Protokoll der Sitzung vom 10.06.2020

wenn Sie möchten, aber das möchte ich Ihnen mal vorhalten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das macht die Präsidentin, ob er dazu Stellung nehmen will!)

Ja, vielen Dank für den Hinweis, Herr Ritter!

Ich frage also Sie, Herr Abgeordneter Ehlers …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wie lange sind Sie schon hier?! Wie lange sind Sie schon hier?!)

Einen Moment!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ein Spruchgelehrter! – Stephan J. Reuken, AfD: Das hat damit überhaupt nichts zu tun!)

Also jetzt bin ich, jetzt bin ich ja hoffentlich mal an der Reihe, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE – Stephan J. Reuken, AfD: Das ist ja widerlich, ehrlich mal! Benehmen Sie sich mal! – Holger Arppe, fraktionslos: Stasi! – Peter Ritter, DIE LINKE: Hastʼ noch alle Tassen im Schrank?!)

Wenn denn jetzt jeder gesagt hat, was er zu sagen beabsichtigt hat, dann möchte ich darauf hinweisen, dass eigentlich ich jetzt hier das Wort habe! Deswegen habe ich auch das Mikro an und ich frage Sie, Herr Abgeordneter Ehlers, nach dem Hinweis von Herrn Ritter, ob Sie auf diese Kurzintervention antworten möchten. (Zustim- mung)

Bitte schön!

Die aufgeheizte Stimmung, die jetzt aber eigentlich wenig mit dem Beitrag von Herrn Grimm zu tun hatte, sondern vielleicht andere Gründe hat, mal wieder ein bisschen zu versachlichen, weil eigentlich das ja auch ein ganz sachliches Thema ist, zu dem man verschiedener Auffassung sein kann – ich habe jetzt ehrlicherweise nicht die Niedriglohnsektoren aller europäischen Länder hier präsent, das kann ich jetzt nicht beantworten, diese Frage. Aber Fakt ist ja nun mal – und da knüpfen wir mal an die Arbeitsmarktdebatten an, die wir hier vor Corona geführt haben –, dass wir einfach hier sehr gut aufgestellt sind und dass wir einfach in vielen Bereichen Deutschlands in den Bereich Vollbeschäftigung gehen und dass es für uns auch immer das A und O ist zu sagen, wir brauchen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Da haben wir in den letzten Jahren eine sehr gute Entwicklung gehabt, und auch beim Thema Jugendarbeitslosigkeit sind wir einfach besser als andere europäische Länder aus vergangenen Krisen gekommen.

Ich glaube, das kann man nicht wegdiskutieren, ohne dass man jetzt hier sagt, beim Thema Lohn ist alles in Ordnung. Ich glaube, da sind wir auch beieinander, dass wir gerade hier im Land viele Bereiche haben, wo auch noch was getan werden muss.

Aber ich glaube, zur Wahrheit gehört auch, wenn man die jungen Leute angesprochen hat, die jetzt 2.000 Euro verdienen, wenn man sich anschaut, wer einen Schulabschluss hat, wer eine gute Ausbildung hier hat, der hat, glaube ich, auch hier im Land gute berufliche Perspektiven, auch ohne ein Hochschulstudium. Und von daher glaube ich, das gehört zur Wahrheit auch mit dazu. Von daher bleibe ich bei meiner These, wir sind aus der letzten Krise besser gekommen als andere Länder, weil der Arbeitsmarkt und die Instrumente auch so flexibel waren,

und das sollten sie künftig auch bleiben. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Ehlers!

Das Wort hat jetzt noch einmal für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe natürlich sehr genau zugehört, was hier im Rahmen der Debatte vorgetragen wurde. Ich muss sagen, manches habe ich genau so erwartet, anderes weniger.

Ich möchte vielleicht eingangs noch mal daran erinnern, dass die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung zwischen CDU/CSU und SPD eigentlich beschlossene Sache war. Also Sie feiern sich hier für was, was noch gar nicht Realität geworden ist, und deshalb stellt sich natürlich die Frage, warum das Projekt nicht vorankommt, denn wenn es einen Bereich gibt, in dem die GroKo in Berlin seit 2017 besonders emsig unterwegs war, dann ist es in der Tat die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Und die Schlagworte hatte Herr Brade geliefert. Denken Sie an das Teilhabe- und das Qualifizierungschancengesetz, die Debatte zum Recht auf Homeoffice oder auch die Grundrente!

Mit Blick auf die SPD, Herr Brade ist jetzt leider nicht mehr da …

(Schriftführer Christian Brade: Doch, doch, ich hörs doch!)

Herr Brade!

Ach, Sie sitzen da hinten! Ich nehme es zurück, Entschuldigung!

(Minister Harry Glawe: Ein Schriftführer darf sich auch mal melden.)

Sie gehen Ihrer Pflicht als Schriftführer nach, okay.

Also mit Blick auf die SPD möchte ich noch ergänzen, dass diese Begrenzung der sachgrundlosen Befristung ja auf Ihrem Parteitag im vergangenen Herbst noch zur Bedingung für den Fortbestand der Berliner Koalition gemacht wurde, und folgerichtig hatte Ihr Arbeitsminister Heil dann auch einen Gesetzentwurf noch vor Ende 2019 angekündigt. Und jetzt haben wir Juni 2020, und was ist passiert? Richtig, meine Damen und Herren, nichts! Und deswegen ist dieser Antrag hier und heute richtig und leider auch notwendig. Und meine Vermutung zum Eiertanz auf Bundesebene ist ja, dass irgendwie keiner der beiden Koalitionspartner so richtig glücklich damit ist, was da anno 2017 in den Koalitionsvertrag geschrieben wurde. Auch das klang beim Kollegen Brade ja an, denn die SPD ist, in weiten Teilen jedenfalls, eher bei uns und möchte die sachgrundlose Befristung lieber ganz abschaffen. Und in der Union ringen der wirtschaftsliberale Flügel, die Konservativen mit dem Arbeitnehmerflügel.

Warum erwähne ich das? Und ich schaue noch mal zu den Kollegen von der CDU-Fraktion und zum Arbeitsminister und möchte Sie fragen: Kennen Sie eigentlich Ulrich Silberbach?

(Sebastian Ehlers, CDU: Ja, guter Mann! Der ist von der Jungen Union.)

Der Mann ist Bundesvorsitzender vom DBB Beamtenbund und Tarifunion und nebenbei auch engagiertes CDU-Mitglied, und seine Position zu dem heutigen Antrag wäre folgerichtig auch eindeutig. Er macht nämlich die gleichen Gründe für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung geltend wie wir.

Vielleicht hören Sie mal zu, Zitat: „3,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren 2018 in Deutschland befristet beschäftigt. Bei jedem Zweiten gab es … keinen Sachgrund. Ihre Arbeitsverträge hatten ein Ablaufdatum – und zwar nicht, weil der Arbeitgeber eine Elternzeit, Krankheitsausfälle oder Ähnliches überbrücken musste. Für die Beschäftigten … eine schwierige Situation. Die Unsicherheit, ob und wie es nach Ablauf des Vertrags weitergeht, beeinflusst das Leben. Familienplanung, Hausbau, zur Ruhe kommen: Vieles wird erstmal aufgeschoben.“

Und interessanterweise kommt er auch zu den gleichen Schlussfolgerungen wie wir, auch das möchte ich zitieren: „Die CDA setzt sich deshalb dafür ein, befristete Arbeitsverträge auf ein Minimum zu begrenzen. Der erste Schritt: Sachgrundlose Befristungen sollten stark eingeschränkt werden – so sieht es ja auch der Koalitionsvertrag vor. … Viele Unternehmen nutzen sachgrundlose Befristungen als (stark) verlängerte Probezeit – diese Flexibilität wollen sie sich nicht nehmen lassen. Entsprechend groß ist der Widerstand aus der Wirtschaft. Anscheinend“ – leider – „mit Erfolg, denn der geplante Gesetzesentwurf von SPD-Minister Heil … liegt aktuell auf Eis.“ Zitatende.

Das muss nach den Reden, die Herr Ehlers und Herr Glawe hier heute wieder gehalten haben, ja schon fast nach Sozialismus klingen. Aber nein, meine Damen und Herren von der CDU, die Forderungen stammen aus Ihrem eigenen Laden. Nach Karl-Josef Laumann muss ich hoffentlich hier niemanden von der CDU fragen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Ich nutze den CDA-Bundesvorsitzenden und Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen aber gern, um darauf hinzuweisen, dass auch der zweite Teil unseres Antrages eben nicht nur ein typischer Foerster, wie die Kollegen Waldmüller und Glawe es hier gern zu sagen pflegen, ist, sondern auch in CDU-Kreisen durchaus auf Zustimmung treffen könnte.

(Minister Harry Glawe: Na ja!)

Der Kollege verweist nämlich mit Blick auf das stockende Vorhaben im Bund auf Folgendes, auch das möchte ich gern zitieren: „Wir brauchen dringend eine Einigung im Bundestag. Solange wir hier nicht weiterkommen, muss zumindest im Öffentlichen Dienst die sachgrundlose Befristung gestoppt werden“, und er fügt an, warum er das so sieht: „Im öffentlichen Dienst wird fast jeder Zehnte befristet eingestellt und nur jeder Vierte anschließend übernommen. In der Privatwirtschaft liegt die …quote dagegen bei 45 Prozent.“

Und was macht der gute Mann dann folglich? Ich sage es Ihnen und zitiere noch einmal: „,Es hat ein wenig gedau

ert, aber heute gibt es bei mir im Haus keine unbegründeten Befristungen mehr.‘ Als Landesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW war es ihm ein persönliches Anliegen, für klare Verhältnisse bei seinen Angestellten zu sorgen. Niemand sollte in Deutschland ohne Sachgrund befristet eingestellt werden. … Für mich ist … klar: Der Öffentliche Dienst muss als Vorbild dienen. Wenn der Staat schludert, wird es schwer, der Wirtschaft Vorgaben zu machen.“ Zitatende.

(Heiterkeit bei Minister Harry Glawe: Was wollen Sie mir damit jetzt sagen, Herr Foerster?)

Also kein typischer Foerster, wie gesagt, ein Zitat von Karl-Josef Laumann, Ihrem Parteifreund.

Und, meine Damen und Herren von CDU und SPD, ich sage es ja, besser hätte ich es gar nicht formulieren können, weil genau darauf zielt Teil 2 unseres Antrages. Wir erwarten, dass sich die Landesregierung nicht immer dahinter versteckt, was in Berlin gerade geht oder nicht, sondern dass sie ihre Hausaufgaben zunächst mal im eigenen Beritt erledigt, und leider haben wir heute wieder erlebt, wie hasenfüßig sie teilweise agiert.

(Minister Harry Glawe: Hasenfüßig?!)

Berlin und Sachsen sind laut DBB Beamtenbund bereits ebenfalls vorbildlich unterwegs und verzichten auf sachgrundlose Befristungen im eigenen Einflussbereich. Die Hamburger, an deren Handeln wir uns beim heute hier vorliegenden Antrag orientiert haben, sind also nicht allein. Sie haben den Willen der Bürgerschaft in einen Personalerlass gegossen, und daher appelliere ich auch noch mal an die Koalitionsfraktionen, sich einen Ruck zu geben, und möchte Ihnen auch gern eine Brücke bauen und Ihnen vorschlagen, den Antrag in den für Arbeit zuständigen Wirtschaftsausschuss zu überweisen und sich dort die Hamburger Regelung wenigstens einmal genau anzuschauen. Das dürfte hierzulande keine Koalitionskrise auslösen und tut übrigens auch gar nicht weh.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Zu guter Letzt möchte ich die Damen und Herren der CDU noch auf ihren Parteifreund und Oberbürgermeister der Stadt Essen Thomas Kufen hinweisen.

(Minister Harry Glawe: Mein Gott! Mein Gott!)

Dieser schaffte innerhalb kürzester Zeit die sachgrundlose Befristung nämlich gänzlich ab, Herr Kollege Glawe,

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

und auch er hat gute Gründe dafür, die ich Ihnen natürlich nicht vorenthalten möchte.

(Minister Harry Glawe: Jaja!)