Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Und diese Chance muss und kann ergänzt werden um das, was sich neudeutsch Sektorenkopplung nennt, die Frage also, ob man erneuerbar hergestellten Strom auch in verschiedenen anderen Energiesektoren, also im Verkehr und in der Wärme, aber auch in Industriesektoren – das ist zum Beispiel die Stahlindustrie, das ist die chemische Industrie bei der Wasserstofferzeugung – unterstützen kann. Auch darin liegen im Übrigen Riesenchancen im Nachgang in den Exportmöglichkeiten in andere Länder. Und wer die chinesischen Bemühungen in diesem Bereich nur mal exemplarisch herausgehoben ansieht, der weiß, dass andere Länder sehr klar die Perspektiven sehen und auch ergreifen wollen. Wir sind lange nicht mehr allein in der Bundesrepublik Deutschland, sondern wir laufen da auch um die Wette mit anderen Forschungskompetenzen weltweit.

Sektorenkopplung bietet eine Riesenchance, den Strom, wenn er hier erzeugt wird, auch hier vor Ort in Wertschöpfung umzusetzen, daraus verschiedene Gase oder andere Dinge als Produkte herzustellen und damit das, was wir hier im Lande an Möglichkeiten zur gewerblichen industriellen Nutzung generieren können, zu erhöhen und damit auch wieder, um an Herrn Schulte anzuknüpfen, Arbeitsplätze nicht abzubauen, sondern auszuweiten, auszuweiten dann eben auch auf diese sekundären Bereiche.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht eine kleine Randbemerkung: Wenn wir Sektorenkopplung ansprechen, dann wird oft davon ausgegangen, man müsse diese Anlagen, zum Beispiel Power-to-Gas, also Wasserstoffherstellung, für die sogenannten Abregelungszeiträume errichten, dafür würden die sich nicht lohnen, das macht wirtschaftspolitisch keinen Sinn, sondern wenn, müssen Sie einen Teil der Windkraftanlagen dann tatsächlich primär für die Gaserzeugung einsetzen. Und ich würde an der Stelle gern mit einem häufig geäußerten Vorurteil aufräumen. Wenn man reinhorcht, dann klingt es immer so, als ob wir 60/70/80 Prozent der möglichen, aus Windkraftanlagen generierten Windstromleistungen abregeln würden. Wir sind bei einem Bruchteil dieser oft in Diskussionen angedeuteten Punkte.

Wir waren im Übrigen 2015 bei fast 5 Prozent Abregelung. Das war ein unerfreulich hoher Wert. Die drei großen Stromnetzinhaber, die WEMAG, 50Hertz und die E.DIS haben nachhaltig gearbeitet. 2018 waren wir von den früher, 2015, 5 Prozent auf 1,42 Prozent gesunken. Das zeigt, wie nachhaltig die Abregelungsintensitäten heruntergefahren werden. Damit alleine werden Sie also einen Elektrolyseur zur Wasserstoffherstellung nicht auslasten können, Sie werden entsprechende Stromerzeugungsleistungen nur für diese Sektorenkopplungsfragen brauchen.

Meine Damen und Herren, wir verbinden deshalb in Mecklenburg-Vorpommern bewusst Klimaschutz mit Industriearbeitsplätzen, mit gewerblichen Arbeitsplätzen. Das wollen wir gern ausbauen und nicht zurückbauen. Dafür brauchen wir bundespolitisch Geleitschutz. Ich bin deshalb dankbar, dass die Ministerpräsidentin zusammen mit den vier norddeutschen Länderkolleginnen und -kollegen genau das

eingefordert hat, dass wir in den kommenden sechs Monaten klare, verlässliche Planungsprämissen bekommen. Und auf der Grundlage, hoffe ich, werden dann auch der Windkraftausbau und die Biomasse, die Biogaserzeugung wieder in Vorhand geraten und wir werden unsere Arbeitsplätze nicht nur sichern, sondern ausbauen können.

Das gilt im Übrigen – als kleiner Ausflug – auch für Übergangstechnologien. Sie werden Erdgas als Übergangstechnologie für längere Zeiträume brauchen, für die gesicherte Leistung. Und deshalb – das sei mir erlaubt, weil es einfach tagesaktuell ist, auch wenn es nicht perfekt zur Aussprache passt –, deshalb werden wir auch Nord Stream 1 genau wie Nord Stream 2 brauchen, weil wir die Mengen Gas, Erdgas in Europa benötigen, die wir nicht mehr in den vergangenen Mengenvolumina in den Niederlanden beispielsweise fördern. Wir werden es deshalb auch brauchen, dass entsprechende Erdgasmengen in Gesamteuropa vorhanden sind.

Nord Stream 2 ist kein rein deutsches Projekt, sondern ganz bewusst ein europäisches, mit verschiedenen Nachbarländern gemeinsam. Und wenn Sie sich die EUGAL anschauen, die von Lubmin bis an die tschechische Grenze führt und künftig Nord-Stream-2-Erdgas übernehmen soll und nach Tschechien zum Beispiel bringt, dann zeigt es sehr deutlich, dass Nachbarländer genau darauf auch rekurrieren. Ich sehe es deshalb mit großer Sorge, dass dort aus, ich glaube, eher wirtschaftspolitischen Interessen ein geopolitisches Projekt infrage gestellt wird. Wir werden sehr achtgeben müssen, dass die energiepolitische Autarkie innerhalb Europas nicht allzu sehr infrage gestellt wird. – Ich danke für die Aufmerksamkeit mit diesem kleinen Ausflug.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und AfD)

Herr Minister, zu Ihrem Redebeitrag ist eine Kurzintervention aus der Fraktion der AfD angemeldet worden.

Bitte schön, Herr Grimm.

Ja, sehr geehrter Herr Minister, ich sage das jetzt ein bisschen an Ihre Adresse, ein bisschen mehr aber noch an die Adresse Ihres Vorredners Herrn Schulte.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Die Energiewende...

Jetzt muss ich kurz unterbrechen. Also eine Kurzintervention kann immer nur zu dem vorherigen Redebeitrag sein.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Sie müssen sich also in Ihrer Kurzintervention an Herrn Minister Pegel richten. Alles, was Sie Herrn Schulte hätten sagen wollen, hätten Sie ihm sagen müssen, als er geredet hat. Also können Sie das nur noch bilateral regeln.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So fix ist er nicht, der Kollege.)

Also alles, was Sie zu Herrn Minister Pegel sagen, ist zulässig.

Danke für den Hinweis.

Auch an Herrn Pegel folgende Ausführungen: Man kann sich doch jetzt nicht darüber wundern, dass die Energiewende gerade in der Branche Windenergie in einer tiefen Krise steckt. Das liegt doch alles daran, dass die Energiewende fürchterlich schlecht geplant und mit heißer Nadel gestrickt wurde. Da fängt man an und pflastert die windhöffigen Bundesländer, darunter auch MecklenburgVorpommern, zu mit Windkraftanlagen,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

was aber fehlt, das ist die Ableitung über entsprechend vorbereitete Leitungen, und was auch fehlt – und das ist ja die ganz große Kritik an der Windenergie, an der Energiewende überhaupt –, die Stromspeicher fehlen.

Jetzt steckt man also in einer tiefen Krise und Sie wundern sich und machen hier geltend, dass die sozialen Auswirkungen nicht ausreichend beachtet wurden. Ich finde, das ist eine falsche Herangehensweise. Werden Sie sich bitte darüber bewusst, dass die Planung einfach schlecht ist! In einer Zeit, als Deutschland noch alle Tassen im Schrank hatte,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD)

da hatte man geplant...

Also an dieser Stelle möchte ich noch mal unterbrechen.

Herr Grimm, ich bitte Sie doch, das Parlament in der Weise wertzuschätzen,

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

dass Sie in Ihrer Wortwahl …

… solche Dinge vielleicht anders nennen, wenn Sie denn den Wunsch haben, so etwas zu benennen.

Ja, manchmal muss man vielleicht auch...

Nicht kommentieren! Nicht kommentieren! Einfach sacken lassen! Wir können...

Das war kein Kommentar.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Andreas Butzki, SPD: Porzellankrankheit.)

Wir werden das mal bilateral klären.

Also in einer Zeit, als wissenschaftlich und ordentlich geplant wurde, hätte man für so weitreichende Entscheidungen wie diese völlige Umstellung der Energieversorgung eines ganzen Industrielandes ein Heer von Wissenschaftlern und Planern darangesetzt, und dann wäre alles auch etwas besser verlaufen, als es jetzt verläuft. Im Augenblick endet die Energiewende in einem Chaos. Wir sehen die ersten Anzeichen davon.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Die Windenergie kollabiert, und wir werden – das hatte ich ja schon an anderer Stelle hier mal angesprochen – den Blackout auch möglicherweise...

Herr Grimm, ich habe immer unterbrochen, wenn ich Sie unterbrochen habe, aber die zwei Minuten sind jetzt abgelaufen. Sie haben aber noch Redezeit. Ich denke mal, der Minister weiß, worauf Sie hinaus wollen.

Ich bin auch fertig mit meiner Intervention. – Danke.

Herr Minister, möchten Sie antworten?

Gewiss.

Bei Ihnen schwebt ja immer die Überschrift da drüber, das ist alles im Chaos versunken. Das Chaos sehe ich nicht.

(Jochen Schulte, SPD: Nee.)

Ich lade Sie immer noch ein, sich den Bericht der Bundesnetzagentur anzuschauen, der jährlich herausgegeben wird. Deutschland hat noch nie so geringe Stromunterbrechungszeiten gehabt wie im Jahr 2018. Wir sind also von Ihrem Blackout, von der ständigen Stromausfallsintensität weit entfernt.

Zweitens. Ich glaube auch, dass die Bundesrepublik Deutschland weiterhin gedanklich, emotional und geistig auf der Höhe der Zeit ist. Ich habe eine gewisse Grundliebe zu meiner Heimat und ich finde es deshalb schwierig zu behaupten,

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Deutschland habe sozusagen als Republik, sei ins Chaos gestürzt und habe sich … nicht mehr alle Tassen im Schrank, wollte ich formulieren, jetzt muss ich vorsichtig sein, Sie nicht zu wiederholen. Gleichwohl, gegen diese Formulierung würde ich mich gern wehren wollen.

(Andreas Butzki, SPD: Da kann man auch sagen „Porzellankrankheit“. Das ist das Gleiche.)