Protokoll der Sitzung vom 11.06.2020

(Dr. Wolfgang Weiß, DIE LINKE: Hilflos!)

ja, ich sage mal hilflos an der Stelle – genau, Sie sagen es ganz richtig, Dr. Weiß –, weil jede Regelung ist nur wirklich gut, wenn sie sehr lückenlos auch vollziehbar ist. Und da haben wir an vielen Stellen, da gebe ich Ihnen recht, das Problem, dass eben doch viele Lücken irgendwo da sind, mit denen man das umgehen kann. Wenn ich eben aus Mecklenburg-Vorpommern nicht nach Usbekistan exportieren darf, gut, dann exportiere ich vielleicht erst nach Polen und dann nach Usbekistan, oder ich verbringe die Tiere vielleicht erst nach Bayern und von dort woanders hin.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Weiß, DIE LINKE)

Also es gibt ja leider viele, viele Menschen, die sich sehr wohl der juristischen Lücken bewusst sind und die das dann auch gezielt für ihre Zwecke nutzen. Und da ist es eben nicht richtig zu sagen, na ja, nun hören Sie doch mal zu, einem Wirtschaftsunternehmen, wie die das fänden, wenn man die Transporte jetzt unterbindet, denn es geht nicht immer nur um Wirtschaft, sondern am Ende hat Politik die Aufgabe, alle Bereiche abzuwägen, sowohl

die Wirtschaft als auch den Tierschutz, als auch die gesellschaftliche Verantwortung natürlich. Das müssen wir in Waage bringen, und da zählt dieses Argument an dieser Stelle meines Erachtens nach nicht.

Es wurde vorgeschlagen von Herrn Strohschein, man könne zukünftig doch lieber Langstreckentransporte mit Schiffen machen. Herr Strohschein, Sie haben sicherlich auch in der Vergangenheit immer mal wieder Aufnahmen gesehen, dass es eben auch da immer mal wieder schwarze Schafe gibt. Ich will das nicht auf alle beziehen, das mache ich auf gar keinen Fall, aber es war kürzlich gerade wieder eine Reportage, wo eben lebende Mastbullen an den Beinen aus dem Schiff dann auf den Hafen gehoben werden. Das sind Zustände, die man nicht tolerieren kann. Und ob dann tatsächlich,

(Zuruf von Jürgen Strohschein, AfD)

ob dann tatsächlich auf See die Versorgung immer genauso gut funktioniert, wie Sie das hier vorgestellt haben, darf man zumindest bezweifeln.

Was wir fordern – und das haben wir ja auch auf Bundesebene im Koalitionsvertrag eingebracht –, dass eben endlich die Bundesregierung die Nutztierstrategie vorlegt, damit eben auch genau das am Ende vernünftig umgesetzt wird, was gefordert ist beziehungsweise was eigentlich auch schon Status quo ist, das muss man ja so anerkennen.

Und es gibt ja, 2019 gab es im Februar eine Entschließung des Europäischen Parlaments auch noch mal zu diesem Thema, die ganz viele Punkte aufgreift, warum eben der Vollzug oder welche Stellen des Vollzugs nicht funktionieren. Und da ist ein ganz gravierender Punkt, dass eben auch die Kontrollen in den Mitgliedsländern sehr unterschiedlich gut gemacht werden beziehungsweise überhaupt gemacht werden. Es gibt viele Länder in der Europäischen Union, die eben so gut wie gar nicht kontrollieren, und das Kontrollniveau ist so unterschiedlich, dass man selbst die Daten, wenn Missstände auffallen, überhaupt nicht miteinander vergleichen kann. Also man kann nicht sagen, in Deutschland haben wir besonders wenige und in Frankreich besonders viele oder andersrum, weil einfach die Datengrundlage eine ganz unterschiedliche ist.

Von daher muss man da dringend an einer einheitlichen Vorgehensweise arbeiten, und man muss vor allem sich bewusst sein, dass, wenn wirtschaftlicher Profit eben im Vorrang steht und dann eben auch sowohl auf dem Rücken der Tiere als aber auch der Fahrer, beispielsweise der Logistikunternehmen, dass sich dann eben an Fahrtenbücher nicht vernünftig gehalten wird oder an Fahrzeiten, an Pausenzeiten, an Versorgungszeiten, dann für die Tiere, dass man da mittlerweile technisch viel, viel mehr Möglichkeiten hat als noch vor einigen Jahren, indem man GPS-Tracking macht, indem man Wiegefunktionen in Lkw nutzen kann, um zu gucken, ist das plausibel, indem man also auch den Veterinärbehörden ermöglicht, in Livezeit sozusagen zu schauen, wie plausibel das ist, was am Ende angegeben wird, weil ich glaube – da mache ich auch keinen Hehl daraus –, es ist mittlerweile eben auch möglich, die Daten so hin zu bearbeiten, dass es plausibel aussieht. Das heißt nicht automatisch, dass es plausibel ist.

Das heißt nicht, dass wir als SPD-Fraktion hier einen Generalverdacht aufmachen, aber wir haben ein absolu

tes Vollzugsproblem, das erkennen wir an. Deswegen bin ich auch so dankbar, dass man das an dieser Stelle des Tages einfach auch mal so klar benennen kann, dass es eben da große Missstände nach wie vor gibt und die nicht nur damit zu beheben sind, dass wir sozusagen vielleicht noch breiter gestreute Schlachtkapazitäten haben. Natürlich sind sie auch damit minimierbar, aber am Ende ist die Art und Weise des Umgangs mit dem Tier immer davon abhängig, wer geht mit dem Tier um und unter welchem Druck möglicherweise auch steht diese Person, sei es Druck vom Arbeitgeber, sei es die eigene finanzielle Lage und so weiter. Von daher ist es am Ende immer auch ein Problem des einzelnen Menschen, und das macht das so schwierig.

Und wenn wir dann eben entsprechend keine vernünftigen Kontrollinstrumente auf die komplette Europäische Union durchsetzen, dann können wir sehr wohl natürlich mit einer Vorbildfunktion vorangehen. Aber es ändert am Ende leider viel zu wenig für die Tiere. Von daher, ja, bleibt mir nicht mehr zu sagen als vielen Dank, dass Sie uns die Möglichkeit geben, dieses Thema hier noch mal zu benennen, auf die Missstände aufmerksam zu machen. Ich wäre sehr froh, wenn gerade auf europäischer Ebene der Kampf weitergeht, um wirklich hier den Vollzug auch hinzubekommen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Aber solange wir das noch nicht mal geschafft haben, glaube ich, dass wir eben mit einer weiteren Verschärfung einfach am Status quo nicht wirklich was ändern. Deswegen lehnen wir leider ab. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Aßmann!

Das Wort hat jetzt noch einmal für die Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Weiß.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abgesang für heute. Wenn wir auf die Uhr schauen, hätten das einige Leute vielleicht nicht für möglich gehalten, jetzt schon die letzte Rede.

Herr Minister, ich bin erst mal sehr dankbar für Ihre Darstellung. Im Wesentlichen haben Sie genau das bestätigt, was unsere Intention war, als wir diesen Antrag geschrieben haben, und zwar aus mehrfacher Hinsicht, insbesondere auch, und das Beispiel haben Sie ja selbst gebracht, mit Blick auf die Veränderungen, die gegenwärtig in der Landwirtschaft stattfinden. Diese außerordentlich starke Konzentration der Produktion in immer weniger Betrieben ist ja gewissermaßen die eine Seite dessen, was auf der anderen Seite dann im Hinblick auf die Verwertung der Tiere dabei herauskommt. Dazu gehört eben, wie ich eingangs bereits sagte, das Problem Tiertransport.

Die Transporte in immer größere Entfernungen, in Standorte mit größeren Entfernungen, aus welchen Gründen auch immer, ob zum Schlachten oder beispielsweise zur Zucht oder zur Weiterverwertung, im Hinblick auf Mast und Ähnliches, weil dort gewissermaßen stufenweise produziert wird, das sind alles Entwicklungsprozesse, die letztlich die Agrarwende, in der wir uns permanent seit vielen Jahren befinden, mit beschrei

ben und sind eine Seite einer stärkeren Orientierung auch auf eine Landwirtschaft, die mit immer weniger Menschen in der Produktion auskommt. Wir sind in Deutschland mittlerweile bei unter zwei Prozent im Beschäftigtenpaneel, was die landwirtschaftliche Produktion anbetrifft im Hinblick auf den Gesamtbestand an Beschäftigten in Deutschland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe nicht umsonst vorhin gesagt, ich möchte hier keine Gefühlsduselei betreiben, sondern mich vor allem auf die rechtlichen Seiten konzentrieren, und insofern, Frau Aßmann, ist das genau der Punkt, weshalb ich beispielsweise eben mir verkniffen habe, genau zu beschreiben, was auf solchen Langtiertransporten eigentlich geschieht. Das Hauptproblem ist in der Tat, wenn wir uns im politischen Raum befinden, nicht die Diskussion über das Tierleid im Detail. Es geht eben nicht um, da muss ich Ihnen, Kollege Kliewe, widersprechen, nicht um einen Beitrag für weniger Tierschutz, sondern es geht – für mehr Tierschutz –, sondern es geht darum, die Bereiche einfach zu verbieten, wo wir wissen, dass der Tierschutz dort in dem Sinne, wie wir es in der EU rechtlich verbrieft haben, nicht stattfinden kann und nicht stattfindet und wo wir keine Kontrollmöglichkeiten haben, wo wir keine Einflussmöglichkeiten haben zu sanktionieren, wenn es beispielsweise zu Verstößen kommt.

Und genau das ist übrigens, und wenn Sie schon die RinderAllianz angesprochen haben, das vorletzte Heft von der RinderAllianz, da steht genau das drin. Also die haben wir auf unserer Seite, die Rinderzüchter.

(Beate Schlupp, CDU: Die haben wir auch gefragt.)

Und ich bitte da wirklich um Vorsicht mit einer so schnellen Behauptung, dass wir die dann sofort gegen uns hätten.

(Beate Schlupp, CDU: Die haben wir auch gefragt.)

Nein, die wollen ganz genau, dass ihre Tiere nicht in Regionen verschifft oder verklappt oder verfahren werden, in denen dann mit den Produkten ihrer landwirtschaftlichen Liebe und Fürsorge so umgegangen wird, wie wir es oftmals beobachten. Es sind möglicherweise auch gar nicht diejenigen, die Mitglied der RinderAllianz sind, die hier ihre Tiere auf diese Tour schicken. Es ist so ähnlich wie im Bauernverband, dass da auch nicht alle organisiert sind.

Ich würde auch dann davor warnen, diejenigen, die bei der Durchsetzung von Recht und Ordnung in der Frage bereits vorgeprescht sind, na, ich möchte mal sagen, ein kleines bisschen lächerlich zu machen. Die Holländer haben es ja nicht umsonst verboten. Die Bayern, das Beispiel kam ja, vielleicht nach Bayern und dann weiter, gerade die Bayern haben es verboten. Und die Brandenburger haben es verboten. Das machen die ja nicht aus Jux und Dallerei. Das machen sie deswegen, weil es eben mit einem solchen Verbot nicht möglich ist, dass dann Tiere aus deutscher Produktion außerhalb der EU nicht normgerecht und nicht artgerecht behandelt werden. Und ganz genau deswegen, weil es eben sich um einen ganz kleinen Prozentsatz handelt, wird dadurch auch nicht die Landwirtschaft gleich in die Knie gehen. Also insgesamt halte ich es, und das bei allem Respekt, lieber Herr Kliewe, für sehr problematisch, hier – so, wie

ich es drei- oder viermal aus Ihrem Munde gehört habe – Tierschutz mit Gewinn oder mit Geld aufwiegen zu wollen.

Was kann passieren, wenn wir die rechtliche Seite durchdeklinieren, insbesondere dann, wenn wir auf der einen Seite sehen, dass bei der Analyse der EU-Tiertransportverordnung durch die Europäische Union genau das beschrieben wird, was ja auch Frau Aßmann bereits angedeutet hat und zum gleichen Ergebnis kommt wie andere Ausschüsse, die letztlich daraus ihre Schlussfolgerungen gezogen haben und Transporte so kurz wie möglich halten wollen und anstelle lebender Tiere Fleisch möglicherweise, wie beispielsweise bei Zuchttieren, lieber in Form von Sperma zu verschicken und Ähnlichem? Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?

Da gibt es eine ganze Reihe von Punkten, die von der EU, vom EU-Agrarausschuss bereits empfohlen worden sind. Aber damit das auch nicht nur diskutiert wird, sondern auch durchgebracht wird, braucht es möglicherweise etwas Druck. Und da kann man natürlich dann auch diesen Druck in Form eines Rückenwindantrages moralisch unterfüttern.

Da gibt es folgende Punkte, die beispielsweise als mögliche Lösungen angeboten werden:

erstens, Überarbeitung der Transportverordnung 1/2005

Das haben wir bereits andiskutiert und sind hier mehrheitlich ja auch schon angesprochen worden, insbesondere was die Transportzeiten …

Herr Dr. Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kliewe?

Gibt es die Möglichkeit, dass ich die Punkte schnell abarbeite?

(Zuruf aus dem Plenum: Nein.)

Dann brauche ich das nicht zu unterbrechen.

zweitens, Begrenzung der Transportzeit international

auf acht Stunden

Das haben wir uns nicht aus den Rippen geschwitzt, das kommt vom EU-Agrarausschuss als Empfehlung.

drittens, Schlachtung der Tiere am nächstgelegenen

Schlachthof

viertens, Transport von Fleisch und Sperma anstelle

lebender Tiere

stärkere Kontrolle der Tiertransporte

keine Abfertigung von Tiertransporten durch Veteri

närbehörden, bei denen anhand der Transportplanung schon ersichtlich ist, dass Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten werden können

Exportverbot für lebende Tiere in Drittländer außer