Protokoll der Sitzung vom 11.03.2020

Ja, ich kritisiere das ja nicht, ich sage ja nur, es wäre sinnvoll gewesen,

… und dabei die Ergebnisse der Anhörung vorgestellt hätte, denn die Anhörung zum Gesetzentwurf hat ein ganz anderes Bild ergeben, als hier in einzelnen Reden dargestellt worden ist.

Und in der Klammer, wenn der Ausschussvorsitzende krank ist, dann gibt es einen stellvertretenden Ausschussvorsitzenden, den man hätte ins Rennen schicken können. So bleibt dem geneigten Publikum leider nichts weiter übrig, als die Beschlussempfehlung und vor allen Dingen die Darstellung zur Anhörung selbst zu lesen. Aber auch das empfehle ich, weil das hochinteressant ist. Mit dem, was hier gesagt worden ist, hat es nämlich an vielen Stellen überhaupt nichts zu tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die aktuelle Sicherheitslage, so betont der Gesetzentwurf, erfordere weitere neue polizeiliche Befugnisse. Hier sind allerdings ernsthafte Zweifel meinerseits angebracht. Die erste Kabinettsfassung mit dieser aktuellen Sicherheitslage und ihren polizeirechtlichen Herausforderungen fand am 20. Januar 2019 statt, also vor einem Jahr, einem Monat und zwei Wochen. So arg kann es also mit der Sicherheitslage in unserem Land nicht bestellt sein, wenn man den diesbezüglichen Beratungseifer der Koalition beziehungsweise den Abstimmungsbedarf in der Koalition zum Polizeiombudsmann zum Maßstab nimmt.

Aber auch die tatsächliche Sicherheitslage, liebe Kolleginnen und Kollegen, in unserem Land, also abnehmendes Straftatenaufkommen bei steigenden Aufklärungsquoten, spricht für eine gute Arbeit unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Dafür – auch erneut – seitens meiner Fraktion ein herzliches Dankeschön!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ausufernde Ermittlungsbefugnisse beziehungsweise der vorliegende Gesetzentwurf lassen sich mit konkreter Kriminalitätsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern jedoch nicht begründen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Widerspruch zwischen der geringen Erforderlichkeit einerseits und erheblichen Eingriffstiefe andererseits wird gerade bei den Regelungen des Entwurfs deutlich und überdeutlich, die öffentlich und parlamentarisch besonders umstritten sind, nämlich die Onlinedurchsuchung und die Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Wenn die Kronzeugen für diese neuen Befugnisse im Innenausschuss vortragen in der von mir bereits zitierten Anhörung, dass das zwingend erforderliche polizeiliche Mittel seien, aber dann eingestehen müssen, dass diese praktisch noch nie zur Anwendung kamen, dann ist das auch für eine solide Gesetzgebung keine Grundlage.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Onlinedurchsuchungen und Quellen-TKÜ unter dem Vorwand der Gefahrenabwehr beziehungsweise polizeilicher Prävention stellen einen Paradigmenwechsel dar, dessen Flurschaden noch gar nicht absehbar ist. Aus der Polizei als allgemeinem Inbegriff von Sicherheit und Gefahrenabwehr wird nämlich eine Institution, deren Arbeit auf Unsicherheit und Sicherheitslücken von IT-Systemen basiert und die zur potenziellen Gefahr von IT-Nutzern mutiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ältere Generationen mögen hier sagen, na und, ich habe ja nichts zu verbergen und Bewegungsprofile von mir würden auch eher ein Standbild abgeben, aber bei den internetaffinen mittleren und jüngeren Generationen provozieren Sie mit diesen Eingriffsbefugnissen einen Vertrauensbruch, der nachhaltig sein wird,

(Zurufe von Beate Schlupp, CDU, und Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

denn diese Generationen wissen aus eigenem Erleben und Alltag, dass nicht fehlende Daten, sondern vielmehr Datenflut das eigentliche Problem der modernen Kommunikationswelt ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch unser bisheriges Gesetzgebungsverfahren war nicht besonders geeignet, Vertrauen in das neue Polizeirecht zu schaffen. Von den Anhörungen zur Kreisgebietsreform mal abgesehen, habe ich kaum eine so kritische Anhörung wie zum vorliegenden Gesetzentwurf erlebt.

Nun muss man vorgetragener Kritik bei Anhörungen nicht in jedem Punkt folgen, andernfalls wäre ja Gesetzgebung unmöglich, aber, liebe geschätzte Frau Kollegin

von Allwörden, mit Ihrem Statement nach der Anhörung haben Sie etwas ganz anderes gemacht. Ich zitiere: „Die Praktiker haben in der Anhörung klargemacht, dass die Änderungen am Sicherheits- und Ordnungsgesetz sinnvoll und notwendig sind. … Ich fühle mich durch die heutige Anhörung in meiner Auffassung bestärkt: Das Innenministerium hat einen guten Gesetzesentwurf erarbeitet,“

(Beifall Egbert Liskow, CDU)

„der im Landtag ohne substanzielle Veränderung beschlossen werden kann.“ Zitatende.

Lieber Kollege Liskow, erstens waren Sie bei der Anhörung gar nicht anwesend und zweitens,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

und zweitens muss ich wohl noch bei einer anderen Anhörung gewesen sein. Lesen Sie, lesen Sie bitte die Beschlussempfehlung und dann überdenken Sie Ihren Beifall noch mal!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so schlägt man Anzuhörenden, so hört man, so schlägt man Anhörungen in den Wind und Anzuhörenden ins Gesicht. So blamiert man sich nicht nur selbst, so führt man auch parlamentarische Anhörungen ad absurdum.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Der Innenminister jedenfalls fühlte sich durch die Anhörung alles andere als bestätigt. Für ihn war vielmehr die Mehrzahl der Anzuhörenden ziemlich ahnungslos, ziemlich ahnungslos.

(Zuruf von Ann Christin von Allwörden, CDU)

Journalistenverband, Landesdatenschützer, Neue Richtervereinigung, Deutscher Anwaltsverein, Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt – alle irrten und hätten nur den wohltuenden Gesetzentwurf und den Grundtenor dieses Gesetzes nicht verstanden. So blieb ihm nichts weiter übrig, als noch mal eine einstündige Einbringungsrede im Innenausschuss für diesen Gesetzentwurf zu halten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine abschließenden Anmerkungen gelten der zu schaffenden Ombudsstelle. Auch in diesem Punkt wählt die Koalition den bürgerunfreundlichsten Weg, den bürgerunfreundlichsten Weg. Der Polizeibeauftragte soll, so heißt es in der Entschließung ausdrücklich, kein Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger sein. Ich betone noch mal, hier geht es überhaupt nicht um mich. So macht man es in Hessen oder in Nordrhein-Westfalen. Aber warum orientieren Sie sich nicht an Baden-Württemberg, SchleswigHolstein oder sogar Berlin oder an unserem Nachbarland Brandenburg? Dort geht man auch unter SPD-Führung andere Wege.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Nach Ihren Vorstellungen werden Bürgerrechte zwar weiter massiv beschnitten, polizeiliches Handeln aber bleibt weiterhin von außen kaum kontrollierbar. Und deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, werbe ich

ausdrücklich für die Annahme unserer Änderungsanträge. Die gehen zurück auf die Vorschläge und Forderungen, unter anderem des Deutschen Journalistenverbandes und der Koordinierungsstelle CORA. Und schließlich schlagen wir in unserem Entschließungsantrag einen Ombudsmann/eine Ombudsfrau für die Polizei und für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes vor.

Gerade nach den jüngst bekannt gewordenen Vorfällen des Datenklaus von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten stellt sich doch die Frage, welche Möglichkeit betroffene Bürgerinnen und Bürger haben, sich an einer unabhängigen Stelle genau über dieses Vorgehen zu beklagen und Änderungen herbeizuführen. Wenn es möglich ist, dass sogar Dritte oder für Dritte durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte Daten abgegriffen werden, dann stellt sich doch die Frage ganz klar: Wo ist hier die Eingriffsschwelle, wo ist hier das Hemmnis, wo habe ich die Möglichkeit, als Betroffener Einfluss zu nehmen?

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Diese Stelle gibt es nicht. Diese Stelle wollen wir mit unserem Änderungsantrag beziehungsweise Entschließungsantrag einrichten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Sicherheits- und Ordnungsgesetz – das liegt in der Natur der Sache – ist eines der umstrittensten Gesetze. Es hat dazu zahlreiche, auch öffentliche Veranstaltungen und Auseinandersetzungen gegeben. Nur weil die Abstimmung zu diesem Gesetz auch von öffentlichem Interesse ist, beantrage ich zur Schlussabstimmung des Gesetzes namentliche Abstimmung.

(Egbert Liskow, CDU: Danke!)

Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ritter!

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung anderer Gesetze auf Drucksache 7/3694.

Der Innen- und Europaausschuss empfiehlt in Ziffer I seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Landesregierung entsprechend seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 7/4766 anzunehmen.

Ich rufe auf in Artikel 1 die Paragrafen 1 bis 26a entsprechend der Beschlussempfehlung des Innen- und Europaausschusses. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltung? – Vielen Dank! Damit sind in Artikel 1 die Paragrafen 1 bis 26a entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses und Europaausschusses mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU, AfD und der fraktionslosen Abgeordneten, bei Gegenstimmen durch die Fraktion DIE LINKE und den fraktionslosen Abgeordneten angenommen.

Ich rufe auf in Artikel 1 den Paragrafen 26b entsprechend der Beschlussempfehlung des Innen- und Europaausschusses.

Hierzu liegen Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4776 und ein Änderungsantrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4778 vor, über die ich zunächst abstimmen lasse.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4776 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltung? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4776 bei Zustimmung durch die Fraktion DIE LINKE und im Übrigen Ablehnung abgelehnt.

Ich lasse nun über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4778, soweit er in Artikel 1 den Paragrafen 26b betrifft, abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4778, soweit er in Artikel 1 den Paragrafen 26b betrifft, zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltung? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4778, soweit er in Artikel 1 den Paragrafen 26b betrifft, bei Zustimmung durch die Fraktion der AfD sowie der fraktionslosen Abgeordneten und im Übrigen Gegenstimmen abgelehnt.

Wer in Artikel 1 dem Paragrafen 26b entsprechend der Beschlussempfehlung des Innen- und Europaausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltung? – Vielen Dank! Damit ist in Artikel 1 Paragraf 26b entsprechend der Beschlussempfehlung des Innen- und Europaausschusses bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD, CDU und AfD sowie der fraktionslosen Abgeordneten und Gegenstimmen durch die Fraktion DIE LINKE und den fraktionslosen Abgeordneten zugestimmt.

Ich rufe auf in Artikel 1 …

(Unruhe auf der Regierungsbank)

Wir sind mitten in der Abstimmung und ich bitte um ein bisschen Ruhe, weil wir uns alle konzentrieren müssen, insbesondere ich mich selbst jetzt.