsicherung, und wenn wir das auf nationaler Ebene nicht schaffen können, eben an europäischen Grenzen.

(Zuruf von Christian Brade, SPD)